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-H; 87ster Jahrgang. «-
Mittwoch, den 15. August
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Kiel, 15. Aug. Der gestern Nachmittag
ca. 3 Uhr von Neumünster nach Kiel plan
mäßig verkehrende Güterzug stieß
zwischen Bordesholm und Voorde bei der
daselbst befindlichen Kiesweiche mit einem
Arbeitszuge zusammen, wodurch meh
rere Wagen ganz erheblich beschädigt wur
den und mehrere entgleisten. Die Auf
räumungsarbeiten dauerten bis zum Abend,
während welcher Zeit das östliche Geleise
gesperrt war, und mußten alle Züge auf
dem westlichen Geleise befördert werden,
wodurch einige Verspätungen vorkamen.
Der Abends 10 Uhr 18 Minuten hier
einlrefiende Personenzug konnte die Unfall
stelle schon wieder ungehindert pafiiren.
Personal ist bei dem Unfall nicht verletzt
worden.
Licgnitz, 15. Aug. Große Panik verirr-
sachte auf dem Festplatze des Schlesischen
Bundesschießens der Zusammenbruch des
Dampfkarrussels infolge Ueberfüllung; drei
Personen wurden dabei schwer verletzt.
Haynau, 15. Aug. Infolge einer von
Neuem eingetretenen Geschäftskri-
s!is kündigte die Frankesche Handschuh-
s a b r i k s ä m m t l i ch e n A r b e i t e r n.
In den Handschuhsabriken von Wipper-
wann und Thomaß stehen wegen eingetre
tener Stockung im Export nach Amerika
ebenfalls Kündigungen bevor.
Brüssel, 15. Aug. Der hiesigen Polizei
gelang es, eine aus 28 Personen bestehende
Diebesbande in Hast zu nehmen, welche
hauptsächlich an der holländischen Grenze
eine Anzahl Kirchen und Wohngebäude
geplündert hatte.
Petersburg, 15. Aug. In dem Kirch
spiel Seppale in Finnland wüthete ein
furchtbarer Cy klon, der auf eine
Strecke von sechs Kilometern ungeheure
Verwüstungen anrichtete. Zwei Dörfer
ivurdcn total zorstört. Biel Vieh ist um-
gekommen. Mehrere Personen werden
vermißt. , , ,, . ,
Loudon, 15. Aug. Eine sehr zahlreich
besuchte Versammlung von In
hadern griechischer Werthe sand
heute unter dem Vorsitze Lubbock's statt
Der letztere theilte mit, daß der englische
Gesandte in Athen die Ansicht anssprach,
daß man nicht mehr fordern solle, als die
griechische Regierung gegenwärtig guguge
stehen bereit sei. Jetzt sei es Sache der
Versammlung, hierzu Stellung zu nehmen.
Mehrere Redner vcrurtheilten das Verhol
ten der griechischen Regierung als unehren
haft. Hierauf wurde eine Resolution vor
gelegt, wonach der Vorschlag des englischen
Comites gebilligt wurde. Mehrere Amen
dements wurden beantragt, ein Beschluß
hierüber jedoch nicht gefaßt. Die Berathung
des Vorschlags wurde schließlich auf un-
bestimmte Zeit vertagt. Die deutschen und
französischen Delegirten wohnten der Ver
sammlung bei. Der Secretär des deutschen
Somite's, Rößler forderte die Bondholders
auf, sich dem Ultimatum vom 16. Juli
anzuschließen.
Madrid, 15. Aug. Der von dem vor
gestrigen C y c l o n in Herencia, Provinz
Ciudad Real angerichtete Schaden wird
auf drei Millionen geschätzt; der Hagel-
schlag verletzte 200 Personen.
Mttsîand.
Außereuropäische Gebiete.
Auf 20 Mill. Dollars werden die
Verluste und Kosten des letzten großen
Streikes in Amerika veranschlagt. Für
den an Eisenbahn- und anderem Eigenthum
in Chicago angerichteten Schaden wird ge
nannte Stadt aufzukommen haben. Das
Jllinoiser Gesetz zur Schadloshalung von
Eigenthümern für durch Pöbelwirthschaft
oder Putsch zerstörtes Eigenthum hält die
Stadt bezw. das County, in welchem das
Eigenthum zerstört wurde, bis zu drei
Vierteln des Werthes des so zerstörten
Eigenthums verantwortlich. — Für die
Eisenbahnen bedeutete der Streik àen
täglichen Verlust von etwa 250000
Dollar. Weit höher jedoch stellten sich
die Verluste an Arbeitslöhnen für die
Arbeiter, die in dem Streik und Boykott
engagirt waren oder durch denselben in
Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Ar
beiter der Pullman'schen Werke würden
bei den reduzirten Lohnansätzen noch immer
wöchentlich zusammen 300 000 Doll, be
zogen haben, sie haben -also für die Dauer
des Streiks einen Verlust von jetzt über
2 000 000 Doll, zu beklagen. Enorm ist
auch der Verlust der Eisenbahnarbeiter
und der durch den Sympathiestreik in Mit
leidenschaft gezogenen sonstigen Arbeiter in
Chicago, sowie in allen übrigen Theilen
des Landes. Experten veranschlagen die
Gesammtverluste der Arbeiter inkl. derjenigen^
der Arbeitgeber auf rund 10 000 000 Doll.
— eine Riesensumme für den dreiwöchent
lichen und doch ohne Erfolg verlaufenen
Ausstand.
Newyork, 10. Aug. Das gestrige
Eisenbahnunglück auf der Union
Pacific-Bahn bei Lincoln in Nebraska
war ohne Zweifel das Werk von Uebel
thätern. Die Brücke geht dort 40 Fuß
hoch über den Abgrund. Die Verbrecher
hatten eine Schiene ausgehoben, damit der
Zug auf der Brücke entgleisen mußte.
Der Zug hatte außer der Maschine nur
zwei Wagen. Der Kessel der Lokomotive
explodirte und die Wagen und die Brücke
geriethcn in Brand. Die 15 Fahrgäste
des Pullman'schen Schlafwagens wurden
gerettet, alle aber waren verletzt. Der
Lokomotivführer und der Heizer verbrannten
unter der Lokomotive. Im Rauchwagen
kamen alle um; sie wurden entweder sofort
getödtet oder langsam versengt. Im Ganzen
sollen 12 Personen ums Leben gekom
men sein.
Newyork, 12. Aug. Zu den unzählbaren
Vereinen ist hier ein neuer getreten: Der
Anti-Rauch-Verein. Allein über 600 Stu
denten, den verschiedensten Anstalten ange
hörend, haben sich durch ihre Unterschrift
verpflichtet, vor ihrem 21. Lebensjahre
nicht zu rauchen.
Verheerende Waldbrände, durch die
eine Anzahl Ortschaften in Asche gelegt
sind, werden in der Umgegend von Washing
ton, sowie aus Wiskonsin und Minnesota
gemeldet. In Wiskonsin ist der 2000 Be-
wohner zählende Ort Phillips fast ganz
ein Opfer der Flammen geworden. Der
ganze nördliche Theil des Staates Wiskon
sin wird als ein ungeheures Flammen
me er geschildert, dem unzählige Ansied
lungen, Sägemühlen und Wohnstätten zum
Opfer gefallen sind.
Afrika. Nach einer Meldung des Reu-
ter'schen Bureaus aus Pretoria haben
die Kafirs im Norden von Transvaal sich
empört, den Weg nach Marchisan blockirt,
die Besitzthümer der Farmer verbrannt und
sich des in denselben befindlichen Viehs be
mächtigt. Gegenwärtig belagern die Kafirs
die Regierungsgebäude in Agatah, in welche
sich die Einwohner geflüchtet haben. Es
sind Truppen zur Hülfeleistung dorthin
abgegangen.
Ueber die Lebensverhältnisse in Nord
fibirien wird aus Jakutsk folgendes berich
tet: „Die Preise der Lebensmittel in Jakutsk
sind gegen die in den anderen Städten
Sibiriens gezahlten Preise unerhört hoch.
Die von Europa eingeführten Colonial
waaren, worunter auch das Obst zu rechnen
ist, sind fast unerreichbar. Obstbäume sind
in Sibirien unbekannt, jeder Versuch, die-
selben im Süden zu acclimatisiren, ist miß
lungen, vom Norden ist garnicht zu reden.
So kostet ein Apfel in Irkutsk 25 Kop.
(81 H), eine Apfelsine 1 Rbl., nach Jakutsk
kommt derartige Waare überhaupt nicht.
Trotzdem die Uraleisenbahn die Fahrt nach
Sibirien etwas abgekürzt hat, nimmt die
unterbrochene Fahrt per Post nach Irkutsk
4 Wochen in Anspruch; eine Wagen-Kara
wane bewegt sich aber infolge der schlechten
Wege äußerst langsam und braucht bis zu
dem genannten Ziele dreimal so viel Zeit.
Aepfel müssen während des Transports
jeden zweiten Tag aus ihrer Filzverpackung
einzeln befreit und im Zimmer durchwärmt
werden. Die Aepfel aus Europa kommen
erst zu Weihnachten in Irkutsk an, nach
Jakutsk aber niemals. Kaffee gehört in
Sibirien zu den Luxusartikeln, Thee ist
dagegen um die Hälfte billiger als in Eu
ropa. Zucker kostet in Jakutsk 12 Rbl.
das Pud (1 Pud gleich 16,38 Kilogramm)
im Einzelverkauf erhält man das Pfund
für 40 Kop. Das beste Fleisch kostet in
Nordsibiricn 2 Rbl. 80 Kop. das Pud,
dagegen ein Pud Seife 8 Rbl. Petroleuni
ist nur dem Namen nach bekannt, man
brennt noch Talglichte, welche 6 Rbl. 50
Kop. das Pud kosten. Während ein Pud
Roggenmehl 1 Rbl. 20 Kop. und das
Weizenmehl 2 Rbl. kostet, ist Weißbrot
kaum erschwinglich, denn die erste Sorte
Weizenmehl kostet 17, die zweite Sorte 15
und die dritte 13 Rbl. das Pud. Buch
weizengrütze und Hafer sind im Handel
gar nicht zu haben. Verschiedene Fische
von 2 bis 9 Rbl. das Pud bilden fast das
einzige Nahrungsmittel der aus Jakuten
und eingewanderten Russen bestehenden Be
völkerung. Aus Europa eingeführte He
ringe kosten in Irkutsk schon 25 Kop. das
Stück, in Jakutsk sind sie garnicht zu
haben."
Rußland.
Petersburg, 14. Aug. Der Unfall des
Großfürsten Alexander und der Groß
fürstin Xenia an ihrem Hochzeitstage, von
welchem wir jüngst berichteten, soll nach
Mittheilungen aus St. Petersburg auf
ein Attentat zurückzuführen sein. Der
„Unfall", so schreibt der „L.-A.", ist nicht
so harmlos verlaufen, wie die erste offiziöse
Meldung lautete. Der Wagen, der das
Großfürstliche Paar von Peterhof, wo das
Hochzeitsmahl stattgefunden hatte, nach
Schloß Ropscha bringen sollte, stürzte in
einen tiefen Graben, weil eine Brücke, über
welche er fahren mußte, in der Mitte ent
zweigesägt war. Die Großfürstin Xenî i
brach sich den rechten Arm, der Großfürst
wurde schwer verwundet, der Kutscher
blieb mit zerschmettertem Schädel todt
liegen. Die russische Censur hat den Blät
tern verboten, den wahren Sachverhalt zu
berichten. (Wir geben die Notiz des gen.
Blattes, ohne für deren Richtigkeit einstehen
zu können. D. R.)
Rumänien.
Ein furchtbares Verbrechen, dessen
Urheberin die Bukarcstcr Advokatenwittwe
Elisa Dimitriade ist, wird aus dem
Badeorte Lacul-Sarat unweit Braila ge-
meldet. Die Witwe war gegen Ende des
vorigen Monats aus Bukarest mit ihrer
Dienerin nach Lacul-Sarat gereist, ohne
daß diese während der Reise und während
der ersten Tage des Aufenthaltes im Bade
orte die bei ihrer Herrin in Pflege be-
findliche achtjährige Nichte zu Gesicht be
kommen hätte. Doch würde die Dienerin
auf diesen Umstand kein Gewicht gelegt
haben, wenn sie nicht am sechsten Tage
ihrer Anwesenheit in Lacul-Sarat aus einem
im Zimmer ihrer Gebieterin stehenden
versperrten Koffer wimmernde Töne ver
nommen hätte. Zwar suchte Madame
Dimitriade die Frage ihrer Dienerin nach
dem Ursprung dieser Laute mit der Be
merkung abzufertigen, daß sich im Koffer
eine Wachspuppe mit Spielwerk befinde.
Doch wurde durch diese mit sichtlicher Ver-
legenheit vorgebrachte Erklärung der ein
mal erweckte Verdacht der Magd keines
wegs beschwichtigt, sie hielt sich vielmehr
verpflichtet, ihre Wahrnehmungen und ihren
Argwohn, daß im Koffer die Nichte ihrer
Frau eingeschlossen sei, der Polizei mitzu
theilen. Eine daraufhin in der Wohnung
der Frau Dimitriade vorgenommene Haus
durchsuchung, bei welcher der verdächtige
Koffer, dessen Schlüssel die Besitzerin ver
loren zu haben vorgab, mit Gewalt auf
gebrochen werden mußte, hat denn auch
die Vermuthung der Dienerin vollauf be
stätigt. Vor der Abreise von Bukarest
nach Lacul-Sarat hatte das entmenschte
Weib die ihrer Obhut anvertraute Nichte
in den Koffer gezwängt und ihn sodann
verschlossen als Gepäckstück in den Bade
ort mitgenommen. Der Zustand, worin
das bedauernswerthe Kind, daß seit einer
Woche, mit Ausnahme einiger ihm mitge
gebenen Brotkrumen, gar keine Nahrung
erhalten hatte, von der Gerichtskommission
aus seinem Kerker befreit wurde, spottet
35)
Man sagt.
Roman von E. von Wald-Zedtwitz.
Frau von Schönwolff machte sich in
zwischen daran, ihr Gesicht in die nöthige
Verfassung zu setzen. Leichter Puder lag schon
darüber, jetzt hauchte sie vorsichtig ein wenig
Roth auf, verstärkte mit einer angekohlten
Mandel die Augenbrauen und ließ einen
matten, schmachtenden Schatten unter den
Augen erstehen. Nun eme flimmernde Nadel
von Similibrillanten in das Haar geschoben,
dahinter eine mattblaue Feder angebracht, und
der Kopf war fertig.
Wohlgefällig betrachtete Cäcilie chr Spngei-
bild und war damit zufrieden. See sah gut
aus, ein eigener Charm war über şie ausge-
gossen, der, besonders wenn sie angeregt war,
das wußte sie wohl, auf die Männerwelt
einen gewissen Eindruck zu machen pflegte.
Und den wollte sie hervorbringen. Was wäre
ihr das Leben ohne diesen gewesen? Man
sollte ihr noch immer huldigen, für jede
Schmeichelei empfänglich, und wäre es die
fadeste gewesen; es galt ihr der Tag, an dem
Man sie nicht bewunderte, für verloren.
„Charmant, meine Liebe. Nun, bist Du
bald fertig?" ließ sich jetzt die Stimme des
Herrn von Schönwolff vernehmen, der, zu
Ehren des Tages in voller Uniform, besternt
und bekreuzt, in das Zimnicr trat.
Cäcilie wandte kaum den Kopf und gönnte
der gebrechlichen Gestalt des Kammerhcrrn,
ihres Galten, keinen Blick. Er war der einzige
Manu, aus dessen Munde ihr eine Aner
kennung vollständig gleichgültig war.
„Treibe mich nicht. — Du machst mich
nervös. Diese ewige Eile. — —"
„Nein, nein, mein Schatz — aber —
er zog die Uhr.
„Nun siehst Du schon wieder nach der Uhr."
„Aber Jhro Durchlaucht —."
„Bst, Bst — Cäcilie — nicht so laut —
Du weißt —
„Wer wird mich zu Tische führen?"
„Der Wirkliche Geheime Staatsrath von
Rosenfeld, wie es Deinem Range nach Dir
zukommt," antwortete Herr von Schönwolff
mit sanfter Stimme und dem Ausdruck eines
gewissen Stolzes.
„Dieser langweilige Esel."
„Aber Einzige, Du weißt, er steht bei
Durchlaucht Prinzeß — —."
--Deshalb bleibt und ist er doch ein Esel."
»^àcilie, Du redest uns noch um Kopf
àagen, auch Seine Durchlaucht der
Fürst schätzt den Staatsrath ungemein, und
wenn wir unser Ziel erreichen wollen — •—
Du bist so unvorsichtig."
Cäcilie fügte sich seufzend; wenn sie wirk
lich für ihren Gatten die Stelle des Theater-
intendanten, welche jetzt Herr von Maurer
mit versah, erlangen wollte, so mußte sie
dem Geheimen Staatsrath von Nosenfeld
liebenswürdig begegnen.
„Und wer ist mein anderer Nachbar?"
Herr von Schönwolff wurde durch diese
Frage sichtlich in Velegcnheit gesetzt, zog um
ständlich einen Zettel aus der Tasche, um
nachzusehen, während Cäciliens' Augen fun
kelnd jede seiner Bewegungen verfolgten.
Der Schuldirektor Schmellm."
'„Schmellin?! Mann, bist du toll?! Auf
keinen Fall!" u
„Ja, aber dem Range nach —.
„Baron de Bendrecourt sitzt neben mir
I— ober — ober."
„Ich bitte Dich — Baron —."
„Oder ich werde krank."
„Cäcilie! Ich bekomme die größten Nacken-
„Ich werde an Ort und Stelle ohnmächtig.
Ich will nicht zwischen diesen beiden alten
Knastern sitzen."
„Frau — ich bitte Dich!"
„Mein letztes Wort, nnn geh, Du hältst
mich nur auf. Wo nur diese langweilige
Person, diese Minette, steckt?" Heftig schellend,
überlegte Cäcilie nicht, daß das Mädchen
noch nicht vom Telegraphenanite zurück sein
konnte.
Herr von Schönwolff saß immer noch in
stummer Verzweiflung da, hoffend, den Ent
schluß seiner Gattin noch zu ändern. Er
hätte das Vergebliche dieser Bemühunger nach
so langjähriger Ehe wissen sollen.
Eben öffnete Minette die Thür und trat,
mit weit vorgestreckten Armen ein Korbgcstell
haltend, über welche ein kostbares himmel
blaues Plüschkleid gezogen war, ein.
„Endlich!" rief Frau von Schönwolff un
geduldig. „Eile Dich. Bitte, geh' hinaus,
Fedor."
Der Kammerherr erhob seine unendlich
lange hagere Gestalt langsam aus dem Arm
stuhle und ging, einen verhimmelnden Blick
auf das kostbare Kleid werfend, hinaus. —
Der Eigensinn seiner Frau, der ihn in die
größten Ungelegenheiten bringen mußte, und
dazu diese neue Verschwendung, sich wieder
eine so theure Robe zu kaufen, während ihre
Schnciderrechnung schon seit drei bis vier
Jahren nicht bezahlt war.
Vorsichtig, damit er seine glänzenden Lack-
stiefel und die weißen Kaschmirbcinkleider nicht
beschmutze, trippelte er jetzt über die Straße
und schritt dem nahen Schlosse zu, um hier
noch einmal einen prüfenden Blick über die
Tafel und die Festräumen zu werfen.
Prinzessin Mathilde, die unverheirathcte
Schwester des regierenden Fürsten, welche
ihren eigenen Hof auf Schloß Weißenbrunn,
einige Stunden Bahnfahrt von der Residenz
gelegen, hielt, wußte dank ihrer Gewandtheit
und Liebenswürdigkeit ihren Festen einen ganz
besonders angenehmen Charakter zu verleihen.
Nachdem der Cercle gehalten, verschwand die
steife Hofctiquette und man glaubte sich bald
in einem vornehmen Privathause zu befinden.
So auch heute. Die Gäste, welche außer
den Hofbeamten alle von Außerhalb hierher
gekommen und zum größten Theil im Schlosse
selbst oder im Gasthausc des Städtchens ein
quartiert waren, versammelten sich nach und
nach in der sogenannten rothen Galleric, dort
von Herrn von Schönwolff mit jener zurück
haltenden Freundlichkeit, wie sic sich manche
Hofbeamtc vor dem Spiegel cinstudirt haben,
empfangen.
Als vornehme Letzte schwebte jetzt auch
Frau Cäcilie von Schönwolff herein, die
Blicke der Anwesenden, wie sic mit Wohl
gefallen bemerkte, auf sich lenkend.
„Die gute Baronin macht doch immer
noch ihre Figur," flüsterte Baron de Ven-
drecourt, ein ehemaliger Rittmeister der kaiser
lich königlichen österreichischen Arme, Anna
von Ehlarn zu, welche mit ihren Eltern auch
hierher befohlen war.
„Das versteht sich, und sie hat es so gut
heraus, sich täglich zu verjüngen," entgegnete
Anna, sich ernstesten Gesichtes mit der Hand
bezeichnend über Stirn und Wangen streichend.
Baron de Bendrecourt, der in seinem
Leben sehr viel geliebt, noch mehr gespielt,
das Geld ungezählt ausgegeben hatte, aber
immer noch ein hübscher interessanter Mann
war und jetzt hier lebte, ohne daß man
eigentlich wußte, wovon, lachte hell auf, ver
neigte sich gegen Anna und schritt dann, ein
verliebtes Lächeln auf dm Lippen, der Baronin
Schönwolff entgegen.
Frau von Schönwolff hatte seine Begrüßung
längst erwartet und strahlte ihn jetzt mit ihren
lebhaften dunklen Augen an. Der Baron maß
sie mit einem langen bewundernden Blick.
„Meine Gnädigste — superbe — wie der
tiefblaue südliche Himmel ■ der -—."
„Still, still, begeben Sie sich nicht in
Gefahr, Baron, in Ihrer Schmeichelei hängen
zu bleiben. — Wie soll mein weißes Haar
zu Ihrem südlichen Himmel passen?"
„Vorzüglich, giebt es etwas Schöneres,
als wenn sich der lachende Himmel im jung
fräulichen Schnee spiegelt?"
Frau von Schönwolff ließ den mächtigen
Fächer aus lichtblauen Federn kokett auf und
nieder spielen und sandte Herrn de Vendre-
court wieder einen ihrer feurigsten Blicke.
„Ein reizendes Bild," spöttelte Anna von
Ehlarn, indem sie die Lorgnette mit dem
langen Stiele vor die Augen hielt und Frau
von Schönwolff durch dieselbe ansah, was
der Letzteren nicht angenehm zu sein schien,
denn sie wandte sich hastig ab.
„Diese entsetzliche Mode, diese provocantcn
Lorgnetten sind geradezu abscheulich, finden
Sie nicht auch, Baron?"
„Ich glaube, ^ränlein von Ehlarn sieht
schlecht."
„Was sie sehen wm, sieht sie auch ohne
dieses unschöne Instrument."
Cäcilie irrte sich nicht, wenn sic annahm,
daß Anna von Ehlarn sich über sie im Süllen