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Ufo. 131.
Ireitagz
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Als Beilage wird dem Blatt monatlich einmal
„Der Landwirth" gratis beigegeben.
12. October.
1888.
Der Prozeß Geficken.
. ■‘Ote strafrechtliche Verfolgung Geffckens ist
«ne neue Phase des geistigen Gerichts, das
Uber Deutschland und Europa ergeht. Es
ware interessant, eine Parallele mit der fran
zösischen Revolution zu ziehen; wie die Ab-
mdung von den Grundlagen des Völker-
ebens ihre eigenen Kinder der Reihe nach
îrzehrt. Aber wir haben keine Zeit zu sol
chen Betrachtungen, und wichtiger ist es, die
^Mungen des Moments ins Auge zu fassen.
- Tie kurzsichtigen, aber edlen Männer, die
m Tagebuch des Kaisers Friedrich ihre eige-
Träume und Hoffnungen lesen, können
"'cht, wie Eugen Richter mit bewunderungs
würdiger Gewandtheit es thut, aus jenen Jdea-
wn und den Maßregeln der Gegner Gewinne
mr die praktische Politik ziehen. Von einer
şiusanien Erfahrung gewitzigt und entnüch-
ste k funden sie nicht mehr an die alten Ideale;
UtKrT uud müssen jetzt fühlen, daß die po-
Methode, »velche sie stillschweigend gc-
die „ Z hatten, eine wachsende Gewalt ist,
duldet şiîdst die stillschweigende Kritik nicht
s, ,' bereit, die Dienste, wenn auch
•S -t ' äu belohnen, ist sie eben so rasch,
M mißfällige Stimme bloßer Anhän-
Mit derselben empfindlichen Energie zum
schweigen zu bringen, womit sie die schwei-
8Mde Zustimmung aller Mächte, aller Par
teien, der ganzen Presse sich erzwungen hat.
Hinter Bennigsen stand nur eine Schar,
welche ihre eigenen Prinzipien aufgab; ihnen
wurde eine kurze Freude bereitet, als der im-
Mer wieder an die Wand gedrückte Führer,
X *'" den künftigen Kanzler der künf-
IZU:™. aefefert hatte, ans einem Ber-
..r f .,.§^^osten kalt gestellt wurde, um das
lenNlche Reden über politische Ideen zu ver-
crnen. Hinter Geffcken dagegen stehen Män-
mr, welche trotz ihrer Irrthümer noch geistige
Potenz bewahrt und in letzter Zeit sogar be
wiesen haben. Aeußere Gewalt, Criminal-
prozcsse gegen geistige Kräfte sind immer be
denkliche Mittel, wenn auch nicht gerade für
den Erfolg des Augenblicks.
Die öffentliche Meinung des Kartells steht
ş"k Seiten des Staatsanwaltes. Die preußi-
konservativen sind nur consequent, wenn
Z. Parthei gegen das Tagebuch ergreifen:
^mier Friedrich war nicht fromm nach ih-
, er Weise, und ein freisinniges Reich ist
"inm ebenso zuwider, wie ihnen das deutsche
Zwlchgültig ist; ein Preußisches Reich paßt
kur ihren geistigen Horizont. Auch den Schwach-
kvpfen, welche statt die Gegenwart mit nüch
ternem Auge zu erfassen, ihre Ideen über die
Zukunft Deutschlands in geschmacklosen De-
clamationen weiterspinnen, ist Kaiser Friedrich
schon eine tragische Legende, Herr Geffcken
dagegen eine uninteressante Persönlichkeit. Die
ultramontane Presse wird in dieser Sache auf
Seite der Wahrheit und des Rechtes stehen;
aber ihre Opposition und Kritik kann die
Frage in ihrer geistigen und politischen Be
deutung nicht erfassen. So bleibt nur die
freisinnige Opposition, die für den Augenblick
reichsten Nutzen aus dem Zwischenfall zieht,
obgleich Geffcken und seine Gesinnungsgenossen
gar nicht zu den Ihrigen gehören.
Aber dieser journalistische und parlamen
tarische Schaden ist vom Gesichtspunkte der
Erfolgspolitik nur vorübergehend. So kann
möglicher Weise der Proceß Geffcken verlaufen,
wie alle politischen Prozesse seit 1866. Aber
die Wirkung, wenn auch langsam und An
fangs verborgen, wird eine völlig andere sein.
.Denn nicht die Geffckensche That, deren ver
brecherischer und staatsgcfährlichcr Character
ja auch eine bleibende Illustration der deut
schen Reichs-Justiz bildet, sondern der Kaiser-
Friedrich und die getäuschten Znkunftsidealc
auf der einen Seite und der Reichskanzler
und seine politische und prozessualische Methode
auf der anderen, Idealismus und practische
Politik, sind Gegenstand der Discussion. Und
diese ist nicht mit dem Verdict der Richter-
abgeschlossen, sondern setzt sich fort in den
Kreisen aller derer, die bisher die Geschichte
und die Gegenwart mit der offiziell patentir-
ten Brille lasen und nun endlich, von den
Erfolgen nicht mehr befriedigt, ihre bisherigen
Auffassungen und Gedanken berichtigen müssen.
Der Prozeß Geffcken wird also zu einer
neuen Krisis der Charaktere und der Denk
kraft bei den älteren Zeugen der Uunvälzung
Deutschlands wie bei den Jüngern; eine gei
stige Krisis, von der wir von unserem Stand
punkte ans nur Gutes uns versprechen können.
Uns berührt der Prozeß weniger, wie das
Tagebuch, wir blicken nur auf die, welche
jetzt schmerzlich berührt, die Augen öffnen
über die Dinge, die sie seit Jahren sahen und
nicht sehen wollten. §. Bl.
Ausland.
Außereuropäische Reiche.
New-Bork, 10. Oct. Bei dem Eisenbahn
unfall in Pennsylvanien sollen nach den
neuesten Nachrichten 60 Personen gelobtet
und etwa 100 verwundet sein.
Nun liegen auch schon briefliche Mit
theilungen aus Sansibar über die ersten
Ruhestörungen ini deutschen Schutzgebiete
vor, allein die Deutsch-Ostafrikanische Gesell-
X. SchiĢswege.
ätoci Abtheilungen von Sotljo mm Ipresseiitm.
der^^Moebenthal trat auf Fräulein van
die l0t " ö" und bot ihr den Arm, um sie,
Taf-s ersten Mal Gast seines Hauses, zur
täuïcb, iU Ein Ausdruck der Ent-
ProfessM P°9 über das Gesicht der blonden
DlieX M"' ^ 1 ’ aber sofort einer verbindlichen
Ņtajor ê şir der stets heitere, elegante
die ande°ņ Waldstedt zu Tisch und zwar an
'âein^ Ş^ìtc des Hausherrn führte.
Waldstedt^ M°^ge Frau," begann Herr von
vorhin öle Unterhaltung, „Sie erwähnen
t°r , üeitn ich mich nicht irre, eines Doc-
ìanbeu '^orf '• Darf ich mir die Frage er-
Herr ^ °b derselbe zufällig in Eisenach lebt?
crwähX" Steudten, ein Freund von mir,
dors ļ h £ .gerade gestern eines Doctor Burgs-
bflich^ £ "iem Briefe an mich als eines selten
,'3W- Ue ” ""d tüchtigen Arztes dort."
ich îst in der That derselbe Herr, welchen
Eüchfobsb Wunsch meines Mannes dringend
günstig E" ,Mbe. Ich kann mich also dem
"Ur Urtheil Ihres Herrn Kameraden
aber anschließen. Noch besser wird ihn
kranke 'Mt eine alte Mutter und eine
heut !„ Ģr zu ernähren — der gewiß
st 9 c seltene Grundsatz empfehlen,
schüft scheint es noch immer nicht der Mühe
werth zu halten, Diejenigen, auf deren Geld
beutel sie speknlirt, über die „wahren" Vor
gänge 'aufzuklären. Man lvird aus diesem
Schweigen wohl den Schluß ziehen dürfen,
daß die Dinge sich gerade so zugetragen haben,
wie sie von englischer Seite geschildert worden
sind. Nach einem Berichte des „Temps"
haben sich zuerst die Araber und Eingeborenen
von Pangani und Tanga der Hissung dcr
dcutschcn Flagge widersetzt. Die Deutschen
hätten darauf vom Sultan Soldaten verlangt
und dieser 100 Mann geschickt, allein die
Eingeborenen hätten die Ausschiffung derselben
verhindert. Mittlerweile wurde Tanga von
der „Möwe" eine ganze Nacht hindurch bom-
bardirt. Auch den Engländern sei das Landen
verwehrt worden. Der Sekretär der Lon
doner Universitäts-Mission hat ein
Telegramm aus Sansibar einpfangen, tvonach
die 18 europäischen Mitglieder der Mission
in Magila und den Filialen, welche sich hintcr
den 6000 Insurgenten von Pangani befinden,
bleiben können und sich nicht zurückzuziehen
brauchen; dieselben ständen auf freundschaft
lichstem Fuße mit der Bevölkerung. — Dem
„Temps" wird ans Sansibar von gestern
telegraphirt, dort gehe das Gerücht, daß alle
Deutschen und alle Bcaniten der dentsch-
ostafrikanischen Gesellschaft nach Sansibar
zurückberufen seien; man »volle eine große
Entschädigungssumme vom Sultan verlangen
und nian fürchte, daß, wenn der Sultan die
Surnme nicht bezahlen könne, die Deutschen
Ansprüche auf Sansibar selbst erheben würden.
Man versichere, daß ein neues deutsches Ge
schwader Verstärkungen bringen werde. Die
Verbindungen mit allen Punkten der Küste
seien noch unterbrochen. Der Sultan ver
spreche dieselben wiederherzustellen, falls sich
die Deutschen nicht einmischen. Der französische
Reisende Angelvy ist zurückberufen worden.
Aus Thibet meldet ein Telegramm des
„Reut. Bür.", die Stämme des Schwarzen
Gebirges schienen sich gegen den Indus zu
wenden. Der Oberbefehlshaber der britischen
Expedition, Mac Queen, wird eine beherrschende
Position des Landes besetzen. Derselbe be
nachrichtigte die Stämme, er werde, falls sie
sich nicht vor dem 15. October ergäben, das
noch auf dem Felde stehende Getreide ver
nichten.
Oesterreich.
Wien, 10. Okt. Der heutige Abschied dcr
beiden verbündeten Kaiser in Mürzzuschlag
wird als ungemein herzlich geschildert; nach
wiederholten Umarmungen und Küssen riefen
sich die beiden Monarchen mehrmals „Auf
Wiedersehen!" — „Auf frohes Wiedersehen!"
zu. Kaiser Franz Josef blickte seinem ab
reisenden Freunde nach, so lange der Zug
überhaupt sichtbar blieb.
— Wie die „Köln. Bolksztg." meldet,
wird Prinz Heinrich auf seinen Wunsch
eine besondere Audienz beim Papst
hoben; er begleitet daher den Kaiser nicht
beim Besuch im Vatikan. Die Unterredung
Kaiser Wilhelms mit dem Papst wird ohne
Zeugen nicht im Thronsaale, sondern im
Privatkabinet des Papstes stattfinden.
Wie», 10. Okt. (B. T.) Der am Sonn
tag in Mürzsteg verhaftete junge Mensch
hatte sich nicht gegen Kaiser Wilhelm, sondern
gegen den Kaiser Franz Joseph unehrbietig
betragen. Die Affaire ist übrigens ohne
Belang. — Im Wahlbezirk Schönerers wurde
heute der stark sozialistisch schillernde Pater-
Eichhorn zum Abgeordneten gewählt.
Wien, 10. October. In Zwettl wurde
Schönerer's Wirthschaftsbcamter Brückmayer
verhaftet, »veil er beschuldigt wird, an den
Bezirkshauptniann Drohbriefe gerichtet und in
diesen ihn mit Erschießen bedroht zu haben,
und zwar weil dieser den Agitationen der An
hänger Schönerer's entgegentritt.
Italien.
Rom, 11. Oct. Die Stadt ist im glän
zendsten Flaggcnschmnck. Es sind zahllose
Fremde anwesend. Ein heute Morgen vom
Bürgermeister veröffentlichtes Manifest sagt:
„Der erwartete Monarch und Enkel des sieg
reichen hochverehrten Begründers der deutschen
Einheit und Sohn des hochherzigen Kaisers
hat Beweise inniger Zuneigung für Italien
und unsere ruhmreiche Dynastie gegeben. Ver
weise und starke Fürst, Kaiser Wilhelm II.,
verstand in den wenigen Monaten feiner
Regierung Europa das sicherste Pfand des
Friedens zu geben und seinem Volke, welches
mit uns gemeinsame Hoffnungen, Känipfc und
Erfolge hatte, das feste Vertrauen einzuflößen,
von starker Hand hohen Zielen zugeführt zu
werden, welche die Zukunft tugendhaften,
starken Völkern vorbehält."
Rom, 11. Oct. Der Kaiser und Prinz
Heinrich nebst Gefolge sind um 4 Uhr 12 M.
hier eingetroffen und am Bahnhöfe vom Könige
und allen Prinzen des königlichen Hauses,
sowie von Crispi und den hohen Staats
würdenträgern empfangen worden. Nach
äußerst herzlicher Begrüßung begaben sich Kaiser
Wilhelin und König Humbert unter enthusiasti
schem Hochrufen der Bevölkerung nach dem
Ouirinal.
— Alle Geschäfte, sogar die Post und auch
niemals eine reiche Frau zu nehmen. Den
Grundsatz, der Mann soll Erhalter und Er
werber, aber nicht abhängiger Schleppenträger-
sein, hörte ich ihn einst vor einem ganzen
Kreise von Gegnern siegreich vertheidigen."
Fräulein Afra van der Twist horchte auf,
dann aber lachte sie munter und rief: „Puh,
das wäre nichts für mich, ein Mann, der
nur nach Grundsätzen handeln will, muß
unausstehlich langweilig sein."
Wie leicht erklärlich, entspann sich über
diesen Ansspruch der Holländerin eine lustige
Debatte für und wider. Alle behaupteten,
ein tüchtiger Mensch könne nicht ohne feste
Principien bestehen. Dagegen verwehrte sich
jedoch Fräulein Afra, indem sie energisch
dabei blieb, sie handele nur nach Eingebungen
und sei dabei stets gut fortgekommen. Die
meisten Menschen haben nur nicht den Muth,
das Gleiche einzugestehen, schloß sic ihre die
Tischgesellschaft doch etwas befremdende Er
öffnung.
Graf Loebenthal fand einen großen Reiz
darin, das Widersprechende in dem Wesen
seiner. beiden Nachbarinnen zu beobachten.
Diejenige, welche mit so stolzem Muthe den
hergebrachten Phrasen mit ihrer Behauptung
in's Gesicht schlug, ging wohl stets in nnbe-
irrtem Gefühl ihres Werthes den Pfad der
Tugend, während die ob des Gehörten förm
lich entsetzt dreinschauende Frau Bieberstein
vielleicht kaum ahnte, was ans Grundsätzen
entstandene Kämpfe bedeuteten.
Gräfin Hertha hatte mit weltgewandtem
Takt der etwas gewagten Aeußerung des
Fräulein van der Twist nicht allzu große Be
deutung beigelegt und sich in ihrem Stuhl
passiv zurückgelehnt. Jetzt aber sah doch selbst
sie etwas erschrocken auf, als Fräulein Afra
zwar äußerlich ruhig, aber im Tone warmer,
fester Ueberzeugung hinzufügte: „Meine Herren,
finde ich keinen Ritter unter Ihnen, der mir
mcine noch weiter dahingehende Ansicht ver
fechten hilft, daß es in meinen Augen nichts
Sündhafteres giebt, als langweilig zu sein?
Langweilig aber wird man sicher durch stete
Anwendung anerzogener oder eingclernter
Grundsätzc!"
„Gnädiges Fräulein, selbst auf die Gefahr-
hin, heute noch von meiner Frau eine Gar
dinenpredigt zu bekommen, stimme ich Ihnen
bei und halte Ihr Panier hoch," beantwortete
Graf Loebenthal Fräulein Afras Appell.
„Wer anders als der Hausherr konnte
diesem Paradoxon beipflichten," flüsterte Fräu
lein von Scheiding ihrem Nachbar, dem an
gehenden Diplomaten, zu. „Nun, das ver
langt ja schon der gute Ton dem Gast gegen
über, — wenn ich glaube, daß Ihr Herr-
Onkel auch sonst nicht ganz den ausgespro
chenen Ansichten abgeneigt ist," fügte die junge
Dame mit einer scherzhaften kleinen Grimasse
und einein Seitenblick auf Frau Professor-
Bieberstein hinzu.
Diese hatte sich, verletzt, weil der Graf
sich zum Retter seiner Tischnachbarin aufge
worfen, zu Herrn von Waldstedt gewandt
und ihn in ein sehr angelegentliches Gespräch
über Wiesbaden verwickelt. Da hörte sie
leise neben sich flüstern: „Warum erzürnt,
schöne Frau?"
„Um Ihnen ein augenscheinliches Beispiel
zu geben, wie mich die soeben entwickelten
Ansichten schnell begeistert haben, und ich eher
Alles, nur nicht langweilig scheinen möchte,"
lautete die schlagfertige Antwort.
Man war zu dem Dessert gelangt und in
den Kelchgläsern perlte der die Gäste mehr
und mehr animircnde Champagner. Zufällig
warf Graf Loebenthal einen Blick auf seine
Frau, welche trotz der Schminke um Mund
und Schläfen eine pfähle Blässe zeigte und,
die Hand auf dein Herzen, nur mit mühsamer
Hast athmete. Zu seinem großen Schrecken
nmr es ihm klar, daß Gräfin Hertha im
Begriff sei, schon wieder einen ihrer qualvollen
asthmatischen Anfälle zu bekomincn, und so