V.;
unwidersprochen. Nur die erstgenannte
Behauptung erfährt heute einen heftigen
Anprall in ,der neuesten Entdeckung
des bekannten französischen Astronomen
Flammarion. Zwar nennen die unbe
quemen Zeitgen ossen den Mann einen Phan
tasten, aber das Gleiche haben die Zeitge
nosscn des Copernikus und Galilei auch gesagt,
somit darauf ist nicht viel zu geben. Also
Flammarion behauptet uud führt aus
das; unsere Erde elf Ha uptbew egung ei
ausführe. Erstens fliegt sie mit einer
Schnelligkeit von 29450 Meter in der
Sekunde durch den Weltraum. Es ist eine
Kanonenkugel, welche mit einer fünfund-
siebenzigmal größeren Schnelligkeit fliegt
als eine Granate, und die unaufhörlich
fliegt, ohne je ihr Ziel zu erreichen. In
365 Tagen 6 Stunde 9 Minuten 10
Sekunden ist das Erdenprojektil an dem
selben Punkt seines Ausgangspunktes endlich
wieder angelangt, und fliegt immer fort.
Die Sonne ihrerseits verändert ihre
Stellung im Raume längs einer zur Ebene
der Erdbahn schiefen Linie, welche auf das
Sternbild des Herkules gerichtet ist. Da
raus ergiebt sich, daß die Erde, statt eine
geschlossene Kurve zu beschreiben, eine
Spirale beschreibt und nie zwei Mal den
selben Weg gemacht hat, seit sie besteht.
Zu ihrer jährlichen Umlauf-Bewegung kommt
als zweite Bewegung diejenige der Sonne
selbst, welche sie sammt dem ganzen Sonnen-
system in schief absteigender Linie gegen
das Sternbild des Herkules nach sich zieht
Während jener Zeit dreht sich unser Erd
kügelchen in 24 Stunden um sich selbst,
und verschafft uns die Aufeinanderfolge der
Tage und Nächte. Tägliche Umdrehung:
dritte Bewegung. Da die Neigung der
Erde zur Sonne sich von Jahrhundert zu
Jahrhundert ändert, so ist dies die vierte
Bewegung. Die Ellipse ändert sich von
Jahrhundert zu Jahrhundert: fünfte Be-
wegung. Aber auch im Raume ändert sich
diese Ellipse und dreht sich in ihrer eigenen
Ebene in einer Periode von 21000 Jahren:
sechste Bewegung. Die Achse selbst ist nicht
fest, sie dreht sich in 24765 Jahren und
behält dabei ihre Neigung von 22 bis 24
Graden, so daß ihre Verlängerung um
den Pol der Ekliptik einen durch die Epochen
bedingten Kreis von 44 bis 48 Graden
im Durchmesser beschreibt. In Folge dieser
Verschiebung des Poles wird Vega (in der
Leier) in 12000 Iahen Polarstern werden,
wie sie es vor 14 000 Jahren gewesen ist.
Siebente Art der Bewegung. Eine achte
Bewegung, die von der Einwirkung des
Mondes auf die Aequatorial-Anschwellung
der Erde herrührt, nämlich diejenige des
Schwankens, läßt den Pol des Aequalors
in 18 Jahren und 8 Monaten eine kleine
Ellipse beschreiben. Eine neunte, welche
gleichfalls der Anziehung unseres Satelliten
beizumessen ist, verändert unaufhörlich die
Lage des Schwerpunktes des Erdballs und
die Stelle der Erde im Raume; wenn der
Mond uns voraus ist, beschleunigt er den
Gang des Erdballs; wenn er hinter uns
ist, hält er uns im Gegentheil zurück wie
ein Zügel: eine monatliche Komplikation
die noch zu allen früheren hinzukommt.
Wenn die Erde zwischen der Sonne und
Jupiter hindurchgeht, bewirkt die Anziehung
des letzteren, trotz seiner Entfernung von
etwa 107 Millionen Meilen, eine Ab
weichung von 2,10 Mtr. jenseits, die An
Ziehung der Venus eine solche von 1,25 Mtr.
diesseits ihrer absoluten Bahn. Saturn
und Mars wirken auch ein, aber schwächer.
Es sind dies äußere Störungen, welche
eine zehnte Art von Berichtigungen
bilden, die zu den Bewegungen unseres
Himmelschiffchens hinzukommen. Da das
Gesammtgewicht der Planeten ungefähr den
600. Theil des Gewichtes der Sonne aus
macht, so liegt der Schwerpunkt, um wel
chen die Erde jährlich ihren Kreislau :
vollendet, niemals im Mittelpunkt der
Sonne selbst, sondern weit ab von dem
selben und oft sogar außerhalb des Sonnen
balls. Absolut gesprochen, dreht sich die
Erde daher nicht um die Sonne, sondern
beide Gestirne, Sonne und Erde, drehen
sich um ihren gemeinsamen Schwerpunkt.
Der Mittelpunkt der jährlichen Bewegung
unseres Planeten verändert also beständig
seine Stelle, und wir können auch diese
elfte Verschlingung der Bahnen den vorigen
zuzählen.
schm Anlagen durchschnitt und zwischen dem
knospenden Buschwerk sichtbar wurde. Lorenz
wandte den Kopf schnell dahin und schwenkte
den Hut.
„Optische Täuschung," sagte Anna jetzt,
„dieser flatternde Gruß galt nicht uns, sondern
Herrn Heinz Königshofen, der dort am
Kreuzungspunkte steht."
Lorenz entgegnete kein Wort, sondern nickte
nur zustimmend mit dem Kopfe.
„Aber warum war der angehende Mime
nicht auf der Bahn ?" fragte Anna unbefangen.
„Als Frau von Römhild's Schüler hätte er
doch die Verpflichtung dazu gehabt."
„Ja, weiß ich's?" gab der Hofmarschall
kurz zurück, in seinem Innern immer niehr
beunruhigt. Ein Glück, daß Fräulein von
Ehlarn nur in ihrer harmlosen Weise über
Heinz weiterplauderte, so daß ihr die Ber-
stimnitheit ihres Begleiters entging.
(Fortsetzung folgt.)
Oesterreich.
Aus Tyrol, 16. Aug. Einen wahrhaft
bewundernswerthen Gebirgsmarsch
haben am 11. d. Mts. 5 Bataillone des
Tiroler Kaiserjäger-Regiments
ausgeführt. Dieselben wurden aus dem
Pusterthal zu den im Unterinnthal statt
findenden Manövern herangezogen und
hatten infolgedessen den Zillerthaler Ge
birgskanim zu überwinden. Ein Bataillon
das als Vorhut vom Arnthal aus (wie
die obere nordöstliche Fortsetzung des bei
Bruneck in das Pusterthal einmündenden
Taufererthales heißt) vorausgeschickt worden
war, hatte am 10. Abends bereits das
2555 Meter hohe Hundskehljoch über
schritten und war daun auf der Bärnbald
alpe über Nacht geblieben. Die anderen
Bataillone brachen am 11. um 2 und
Uhr früh von Steinhaus und St. Peter
im Arnthal auf und marfchirten theils über
das 2555 Meter hohe Hundskehljoch, theils
über das Hörndeloch (2548 Mtr.), theils
über das Napfjoch durch den Zillergrund
nach Mayrhofen, das nach 16 bis 19stün
digem Marsch erreicht wurde. Das 9.
Bataillon, das über die Hundskehle ging,
legte den Weg nach Mayrhofen, ohne zu
rasten, in 14 Std. zurück. Eine Offiziers
Patrouille, bestehend aus einem General
tabsoffizier, einem Jäger-Lieutenant und
6 Mann, nahm den Weg über das 2880
Bieter hohe Keilbachjoch und das Stillup
thal nach Mayrhofen. Regen und Schnee
gestöber, auf dem mit tiefem Schnee be
deckten Joch ein heftiger Nordwind, der
Marsch über den Stillupgletscher machten
diese Parthie zu der schwierigsten. Aber
auch die Bataillone hatten große Wider
wärtigkeiten zu ertragen. Vom Regen
durchnäßt, kamen sie dann in ein Schnee
gestöber. Ein Bataillon mußte, da es
den für seinen Marsch bestimmten Joch
Übergang gänzlich unpassirbar fand,
einen weiten Umweg machen, um über das
Napfjoch in das jenseitige Thal zu gelangen.
Von den Bataillonsparthien war dies die
schwierigste; sie beanspruchte 19 Stunden.
Bei zwei andern Bataillonen verloren die
Führer an einer Stelle, wo eine einen
halben Meter breite Muhre herabgegangen
war und alles überschüttet hatte, den Weg
der erst nach längerem Suchen tttieberge
müden wurde. Den einzelnen Bataillonen
waren konzessionirte Bergführer aus dem
Ahrnthal beigegeben. Jeder Zug hatte
rrner für die nächtliche Wanderung eine
Laterne, die allerdings nicht viel Licht bot.
Die Soldaten waren in Marsch-Adjustierung.
Auf den schmalen Bergwegen konnte immer
nur einer hinter dem anderen gehen, so
daß eine Reihe oft eine Stunde lang war.
Marode gab es, bis auf einen Mann, der
den Fuß verstauchte, nicht.
Wien, 20. Aug. „Pullman und das
Haus Oesterreich." Der amerikanische
Waggonfabrikant Pullman, in dessen
Etablissement in jüngster Zeit ein für die
amerikanischen Verhältnisse so folgenschwerer
Streik zum Ausbruch gekommen war, be
findet sich gegenwärtig mit seiner Gattin
und Tochter, der künftigen Prinzessin
Isenburg-Birstcin, in Paris und wird,
wie das „B. T." meldet, demnächst nach
Deutschland kommen. Herr Pullman
strebt nämlich darnach, daß seine Tochter
noch vor ihrer Vermählung mit dem
Prinzen Isenburg den Adelstitel in einem
deutschen Kleinstaate erhalte, weil das noth
wendig ist, wenn die aus der Ehe hervor-
gehenden Kinder als ebenbürtige Isenburgs
angesehen werden sollen. Im Hinblick da
rauf, daß Prinz Isenburg, als Enkel des
Großherzogs von Toskana, mit dem öfter
reichischen Kaiserhause verwandt ist, hat
der „Temps" den Artikel, in welchem er
die Bemühungen Pullmans, des ehemaligen
Zimmermans aus Nassau, um die Adels
erwerbung bespricht, die Ueberfchrift gegeben,
die wir dieser Notiz als Spitzmarke vor-
ausgesetzt haben.
Die Tochter des Polizeidirektors
in Graz — so wird aus der steierischen
Landeshauptstadt geschrieben — darf sich
eines seltenen Scharfsinns und außer
gewö hnlichen Menschenkenntniß rühmen.
Der jungen, liebreizenden Dame ist es zu
verdanken, daß ein kühner Hochstapler/,
auf dem obendrein der Verdacht lastet, daß
er ei» gefährlicher internationaler Ein
brecher sei, gleichsam in letzter Stunde
noch, ehe er einen sorgfältig vorbereiteten
argen Streich ausführte, entlarvt wurde.
Kam da vor etwa Monatsfrist ein eleganter
junger Mann nach Graz und logirke sich
einem guten Hotel ein. Er gab sich
für einen wohlsituirten „Staats-
genieur" aus und lebte auf großem
Fuße. Es gelang ihm, mit angesehenen
Kreisen Verbindungen anzuknüpfen und
verkehrte u. A. mit dem Polizeidirektor
Regierungsrath Hölzl, mit dem Chef der
Sicherheitsbehörde Stadtrath R. v. Wiser,
mit hohen Militärpersonen rc. Der Fremde,
der sich Gustav v. Mihanovics nannte,
verlobte sich auch mit einer jungen,
chönen Dame, Fräulein Helene L., der
Tochter der Wittwe eines hochstehenden
Offiziers, und drang darauf, daß die Hoch
zeit recht bald, spätestens am Sonnabend,
den 18. d. stattfinde. Als die Braut und
deren Mutter hierzu ihre Einwilligung
gegeben hatten, traf er alle Vorbereitungen,
bestellte ein glänzendes Hochzeitsmahl und
lud die beste Gesellschaft der Stadt zu
Gaste. Alles ging glatt von Statten.
Zwei Tage vor der Hochzeit machte der
Staatsingenieur seinen offiziellen Besuch
beim Polizeipräsidenten, traf diesen aber
nicht zu Hause und wurde von dessen
Tochter, Fräulein Hölzl, empfangen. Und
dies ward ihm zum Verhäugniß. Fräulein
Hölzl faßte während der kurzen förmlichen
Visite entschiedenes Mißtrauen gegen den
Mann, mit dem die Häupter der Sicher
heitsbehörden und viele Andere arglos ver
kehrten; die junge Dame theilte ihr Miß-
trauen ihrem Vater mit, der hierdurch
stutzig wurde und Nachforschungen an
stellen ließ, die schließlich dahin führten,
daß der angebliche Herr v. Mihanovics,
dessen richtiger Name zur Stunde noch
nicht ermittelt ist, als Schwindler v e r -
haftet wurde. Wie schon bemerkt, be
steht der Verdacht, daß der nun dingfest
gemachte Hochstapler auch ein h ö ch st g e-
fährlicher Einbrecher sei. Die
eingeleitete Untersuchung dürfte hierüber
Aufklärung geben.
Nach Meldungen der Blätter aus Fiume
dauert der Brand der Magazine in
dem Freihafengebiet, durch eine Bora
neu angefacht, fort. Das Magazin Nr. 7,
in dem sich noch Spiritusvorräthe befinden,
steht in vollen Flammen.
Ein unangenehmes Abenteuer
begegnete dieser Tage einer aus Serbien
in Fiume eingetroffenen Lehrerin. Die
Dame, die einen ganz ansehnlichen Anflug
von Schnurrbart besitzt und infolge einer
erst kürzlich überstandenen Krankheit das
Haar kurz geschnitten trägt, erregte den
Verdacht der Polizeiwache in Fiume, welche
einen verkappten jungen Mann witterte.
Die Dame wurde also trotz ihres Sträu-
bens verhaftet und zur Polizeiwache ge-
bracht. Dort klärte sich der Irrthum na-
türlich rasch auf und die Dame wurde
unter den lebhaftesten Entschuldigungen
des Polizeikommissars entlassen. Dem
Vernehmen nach hat das Fräulein sich
durch das serbische Konsulat beim Polizei-
Präsidium in Fiume über die Affaire be-
schwert. — Sollte es nicht zweckmäßig sein,
wenn die Dame, um in Zukunft ähnlichen
Mißverständnissen zu entgehen, die Hilfe
eines Barbiers in Anspruch nähme?
Aus Brünn kommen folgende Mitthei-
lungen über einen bemerken?werthen prä-
historischen Fund, deren fachmännische
Bestätigung allerdings abzuwarten bleibt:
In Predmost bei Prerau, welch ersterer
Ort als eine Fundgrube prähistorischer
Objekte bekannt ist, hat dieser Tage der
Director der Ober-Realschule in Teltsch,
Konservator Maschka, einen hochinteressanten
Fund gemacht. Er läßt seit einer Reihe
von Jahren in Predmost Grabungen durch
führen und hat bereits Knochenreste von
mehr als 200 Mammuths aufgedeckt.
Dieser Tage nun fand er neben Mammuth-
knochen die noch gut erhaltenen Knochen-
feste einer ganzen diluvialen Familie
von sechs Personen. Besonders das
Skelett des Mannes ist sehr gut erhalten
und von riesigen Dimensionen. Der Fund
ist um so interessanter, als er der erste
dieser Art in Mittel- und Nord-Europa
ist und auch als eine Widerlegung der
von dem dänischen Fachgelehrten Steenstrup
aufgestellten Behauptung anzusehen wäre,
daß gleichzeitig mit dem Mammuth keine
Menschen gelebt haben. Direktor Maschka
wird, der „N. Fr. Pr." zufolge, in den
nächsten Tagen der Zentral-Kommission in
Wien Bericht hierüber erstatten.
Inland.
—- Die große Flottenschau vor dem
a if er findet nach der „Magdeb. Ztg."
am 13. September statt.
Berlin, 20. Aug. Von der hiesigen
japanischen Gesandtschaft wird dem „B.
T." die Nachricht, daß in Japan eine
Verordnung zur Aufnahme einer Anleihe
von 50 Milli on en D o llars ergangen
ist, bestätigt.
— Vom ostasialischen Kriegs
schauplätze liegen folgende Londoner
Meldungen vor: Nach einer Shaughaier
Depesche fanden bei Pingrang kleinere
Gefechte zwischen den Japanern und
Chinesen statt. Ein großes Treffen wird
demnächst dort erwartet. Der aus Victoria
(Britisch Columbia) am 17. August einge
troffene Postdampfer überbringt ausführ-
liche Meldungen über die ersten kriegerischen
Operationen auf Korea. Die Japaner
kaperten ein chinesisches Avisoboot, darauf
wurde das chinesische Kriegsschiff „Tsien-
Iuen" genommen, wobei 16 Mann ge-
tödtet wurden, während das chinesische
Kriegsschiff einen japanischen Kreuzer 1.
Klasse, dessen Name nicht angegeben war,
in den Grund bohrte. Nach Meldungen
aus Yokohama nimmt die kriegerische
Stimmung in Japan zu. Die Verfassungs
reformpartei erließ ein Manifest, in dem
sie aufforderte, die japanische Armee müffe
in China einfallen und den Frieden unter
den Mauern von Peking diktiren. In
den feindlichen Heeren auf Korea soll
Krankheit herrschen. In China er-
wacht der Fremdenhaß wieder. Die
chinesischen Wachen am Arsenal von Wei-
Hai-Wei feuerten auf die wegen des
Kriegsausbruches entlassenen Arsenalbe-
amten, größtenteils Engländerund Sch otten
als sie das Arsenal verließen.
— In der Affaire des Generallieute-
chants z. D. Kirchhof steht nach den
„Potsd. Nachr." demnächst wieder ein
neuer Prozeß bevor. Am 21. April
1893 hatte bekanntlich gegen den Redakteur
der sozialdemokratischen „Brandenburger
Zeitung" Ferdinand Ewald vor der Straf
kammer Termin wegen Beleidigung der
höheren Offiziere der Garnison Branden-
burg, in welchem Ewald zu zwei Monaten
Gefängniß verurtheilt wurde. In diesem
Termin wurden nun der Handschuhmacher
H. Paasch und der Restaurateur G
Schneider aus Brandenburg als Zeugen
vernommen, welche s. Zt. Ewald Mit-
theilung von dem bekannten Gerücht gemacht
hatten. Sie hatten diese Mittheilung von
dem Kellner Steffer, der als Soldat
Bursche bei Generallieutenant KirchhcO
war, erhalten und Steffer wurde deshalb
gleichfalls als Zeuge vernommen, gab aber
eine sehr schwankende und unsichere Aus
sage ab. Steffer wurde später, weil
die betreffenden Mittheilungen an Paasch
und Schneider gemacht, vom Kriegsgericht
zu einer längeren Gefängnißstrafe verur
theilt. Generallieutenant Kirchhof hat
şllber nunmehr auch gegen Paasch und
Schneider Strafantrag wegen Beleidigung
(übler Nachrede) gestellt und zwar behauptet
er, daß er erst am 20. Oktober v. I.
also V 2 Jahre nach dem Termin gegen
Ewald, von den Aussagen derselben Kennt-
niß erlangt hat. Zu der Verhandlung
I gegen Paasch und Schneider, die demnächst
vor der Brandenburger Strafkammer statt
findet, sind Ewald und Generallieutenant
Kirchhof als Zeugen geladen.
— Der sozialistische „Vorwärts"
kommt noch einmal in einer interessanten
Darlegung auf die sachlich als richtig an-
erkannte Berechnung der „F. Z." auf das
gegenwärtige Durchschnittseinkommen von
932 Mk. zurück und hat mit dem Zuge-
ständniß dieser Richtigkeit eine wichtige
I Position aufgegeben, welche die Sozialdemo
kratie bisher lebhaft behauptete. Um nun
diesen Rückgang an dieser Stelle wieder
auszugleichen, tritt der „Vorwärts" mit
lder Behauptung hervor, daß der „sprin
gende Punkt" übersehen worden sei,
nämlich der, daß es im sozialdemokratischen
Zukunftsstaat keine Arbeitslosen
mehr gäbe. Wenn dies der springende
Punkt ist, dann ist die Sache für den
I „Vorwärts" abermals verfehlt. Bor allem
muß heute noch unterschieden werden zwi
schen solchen Arbeitslosen, die da gern
arbeiten wollen, aber keine Arbeit bekom
men können und solchen, die Arbeit bekam-
men können, aber nicht arbeiten wollen
Wir lassen es dahingestellt, wie viele Ar-
beitslose zur letzten Kategorie gehören, da
uns statistisches Material darüber nicht
zur Verfügung steht. Soviel aber steht
fest, daß die gegenwärtig Arbeitslosen zum
weitaus größten Theile nicht g e r a d
Idas arbeiten wollen und nicht
gerade an demjenigen Orte arbei
ten wollen, wo sich Arbeitsgelegenheit
findet, auch wollen sie sich nicht
mit den, angebotenen Lohn be
gnügen. Der sozialdemokratische Zu
kunftsstaat macht sich es allerdings leicht
Er gestattet nicht die frei
Wahl derArbeit, auch nicht di
Freizügigkeit. Wer nicht verhun
gern will muß arbei ten. (Bebel.) Un
ter der Organisation des sozialistischen Zu
kunftsstaates muß sich Jedermann der „ein
heitlichen Produktion" zur Verfügung
stellen und jede ihm zugewiesene Arbeit
für den Normallohn verrichten. Haben
sich dies die Anhänger der Sozialdemo
kratie schon einmal praktisch vor die Augen
geführt? Man vergegenwärtige sich, daß
Niemand die Wahl seiner Arbeit unv
seines Domizils frei hat! — Besteht ferner
[ber sozialistische Zukunftsstaat aus lauter
Engeln? Nein, aus fehlenden Menschen
und da ist es natürlich, daß diejenigen
sozialistischen Führer und Amtleute des
Zukunftsstaates, welche die „Organisation
der Produktion" zu übernehmen haben,
ihren Freunden oder Demjenigen, dem sie
wohlwollen die Arbeit an ihrem Domicil
und die ihnen genehme Arbeit übertragen
während die Anderen verschickt werden
oder jede Arbeit übernehmen müssen
zu welcher sie nicht im Geringsten quali
ftciren. Man denke sich einen berühmten
Operateur und Professor als Tischler,
arbeitend fur den Normallohn von höch-
şis’Jä 932 Mk.! Man denke sich einen
Schullehrer arbeitend in den Latrinen und
einen Kohlengräber als Professor der Elek
trRechnik, einen talentirten Musiker als
Schornsteinfeger und einen Hausknecht als
Musikdirektor. Es könnte ja gerade in
den Branchen an Leuten fehlen, in welchen
lUeberfluß in den anderen vorhanden ist.
Man denke sich die Summe von Unzu
friedenheit unter den Anhängern der So
zialdemokratie s e l b st, von denen heute
! Viele ein verhältnißmäßig l e i ch t e Ar
beitsstelle zu über Normallohn inne haben,
die sie später unter der Z u k u n f t s - Or
ganisation des sozialistischen Staates
mit einem sehr schweren Arbeitsdienst für
den Normallohn zu verrichten haben wür
den! Wenn das also der „springende
Punkt" sein soll, im Zukunstsstaat dadurch
die Arbeitslosigkeit zu regeln, daß jeder ş
dahin dirigirt wird, wo Ärbeitsfälle 'vor
handen ist, dann ist der Svrung eben ein
Fehlsprung und auch diese Position der
Sozialdemokratie unhaltbar.
— Viele fortschrittliche Blät
ter veröffentlichen den Programm-
Entwurf der freisinnigen
Volks Partei. Er enthält folgende
şinkte: Die freiheitliche Ausgestaltung
des Gemeinwesens erheischt Aufrechterhab
tung ver bundesstaatlichen Grundlaae deê
Deutschen Reiches, Entwickelung eines wahr
haft constitutionellen Verfassungslebens,
Minister- Verantwortlichkeit, Reichs - Mini
sterien, einjährige Finanzperioden, jährlich-
Steuer-Bewilligung u. s. w.; Gleichheit
vor dem Gesetz; Schutz der freien Mei-
nungs-Aeußerung; volksthümliche Rechts
pflege. Die Volksbildung erheischt unent
geltlichen Volksschulunterricht. Die Wohl-
ahrt der Familie fordert Förderung der
Gesundheitspflege und der Wohnungsver-
Haltnisse. In sozialpolitischer Beziehung
Beförderung aller auf fried-
Verständigung zielenden Einrichtungen,
gesetzliche Anerkennung der freien Berufs-
Vereine als berechtigte Jnteressen-Vertre-
tungen; Sicherung der Coalitions-Freiheit
und der Freizügigkeit; Ausbau der Arbeiter-
Gesetzgebung, besonders zum Schutze der
Arbeitnehmer gegen mißbräuchliche Anfor
derungen an ihre Arbeitskraft; zeitgemäße
Regelung der Rechtsverhältnisse der in
Haus- und Landwirthschaft beschäftigten
Personen, Vereinfachung unv Verbesserung
der Arbeiter-Versicherung, namentlich auch
durch Förderung der auf Selbsthülfe und
Selbstverwaltung beruhenden freien Organi
sationen der Arbeiter. Mit dem Schutz
der freien Meinungsäußerung können wir
uns nur sehr bedingungsweise einverstanden
erklären, mit der Sicherung der Coalitions-
Freiheit und der Freizügigkeit noch weni
ger, da wenigstens die Coalitions-Freiheit
zu argen Mißbräuchen Veranlassung ge
geben hat.
Bor etwa zwei Jahren wurde auf dem
Wege zwischen Französisch-Buchholz und
Schönerlinde, in der Umgegend von Berlin,
der Handelsmann Mützelburg durch zwei
Strolche ermordet. Einer der Mörder
Namens Kühn wurde ergriffen und hinge
richtet; der andere, in dem die Ermittelungen
des damaligen Strafverfahrens den jetzt
erst 23 Jahre alten Arbeiter Hahn er
kennen ließen, entkam und blieb trotz aller
Nachforschungen unauffindbar. Erst kürz
lich hat ihn sein Geschick erreicht. Schon
-eit Wochen hatten verschiedene Leute, die
auf der Feldmark von Weißensee arbeiteten,
bemerkt, daß sich dort ein Mann mit auf
fallend krummen Beinen umhertrieb. Der
Mann zeigte ein sehr scheues ängstliches
Wesen, und dadurch wurden die Leute
auf ihn aufmerksam. Als er sich nun
dieser Tage wieder dort sehen ließ, suchte
man ihn zu stellen. Sofort ergriff er über
die Feldmarken hinweg die Flucht, aber
die in der Nähe beschäftigten Leute blieben
hinten ihm her und als er nach einer
längeren Hetzjagd auf den Blankenburger
Rieselfeldern strauchelte, wurde er mit
Hülfe eines inzwischen bereits verständigten
Gendarmen ergriffen und gefesselt. In
dem Festgenommenen wurde, den „B. N-
N." zufolge, der lange gesuchte Hahn er
kannt und in das Untersuchungsgefängniß
zu Moabit eingeliefert.
8m Mai d. I. hatte sich ein Bürger
Eisleben, dessen Haus in der Zeißing-
traße durch die Erdbewegungen
ehr gelitten hat, mit einer Eingabe
an den Kaiser gewandt. Darauf
ist dem Bittsteller vom Minister für Handel
und Gewerbe ein ganz ablehnender
Bescheid zugegangen, in dem es heißt,
„daß nach Anhörung des königl. Oberberg-
amts zu Halle ein bestimmter Anhalt da-
ür, ob die an den Häusern der Zeißing-
ttatze und Umgebung hervorgetretenen Be-
chadigungen lediglich aus Grundwasser-
Verhältnisse und schlechten Baugrund, oder
aber auf die mit dem Bergbau zusammen-
-längenden Vorgänge im Erdinnern zurück
zuführen sind, sich jedenfalls erst wird ge
winnen lassen, wenn die Trockenlegung der
Grubenbaue der Mansfelder Gewerkschaft
erheblich weiter vorgeschritten sein wird.
Bis dahin dürften aber noch mehrere
Monate vergehen. Uebrigens bemerke ich,
daß, selbst wenn ein Verwaltungsbeamter
sich für den Zusammenhang zwischen dem
gewerkschaftlichen Bergbau und den frag
lichen Hausbeschädigungen aussprechen
ollte, daraus für die Gewerkschaft noch
nicht die Verpflichtung zu Ihrer Ent-
chädigung erwachsen würde. Vielmehr
kann diese Verpflichtung nur durch ein
Erkenntniß des zuständigen Gerichts fest-
östgestellt werden, dessen Einwirkung Ihnen
anheimgestellt werden muß." Es vergeht
wohl kein Tag, an dem nicht Erdstöße
stattfinden. Die Wasserkalamität dauert
Folge dessen in Eisleben fort. Daß
die Prioatleitungen abgestellt sind, hat für
Betriebe, die ihr Wasser durch dieselben
zugeführt bekommen, große Nachtheile,
B. fur die Brauereien, welche in Folge
dessen nicht brauen können. Durch die
Erdsenkungen sind bis jetzt etwa 115
Häuser in Mitleidenschaft gezogen. Viele
Häuser sind bereits geräumt und weitere
werden voraussichtlich bald geräumt.
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