Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 2)

Ģt»m, 11. Okt. Leider ist, dem „Berl. Tgbl." 
zufolge, Kaiser Wilhelms glänzender Einzug nicht 
ohne einen häßlichen Zwischenfall verlaufen. 
Während die beiden Monarchen vom Bahnhöfe 
nach dem Quirinal fuhren, wurden von frechen 
Burschen unter Hochrufen auf Frankreich, 
Elsaß-Lothringen und Triest massenhafte rothe 
Zettel vertheilt, welche plumpe Beschimpfungen 
der Tripelallianz enthielten. 
Dieselben Burschen versuchten, als der 
Kaiser auf dem Balkon des Quirinals er 
schien, neue Skandale zu provoziren; sie Pfiffen 
und stimmten Spottlieder an. Die spalier- 
bildenden Truppen mußten einschreiten. Eine 
Anzahl jugendlicher Störenfriede wurde ver 
haftet, als eben das Publikum selbst Lynch 
justiz an ihnen üben wollte. Aehnliche Skan 
dale fanden auf dem Platz Poli statt, wo 
gegen die deutschen Fahnen demonstrirt und 
fortwährend „Hoch Frankreich!" — „Nieder 
mit der Tripelallianz!" gerufen wurde. — 
Bon anderer Seite wird dieser Vorfall als 
ein an sich unerheblicher dargestellt. 
«om, 12. Okt. Zu den vorhin gemeldeten 
B u b e n st r e i ch e n sagt obiges Blatt noch Fol 
gendes: Als der Wagen, in dem Kaiser Wilhelm 
und König Humbert saßen, langsam gegen den 
T h e r m e n p l a tz einbog, wirbelte Plötzlich von 
einem nahen Baum ein dichter Regen kleiner 
rother Zettel hernieder. Der Boden des 
Wagens, sowie die Kleidung beider Monarchen 
war ganz damit bedeckt. Niemand dachte 
unter dem Eindruck des großartigen Einzugs 
Kaiser Wilhelms an die Verhaftung der 
Thäter, welche entkamen. Das Gesicht des 
Kaisers nahm sofort einen sichtlich ernsten 
Ausdruck an. Die Urheber des Bubenstreichs 
stehen jeder politischen Partei fern. Die Ent 
rüstung darüber ist eine allgemeine, und ganz 
offen wird behauptet, daß französische Intri 
guen den Kaiserbesuch hierdurch kompromittiren 
wollten. Der Direktor des hiesigen franzosen- 
und boulanger - freundlichen, anarchistischen 
Hetzblattes „Emancipazione" wurde alsbald 
verhaftet. Die in den kaiserlichen Wagen 
geschleuderten Zettel enthielten die schon er 
wähnten, albernen Hochrufe auf Frankreich, 
Elsaß-Lothringen und Triest, sowie Ver 
wünschungen der Tripel-Allianz. 
Frankreich. 
Paris, 11. Oct. Die Minister beriethen 
sich heute über die Festsetzung der Tagesord 
nung der Kammer. Dieselbe dürfte sich zuerst 
mit der Revision zu beschäftigen haben, da 
Gellibert de Seguins, der bonapartistische De- 
putirte der Charente, folgende Interpellation 
angekündigt hat: Welche Politik gedenkt die 
Regierung Angesichts der revisionistischen 
Kundgebungen zu befolgen, die bei den Wahlen. 
der letzten Monate ihren Ausdruck fanden? 
Floquet hat sich bereit erklärt, diese Inter 
pellation sofort zu beantworten und ist ent 
schlossen, dieselbe zur Herbeiführung eines Ver 
trauensvotums zu benutzen. Nach der Dis 
cussion der Interpellation würde die Kammer 
das Gesetz über die Befestigung von Havre 
discutiren und in die zweite Lesung des' Ge 
setzes über die Regelung der Arbeitszeit ein 
treten. Erst in der zweiten Woche soll die 
Discussion des Budgets beginnen. Für die 
Reform der Getränkesteuer und Erbschafts 
steuer wird das Ministerium die Dringlichkeit 
beantragen. — Freycinet theilte mit, daß die 
tägliche Fabrikation des Lebelgewehrs um 
50 pCt. gestiegen sei. Zwischen dem Marine- 
niinister und der Budgetcommission ist ein 
Einvernehmen erzielt worden, nachdem die 
letztere ihre Abstriche um 4'/2 Millionen ver 
mindert hat. 
Paris, 10. Oct. Vor etwa zwei Monaten 
erhielt ein Druckergehilfe in Versailles, Namens 
Allmacher, aus Amerika die unverhoffte 
Mittheilung, ein Mann, dem er einst das 
Leben gerettet, Hütte ihm fünf Millionen 
Dollars hinterlassen. Der Glückliche 
schickte sich an, über das Meer zu fahren, um 
die Erbschaft in Besitz zu nehmen, und that 
einstweilen alle erforderlichen Schritte auf dem 
nordamerikanischen Konsulat. Mittlerweile 
hörte man, er würde mit Bitten uni Unter 
stützungen und Darlehen bestürmt und hätte 
sich daher den lästigen Drängern ganz durch 
die Flucht entzogen. Aber die „Flucht" scheint 
ernster gewesen zu sein, als man glaubte, 
denn seit dem 20. September ist Allmacher 
gänzlich verschwunden und alle Be 
mühungen der ihm Nahestehenden, um ihn 
aufzufinden, sind fruchtlos geblieben. Die 
Polizei forscht überall nach ihm in der Mei 
nung, er wäre ermordet und seiner kostbaren 
Papiere beraubt worden. 
Paris, 12. Octbr. Der hiesige russische 
Botschafter, Boron Mohrenheim, sagte an 
geblich zu einem Redacteur des „Journal des 
Debats", daß an den Rücktritt des Herrn 
v. Giers nicht zu denken sei; dagegen sei 
es ziemlich sicher, daß Graf Schnwaloff 
nicht in Berlin bleiben werde, da man ge 
funden, daß ihm das Berliner Klima nicht 
zusage. — Drei Kardinäle, elf Erzbischöfe 
und mehr als dreißig Bischöfe, die in Orleans 
bei der Einweihung des Dupanloup-Denkmals 
versammelt waren, richteten eine Adresse an 
den Papst, in welcher sie gegen seine Verge 
waltigung in Rom protestirten. 
England. 
London, 11. Okt. Das „British Medical 
Journal" veröffentlicht Einzelheiten aus 
Mackenzie's Rechtfertigungsschrift gegen die 
Angriffe der deutschen Aerzte. Mackenzie ver 
zichtet hiernach darauf, über die ihm von 
Seiten derselben widerfahrene Behandlung ein 
Wort der Klage zu verlieren. Er bringt 
wichtige Dokumente bei, in welchen er die 
Angaben seiner Gegner widerlegt, und fügt 
die bestimmte Erklärung hinzu, daß er seinen 
Patienten bereits frühzeitig von der that 
sächlichen Lage und dessen Krankheitszustand 
unterrichtet habe. Im Weiteren liefert er den 
Beweis, daß Bergmann noch im Oktober 
vorigen Jahres seine (Mackenzie's) Behand 
lungsweise als richtig habe gelten lassen. Die 
von Bramann ausgeführte Tracheotomie er 
klärt Mackenzie für wohl gelungen, dagegen 
sei die nach der Operation angewandte Kanüle 
von unpassender Größe gewesen, so daß sie 
die Kehlkopfwände verletzte, dadurch eine Ge- 
wcbeentzündung verursachte, ein beständiges, 
sehr lästiges Leiden hervorrief und in der 
Folge die völlige Erschöpfung herbeiführte. 
Den Todesstoß (deathblow) habe es dem 
àanken gegeben, als ihm am 12. April d. I. 
Bergmann seine Röhre falsch einsetzte, was 
eine ausgedehnte Eiterung bewirkte, die noch 
vorhandene Widerstandskraft untergrub und 
hierdurch die Lebensdauer des Patien 
ten um zehn Monate verkürzte. 
Belgien. 
Brüssel, 11. Oct. Immer giftigere Blüthen, 
schreibt der „Hamb. Corr.", zeitigt die be 
ständig anwachsende sozialistische Agitation in 
Belgien. Allerorten, wo die Behörden die 
rothen Fahnen verbieten, ziehen die Arbeiter 
verbände französische Fahnen auf und tragen 
sie bei den Aufzügen umher. In den sozialisti 
schen Versammlungen im Hennegau wird, wie 
von dort berichtet wird, ein unerhörter Ton 
angeschlagen. Man nennt den König den 
„erbärmlichsten Wicht", die Minister „an 
Deutschland und an den Feind des Sozialis 
mus, an Bismarck Verkaufte", die Bourgeoisie 
eine „elende Sippe von Faulenzern", man 
droht mit „Revolution" und „ Barrikaden". 
Da überdies ernsthafte Versuche gemacht wer 
den, die noch in Thätigkeit befindlichen Ar 
beiter zum Striken aufzuhetzen, bezw. sie dazu 
zu zwingen, so haben die Behörden scharfes 
Einschreiten gegen jedes Attentat auf die 
Arbeitsfreiheit beschlossen. In der Mittwoch- 
Nacht sind bereits auf staatsanwaltliche An 
weisung zahlreiche Verhaftungen erfolgt. 
„Amerika wäre für Dich so übel nicht, 
nur anders, wie Du es meinst," murmelte 
der schon gegen den Markt zuschreitende 
Doctor, während Poten in eine Conditorei 
trat, um einen Schoppen zu trinken und 
zum Zeitvertreib niit der hübschen Verkäuferin 
zu tändeln. 
Doctor Burgsdorf besuchte inzwischen seine 
Patienten und erfuhr, als er bei Mrs. Cote 
vorsprach, von der eben erfolgten Abreise des 
Hofraths und seiner Tochter. Natürlich war 
er jetzt nicht weiter überrascht, und merkte er 
aus den Mittheilungen der Damen, daß die 
selben keine Ahnung von dem wirklichen 
Grunde für die schnelle Abreise des Hofraths 
und seiner Tochter. 
Obgleich er für das ganze Gebühren Poten's, 
für dieses planlose in den Tag hineinleben, 
mit dem zu Grunde liegenden einzigen 
Wunsch, seine Zukunft durch eine glänzende 
Heirath mühelos sicher zu stellen, durchaus 
keine Sympathie hatte, so hielt er es doch 
für seine Pflicht, jenem durch eine Karte von 
der erfolgten Abreise Kenntniß zu geben. Er 
hatte in thörichter Gutmüthigkeit die Nachricht 
zugefügt, daß Mrs. Cote mit Tochter und 
Herrn von Steudten am Nachmittag nach 
Gotha in's Theater zu fahren gedächten. 
Diese Zeilen erreichten den Freiherrn jedoch 
erst am Nachniittag, als es zu spät war, die 
Herrschaften nach Gotha zu begleiten. Wut 
schnaubend über die Heimtücke des Herrn 
von Steudten, .der sich mit seinem bunten 
Rock in die Gunst dieses unreifen Backfisches 
eingeschlichen, verfluchte er sein Mißgeschick, 
daß er gerade heute die Einladung einiger 
Forstakademiker angenommen, bei ihnen zu essen. 
Hundert wirre, wüste Gedanken gingen ihi« 
durch den Kopf. Er sollte ihm vor die 
Pistole, diese — diese Berliner Gardcpuppe! 
Aber nein, das ging nicht, er würde sich 
lächerlich machen, meinte er, niit langen 
Schritten das Zimmer durchmessend. „Es 
ist zum Verzweifeln," fuhr er dann fort, 
„das verwünschte Tentamen bestehe ich im 
ganzen Leben nicht; was soll dann aus mir 
werden, wovon soll ich leben, ohne alle 
weiteren Hülfsquellen, wenn mir, wie jetzt 
ganz klar, auch diese letzte Hoffnung fehl- 
schlägt?" (Fortsetzung folgt.) 
~~ W. Hamburg, 13. Oct. 
Wetter-Aussichten*) 
für den 14. Oktober. 
Auf Grund der Berichte der Hamburger Seewarte. 
<Bon unserem meteorologischen Mitarbeiter.) 
Früh naßkalt, später temperirt, zum Theil 
sonnig und klar stark wolkig, öfters trübe und 
regendrohend, strichweise Niederschläge (im Norden 
stellenweise Schnee). Schwache bis mäßige, in 
den Küstengebieten starke bis stürmische Winde 
(NW, N, NNO). Kalte Nacht, strichweise Reif. 
*) Nachtunll verboten. 
Oesterreich. 
Wien, 13. Oct. Der am Mittwoch an 
Stelle Schön er er's in den österreichi 
schen Reichsrath gewählte klerikale Abg. 
Eichhorn wurde nach Meldungen aus Wien 
wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. 
Inland. 
Berlin, 12. Okt. Zur Verwendung für 
die von den Gemeindebehörden beschlossene 
Kaiser-Friedrich-Stiftung hat ein 
hiesiger Einwohner dem Oberbürgermeister 
75000 Mark übermittelt. 
Berlin, 12. Okt. Die „Berliner Polit. 
Nachrichten" erfahren, eine seiner Zeit Kaiser 
Friedrich für die geheime Korrespondenz mit 
den obersten Reichsbehörden zur Verfügung 
gestellte Chiffre, welche zur Zeit des Todes 
des Monarchen sich noch im Sterbezimmer 
befand, sei abhanden gekommen und spurlos 
verschwunden. Zweifellos liege ein Dieb 
stahl vor. 
— Die Kaiserin Friedrich wendet 
nach ihrer Ankunft in Berlin ihre ganze 
Theilnahme der vom Berliner Magistrat im 
Einverständniß mit der Stadtverordnetenver 
sammlung geplanten Kaiser-Friedrichstiftung zu. 
Es sind zu diesem Zwecke, wie der „N. St. 
Ztg." von hier geschrieben wird, wiederholte 
Rücksprachen mit dem Oberbürgermeister von 
Forckenbeck, wie mit Stadtverordneten erfor 
derlich, die in aller Stille vor sich gehen. 
Forckenbeck stand dem Hofe Kaiser Friedrichs 
von jeher nahe, und ebenso erfreut sich 
Professor Virchow der besonderen Huld der 
Kaiserin. Die Kaiserin interessirt sich ferner 
lebhaft für die Einrichtung eines neuen 
großen Krankenhauses, das nach Virchow- 
schen Vorschlägen und Anordnungen erbaut 
und eingerichtet werden soll. Um der Kaiserin 
mittheilen zu können, wie weit der Plan bis 
jetzt gediehen ist, fand unter Virchow's Vorsitz 
Dienstag-Abend in einem Abtheilungszimmer 
des Abgeordnetenhauses eine Besprechung statt. 
— Für Geffcken tritt jetzt der bekannte 
Konservative v. Nathusius-Lud om 
in Rudolstadt ein, indem er Mittheilungen 
macht über Geffckens Mitarbeit an der kon 
servativen „Deutschen Encyklopädie". Kaiser 
Friedrich habe bei einer Audienz im De 
zember 1886 gegen Herrn Nathusius sich über 
Herrn Gcffckens Artikel über den englischen 
Adel ausgesprochen und ihm gegenüber sehr 
gnädige und huldvolle Mittheilungen gemacht 
über Höchstscine bis in die Jugendzeit zurück 
reichenden persönlichen Beziehungen zu dem 
selben. „Herrn Geffcken übrigens mit der 
freisinnigen Partei in irgend welche Bezie 
hungen bringen zu wollen, wäre ebenso ver 
kehrt, als ihn den „Hochkonservatioen" zuzu 
rechnen. Wenn überhaupt einer Partei, kann 
er nur der Reichspartei (also den Freikon 
servativen) zugezählt werden." 
— Herr v. Bleichröder hatte, wie wir 
mehreren Blättern entnehmen, auch eine Ein 
ladung des Bankpräsidenten v. Dechend zu 
der bekannten Konferenz erhalten, dieselbe aber 
unbeachtet gelassen. Darauf hat alsdann drei 
Tage darauf Herr Stöcker vor seinen Christ 
lichsozialen auf den „Hausjudcn" geschimpft. 
— Für die Stöckersche Stadtmission soll 
in Berlin ein neues Blatt gegründet werden. 
Wie aus Stadthagen mitgetheilt wird, 
ist zum Redacteur für dieses Blatt Herr Leus 
bestimmt, bisher Redacteur der Schaumburg- 
Lippischen Landeszeitung". Es ist dies der 
bekannte Denunziant gegen die „Freisinnige 
Zeitung", der in Folge directer schriftlicher 
Denunziationen die Staatsanwaltschaft zu ei 
nem noch jetzt schwebenden Prozeß wegen Bis- 
marckbelcidigung gegen die „Freisinnige Zei 
tung" veranlaßte. Der Stöckermission in 
Berlin aber erlauben es, Dank den 
großen Banken, ihre Mittel jetzt, 
solche Subjekte anzustellen. Eine 
neue Aera kann durch das Erscheinen einer 
derartigen Persönlichkeit für die Berliner 
Presse erblühen. Die Presse, deren Redaction 
von Leuten solchen Schlages geleitet wird, gill 
in gewissen Kreisen als „höchst anständig., 
höchst ehrenhaft". Die Presse, welche 
solcher Gebühren beim richtigen Namen nennt 
und brandmarkt, wird verleumdet und discre- 
ditirt. Selb st die Gendarmen werden 
abgeschickt für die Presse ersteren Kalibers zu 
„arbeiten". 
— Zur Verhütung der Wied erkehr 
von Hochwasserscbäden, wie sic in dein 
laufenden Jahre wiederholt die an das Riesen 
gebirge angrenzenden Gelände betroffen haben, 
sind von der Regierung hydrotechnische Unter 
suchungen angestellt. 
— Ein Theil der Presse giebt sich die er 
denklichste Mühe, den Windth orst'sch en 
Antrag in Betreff des Religions 
unterrichts in den Schulen zum Mittel 
punkt der Wahlbewegung zu machen. Sie 
stellt es dar, als ob die Gefahr bestehe, daß 
dieser Antrag im künftigen Abgeordnetenhause 
eine Mehrheit erhalten könnte. Woher diese 
Mehrheit komnien soll, vermag freilich jene 
Presse nicht nachzuweisen. Die Kundgebungen 
der Parteien lassen keinen Zweifel darüber, 
daß sich auf den Antrag nur die Stimmen 
der Centrumspartei und der Polen vereinigen 
werden. Diese Parteien aber werden auch 
bei dem für sie günstigsten Wahlausfall nicht 
über mehr als 120 unter 433 Stimmen ver 
fügen. Jede Aenderung der bestehenden Ver 
hältnisse in der Richtung deö Antrages ist 
abhängig von der Zustimmung der Regierung 
und einer Mehrheit, zu welcher nur unter der 
Voraussetzung dieser Zustimmung die Gouverne- 
mentalen die erforderlichen Stimmen hergeben 
könnten. Die Nationalliberalen müßten also 
folgerecht wegen solcher Möglichkeit gerade die 
gouvernementale Partei auf's Aeußerste be 
kämpfen. Dies geschieht aber keineswegs. 
In Wahrheit sollen die Scheinge 
fechte um diesen Antrag seitens der 
Kartellparteien auch nur dazu dienen, 
die Aufmerksamkeit des Volkes ab 
zulenken von demjenigen Punkt 
wo bei den Wahlen die Gefahr am 
größten und nächsten ist, nämlich 
bei der Steuerfrage. Hier ist zu be 
fürchten, daß unter dem schön klingenden 
Namen einer Steuerreform eine Mehrheit 
für eine Belastung des Volkes bei den directen 
Steuern gefunden wird. 
Bremen, 11. Oct. Der hier tagende 
Protestant entag beschloß heute d^V. 
solution gegen die Versuche, ein katholisirendes 
Kirchenregiment zur Vernichtung der Freiheit 
und Selbstständigkeit der Gemeinden herzu 
stellen, deßgleichen gegen die Bestrebungen, 
dem Staate die Aufsicht und die Leitung der 
Schule zu entreißen. 
Hamburg, 12. Oct. Schiffbruch erlitt am 
Sonntag Nachniittag der Hamburger 
Dampfer „Kars," Capt. G. Krueger, 
in der Nordsee, etwa 65 Meilen nordwestlich 
vom Weserfeuerschiff. Der gen. Dampfer, 
welcher einen Raumgehalt von 1110,66 briti 
sche Register-Tons, eine Maschine von 300 
Pferdekräften und 23 Mann Besatzung hatte, 
führte 8000 Tschetwert Buchweizen und 7000 
Tschetwert Leinsamen als Fracht von Peters 
burg und zwar nach Amsterdam bestimmt. 
Am 6. d. M. hatte er einen ungemein hef 
tigen Sturm, von dem er so viel zu leiden 
hatte, daß er ernstlich in Gefahr kam. Die 
Ladung schoß über, das Schiff bekam Back 
bord-Schlagseite und wurde leck. Sonntag 
Mittag sank es an dem oben bezeichneten 
Orte, die Mannschaft rettete sich in den eige 
nen Booten und wurde Montag von dem 
Grimsbyer Fischkutter „Challenger" aufge 
nommen, der sie an Land brachte. Als der 
Dampfer stark Backbord-Schlagseite bekam, 
schlugen der Kessel und Maschinenraum voll 
Wasser, und das Schiff kam in's Treiben. 
Der Capitän hatte zwei braune Bären an 
Bord, von denen der eine sich auf eine Planke 
flüchtete, der andere aber in ein Boot sprang 
und mit an Land gebracht wurde. Retten 
konnte die Mannschaft fast nichts. 
Hamburg, 11. Oct. Wie das „Hamburger 
Fremdenbl." aus bester Quelle erfährt, haben 
alle Muthmaßungen und Unterstellungen der 
Ofsiciöskn, als habe Geheimrath Dr. Geffcken 
das Tagebuch aus dritter Hand empfangen, 
als sei er das Werkzeug „englischer Pläne" 
u. s. w., Unterstellungen, die mit ihren bos 
haften Spitzen „höher hinauf" zielen und zu 
der Hetze des letzten halben Jahres passen, 
durch den bisherigen Gang der Untersuchungen 
als unwahr und erfunden sich herausstellt. 
Provinzielles. 
Altana, 13. Okt. Ein hiesiger Seemann 
war durch verschiedene Umstände 3 Jahre 
lang von der Heimath ferngehalten worden. 
Als er dieser Tage zurückkehrte und seine 
Wohnung betrat, bemerkte er zu seinem großen
	        
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