Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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87ster Jahrgang. şi- 
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Morgen-Depeschen. 
Towes, 10. Aug. Der Kaiser betheiligte 
sich gestern an Bord der Hacht „Carina" 
bes Admirals Montague en einer Wett- 
fährt. Abends fand im indischen Saale 
des Schlosses zu Osbor« wieder ein 
Festmahl zu Ehren des Kaisers statt, 'an 
dem der Kaiser, die Mitglieder der könig 
lichen Familie und zahlreiche Persönlich- 
leiten des Hofes theilnahmen. Nach dem 
Aiahle fand ein Empfang statt, zu welchem 
die Offiziere der auf der Rhede zu Cowes 
liegenden deutschen, englischen und ameri 
kanischen Kriegsschiffe erschienen waren. — 
der Kaiser reist Montag früh ab. 
Hamburg, 10. Aug. Die hier ver 
hafteten „Geldspindknacker" haben auch 
nach Kiel Verbindungen gehabt; dort hatten 
sie ebenfalls Geldschränke gesprengt. Der 
ş geflüchtete Schlosser Hornung wurde in 
j Kiel verhaftet. 
Trier, 10. Aug. Der protestantische 
Freiherr von Droschke wurde zunl Land 
irath von Trier ernannt. 
Myslowitz, 10. Aug. Stuf Anstiften 
seiner Mutter ermordete der neun 
jährige Hütejunge Raak aus Senk 
den vierjährigen Sohn seines Brotherrn, 
des -Müllers Scharf. 
-Köln, 9. Aug. Die „Köln. Volksztg. 
-Meldet. daß der Kultusminister die Bitte 
des Erzbischofs Stablewski '-den Ursuline 
rinnen die Rückkehr nach Posen zu ge 
statten, - abgelehnt habe. 
Plost, 10. Aug. In Jnià vernichtete 
eine furchtbare Feuersbrunst 30 Gebäude 
Dnd sämmtliche Erntevorräth-e. Man mut 
Uraht Brandstiftung. 
imt, 10. Aug. Es verlautet, daß die 
italienische Regierung von der Gepflogen 
heit, bei Berurtheilung eines , Italieners 
im Auslande die Umwandlung der Todes- 
strafe in lebenslänglichen Kerker zu bean 
tragen, im Fall Caserio absehen werde. 
Kopenhagen, 10. Aug. Um Mitternacht 
brach in den Maschinenwerkstätten der 
großenSchiffswerft-: der Actien-G esell- 
sch aft Bu-rmeister & Wain an der 
hiesigen Znnenrhede ein Feuer aus. 
Die Werkstätten sind vollständig niederge 
brannt. Die im Bau befindlich« Schiffe 
waren gefährdet. Der in der Nähe Uegettbe 
Dampfer „Knutenbürg" geriet!) in Brand 
der jedoch rechtzeitig gelöscht ivurde. Der 
Schaden ist -sehr beträchtlich. Die Werste, 
?uf der auch das neue russische Kaiser- 
lchiff „Standard" gebaut wird, muß -.vor 
läufig ihren Betrieb einstellen. 
. L 10. Aug. Der durch den- 
Brand auf^der Schiffswerft der Ae-- 
tien- G esells chaftBurmeisterLWain 
verursachte Schaden wird auf 500 000; 
Kronen geschätzt. Die Betriebsstörung^ 
die nur eine partielle ist, wird ungefähr, 
drei Monate dauern. ■§ 
Wien, 10. Aug. Wie die „N. Fr. Pr." 
telegraphisch aus Venedig meldet, wird- 
von mehreren dem egyptischen Hofe nahe- 
Gehenden Personen die Verheirathung des 
Khedive mit Naüiie, einer jüngeren Tochter 
des türkischen Sultans als nahe bevor-, 
steheüd bezeichnet. 
Budapest, 10. Aug. In Also Fernezety 
wurde ein dort sehr berüchtigter Wucherer 
Namens Georg Rakitsch von Bauern 
ermordet. 
Paris, 10. Aug. Wie heute im Justiz 
Ministerium verlautete, wird Caserio noch 
vor dem 15. d. M. in Lyon auf einem 
Platz in der Nähe des Paulgefängniffes 
hingerichtet werden. 
New-Aork, 10. Aug. Nach offiziellen 
Berichten hat die Getreideernte infolge der 
anhaltenden Trockenheit bedeutenden Schaden 
erlitten. 
In Lage j>es ônnDìocrfê. 
D ie ungünstigeLagedesHandwerk-sj 
gegenüber dem Großbetriebe ist zu 
einem nicht geringen Theil dadurch ver 
anlaßt, daß die Handwerker sich durch. 
Unterlassung genossenschaftlicher Organi 
sation-selber des Rechtes begeben, bessere 
Creditverhältnisse für sich in Anspruch zu 
nehmen. Die „Post" schreibt zu dieser 
Angelegenheit: Zu den Zielen, ivelche zu-p 
Hebung der wirthschaftlichen Lage des> 
Handwerkes erstrebt werden müssen, gehörst 
neben der technischen und wirthschaftlichen^ 
Könnens die thunlichste Aneignung der-- 
jenigen Vortheile, welche der Großbetrieb 
vor dem Kleinbetriebe voraus hat und. 
welche dem letzteren den Mitbewerb in so 
hohem Maße erschweren. Wenn dies der 
Natur der Sache nach nicht in vollem 
Maße möglich scheint, so ist es doch auf 
einer ganzen Reihe von Gebieten in dem 
Maße angängig, daß die Konkurrenzfähigkeit 
der ihrer Natur nach für den Kleinbetrieb 
geeigneten Gewerbe bei tüchtiger technischer 
und geschäftlicher Durchbildung gesichert 
wird. Die Voraussetzung ist aber die 
Vergesellschaftung der Handwerker, fei es 
der Genoss« desselben Betriebes, sei es 
der an einem Orte vereinigten Betriebe. 
Die Beschaffung billigen und sicheren Credits 
spielt unter den Vorzügen des Großbetriebes 
eine große Rolle, und es ist eine gerade 
auch in Handwerkerkreiscn vielfach erhobene 
Beschwerde, das die Reichsbank allein dem 
Creditbedürfniß der Großgewerbe diene, 
aber für das Kleingewerbe nmwreichbar 
sei. Neuerdings hat der Präsident der 
Reichsbank in dankenswerther Weife wieder 
holt Anlaß genommen, auf die Unrichtig 
keit dieser Behauptung hinzuweisen und zu 
betonen, daß dem genossenschaftlich organi 
sirten Handwerk der Vortheil des Reichs- 
bank-Credits genau in demselben Maße 
und Umfang zur Verfügung steht, wie dem 
Großbetriebe. Diese Mittheilungen des 
Reichsbank-Präsidenten sind um so er 
wünschter, als cs in der That angesichts 
der Wirthschaftlich ungünstigen Lage des 
Kleingewerbes als eine auch vom Stand- 
punkte des Gemeinwohls berechtigte For 
derung angesehen werden muß, in Bezug 
auf die Nutzbarmachung der staatlichen 
Kredit-Institute zwischen Groß- -und Klein 
gewerbe Licht und Schatten mindestens 
gleichmäßig zu vertheilen. Sie weisen zu 
gleich aber auf's Neue nachdrücklich auf 
den Weg der Genoffenschastsbildung als 
eines der wirksamsten Mittel zur Hebung 
des Kleingewerbes hin. Leider machen, 
wie „Blätter für Genossenschaftswesen" 
beklagen, die Handwerker von dieser Ein 
richtung noch nicht ausreichenden Gebrauch, 
und zwar wesentlich deshalb, weil sie allein 
von der Gesetzgebung Hülfe -erhoffen. Das 
aber ist ein schwerer Irrthum. Rur dann 
wird das Handwerk wieder prosperiren, 
wenn es nach Kräften die Mittel der 
Selbsthülfe gebraucht. Heute ist -es über 
all Mode, die Hände lässig in den Schoß 
zu legen und den lieben Staat -für Alles 
die Sorge zu überlassen. Wenn dann etwas 
schief geht, trägt man bei Leibe nicht selbst die 
Schuld, sondern — derStaat. Daß in Folge 
dieser Anschauung die Unzufriedenheit 
immer üppiger in's Kraut schießt, ist na 
türlich. Es wird den Leuten ja -auch seit 
Laffalle nichts Anders gepredigt, als die 
All»! acht des Staats! Daß dieser Staat 
aber lediglich dem Erwerbfleiß und der 
Tüchtigkeit seiner Bürger die Bedingungen 
seiner Existenz verdankt, daß kein Staat 
auf die Dauer ohne die individuelle Thätig 
keit -und Tüchtigkeit seiner Einzelglieder 
zur Blüthe gelangt, ja an dieselbe seine 
Existenz gebunden ist, daran zu denken, das- 
ist für Viele ein überwundener, veraltetcr 
Standpunkt. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
China. Nach einer Depesche der „Times" 
aus Tientsin sind die Anstrengungen Eng- 
lands und Rußlands, eine friedliche 
eilegung des Streites zwischen 
Japan undChina herbeizuführen, frucht 
los gewesen, so daß man nun der Sache 
ihren Lauf lassen muß. 
St. Helena, wo der Welteroberer Na- 
poleon als Verbannter starb, soll jetzt 
klimatischer Kurort werden. Seit Er 
öffnung des Suezkanals hat die dortige 
Bevölkerung immer mehr unter der Ver 
ringerung des Schifffahrtsverkehrs gelitten 
und befindet sich in einer sehr ungünstigen 
wirthschaftlichen Lage. Alle Bedingungen 
für einen klimatischen Kurort aber sollen 
gegeben sein, auch für geeignete Einrichtun 
gen für die Annehmlichkeit des Aufenthalts 
gesorgt -werden. Den Insulanern würde 
durch einen blühenden Badeverkehr neuer 
wirthschaftlicher Aufschwung gesichert sein. 
Spanien. 
Madrid, 7. Aug. Heute früh gegen 2 
Uhr erschien in einer Spielhölle, welche 
sich in einem Gebäude auf der Puerto du 
Sol, im Mittelpunkte Madrids befindet, 
ein anständig gekleideter junger Mann, 
Namens Eusebio Castillo, der sich an 
den Spieltisch setzte und in einem Nu alles 
Geld, das er bei sich trug, verlor. Von 
einem Freunde borgte er sich weiteres Geld 
und verspielte auch dieses. Nun stürzte er 
hinaus und Jedermann glaubte, er habe 
den Heimweg genommen, um im Schlafe 
das Vergessen seines „Pechs" zu suchen. 
Dem war aber nicht so, denn etwa eine 
Viertelstunde später erschien der genannte 
Castillo wieder im Spiellokal, breitete ein 
großes Schnupftuch auf dem Tische aus 
und rief: „Alles Geld in meinen Sack!" 
Man hielt diese Worte für einen Spaß, 
und das Spiel wurde fortgesetzt. Castillo 
aber zog einen Revolver von großem Ka 
liber aus der Brusttasche, richtete ihn gegen 
den Bankier und schrie: „Macht mir keine 
Flausen, sonst laß ich das Ding hier 
knallen. Also schnell herbei mit den Mo 
neten!" Indem er so sprach, raffte er 
alle auf dem Tische liegenden Gold- und 
Silberstücke und Banknoten zusammen, 
band sie in seinem Schnupftuch ein und 
stürzte in Begleitung seines Freundes, der 
ihm vorher Geld geborgt hatte, hinaus 
auf die Straße. Der Wirth sing an: 
Diebe! Räuber! zu schreien und die ganze 
Spielgesellschaft, etwa 20 Mann, setzte, 
nachdem sie sich von ihrer Verblüffung er- 
holt hatte, den verwegenen Strolchen nach. 
Nun begann eine wilde Jagd auf der Pu- 
erta del Sol und in den anliegenden 
Straßen. Castillo feuerte zunächst einen 
Schuß ab auf eine Schaar, die ihm auf 
den Fersen war, ohne jedoch Jemanden zu 
verwunden. Ein Stadtpolizist, der auf 
dem genannten Platze stand, wollte die 
Diebe aufgreifen, eine Revolverkugel streckte 
ihn jedoch nieder. In der Calle Mayor 
versuchte ein anderer Schutzmann den 
Flüchtlingen den Weg zu versperren. Aber 
auch er wurde niedergeschossen und weiter 
ging's in rasendem Lauf. Während Ca 
stillo die Calle Mayor hinabeilte, machte 
sein Begleiter Kehrum und versteckte sich 
hinter dem Zaune eines in der Calle Te- 
tuan gelegenen Bauplatzes. Dort aber 
wurde er von der Polizei entdeckt und ge 
fangen genommen. Das Geschrei und die 
Schüsse hatten inzwischen die im Mini- 
sterium des Innern wachhabenden Gens- 
därmen auf die geschilderten Vorkommnisse 
aufmerksam gemacht und diese Gensdarmen 
machten sich nun ebenfalls mit gezogener 
Klinge hinter Castillo her. Ein Gendarm 
erreichte ihn und versetzte ihm mehrere 
wuchtige Säbelhiebe auf den Rücken; er 
hätte ihn wahrscheinlich niedergehauen, 
hätte Castillo sich nicht blitzschnell umge 
wendet und dem Gendarmen ein Kugel in 
das linke Bein geschossen. Castillo setzte 
seine Flucht fort. Plötzlich aber schoß aus 
einer Nebengasse ein Nachtwächter hervor 
und stieß seine Lanze dem Castillo in den 
Leib. Derselbe fiel schwer verwundet zu 
Boden. Das Volk, welches sich um den 
Verwundeten ansammelte, hätte diesem den 
Gnadenstoß gegeben, wäre nicht die Gen 
darmerie herbeigeeilt. Diese schaffte den 
Verwundeten ins Spital. Ein Gleiches 
geschah mit den übrigen drei Verwundeten, 
den zwei obenerwähnten Stadtpolizisten 
und dem Gendarmen. Eusebio Castillo ge 
hört einer angesehenen Familie in 
G r a n a d a an. Er soll dem Untersuchungs 
richter erklärt haben, daß er sich um jeden 
Preis habe Geld verschaffen wollen, um 
nach Granada reisen zu können, wo sein 
Vater wohnt. Diesen habe er ermorden 
wollen, weil er sich mit — seiner Braut 
verheirathet habe. Die beiden verwundeten 
Polizisten liegen im Sterben. Die gesammte 
Madrider Presse nimmt aus diesen Vor 
gängen Veranlassung, um die Ausrottung 
der Spielhöllen, Schlupfwinkel aller Ver- 
31) 
Ala« sagt. 
Roman von E. von Wald-Zedtwitz. 
8. K & p á t e {. 
Bertha hatte zum gr«Kà Theil die Gegen-- 
besuche schon empfangen, auch bereits Ein 
ladungen erhalten, welche ,sie nicht absagen 
konnte, ohne einen Verstoß zu begehen. 
Heute, an einem dienstfrà Tage, besuchte 
ş Lorenz seine Freundin, um wn ihr zu hören, 
wie Ke sich befände und - wie ihr das gesellige 
Treiben der kleinen Residenz behagte. 
„Sà aut," antwortete şie, dennoch 
kann ich.mich garnicht an den Gedanken ge 
wöhnen, nachdem ich so zurückgezogen ^und 
nur mir selbst und meinem Kinde lebte. 
„Das lernt sich wieder." 
„Das wohl, aber nicht ohne Opfer,. und 
dann ist es wir manchmal, lieber Wäurer, 
als wenn mir da draußen doch nichts -Gutes 
erblühen sollte, mein Gemüth ist zuweilen so 
bedrückt, die ruhige Heiterkeit, welcher ich mich 
sonst erfreute, weicht dann einer unbestimmten, 
hoffentlich thörichte« und unbegründeten Bangig 
keit." 
»Jeder Mensch hat solche Stimmungen, 
6le Frauen aber am meisten." 
.»Sie mögen Recht haben, Lorenz, sorgen 
^sr ş vorher nicht und überlassen wir das 
^eitere dem gütigen Himmel." 
»So höre ich Sie gern, Bertha. Nun, und 
wacht unser Zögling!" Herr von Maurer 
o^wand sich, von Königshofen zu sprechen. 
»Neulich war er wieder bei mir. Er hat 
/ļt Talent und ich glaube, er wird sich nach- 
v a "hstellcn, um einige Sachen zu lesen. Es 
poßt ja sehr gut, daß Sie gerade hier sind." 
Şertha entging die Mißstimmung nicht, 
welche sich einen.Augenblick auf Lorenz' Ge 
sicht ausdrückte, -aber er drängte sie gewaltsam 
zurück. 
Eine Viertelstunde -später stellte sich Heinz 
wirklich ein, vo» Krau von Römhild und 
-dem Hofmarschall gleich freundlich empfangen. 
Heinz deklamirte baid darauf mit lauter, 
-volltönender Stimme-einige Scenen aus „Tell 
Jetzt hatte er geendet, -und sein Auge richtete 
sich erwartungsvoll bald auf Bertha, bald auf 
Herrn von Maurer. 
„Brav — sehr gut — sehr gut!" rief 
Letzterer jetzt aus vollem Herzen. Ich glaube, 
ich kaum Seiner Durchlaucht und den: Direktor 
ffaulhà aus voller Ueberzeugung den Vor- 
kchkog furchen, Sie dem Personal einzuver- 
»Ew. Excellenz sind zu gnädig!" — Heinz, 
tef owegt stürzte auf Herr» von Mäurer 
zu und sucht« dessen Hand zu «-fassen, um 
sie an seine Ltppen zu drücken, doch biefer 
entzog şie rhw freundlich. „Ich werde schon 
morgen die nöthigen Schritte thun." 
„Lassen Sie das lieber noch, Excellenz 
fiel Frau von Römhild ein, „meiner Ansicht 
nach würde es besser sein, wenn Herr Königs 
hofen nicht ganz ungeschult die Bretter betritt. 
— Warum soll er sich mit den allerunter- 
geordnetsten Rollen ungebührlich lange plagen? 
— Ich werde mir ein Vergnügen daraus 
machen, ihm einige kleine Partien einzu- 
stndiercn." „ 
„Gnädige Frau — ach, das wäre!' Heinz 
versagte vor Wonne beinahe die Stimme, 
während der Hofmarschall schweigend dabei saß. 
Heinzens Blick ruhte verzückt auf Frau 
von Römhild. 
„Wodurch soll ich mir diese übergroße 
Güte erklären, gnädige Frau? Woniit habe 
ich sie verdient.? —- Oder," sein Auge hatte 
den.Hofmarschall gestreift, und er war über 
dessen Gesichtsausdruck erschrocken, „oder 
sollten Ew. Excellenz nicht derselben Ansicht 
sein, -wie die Fran Brrouin?" 
»O - o — ." 
„Sie -wenden sich ab, gnädige Frau, Ihre 
Güte war der schonende Vorwand, mich von 
meinem Vorhaben -abzubringen, weil — 
Heinz athmete schwer, und beinahe versagte 
ihm seine Stimme, „weil Sie überzeugt 
sind, daß ich kein Talent habe und mir erst 
langsam selbst die Ueberzeugung dieser für 
mich so schrecklichen, so niederschmetternden 
Thatsache kommen soll. O, sagen Sie mir 
die Wahrheit, schleudern Sie mir dieselbe 
nackt und unverblümt in das Gesicht. Sie 
würde mich niederwerfen, aber das wäre 
immer noch besser, als langsani an mir selbst 
zu verzagen." 
Frau von Römhild erhob sich, trat etwas 
zurück, so daß der dem Kamin entströmende 
Flannnenschein ihr Gesicht nicht so grell wie 
bisher beleuchtete. 
„Beruhigen Sie sich, Sie haben Talent!" 
rief Bertha mit einer Bcstinimtheit, welche 
keinen Ztveifel aufkommen ließ. 
„Herr Baron von Ehlarn nebst Frau 
Gemahlin und Fräulein Tochter!" melvcte 
der Diener. 
„Gott sei Dank," wäre es Frau von 
Römhild beinahe entschlüpft. 
Sehr angenehm; führen Sie die Herr 
schaften in den Salon, bringen Sie die 
Lampen." 
Der Diener verschwand, eine Sekunde 
später trat die Familie von Ehlarn ein und 
die gegenseitige Begrüßung erfolgte. 
„O, wie entzückend, Frau Baronin," rief 
Anna, „ich glaube, da drinnen brennt ein 
K-aminfeuer! Darf ich? — Ach ich thue es 
-ja schon," damit trat sie in die halbgeöffnete 
Thür. „Donner, Onkel Maurer — und 
— verzeihen Sie, Herr Königshofen. Sehen 
Sie, Onkel Excellenz, nichts kann vor so 
einem großen, neugierigen Geschöpf, wie. ich 
cs bin, verborgen bleiben! Frau Baronin, 
schließen Sie vor mir nur Alles zu, verkleben 
Sie die Thürspalten, ich muß Alles wissen, 
Alles sehen, Alles hören, und das Aller 
liebste ist mir immer das, was ich nicht 
wissen, nicht sehen und hören soll." 
Eine peinliche Pause trat ein, und Anna 
gewahrte mit Schrecken, daß ihre Schwatz 
haftigkeit ihr einmal wieder einen üblen Streich 
gespielt hatte. 
Sie hatte ganz harmlos gesprochen, aber 
der Eindruck ihrer Worte sagte ihr, daß sie 
so nicht aufgefaßt wurden. Dies mußte einen 
Grund haben. Vielleicht bewarben sich beide 
Herren um Frau von Römhild's Gunst, 
und mußte man sie" nicht in diesem Falle 
für boshaft halten? 
Das verstimmte sie — und — ein wenig 
auch, wenn sie sich's auch nicht eingestehen 
wollte, der Gedanke, daß Heinz Königshofen 
der schönen Frau gleichfalls huldigte. 
„Aber so reden Sie doch, Freund Maurer, 
und bekunden Sie, daß hier nichts Heimliches 
vorging," rief Bertha endlich, das Ganze zu 
einem Scherz wendend. 
„Leider nicht!" antwortete Lorenz, sich zu 
einen: heiteren Ton zwingend. „Ich bin 
hier alltäglich, wie das liebe Brot, und das 
pflegt man ja öffentlich zu verspeisen." 
Heinz Königshofen sagte dagegen kein 
Wort, und dies bestätigte Anna in ihrem 
Verdacht. 
Der Diener brachte die Lainpen, die An-- 
wesenden gruppirten sich gesellig um den 
runden Tisch und auch Anna von Ehlam 
hatte bald ihre gewohnte Heiterkeit wieder 
gefunden, das Wort entweder an die Da:ne 
des Hauses oder an den Hofmarschall richtend, 
während sie Herrn Königshofen geflissentlich 
auszuweichen suchte. 
Es lag in ihrem Wesen gegen ihn etwas 
absichtlich Zurückhaltendes, wodurch er sick- 
gekränkt fühlte. A 
„Verzeihen Sie, gnädige Frau, wenn ich 
mich empfehle," sagte er jetzt, und sich erhebend, 
verbeugte er sich förnstich gegen die Gäste, 
die dargebotene Hand der Baronin zaghaft 
ergreifend.È 
„Also auf ein baldiges Wiedersehen, Herr 
Königshofen!" damit entließ sie ihn. 
„Der junge Mann will sich der Bühne 
widmen?" fragte Herr von Ehlarn. Frau 
von Römhild bejahte diese Frage und sprach 
von seiner ausgesprochenen Begabung, was 
Anna jedoch nicht zu interessiren schien. 
„Wir haben unseren ersten Besuch etwas 
lange ausgedehnt, gnädige Frau," damit er 
hob sich Frau von Ehlarn endlich, so das 
Zeichen zum Aufbruch gebend. Der Hof 
marschall schloß sich ihnen an. Frau von 
Römhild hatte das abweisende Wesen Anna's 
wohl bemerkt und wußte es zu deuten, war 
ihr doch gcnugsan: aus eigener Erfahrung 
bekannt, daß nian in der Gesellschaft in: 
Allgemeinen dem Schauspieler, wenigstens dem 
Anfänger und dem ans niedriger Kunststufe 
stehenden, begegnete. 
Heinz that ihr leid. Er würde noch manche 
Enttäuschung durchzumachen haben, schlimm für 
ihn, wenn er sich dieselben so zu Herzen nahm, 
wie es ihr jetzt erschienen war. Aber ließ
	        
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