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den kaiserlichen Missionen
den für den Handel mit landwirthschaft-
lichen Produkten hauptsächlich in Betracht
kommenden Ländern versuchsweise zu ver
anlassen und wegen Einstellung einer ent
sprechenden Forderung in den nächsten
Reichsetat die nöthige Verfügung zu treffen
Abermals soll eine hervorragende
Beamtenkraft der Reichsbank
durch Angebot eines hohen Einkom
mens und zwar eines solchen, das selbst
das der höchsten Beamten übersteigt, zum
Eintritt in den Dienst eines privaten Bank
instituts veranlaßt werden. Die „Nord
Allg. Zig." vergleicht die Handlungsweise
jener Aktiengesellschaften, welche ohne Rück
sicht auf die dadurch verletzten öffentlichen
Interessen, durch das Anerbieten von Ge
hältern, wie sie der Reichsdienst nicht zu
gewähren vermag, der Reichsbankverwal
tung gerade ihre besten Kräfte abspenstig
machen, mit dem Verfahren, das im Privat
leben als „unlauterer W e t t b e
w e r b“ bezeichnet wird, und meint, es
würde das bisherige gute Verhältniß der
Reichsbank zu den Aktienbanken dadurch
gestört werden können und warnt vor einer
Wiederholung solcher Vorgänge. Wir
meinen, die Reichsbank kann stolz darauf
sein, daß sie als Schule für die privaten
Banken dient und das öffentliche Interesse
werde dadurch nicht leiden, daß die Zahl
derjenigen immer größer wird, die diese
Schule durchgemacht haben. Wir glauben
dies e n Wettbewerb als einen „edlen"
bezeichen zu dürfen.
— Die „Nordd. Allg. Ztg." klagte be
kanntlich gestern darüber, daß der Reichs
bank fortdauernd Beamte durch Anerbieten
sehr hoher Einkommen seitens Berliner
Bankinstitute entzogen werden; in nächster
Zeit ständen wieder bedeutende Verluste
bevor. Nach der „Kreuz-Ztg." soll es sich
bisher um die Ausscheidung des Geh.
Rathes Hartung aus dem Reichsbankdirec-
torium und dessen Eintritt in den Schaff-
hausen'schen Bankverein handeln. Aller
dings soll Herr Hartung nicht um einen
finanziellen Vortheil zu erzielen, ausge-
schieden sein.
— Die „Voss. Ztg." veröffentlicht eine
ganze Reihe von Beschwerdebriefen über
unangenehme Zwischenfälle bei Ferien
sonderzügen. Zu dem Sonderzug, der
am 6. Juli von Berlin nach B asel ging,
waren Waggons von allen Bahnen und
aller Art in dem endlos langen Zuge; in
der Nacht fungirte die Bremse derartig,
daß man eine Entgleisung fürchten mußte.
Oftmals hielt der Zug an kleinen Stationen
still, manchmal war auch nur freies Feld
zu sehen; warum, wurde nicht bekannt.
In Heidelberg wurde wegen Kettenbruch
noch ein Wagen ausgesetzt. In dem Sonder-
zug Berlin-Frankfurt a. M. am 7.
Juli machte sich schon auf den ersten
Stationen beim Halten und Anrücken des
Zuges in einem Wagen ein beängstigendes
Krachen bemerkbar und die Stöße waren
so heftig, daß es aller Standhaftigkeit be
durfte, um nicht das Gleichgewicht zu ver
lieren. Hinter Weißenfels erlosch das
Licht im ganzen Wagen. In Naumburg
wurde versucht, es wieder anzuzünden, doch
da es nicht brannte, setzte der Zug sich
wieder in Bewegung und Jemand von den
Bahnbeamten rief: „Auf der nächsten
Station bekommen Sie Licht". Die Reisen
den mußten also in dem nach wie vor
krachenden Wagen die Strecke Weißenfels
Apolda in der Zeit von 11 3S bis l 01 in
tn
„Unser Kreis hat eine angenehme Ver
größerung erhalten."
„So? So?"
„Eine charmante Dame —" Anna hielt
inne, um sich einen Augenblick an Frau von
Schönwolff's enttäuschtem Gesicht zu ergehen,
welche sicherlich geglaubt hatte, von einer
neuen, hervorragenden Persönlichkeit männlichen
Geschlechts zu hören. „Eine, wenn auch nicht
mehr ganz junge, doch bildschöne Wittwe."
„So?" î
„Dazu ein wahrer Ausbund von Liebens
würdigkeit, interessant, talentvoll, außerdem,
wie man nicht nur vermuthet, sondern aus
den besten Quellen weiß, enorm reich und von
dem besten Willen beseelt, ein famoses Haus
zu machen." ✓
„Ei, das ist ja viel auf einmal."
„Sic ist der Schützling von Exellenz Maurer,
der Fürst und die Fürstin überhäufen Sie mit
den Beweisen ihrer allerhöchsten Gnade, alle
Herzen fliegen ihr zu und sie überstrahlt alle
anderen Damen, alte, mittelalterliche und junge.
Anna richtete das große blaue Auge wie
bekümmert zur Decke. „Auch mich Übersicht
man jetzt ganz und gar, und das will bei
meiner körperlichen Größe doch schon viel
sagen."
Frau von Schönwolff's Fächerbewegung
wurden immer energischer: kein Zweifel, diese
unangenehme, spottlustige Person, diese Anna
von Ehlarn wollte sie ärgern und sie durfte
noch nicht einmal zeigen, daß sie deren Ab
sicht erkannte und ihr einige ihrer Artigkeiten
dafür sagen, welche sie stets in Bereitschaft
hatte.
Anna belustigte sich königlich und hatte
Mühe, das Lachen zu verbeißen, während
Fräulein von Ponska wie auf Kohlen saß,
jeden Augenblick einen Zorncsausbr-nch der
gereizten Dame befürchtend.
(Fortsetzung folgt.)
der Nacht im Finstern fahren, ohne daß
man ihnen nur eine Laterne zur Verfügung
gestellt hätte. In Apolda erhielten
Petroleumlampen, die nach Meinung des
Schaffners „bis 2 Uhr ausreichen würden,
dann wäre es ja Tag". An eine Unter
suchung des Wagens dachte niemand. Dies
geschah erst in Eisenach. Der den Wagen
untersuchende Techniker erklärte demStations
Vorsteher: „Mit diesem Wagen kommt
der Zug nicht weiter", und so wurde nach
fünfstündiger Gefahr der Wagen aus
rangirt. In Elm mußte ein zweiter Wagen
ausrangirt werden.
Berlin, 15. Aug. Eine an arch isti
sche Volksversammlung fand
gestern Abend hier statt. Ungefähr 500
Personen waren anwesend. Als Haupt
redner trat ein Herr Bertram auf, der
das Thema „Anarchismus und Gewalt
behandelte. Die Diskussion verlor sich
den üblichen Streitigkeiten über Taktik rc
Beschlüsse wurden nicht gefaßt.
- Dr. Bruno Wille, einst ein großes
Licht in der sozialdemokratischen Partei,
alsdann aber nach dem Kampf mit den
mgen" aus der offiziellen Sozialdemo
kratie ausgeschieden, hält jetzt in seinem
Sinne Vorträge am Niederrhein. Der
„Vorwärts" klagt, daß das sozialdemo
kratische Solinger Parteiorgan für diese
Vorträge Reklame macht. Die Vorträge
Wille's beständen aus öden Gemein
Plätzen und einigen argen Dumm
heiten.
Die überraschende Mittheilung, wonach
sich die Untersuchung in der Schweicheb
schen Mordafsaire seit einigen Wochen
in einer neuen Richtung bewegt und der
verhaftete Schlosser Heinrich Kraus
nunmehr als der That verdächtig erscheint,
bestätigt sich. Es sind der Kriminal
polizei von dem Untersuchungsrichter ent
sprechende Mittheilungen zugegangen, die
neue Erhebungen nach der angedeuteten
Richtung hin zur Folge hatten.
Der gemaßregelte freisinnige Lehrer
Nugel zu Karwen bei Krakow, welcher
wegen seiner Theilnahme an der Wahlbe
wegung nach der Reichstagsauflösung im
Mai 1893 zu Gunsten des freisinnigen
Kandidaten im Wahlkreise Neustadt - Cart-
haus von der Königlichen Regierung zu
Danzig zur Amtsentsetzung verurtheilt
worden war, ist vom 14. Aug. ab wieder
in sein Amt eingesetzt worden, nach
dem auf die von Nugel eingelegte Berufung
das Staatsministerium das Erkenntniß der
Regierung aufgehoben hat. Nugel ist
gleichzeitig zum 1. Oktober auf die e r st e
Lehrerstelle zu Strauchhütte, Kreis Berent,
versetzt worden.
Ein trauriges Wiedersehen rm
Elternhause hatte in voriger Woche ein
Soldat, der wegen seines leidenden Zu
standes auf vier Wochen beurlaubt worden
war. Als er am Freitag Nachmittag die
elterliche Wohnung in Groß-Behnitz bei
Nauen betrat, sich freuend auf den herz
lichen Empfang, traf er seine Mutter und
die Geschwister in grenzenlosem Schmerze;
die Familie umstand trauernd die sterbliche
Hülle des Ernährers, des Weichenstellers
Reinecke, der zwei Stunden vorher von
einem Zuge der Lehrter Bahn überfahren
worden war; soeben hatte man die zer
malmte Leiche des Unglücklichen ins Haus
gebracht.
Camburg, 15. Aug. Eine Feuers
b r u n st zerstörte das Hotel „Erbprinz von
Meiningen" nebst vier Wohnhäusern.
Schmölln, 15. August. Der Mitbesitzer
der hiesigen Knopffabrik Frohberg wird
wegen bedeutender Unterschlagungen
steckbrieflich verfolgt.
Auf dem von Swincmünde nach Stettin
zurückkehrenden Dampfer „Swinemünde"
gewahrte man Sonntag-Abend ein Boot,
das kein Licht führte, in kurzer Entfernung
vor dem Backbordbug. Der Dampfer gab
ein Zeichen mit der Dampfpfeife, ließ die
Maschine stoppen und dann rückwärts
gehen. Das Boot, anstatt an der Back
bordseite des Dampfers zu bleiben, kam
nun plötzlich vor den Bug des nach Steuer
bord abfallenden Dampfers und wurde
dabei durchschnitten. Bon den fünf
Insassen des Bootes hielten sich zwei
Männer an dem zertrümmerten Boote fest
und es gelang, sie auf den Dampfer zu
retten. Ein Arbeiter Ziehm aus Züllchow
rettete sich durch Schwimmen ans Land,
während dessen Frau mit dem dreijährsgen
Kinde, das sie auf dem Schoße gehalten
hatte, ertranken.
Halle a. d. S., 12. August. Ein Ein
wohner von Weißenfels, der aus der R e-
ligionsgemeinschaft ausgeschie
den ist, wurde auf Antrag der Schulbe
hörde von der Polizeiverwaltung aufge
fordert, seinem Sohne Religions
bücher zu kaufen, wogegen der Mann
unter Berufung auf seine Konfessionslosig-
keit Einspruch erhob und die Dispensation
seiner Kinder vom Religionsunterrichte ver
langte. Der Kreisschulinspektor wie die
Königliche Regierung zu Merseberg wiesen
den Antrag zurück. Eine Dispensation
könne erst dann eintreten, wenn der^ Nach
weis erbracht sei, daß für den religiösen
Unterricht anderweitig in ausreichender
Weise gesorgt sei. Der Mann führte hie
rauf Beschwerde beim Kultusminister
auf Grund des Art. 12 der Preußischen
Verfassung unter Berufung auf ein Er
kenntniß des Landgerichts Halle. Der ihm
gewordene Ministerialbescheid besagt abep
daß das K a m m e r g e r i ch t in seinem
Urtheile vom 17. April v. I. zu dem
schon früher ausgesprochenen Grundsätze
zurückgekehrt sei, daß schulpflichtige Kinder
ohne Rücksicht darauf, ob ihre Eltern der
Kirche angehören oder nicht, also auch
Kinder von Dissidenten, in einer
Religion nach den Gesetzen des Landes er
zogen werden müssen. — Die Königliche
Regierung zu Merseburg hat für
ihren Schulaufsichtsbezirk verfügt, daß in
allen S ch u l l i st e n neben dem Geburts
tag auch der T a u f t a g des Kindes an
zugeben, oder der Vermerk zu machen ist,
daß die Taufe nicht vollzogen worden ist
Auch aus den ausgestellten Schulzeugnissen
soll zu ersehen sein, ob das Kind getauft
ist oder nicht.
Gittersheim, 13. August. Dieser Tage
wurde hier der Hofbesitzer Andreas Borne-
mann in seinem Kuhstalle von einem
Bullen, den er losgekoppelt hatte, an-
gegriffen und durch einen Stoß vor den
Kopf sofort g e t ö d t e t.
Ein Dienstknecht aus Cronshorst, welcher
wiederholt wegen groben Unfugs und Haus
friedensbruchs vom Amtsvorsteher zu Pa
pendorf mit Geldstrafen belegt war, legte
gegen die letzte wieder ihn ergangene
Strafverfügung Berufung auf gerichtliche
Entscheidung ein. Vom Schöffengericht
wurde er mit seiner Beschwerde abgewiesen.
Der Excedent kehrte wuthschnaubend nach
Cronshorst zurück, drang in Schöningstedt
in das Haus eines dortigen Landmanns
ein und schlug einen Knecht jenes Hauses
ohne jede Veranlassung mit seinem Knüttel
nieder. Leider entging der Wütherich durch
die Flucht der sofortigen Verhaftung. Die
Sache ist jetzt aufs neue in Untersuchung.
Eine h e i t e r e S c e n e bot sich den
Bewohnern des Dorfes Schönow bei Ber
nau inmitten des Jammers^und Schreckens,
den das Hagelwetter jüngst hervorrief. Ein
Storch, ein noch junges Thier, durch
den Hagel überrascht, flüchtete sich in seiner
Angst zu einem Bauernwagen und nahm
ohne weitere Umstände darauf Platz. Der
Bauer empfand menschliches Rühren, und
in der Ueberzeugung, daß zum Glück und
Wohlergehen des Dorfes doch auch der
Klapperstorch gehöre, ließ er Bruder Lang
bein gewähren, der auf dem Wagen stehend
recht zufrieden nach rechts und links aus-
chaute. So fuhr der Bauer mit seinem
absonderlichen Gast durch das Dorf auf
ein Gehöft, auf dem der Storch sicheren
Schutz fand. Die Kinder des Hauses
nahmen sich des Fremdlings besonders an,
der sich in seiner neuen Gesellschaft auch
bald wohl fühlte. Der Storch scheint den
Entschluß gefaßt zu haben, seinen Wohl-
thäter nicht wieder zu verlassen.
Dortmund, 13. August. Eine eigen
thümliche Maßregel hat die hiesige
Polizei getroffen. Sie hat die Zechen
im Stadtkreise aufgefordert, ihr je zwanzig
Mann zu nennen, die bereit seien, be:
einem etwa ausbrechenden Streik das Zechen
eigenthum zu beschützen. Die Leute sollen
bei einem etwaigen Streik Beamtenqualifi
kation erhalten und vereidigt werden. Ir
Arbeiterkreisen hat die Maßregel Aufsehen
erregt, man betrachtet dort die Leute, die
ich melden, als Gegner der Arbeiter. Das
ozialdemokratische Organ bezeichnet sie als
deutsche „Pinkertons".
Cassel, 15. Aug. Die 23. Haupt-Ver-
ammlung desdeutschenApotheker-
Vereins wurde heute Vormittag durch
Fröhlich aus Berlin eröffnet und durch
Vertreter der Staatsregierung wie der
iädtischen Behörden begrüßt. Die Ver
ammlung, die etwa 500 Theilnehmer
zählt, beschloß u. A., es soll die Maturi
täts-Prüfung als Vorbedingung des Apo
thekerstandes erstrebt werden.
Vom Harze, 12. Aug. Großes Auf-
ehen erregt die Amtsentsetzung des Bür-
ermeistersKeilin dem Anhaltischen
Bergstädtchen Günthersberge. Sie
erfolgte auf Anzeige des Vormundes der
15'/»jährigen Tochter einer armen Wittwe,
zu der Keil, ein verheiratheter Mann und
Vater mehrerer Kinder, in einem uner
laubten Verhältnisse stand. Ein Brief, den
er dem Mädchen geschrieben hatte und der
ehr unsittlichen Inhalts gewesen sein soll,
war dem Vormunde des Mädchens in die
Hände gefallen und veranlaßte ihn zur
Anzeige. Die Kreisdirektion in Ballenstedt
verfügte sofort Amtssuspension.
Hildesheim, 12. Aug. Bei einer Zahn
Operation hat sich hier am Freitag-
Nachmittag ein bedauerlicher Un
l ü ck s f a l l ereignet, über den der
Magd. Ztg." von zuständiger Seite fol
gende Darstellung gegeben wird: Die
Gattin des Kantors Schramm aus Gronau
kam an dem gedachten Tage in Begleitung
hres Mannes zu einem hiesigen viel be
schäftigten Zahntechniker, um sich einen
,ahn entfernen zu lassen, verlangte aber
narkotisirt zu werden. Der Zahnarzt
machte die Frau darauf aufmerksam, daß
jede Narkose für Leben und Gesundheit
eine Gefahr habe und ersuchte, davon Ab-
land zu nehmen. Diese Frau bestand
aber mit aller Bestimmtheit auf der An-
wendung eines Betäubungsmittels. In
Folge dessen wurde ein hiesiger praktischer
Arzt zugezogen, der die Frau zunächst
gründlich untersuchte, hierbei zwar eine
erhebliche Aufregung konstatirte, aber nicht
die geringste Spur eines Herzleidens vor
fand. In Folge dessen nahm der Arzt
die Narkose vor, und wandte dabei das
in letzter Zeit vielfach genannte Betäubungs
mittel Pental an, das auch sofort wirkte
Der Zahnarzt schritt nun zur Entfernung
von drei kranken Zähnen, die auch schnell
und gut gelang. Die Frau war bei der
Operation aus der Betäubung erwacht und
hatte dem Zahnarzt den Arm festzuhalten
versucht; sie wurde gleich darauf leichen
blaß und sank zurück. Eine Herz
lähmung hatte ihrem Leben
e i n E n d e b e r e i t e t. Alle sofort an
gewandten Wiederbelebungsversuche waren
erfolglos. Auf Veranlassung der Staats
anwaltschaft ist bereits eine Untersuchung
eingeleitet; es dürfte Niemandem ein Ver
schulden beizumessen sein, da bei der Nar
kose mit aller Sorgfalt verfahren sein soll
Tübingen, 10. Aug. Die „Tüb. Chr."
berichtet: Eine brutale That ver
übte heute Nacht der augenblicklich hier
auf Urlaub befindliche Grenadier U n ck e l
vom Grenadier-Regiment „Königin Olga"
in Stuttgart. In einem Nachtcafö in der
Ammergasse war es zwischen ihm und dem
Stud. Kränzle aus Ehingen zu einem
Wortwechsel gekommen, nach dessen schein
bar unbedeutendem Verlauf der Soldat
das Lokal verließ. Als nach einiger Zeit
sich Studiosus Kränzle auf den Heimweg
machte, stürzte in der Kornhausgasse Unckel
aus dem Hinterhalte auf ihn los, warf
ihn zu Boden und bearbeitete ihn mit dem
blanken Seitengewehr. Hierbei erhielt
Kränzle neben anderen Verletzungen eine
klaffende Schädelwunde, die dem herbeige
rufenen Arzte so gefährlich erschien, daß
er die Verbringung des Schwerverwundeten
nach der chirurgischen Klinik anordnete.
Hier wurde heute Vormittag an dem Be
dauernswerthen, der der einzige Sohn
einer Eltern ist, eine Operation vorgenom
men. Die Verletzung besteht in einer
komplizirten Schädelfraktur. Es wurden
drei Splitter ausgezogen. Augenblickliche
Lebensgefahr besteht nicht. Der Thäter
wurde heute früh 5 Uhr in seiner elter
lichen Wohnung durch die Polizei verhaftet
und dem hiesigen Bataillon eingeliefert.
Stade, 13. Aug. Wie das „St. Tage-
bl." erfährt, ist der Urheber des kürzlich
in Hedendorf vorgekommenen Brand-
ch a d e n s in der Person eines dortigen
Zimmergesellen ermittelt worden. Der
Brandstifter wurde am vorigen Sonn
abend Abend dabei ertappt, als er im Be
griffe stand, das Strohdach eines Hauses
in Brand zu setzen.
Winsen a. L., 13. Aug. Gestern hatten
wir hier Gelegenheit, das Neueste auf dem
Gebiete der politischen Agitation zu sehen
Etwa 12 sozialdemokratische
Radfahrer langten Vormittags aus
Hamburg hier an, brachten in die Häuser
Exemplare des „Hamburger Echo" und
setzten dann ihre Reise fort, jedenfalls, um
auch in den Dörfern der Umgegend ihre
Schriften zu verbreiten.
In einem grauenhaften Zu
stände wurde die uneheliche Tochter
einer in Hamburg wohnenden Ehefrau
Baller ins Krankenhaus gebracht. Die
Aerzte stellten fest, daß dem acht Jahre
alten unglücklichen Kinde in beiden Ober
schenkeln die Knochen gebrochen waren,
ebenfalls war das Schlüsselbein gebrochen
und der Knochen des rechten Oberarms
aufgetrieben. Außerdem gaben verschiedene
Verletzungen am Kopfe Zeugniß von den
Mißhandlungen, welche an dem armen
Kinde verübt worden sind. Die Unmensch
liche Mutter wurde in Haft genommen.
Der 4. Delegirten-Tag der deutschen
Hebammen - Vereine findet zwischen
11.—13. September er. in Hamburg statt
und ist damit eine Fachausstellung
verbunden. Anmeldungen zu dieser werden
von dem Secretair Herrn G. A. Otto,
Hamburg, Alterwall 62, sowie durch die
Annoneenbüreaux von Heinrich Eisler,
Hamburg, Berlin, Frankfurt a. M. und
Leipzig entgegengenommen.
Hamburg, 14. Aug- Von den Geld-
spindknackern ist, dem „Hamb. Korr."
zufolge, in letzter Nacht von hiesigen Krimi-
nalbeamten der fünfte der Altonaer Gruppe
„Kirchberg und Genossen", ein gewisser
aus Thorn gebürtiger Paul Gehrke, ver-
hastet worden. In seinem Besitz befand
sich eine Sammlung der gefährlichsten Ein-
bruchswerkzeuge von sehr guter Arbeit.
Provinzielles.
ļ, 14. Aug. Wie aus Berlin ver
lautet, soll für die offizielle Eröffnung des
Nord-Ostsee-Kanals bereits ein früherer
Termin, als ursprünglich angenommen, in
Aussicht genommen sein. Und zwar ent
spricht es einem persönlichen Wunsche Sr.
Majestät des Kaisers, diesen Termin
womöglich auf den 1. Juli 1895
verlegt zu sehen. Ebenso hat man auf
Wunsch des Kaisers aus ernsten strategischen
Gründen das Augenmerk darauf gerichtet,
die Bahnanlage von Kiel zum Kanal be-
chleunigt zur Ausführung zu bringen,
damit die Fertigstellung dieser Linie mit
der Kanaleröffnung zusammenfällt. Wenn
nicht unvorhergesehene störende Zwischen
unserem Hofe näherstehenden Kreisen aus
den Besuch des vom Kaiser in Cowes herz'
lichst eingeladenen Prinzen von Wales zu
den nächstjährigen Kieler Kaiserregatten;
wenn angängig, sollen dann die englischen
Nachten bereits den Kanal passiren. (N.-O.-Z-)
Probst Becker in Kiel veröffentlicht eine
„Offene Antwort auf die von Herrn Bü»'
germeister Lorey in der Sitzung der Kieler
Stadtkollegien vom 10. d. Mts. in Bezug
auf den sittlichen Zustand Kiels gesprochenen
Worte." Bürgermeister Lorey wies vor
Kurzem darauf hin, welche Sorgfalt die
Polizei entwickelt, Erkrankungen zu entdecken,
zu heilen und ihre Weiterverbreitung zN
verhindern. Allein für Heilungszwecke
wendet die Stadt mehr als 10000 JL auf-
Es sei absolut unwahr, daß Kiel die ver
trunkenste und unsittlichste Provinzialstadl
sei. Trunkenbolde sähe man hier verhält'
nißmäßig wenig, im Osten der Monarchie
sähe es z. B. viel schlimmer aus. Wa§
die Unsittlichkeit betrifft, so sei das Uebel
überhaupt nicht, besonders in einer Marine'
stadt wie Kiel, aus der Welt zu bringen-
Aber es sei eine unerhörte Uebertreibung,
wenn gesagt wird, daß die Stadt zui»
Sumpf geworden sei und die Verwaltung
dem machtlos gegenüberstehe. Bürgermeister
Lorey ist persönlich der Meinung, daß, st
wie die Dinge sind, die Einrichtung vo»
öffentlichen Häusern das Richtigste wär»-
Das ist aber nach Lage der Gesetzgebung
ausgeschlossen. Und da die Unsittlichkeit
nicht ganz aus der Welt zu bringen sei,
könne es sich nur darum handeln, ob ina»
die Prostitution lakalisiren, oder verallg»'
meiner» lassen solle. Bürgermeister Lore?
tritt für die Lokalisirung, als für bat
kleinere Uebel ein. Der schlimmste Fein?
sei die heimliche Prostitution. Eingehen»
würden hier die gesetzlichen Bedingungen
erörtert, unter welchen der Behörde ei»
Einschreiten gegen Personen, welche Unzucht
erwerbsmäßig und Kuppelei aus Eigennutz
treiben, ermöglicht wird. Die Verwaltung
schreite mit allem Nachdruck ein, um di»
Verbreitung von Krankheiten zu verhindern,
sie stelle sich auf den Standpunkt, daß s»
viel als möglich für die Gesundheit bei.
Einwohner geschehen müßte, daß dahin g»'
strebt werden müßte Krankheiten zu ent'
decken und zu heilen. Vor vier Jahre»
hatte die Stadt für diesen Zweck 2000 J>
ausgegeben, jetzt würden mehr als 10000 J>
dafür ausgegeben. Das zeigte, daß
die städtische Behörde nicht ohne Erfolg
bestrebt sei, Unheil zu verhüten und z»
vermeiden. Die Stadt schließe ihre Auge»
nicht, sondern öffne sie. Alle Behörden
der Stadt, des Staates und des Reichs
arbeiteten nach allen Richtungen zur Be'
kämpfung des Uebels zusammen. Thatsächlich
lägen die Dinge in Kiel so, daß ans den
Straßen Niemand belästigt werde oder
etwas Häßliches sehe. Anstoß nehmen in
der Regel nur solche Personen an irgend
einer Erscheinung, welche eine eigene
Erfahrung haben. Nirgends werde der
Anstand öffentlich verletzt und das Bild,
welches Pastor Biernatzki von Kiel gezeichnet
habe, sei ein Phantasiegemälde, welches vor
der Wirklichkeit nicht bestehen könne." —'
Probst Becker wendet sich nun a»
Bürgermeister Lorey: „Wenn Sie der Red»
welche Herr Pastor Biernatzki auf der
Kieler Probstei-Synode gehalten hat, maß'
lose Uebertreibung vorwerfen, so forder»
ich Sie als Vorsitzender dieser VersamiN'
lung auf, den Beweis der Wahrheit zu er'
bringen. Der Zeitungsartikel des Herrn
Pastor Biernatzki enthält scharfe Worte,
auch unpassende Ausdrücke; aber in der
Hauptsache hat er völlig recht, und Alles,
was Sie dagegen gesagt, ist völlig ungk'
eignet, die gemachten Vorwürfe zu ent
kräften. Wie, Herr Bürgermeister, Sie
wagen angesichts der offenkundigen Zustände
unserer Stadt zu behaupten: „Thatsächlich
liegen bie Dinge so, daß auf unseren
Straßen Niemand belästigt wird oder etwas
Häßliches sieht." Lesen Sie denn Ihre
eigenen Polizeiberichte nicht, in denen sehr
biel „Häßliches" leider immer wieder be>
richtet werden muß? Ist es Ihnen unbe'
konnt geblieben, daß die strengen Polizei'
Vorschriften gegen das Hervortreten del
Prostituirten unter den Augen der aufsicht'
sthrenden Polizeiorgane einfach ignoriff
verden? Sagten Sie mir nicht neulich
-elbst, als ich Klage über einen öffentliche»
Straßenskandal am Hellen Tage in der Haß'
Straße führte, der durch Dirnen unter der»
Zulauf der ganzen Kinderwelt veranlaßt
war (Väter suchten ihre eben konfirmirte»
Jungen aus einem verrufenen Hause her'
auszutreiben): „Das weiß ich schon, das
ist mir schon gemeldet." Soll ich Ihne»
die Zeugen nennen, die beim Heimgang»
aus der Gesellschaft mehr wie einmal i»
ärgerlicher Weise auf der Straße vo»
Dirnen belästigt sind und die in diese»
Veranlassung sich so äußerten über die Zw ļ
lande in unseren Straßen, wie Biernatzk'
es wiedergegeben? Soll ich aus der»
ganzen Füllhorn der oft herzbewegende»
Klagen von Müttern, die das Aergerniß
für ihre Söhne und Töchter nicht mş
ansehen können, von Ehefrauen, denen ei»
liderliches Weib ihr eheliches Glück noch
dazu mit frechem Hohne zerstört hat, uN^
die keine Hülfe gefunden, ausschütten >
Kennen Sie nicht das traurige Loos de'
aus!
und
Pro
trau
Gef
dem
Sie
(Pe
sche:
Art
stäti
Sie
Per
wel
beb,
ereignen, so hofft man in denj Wittwen, die nach des Mannes Tode mittel' ,