Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

Die Pariser Polizei hat erfahren, daß ein 
zweiter Anschlag, um Dupuy in Vernet-les- 
Bains zu ermorden, in Frankreich geplant 
wurde. Die Schuldigen sind der Polizei 
bekannt. In Vernet-les-Baius wurden 
umfassende Vorkehrungen zum Schutze 
Dupuys getroffen. 
Holland. 
Ein erschütterndes Unglück hat sich 
kürzlich in Zevenhuizen bei Groningen 
während eines Ungewitters zugetragen 
Die Frau des Arbeiters Linker, welche sich 
fürchtete, wollte mit ihren drei Kindern 
bei einer Nachbarin Unterschlupf suchen. 
In der Dunkelheit verfehlte sie den richtigen 
Weg und stürzte in den Kanal. Am fol 
genden Morgen fanden einige Arbeiter 
eines der Kinder dicht bei der Unglücks 
statte sitzend. Die Kleine schluchzte herz- 
zerbrechend und rief fortwährend: „Moeke 
liegt in 't Dieg, Moeke kommt nit terug!" 
Man fand nach kurzem Suchen den Leich 
nani der armen Frau. Sie hielt die 
Leichen der beiden anderen Kinder krampf 
haft in ihren Armen. 
Inland. 
genossenschaften und die Verschmelzung 
der Jnvaliditätsversicherung mit der Un 
fallversicherung. Wenn dies zutrifft, so 
würde es erst recht falsch sein, vor einer 
endgültigen Regelung einer anderweitigen 
Organisation des Versicherungswesens die 
von der Regierung in einer Novelle beab 
sichtigte Ausdehnung der Unfallversicherung 
auf das Handwerk, den Handel usw. gut 
zu heißen. 
Ein Polizeileutnant in Berlin soll nach 
dem „Vorwärts" einen Wirth mit Be 
schränkung auf die Polizeistunde bedroht 
haben, wenn er nicht innerhalb 8 Tagen 
anderes wie boykottfreies Bier und anderes 
Publikum aufweise. — Wenn es sich wirk 
lich so verhält, wie der „Vorwärts" dies 
darstellt, so ist eine solche Einmischung der 
Polizeigewalt in den Bierkrieg durchaus 
Dortmund, 16. Aug. Aus Unvorsichtig 
feit hat hier ein Mobelhändler gestern sein 
einziges Kind, einen Knaben von unge 
fähr 6 Jahren, erschossen. Der Vater 
ein geübter und tref flich er S ch ütze 
hatte am vergangenen Sonntag in einem 
Preisschießen ein schönes Pistol gewonnen 
um dieses zu probiren, fertigte er sich eine 
Scheibe an und stellte dieselbe in seinem 
Hofe an einem Obstbäume auf. Sein 
Kommis hatte schon einige Schuß abge 
geben, die jedoch den Herrn nickt befriedigten. 
Mit den Worten: „Geben Sie einmal 
her!" nahm er selbst die Waffe; dabei 
aber kam er dem Abdrücker zu nahe, der 
Schuß entlud sich und die Kugel ging 
seinem seitwärts stehenden Sohne in den 
Hinterkopf. Eine im Krankenhause vor 
genommene Operation vermochte dieselbe 
— Die innerpolitische Lage 
wird in einer Berliner Korrespondenz der 
„Köln. Volksztg.", unseres Erachtens tref 
fend, wie folgt, charakterisirt: „Ueber die 
Auslassungen der „Nordd. Allg. Ztg." 
kaun man jetzt wohl zur Tagesordnung 
übergehen, aber der Gegensatz zwischen dem 
Grafen C a p r i v i und Herrn Miguel 
wird dadurch nicht aus der Welt geschafft. 
Der Ausgang ist deshalb so unklar, weil 
diese beiden Staatsmänner in der Gunst 
d e s K a i s e r s am festesten stehen. Auf 
beide hält der Kaiser die größten Stücke. 
Herr Herrfurth fiel sofort, als er mit Mi 
guel aneinander gerieth, und wenn z. B. 
Graf Eulenburg mit dem Reichskanzler in 
Gegensatz käme, so würde er auch bald 
seine Entlassung nehmen können. Mit 
unserm Finanzminister liegt die Sache 
anders, und unsere konservativen Hinter- 
treppen-Politiker wissen das, darum haben 
sie sich hinter ihm gestellt. Im Uebrigen 
ist die Freundschaft zwischen Miguel 
und den Konservativen eine Allianz 
sä boe; im tiefsten Grunde trauen beide 
Parteien sich gegenseitig gar nicht, und 
nach unserer Wissenschaft thun sie sehr 
wohl daran. Prinzipienfeste Konservative 
können sich eben so wenig zu der prisma 
tischen Vielseitigkeit des Miquel'schen Gei 
stes aufschwingen, wie er sich in den 
Jdeenkreis eines pommer'schen Grundherrn 
bannen läßt, und so wird wohl jeder der 
beiden Kontrahenten den Hintergedanken 
hegen, den andern gegebenenfalls nach dem 
Grundsatz: „Der Mohr kann gehen" zu 
behandeln. Die Geschichte kann aber auch 
ganz anders kommen, denn beide Stürmer 
werden vielleicht in den Spieß des Kanz 
lers laufen. Bis jetzt hat Graf Caprivr 
sich noch immer glänzend zu halten ver 
standen, wozu allerdings die aufdringlichen 
„patriotischen Mahnungen" der Bismarcki 
aner sehr viel beigetragen haben. Sie 
wollten dem Kaiser förmlich die Pistole 
auf die Brust setzen, damit er entweder 
Bismarck zurückrufe oder einen Vertrauens 
mann Bismarcks, der dessen Rath einhole 
zum Kanzler mache, so daß der Kaiser 
einmal die Erwägung zur Berücksichtigung 
empfehlen mußte, „wozu er denn da sei" 
wenn der Reichskanzler nach Bismarckscher 
Anweisung Politik treiben solle. So haben 
gerade die Intriganten die Position des 
Reichskanzlers fast unerschütterlich gemacht 
— sind sie doch in einer Art vorgegangen 
als sei Kaiser Wilhelm II. ein Fürst, dem 
jedes Selbstbewußtsein mangele. Sie hät 
ten sich sagen müssen, daß der Kaiser, 
wollte er nicht — besonders im Auslande 
— sein Ansehen ganz verlieren, unmöglich 
auch nur den Schein einer solchen Selbst 
demüthigung auf sich laden dürfte." 
— Eine Zusammenlegung der ge- 
sammlen Versicherungs > Gesetz 
ge bung wird nach einer Aeußerung des 
Ministers von Boetticher geplant. Die 
erwähnte Äußerung ist gefallen in einer 
Audienz, welche der Minister am 10. Juli 
dem Verbandsvorstand der Verwaltungs 
beamten der Ortskrankenkassen Deutschlands 
ertheilt hat. Nach der Mittheilung des 
„Arveirerversorger" hat der Minister wört 
lich gesagt: „An eine Verstaatlichung der 
Verwaliungen der Krankenkassen, sowie 
auch der übrigen durch die sozialpolitische 
Gesetzgebung geschaffenen Organisationen 
denke die Staalsregierung nicht, wohl aber 
denke dieselbe unter vollständiger Aufrecht 
erhaltung der Selbstverwaltung an eine 
Zusammenlegung der gesammten sozial 
politischen Gesetzgebung. Ob allerdings 
die Krankenversicherung werde mit hinein 
gezogen werden können, wisse man noch 
nicht, jedenfalls erstrebe man auch hierin 
eine möglichst einheitliche Cen> 
tralisirung für Komm unalbezirke, 
Kreise und ev. auch Provinzen an." 
— Es scheint also darnach abgesehen zu 
sein aus die Beseitigung der Berufs 
ungerechtfertigt und steht dieselbe auch im nicht zu entfernen. Das Kind soll in der 
schärfsten Widerspruch mit den Wünschen Nacht gestorben sein, 
der Leiter der Berliner Brauereien. Ein Prozeß, der in seinen Einzel 
— Lehrbücher der Mathemati k heften grauenerregend wirkt, beschäftigte 
sind bereits von den Philosophen des vor einiger Zeit das Bezirksgericht in 
klassischen Alterthums geschrieben und uns Petrikan. Mai des Jahres 1893 entdeckte 
überliefert worden; ein viel älteres derar- ein Landpolizist in Lodz zufällig die Be- 
tiges Werk jedoch, das wohl schon an 4000 Hausung einer sogenannten „Engelmacherin". 
Jahre alt sein mag, wurde neulich, wie Es war dies die 40jährige Lumpensammlerin 
das Patent- und technische Bureau von Wilczinska, die in einem von allerlei Ge- 
Richard Lüders in Görlitz uns mittheilt, findet bewohnten Häuschen ein elendes 
in einer egyptischen Pyramide aufgefunden Treppenstübchen bewohnte. Hier beher- 
und mit vieler Mühe entziffert. Dasselbe, borgte sie nicht nur mehrere Kinder — 
gänzlich auf Papyrosrollen geschrieben, ent- bei ihrer Verhaftung wurden vier lebende 
hält die ganzen Lehrsätze der niederen und ein bereits in Verwesung überge- 
Mathematik mit Beweisen und bespricht gangenes Kind vorgefunden —, sondern 
auch das Problem der Quadratur des auch Arbeiterinnen und Dienstmädchen. 
Zirkels, welches aber auch die altegyptischen Außerdem gab sie noch Schlafstellen ab. 
Philosophen ungelöst lassen. Obgleich aus erklärlichen Gründen viele 
Ein stetiges Zurückgehen des Klein - Zeuginnen nicht aufzufinden waren, sowar 
grün dbe sitz es ist in einzelnen Be-doch eine recht beträchtliche Zahl derselben 
reits geräumt und weitere 15 werden wohl 
bald geräumt werden müssen. Am Mitt 
woch wurde wiederum ein Erdstoß verspürt 
Mainz, 16. Aug. Im Rhein ertränkte 
sich der aus Appenheim (Rheinhessen) stam 
inende Unterprimaner Gruber. Der 
selbe befürchtete, nicht in die Oberprima 
versetzt zu werden. Dem Vernehmen nach 
hatte er in Mathematik eine ungünstige 
Note erhalten. Der Lebensmüde stammte 
von armen Eltern ab und gab deshalb 
Stunden. Die Theilnahme an dem Schick 
sal des Unglücklichen ist groß. 
Schifferstadt, 15. Aug. Dem „Pfälz 
Cour." wird gemeldet: Als verdächtig, die 
Ende vorigen Jahres auf dem hiesigen 
Bahnhof abhanden gekommene Post 
kasfette mit dem Betrage von 11000 
Mark gestohlen zu haben, wurde am 
Montag > Nachmittag in Dörrenbach der 
dort gebürtige Friedrich Hey, früher 
Wirth in Meckenheim, verhaftet. 
Dresden, 16. Aug. Heute Mittag ist 
hier ein sch weres Gewitter mit wolken 
bruchartigem Regen und Hagelschlag nieder 
gegangen. Auf der Falkenbrücke wurde 
ein Mann durch den Blitz erschlagen. 
In Altgersderf bei Landeck (Schlesien) 
'tarb kürzlich ein Mann, der verarmt war 
und deshalb größtentheils von Almosen 
lebte. Nach seinem Tode fand man bei 
ihm u. A. etwa 300 JL baares Geld und 
einen großen Vorrath von Wäsche, dar 
unter 114 Stück Hemden. 
Heute Morgen gegen 4 Uhr hat in 
Impflingen der ledige Schullehrer Scherer 
von da die Tochter des Gutsbesitzers 
Kuhn und dann sich selbst mittels eines 
Revolvers erschossen. Scherer unter 
hielt mir der Kuhn ein Liebesverhältniß, 
zirken der Oderlausitz namentlich in der ermittelt und zu den Verhandlungen vor. das von den Eltern des Mädchens nicht 
Bautzener Gegend zu beobachten. So Igeladen worden. Die Aussagen diese, 
ollen, wie die „Voss. Ztg." meldet, allein Zeugen waren geradezu grauenhaft. Der 
im Bautzener Bezirke innerhalb weniger Tod trat bei fast allen Kindern binnen 
Jahrzehnte gegen 200 Bauerngüter, Häus- wenigen Wochen, bisweilen auch nur 
ler- und Gartennahrungen durch Ritter- Tagen, ein, obgleich es meist sehr gesunde 
gutsbesitzer aufgekauft worden sein. Kinder gewesen waren, die der gewissen 
Durch diesen Rückgang in der Zahl derllosen Pflegerin anvertraut wurden. Nach 
^Abständigen Landbewohner erleidet auch den Aussagen der nächsten Nachbarn der 
die Geschäftswelt in den Städten eine nicht Wilczinska wohnte sie seit drei Jahren in 
unbedeutende Einbuße. Jedenfalls zeugt derselben Wohnung und hatte während 
wie die „Voss. Ztg." zutreffend bemerkt, dieser Zeit fortwährend neue Pfleglinge 
jenes Vorgehen des Großgrundbesitzes, alles erhalten. Ferner wurde nachgewiesen, daß 
aufzusaugen, nicht von jener Mittelstands- sie außer den für die Pfleglinge erhaltenen 
reundlichkeit, mit der man sich gerade in recht anständigen Pflegegeldern ein ganz 
den Kreisen der konservativ-antisemitischen gutes Einkommen gehabt habe, da das 
Tu, Engel, ich kokettire ja auch manchmal 
ein Bischen mit meiner Jungenhaftigkeit —." 
„Ha — ha — Anna, Du bist ein kost 
bares Mädel." 
(Fortsetzung folgt.) 
Großgrundbesitzer mit Vorliebe brüstet. Lumpensammeln ihr täglich beinahe einen 
Berlin, 17. Aug. Bei einem gelegeut- Rubel einbrachte. Die grenzenlose Armuth 
lich der Affaire Scheme verhafteten und die Unsauberkeit, die bei ihr herrschte, 
Anarchisten sind zwei ungefüllte Granaten, ließ sich auf das Laster des Trunkes, dem 
deren Fabrikationsort unbekannt ist, aufge- sie fröhnte, zurückführen. Das Gericht 
funden worden. Bei verschiedenen Ver-Iverurtheilte, wie die „Petersb. Ztg." 
hafteten wurden compromittirende Schrift- schreibt, die Angeklagte zum Verlust aller 
stücke entdeckt. Die Anarchisten Pflegten Rechte und zu drei Jahren Gefängniß, 
ihre Zusammenkünfte auf einem Garten- Eine heitere Spukgeschichte wird aus 
gelände in der Nähe des Central-Viehhofes dem Samlande gemeldet. Große Auf 
abzuhalten. regung, so schreibt die Königsberger Allge- 
Berlin, 17. Aug. Zur auarchisti- meine Zeitung, herrschte in einer Familie 
sch en Angelegenheit weiß der „Lokal- in R. Nachts ließ sich in einem Zimmer 
Anzeiger" noch folgendes zu berichten: des Oberstocks stets ein Geräusch hören 
Am Morgen nach der Revolveraffaire als ob eine Walze plötzlich in Bewegur 
wurde der entflohene Complice des Scheme, gesetzt würde, oder als ob ein Rad hin 
Namens Draeger, bei seiner in der Lange- und her ginge. Die Bewegung wieder- 
straße Nr. 17 wohnhaften Mutter ver- holte sich in unregelmäßiger Reihenfolge 
haftet. Draeger, der in Selow geboren, Der Besitzer ging, von seinem Sohne be- 
etwa 25 Jahre alt und von Profession gleitet, die Treppe hinauf nach dem ge 
Mechaniker ist, erhob sich aus dem Bette dachten Zimmer. Auf der Treppe hörten 
und kleidete sich ruhig an. Während dieser sie noch das Geräusch, doch in das Zimmer- 
Zeit, in der jede seiner Bewegungen von eingetreten, war der Spuk verstummt und 
dem Beamten beobachtet wurde, hielt ein sie konnten auch sonst nichts Auffälliges 
zweiter Beamter Haussuchung im Zimmer bemerken. Kaum aber hatten die Männer 
ab und fand dort einen sechsläufigen ge- ihren Platz am Familientisch wieder ein 
ladenen Revolver, eine große Anzahl genommen, als der tolle Spuk von Neuem 
Drucksachen und ein Mitgliederverzeichniß anging. Nach langer, vergeblicher Mühe 
der anarchistischen Partei und Sammellisten fand man eine auf dem Boden liegende 
der Anarchisten versteckt. Gefesselt wurde Weinflasche, in welche eine Maus ge- 
Draeger nach dem Polizeipräsidialgebäude krochen war. Sie hatte sich an den 
übergeführt, wo er sich sehr frech benahm, Zuckererbsen, welche von der Hausfrau in 
aber sonst jede Auskunft verweigerte. Zu die Flasche gethan und schließlich der Ver- 
derselben Zeit war eine Anzahl anderer gesienheit anheimgefallen waren, so gütlich 
Beamten in der Frankfurter Allee 183 gethan, daß sie durch den engen Hals nicht 
befindlichen Wohnung des Schlossers wieder zurück konnte. Keinen Ausweg 
Schewe mit einer Haussuchung beschäftigt, findend, sprang die Maus nun in der 
Außer einer großen Anzahl anarchistischer Flasche umher und brachte damit dieselbe 
Schriften, Drucksachen und anderer Schrif- ins Rollen, 
tücke fand man hier in einem Koffer sorg- Durch Anschlag am schwarzen Brett der 
flltig verpackt zwei etwa 10 Centimeter Universität zu Königsberg wird, wie wir 
im Durchschnitt messende Bomben. Unter der „Erml. Ztg." entnehmen, bekannt ge 
Anwendung größter Vorsichtsmaßregeln macht, daß ein Student der Pharmacie, 
wurden die Projectile zunächst nach dem geborener Ostpreuße, durch rechtskräftiges 
Polizeipräsidium und dann nach dem Ar- Erkenntniß des akademischen Senats wegen 
tilleriedepot zur Untersuchung gebracht. Zweikampfes mit der Entfernung von 
Welchen Inhalt die Geschosse haben, ist der Universität, dem consilium abeundi, 
noch nicht festgestellt worden. Schewe ver- bestraft worden ist. 
weigerte jede Auskunft darüber, zu welchem| Düsseldorf, 13. Aug. Einen merk 
Zweck er die Bomben in seiner Wohnung 
hatte. Ebensowenig konnte ermittelt wer 
ürdigen Ausgang nahm in der 
itzung der hiesigen Strafkammer 
den, wo und durch wen sie hergestellt eine Verhandlung gegen einen rückfälligen 
worden sind. Man nimmt an, daß Draeger Verbrecher, welcher des Diebstahls ange- 
der Anfertiger der Geschosse gewesen ist. klagt war. Da die Beweisaufnahme die 
Man ermittelt, daß Drager und Schewe Schuld des Angeklagten im Zweifel ließ, 
die Absicht gehabt hatten, am 14. August beantragte der Staatsanwalt die Frei- 
nach Wien zu reisen. Außer diesen Beiden sprechung. Die hierauf erfolgende übliche 
befinden sich noch 20 Anarchisten in Haft, Frage des Vorsitzenden an den Angeklagten, 
die sämmtlich bestreiten, einen öffentlichen ob er noch etwas zu bemerken habe, be> 
Akt beabsichtigt zu haben. antwortete der letztere dahin, daß er um 
Naumburg, 15. Aug. I u st i zr a t h eine milde Strafe bitte. Der Staats- 
Sicke l in Weißenfels war vor längerer anwalt, der diese Worte als Geständniß 
Zeit, wie damals gemeldet wurde, auf der Schuld auffahre, beantragte sofort eine 
Veranlassung der Staatsanwaltschaft ver- Gefängnißstrafe von einem Jahre; die 
haftet, aber nach kurzer Zeit aus der Strafkammer erkannte auf neun Monate. 
Haft entlassen worden. Wie die Blätter Durch die Erdsenkungen bei Eisleben 
melden, ist er jetzt wiederum verhaftet und sind bis jetzt ca. 115 Häuser in Mit 
gebilligt wurde. 
München, 17. Aug. Bei dem zwei 
stündigen Wettkampfe legte Fischer 152 
Runden mit je 500 Meter, Cody 120 
Runden mit je 494 Meter zurück. Total 
hat bis jetzt Fischer 303, Cody 259 Runden. 
Sonntag findet ein dreistündiger Schluß 
kämpf statt. 
In einer Wirthschaft im Thal bei München 
Miethen kürzlich einige Tagelöhner in 
Streit, wobei einer seinem Gegner einen 
Literkrug mit solcher Gewalt an den Kopf 
schlug, daß der Topf in Trümmer ging. 
Der Getroffene war einen Augenblick ver 
blüfft, schüttelte dann den Kopf und sprach 
gelassen: „Dös hat mir nix g'macht!" 
In der That hatte der Mann nur eine 
starke Beule erlitten. Das nennt man 
einen soliden Schädel. 
Seit einigen Wochen befindet sich im 
Müllhcimer Spital ein Zahntechniker aus 
Altona, Namens Sintad, der vor einigen 
Wochen zwischen Auppen und Müllheim 
im Eisenbahnwagen tobsüchtig wurde, sich 
splitternackt auszog und den Reisenden au - 
einer Mundharmonika lustige Weisen vor 
spielte. Er ivurde damals nach heftiger 
Gegenwehr in das Spital zu Müllheim 
gebracht, wo sich sein Zustand soweit bes 
serte, daß man ihn frei umherlaufen ließ 
Vergangene Woche, Abends zwischen zehn 
und elf Uhr, bekam der Kranke einen zwei 
ten Tobsuchtsaufall, der für die Betheilig 
ten schlimm ausgegangen ist. Als dem 
Geistesgestörten durch die städtischen Wacht 
meister die Zwangsjacke angelegt werden 
sollte und eine Schwester die Thür der 
Zelle öffnete, erhielt sie von dem zur Seite 
stehenden Kranken mit einem Stück Holz 
einen fürchterlichen Schlag über den Kojft 
daß sie mit einem Schrei blutüberströmt 
rückwärts zu Boden fiel. Der nachstür 
mende hünenhafte Wachtmeister wurde mit 
drei Schlägen auf den Kopf empfangen, 
die derart geführt waren, daß der starke 
Mann sofort betäubt und kampfunfähig 
in die Ecke sank. Hierauf überrannte der 
plitternackte Tobsüchtige den zweiten 
Wachtmeister und flüchtete sich in den Hof 
wohin ihm dieser und die mittlerweile hin 
zugekommene Spitalmagd folgten. Diese 
prang in ihrer Angst über die hintere 
gegen den Klemmbach befindliche Hofmauer 
und versteckte sich vor dem nachsetzenden 
Irren im Gebüsch, während der Irre sich 
in langen Sätzen über die Wiese dem 
Klemnibach zu entfernte. Nun war es 
auch auf der Straße lebendig geworden. 
Postwirth Grether, der die Schreie und 
Schläge gehört hatte, verfügte sich sofort 
an den Thatort, während sein Knecht den 
Brunneumeister Gallinger weckte. Knechte 
und Nachbarn wurden mit Magnesium- 
fackeln der Feuerwehr versehen, und die 
Suche nach dem Kranken angetreten. Man 
-and^ihn rechts von Diethelms Mühle in 
der Schloßmatte. Der Grethersche Knecht, 
welcher als Erster ihm zu Leibe rückte, 
erhielt mit eiuem Wäschestäuber, den der 
Irre unterwegs auf Beideck's Wiese mit 
genommen hatte, einen wohlgezielten Stoß 
auf den Magen, der ihn zu Boden warf, 
während die Andern sich auf den Kranken 
kürzten. Mit unglaublicher Kraft wehrte 
ich dieser und warf die Angreifer wie 
Mücken von sich; endlich konnte er gefesselt 
auf ein kleines Wägelchen gelegt und in 
eine Zelle gebracht werden. 
Ems, 17. Aug. Ein russischer Bade- 
gast, der eben im Begriffe stand, mit seiner 
Familie abzureisen, ward am Billetschalter 
hierher gekrackt worden. 
ileidensckaft gezogen. Vier Häuser sind be- 
mit dem Raube in den eben abfahrenden 
Schnellzug nach Niederlahnstein gestiegen 
war, wurde dort auf telegraphische An 
ordnung verhaftet. Ein Genosse des Diebes 
verschwand unter dem zurückgebliebenen 
Publikum; da er erkannt worden war, ist 
seine Ermittelung zu erwarten. Der Be 
stohlene hatte das Geld lose in der Brust- 
tasche des Rockes getragen. 
Lüneburg, 15. Äug. Der frühere Mit 
inhaber der bekannten Weinhandlung Johann 
rederich, jetzige Particulier und Ritt 
meister der Landwehr - Cavallerie, Ernst 
F r e d e r i ch, welcher auch das Ehrenamt 
eines Bürgervorstehers bekleidete, ist, so wird 
dem „H. C." geschrieben, in den besten 
Mannesjahren gestern Abend verstorben. 
Wie in der Stadt allgemein erzählt wird, 
ist der Tod dadurch veranlaßt, daß der 
Gehülfe einer hiesigen Apotheke aus einem 
chwer begreiflichen Versehen ein dem Ver- 
torbenen verschriebenes Recept nicht der 
Verordnung gemäß, sondern in einer zehn- 
achenVervielfältigung der verordneten Dosis 
angefertigt hat. Herr Frederich ist, nach 
dem er^die Arznei eingenommen, in einen 
tiefen Schlaf verfallen und nicht wieder 
zum Leben erwacht. Wie wir vernehmen, 
ist die gerichtliche Untersuchung angeord 
net; der betreffende Apothekergehülfe soll 
aber, sobald die Sache ruchbar geworden 
ist, die Stadt verlassen haben. — Der 
Verstorbene war auch Ehrenvorsitzender des 
hiesigen Kriegervereins, welcher ihm einen 
ehrenvollen Nachruf gewidmet hat. 
Der „Lün. Anz." giebt in Bezug auf 
diesen Fall folgende authentische Darstellung 
des Thatbestandes. Herrn Ernst Frederich 
war von seinem Hausarzt, Herrn Ober- 
tabsarzt Kley, gegen ein inneres Leiden 
Lhloralhydrat zum Einnehmen ver 
trieben worden. Der mit der Ausführung 
der ärztlichen Verordnung anvertraute 
Lazarethgehülfe brachte das Recept zur 
Rathsapotheke, deren Inhaber, Herr August 
Lepin, vor einigen Tagen mit seiner Familie 
eine Erholungsreise unternommen halte. 
Zufällig war auch der stellvertretende 
Apotheker abwesend, und ein Gehülfe, der 
allerdings schon die erste Apothekerprüfung, 
aber noch nicht das Staatsexamen bestanden, 
nahm das Recept in Empfang. Der Ge 
hülfe las statt Chloralhydrat Morphium. 
In diesem Falle, da Morphium in der in 
dem Recept vorgeschriebenen Menge nicht 
verarbeitet werden darf, hätte der Gehülfe 
die Rückkehr des stellvertretenden Apothekers 
abwarten sollen und dessen Rath einholen 
müssen. Statt dessen führte er das Recept 
so wie er es irrthümlich gelesen, selbstständig 
aus, nachdem er sich von dem Lazarethge- 
hülfen hatte versichern lassen, daß der Arzt 
die Medicin selbst in Empfang nehme. 
Um indessen alle Vorsicht zu gebrauchen,' - 
füllte er sie in ein Fläschchen, wie sie nur 
für Jnjectionen gebräuchlich sind, und klebte 
außerdem noch ein rothes Etiyuette darauf. 
Der Lazarethgehülfe aber, in der Meinung, 
er habe eine Medicin zum Einnehmen nach 
Verordnung des Arztes erhalten, gab dem 
Kranken den Inhalt des Fläschchens ein. 
Das war um 1 Uhr Mittags. Die 
Wirkungen zeigten sich sofort. Die ange 
wandten Gegenmaßregeln waren erfolglos, 
und um 7 Uhr Abends entschlief Herr 
Ernst Frederich. Von einer Obduction der 
Leiche wurde, da der Thatbestand klar war, 
Abstand genommen. Das furchtbare Ge 
schick des auf solche Weise aus dem Leben 
abberufenen Mannes beschäftigt alle Kreise 
der Stadt. Herr Rathsapotheker Lepin ist 
gestern Abend, auf das tiefste erschüttert, 
von seiner Reise wieder hier eingetroffen, 
mährend sich der Gehülfe, der Berzweiflung 
nahe, sofort zu seinen in der Nähe Bremens 
wohnenden Elterns begeben hatte. 
Einem Gartenbesitzer in Hamburg wur 
den 200 hochstämmige Rosenstöcke im 
Werthe von 400 JL abgeschnitten. 
Die abgeschnittenen Rosenstöcke hat der 
Frevler, der wahrscheinlich aus Rache ge- 
.,andelt hat, einfach liegen lassen. Auf 
eine Entdeckung ist eine Belohnung von 
100 Jl ausgesetzt. 
Die so oft gerügte Unvorsichtigkeit, Pe- 
roleum beim Feueranzünden zu verwenden, 
beging gestern wieder das Dienstmäd 
chen einer in Eimsbüttel wohnhaften Herr- 
chaft. Die Folge war, daß die in der 
Hand des Mädchens befindliche Kanne ex- 
plodirte und sich der in Braud gerathene 
Inhalt über die Kleider der Unvorsichtigen 
ergoß, welche infolgedessen in Flammen 
aufgingen. Das Mädchen erlitt so schwere 
Brandwunden, daß seine Ueberführung ins 
Krankenhaus nothwendig wurde. 
Aufsehen erregt unter den Hamburger 
Börsenbesuchern die gestern erfolgte Ver- 
Haftung eines Maklers, der beschuldigt 
wird, größer Unterschlagungen verübt zu 
haben. Das veruntreute Geld hatte der 
Verhaftete zur Deckung eigener Verbindlich, 
keiten verwendet. 
Brovin,zieLeö 
Altona, 16. Aug. Dem hiesigen Spar> 
nd Bauverein ist laut der N-O-Z" 
abermals ein Darlehen im Betrage von 
69000 JL seitens der Jnvaliditäts- und 
Alterversicherungsanstalt Schleswig-Holstein 
bewilligt worden. Der Verein hat früher 
bereits in zwei Darlehen die Summe von 
142000 JL aus den Mitteln der Anstalt 
von einem Taschendiebe u m erhalten, so daß demselben nunmehr ins- 
1000 ^ bestohlen. Der Dieb, der!gelammt 211000 Jt zur Verfügung ge.
	        
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