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„Der Landwirth" gratis beigegeben.
1888.
5. October.
Ireitag
JSo. 135
Ausland.
Oesterreich.
3. Oct. Kaiser Wilhelm hät
llch über den feierlichen, herzlichen Empfang,
°br ihm in Wien zu Theil geworden, mit
großer Befriedigung geäußert. —
Nachmittags 2 '/ 2 Uhr fuhr der deutsche Kaiser
m die A k a d e m i e der bildende Künste, um
dort das Atelier des Professors v. Angeli
Zu besichtigen. Graf Bismar ck reist Sonn
abend mit dem Sektionschef im Ministerium
des Aenßern, Baron S z ö g y e n y i, auf einen
Tag nach Pest, wo Tisza ihm zu Ehren
ein großes Diner geben wird.
—- Kaiser Wilhelmhat gestern verliehen:
Dem Grafen Kalnokh die Brillanten zum
Schwarzen Adlerorden, dem ungarischen
Ministerpräsidenten Herrn v. Tisza und dem
Dberst-Kämmerer Grafen Trautmansdorf den
Schwarzen Adlerorden, dem ersten Sektions-
rļf sm Auswärtigen Amt, Herrn v. Szö-
gpenyr die Brillanten zum Rothen Adlerorden,
1 Zweiten Sektionschef Baron Pasetti und
e 1" Statthalter Baron Possinger den Kroncn-
orden 1. Klasse, dem Oberbürgermeister Uhl
den Rothen Adlerordcn 2. Klasse mit dem
Stern und dem Polizeipräsidenten Baron
Krans den Kronenorden 2. Klasse mit dem
Stern. Ob damit alle Auszeichnungen ab
geschlossen sind, ist noch unbekannt.
Schweiz.
Bern, 3. Oct. Bei Riedtwyi (an der
Linie Bcrn-Qlten) >md bei Granges (in der
Nähe von Freiburg) sind in Folge des Hoch
wassers die Brücken weggerissen. Die Aar
stieg in der letzten Nacht um einen Meter.
Heftige Gewitter haben in Genf und Sa
voyen große Wasserschäden herbeigeführt.
Aus Basel meldet man, daß der Rhein
sehr hoch steht und die Birs und die Wiesent
ansgetreten sind. . .
Bern, 1. Oct. Auf den Bahnümen Frei-
burg-Bern, Bonveret-Martigny und Brugg-
Hendschiken ist in Folge von Erdrutschun
gen oder Ueberschwemmungen der
Verkehr unterbrochen. Die Dörfer
Bümplitz und Lyß im Kanton Bern stehen
unter Wasser. Die Aar ist oberhalb Berns
ausgetreten und hat den Bestand mehrerer
Häuser der unteren Stadt gefährdet.
Gens, 3. Oct. Ueberschwemmungen,
welche im Kanton Genf und in Savoyen
eintraten, richteten großen Schaden an. Meh
rere Häuser sind eingestürzt. Gärten und
Weinberge wurden verwüstet, die Ernte ist
an verschiedenen Stellen gänzlich vernichtet.
Mittags wurden, auf dringende Hilfegesuche
hin Feuerwehrleute in die bedrohten Ort
schaften entsendet. Die Bahnlinien sind mehr
fach unterbrochen, so zwischen Seyssel und
Amberien. Mehrere Personen haben bereits
im Hochtvasser den Tod des Ertrinkens ge
funden. _ . . ,
Frankreich.
Paris, 4. Okt. Der orleanistische „Soleil"
ist ermächtigt, die über eine Verlobung des
Prinzen Georg von Griechenland, des zweiten
Sohnes des Königs, mit der Prinzessin
Margarethe von Orleans, der zweiten Tochter
des Herzogs von Chartres, cirkulirenden
Gerüchte zu dementiren.
Paris, 4. Octbr. Die Monarchisten
gründen einen Frauenbund, dessen Ab
zeichen die Blume des Grafen von Paris,
eine Rose, sein soll. Der Zweck dieses
Rosenbundes ist die Wiederherstellung des
Königthums. Den Vorsitz führt die Gräfin
von Paris. Jede bcitretende Dame erhält
gegen einen freiwilligen Beitrag die Rose.
Der bcrühntte Aufruf schließt mit der Ver
sicherung, daß die Namen allerTheilnehmerinnen
unter die Augen der Gräfin von Paris
kommen werden und diese keinen vergessen
werde. Ein boshaftes Blatt meint, der
Bund brauche kein neues Blumcnabzeichen zu
wählen, die rothe Nelke genüge, da die
Monarchie sich vom Boulangismus adoptiren
lasse."
Rustland.
Kiew, 4. October. (H. C.) Eine hier
tagende Versammlung russischer Spiritnspro-
ducenten unter dem Vorsitze des Directors
der indirecten Steuern beschloß, beim Finanz
minister zu beantragen: Inden vom Brennerei
betrieb, überhaupt von der Spiritusindustrie
und vom Spiritushandel auszuschließen, auch
die Anzahl der bestehenden Engros-Läger von
eingeführtenl Spiritus zu beschränken.
Belgien.
— Die Neutralität Belgiens nimmt in
Folge der „Enthüllungen", welche kürzlich der
„Matin" und jetzt die „Nonvelle Revue",
sowie der „Gil Blas" veröffentlichen, wieder
ein nicht unbeträchtliches Interesse in Anspruch.
Die „Enthüllungen" gipfeln darin, daß der
belgische König, dessen Berechtigung dazu auf
Grund der Verfassung unzweifelhaft ist, mit
Deutschland einen geheimen Vertrag abge
schlossen hat, daß die neuen Maasforts gegen
Frankreich gebaut werden und daß der Durch
marsch einer deutschen Armee bei einem neuen
deutsch-französischen Kriege gesichert ist. (H.C.)
England.
London, 4. Okt. Die „Morningpost" be
zeichnet die Begegnung der beiden Kaiser in
Wien als ein Ereigniß von hoher Be
deutung, weil dieselbe offen bekunde, daß
der Bund zwischen Deutschland, Oesterreich-
Ungarn und Italien keine Schwächung erlitten
habe. Der Bund der drei Mächte, zu
welchem England herzliche Sympathie hege,
werde mit Recht als die sicherste Bürgschaft
für die Aufrechterhaltung des Friedens in
Europa betrachtet. So lange die Politik der
Fricdensliga bleibe, was sie ist, so sei sie in
jedem Falle der Unterstützung Englands sicher.
In London ist eine neue gräßliche Ent
deckung gemacht, welche auf die kürzliche ; Ver
übung eines geheimnißvollen Verbrechens
schließen ließ. Bei Bauarbeiten unweit des
Parlamentsgebäudcs in Westminster wurde in
den Kellerräumen eine in einen Unterrock ge
hüllte, schon stark verweste Frauenleiche ge
funden, welcher Kopf, Beine und Arme
fehlten. Unlängst waren an verschiedenen
Stellen West-Londons zwei Franenarme ge
funden worden, welche nmthmaßlich zu dem
entdeckten Rumpfe gehören. Von den Ur
hebern der grauenvollen Mordthat fehlt fort-
qesetzt jede Spur. Alle Anstrengungen der
Polizei haben nicht das Geringste gefruchtet.
— Die Morde in London erhalten
eine Art Erklärung durch einen Anfangs für
einen schlechten Scherz erachteten Brief
eines Anonymus an die Redaction der
telegraphischen Correspondenz „Central-News".
Das wüste, höhnische und in rohe»! Jargon
geschriebene Dokument ist vom 25. Septem
ber datirt und lautet:
„Lieber Alter! Ich höre noch immer, das; die
Polizei mich schon „gekriegt" hat, aber sie werden
mich nicht so bald „fixiren." Ich lache darüber,
wenn sic so pfiffig aussehen und davon schwätzen,
auf der richtigen Fährte zu sein. Kapitaler Spaß
mit „Leder-Schürze" ! Fiel fast um! Ich will den
H— den Garaus machen, und ich werde mit
dem Zerschlitzen nicht aufhören, bis ich „einge
schnallt" bin. Famoses Stück luar letzte Arbeit,
ich gab dem Weibe kaum Zeit, auch nur zu
kreischen. Wie wollen sie mich jetzt fangen? Ich
liebe meine Arbeit und werde damit sortsahrcn.
Sie werden sehr bald wieder von diesem kleinen
Spiele hören. Ich habe etwas von dem rothen
Stoff in einer Ingwer-Bierflasche aufgefangen
beim letzten Mal, um damit zu schreiben, aber
er ivurde so dick wie Leim und kann nicht ge
braucht werden. Rothe Tinte ist gut genug
dazu. Ha! Ha! Bei der nächsten Arbeit werde
ich dem Weibe die Ohren abschneiden und der
Polizei zusenden, just um des Spaßes willen,
nicht wahr? Behalten sie diesen Brief, bis ich
mehr gethan! Dann heraus damit! Mein Messer
ist hübsch und scharf. Soll gute Arbeit werden,
sobald Gelegenheit. Glück aus!
Ihr ergebenster
Jack, der Aufschlitzer.
Mir liegt nichts an solchem schlechten Namen.
War nicht fertig, dies früher zu senden. Ich habe
all' den rothen Stoss jetzt von den Händen., Noch
keine weitere Chance. Die sagen, ich sei ein
Doktor! Sa! Ha!"
Die „Central-News" empfing am 1. Oct.
eine mit Blut beschmierte Korrespondenzkarte
in genau derselben Handschrift, wie der ver
öffentlichte Brief. Darin heißt es:
„Liebes altes Haupt! , ,
Ich machte keinen Scherz, als ich Dir die Wette
klar machte. Du wirst noch von anderen Leistungen
Jacks hören, ehe viele Morgen vergangen sind.
Dieses Mal — zwei Mal Erster. Die Eine kreischte
ein wenig. Konnte nicht mit ihr sofort fertig
werden. ' Hatte nicht die Zeit, ihre Ohren für dre
Polizei abzuschneiden. Besten Dank dafür, daß
Sie meinen ersten Brief nicht veröffentlicht, ehe
ich wieder an die Arbeit gegangen.
Jack, der Aufschlitzer."
Jetzt zweifelt niemand mehr daran, daß
der Schreiber jener Zeilen auch der Mörder ist.
Inland.
Berlin, 4. Okt. Als Termin der
Reichstagseröffnung soll, so schreibt
die „Nat.-Lib. Corr.", der 20. November in
Aussicht genommen sein.
Berlin, 4. Oct. Minister Herrfurth
scheint mit verschiedenen Mißbräuchen aus
der Pilttkamerschcn Aera aufräumen zu
»vollen. Durch einen neueren Erlaß hat er
bestimmt, daß das Recht der Landräthe, die
Polizeibeamten in den Landgemeinden und
Amtsbezirken zu ernennen, aufgeh ob en sei,
und daß die Polizeibeamten ebenso wie die
übrigen nicht blos zu mechanischen Dienst
leistungen bestimmten Unterbeamten der Ge
meinden und Aemter von den Vertre
tungen derselben zu wählen und von
dern Landrath zu bestätigen seien. Dadurch
würde in einem sehr wichtigen Punkte mit
der Selbstverwaltung auf dem Lande, die
unter Herrn von Puttkamer arg verkümmert
worden ist, Ernst gemacht werden.
Berlin, 3. Okt. In der heutigen Sitzung
des Oberverwaltungsgcrichtes wurde
unter dem Vorsitz des Präsidenten Persius
die Klage des Frankfurter Feuerbestattungs-
Vereins gegen den Polizeipräsidenten von
Frankfurt a. Main (auf Erlaubniß zur Er
bauung eines Krematoriums) aus formellen
Gründen zurückgewiesen. Das Oberverwal-
tnngsgericht nahm an, daß der bezügliche Er
laß des Polizeipräsidenten kein direktes Verbot
enthalte und daher im Verwaltungsstreitwege
nicht anzufechten sei. Ueber die materielle
Seite der Frage sprach sich der Gerichtshof
mit keinem Worte aus. Der klägerische Verein
wurde durch Herrn Rechtsanwalt Munckel
vertreten.
Ņ Schicksakswege.
Roman in zwei Abtheilungen von Lolho uon Presstnliil.
d°,àxļjvûrdiger Weise hatte Herr Nicolai,
s ?àt beschäftigt geschienen, im
dm- Länder nachzuschlagen, den letzten Theil
denn Verhaltung durchaus nicht überhört;
an "den şiâ> plötzlich mit der Frage
metfW { A ® mt,crrn: "Sind der Herr Ritt-
m auf der Hohen Sonne gewesen?"
lcaenļlick' -^ Cïr Wirth, aber ich denke ge-
Jckw -"Ausflug dorthin zu machen."
Verauiinen ^ Herr Baron, ob es Ihnen
heute N U .! ad)en wird, sich unserem Kreise
nebln 9 ì std)mtttst 9 anzuschließen? Es wird uns
wäbni r . öon uieiner Tochter bereits er-
aus ? "r werden Herren noch ein Herr Lindow
letzten d, e “ "ebst Tochter begleiten, die wir int
t nt -.^lahre vor dem Tode meines Gatten
Vgt„,^9fcebade Glücksburg kennen gelernt,
die r r, Unb Tochter sind sehr munter, haben
W r e Welt gesehen und Fräulein Lindow
4en"^îài den Vorzug, das schönste Mäd-
hal, c" ş^ìU'. l>as sich nur denken läßt. Ich
»ļâ sie bereits neckend gefragt, ob sie etwa
. Modell für die Germania des Niedcrwald-
bUkliials verwandt sei."
»Meine gnädigste Frau, es bedurfte dieser
ansehenden Personalbeschreibung nicht, um
die wir gütigst ertheilte Erlaubniß, mich
Ihnen heute anschließen zu dürfen, als eine
große Vergünstigung erscheinen zu lassen.
Sic glauben garnicht, welche Anforderungen
heut zu Tage an uns Offiziere im All
gemeinen, an uns arme Väter der Schwa
dronen insbesondere gestellt werden. Sicht
mann dann, wie ich, fast zehn Jahre auf
regender Arbeit und Verantwortlichkeit ohne
nennenswerthe Erfrischungen der Seele und
des Körpers hinter sich, so verstehen Sie mich
vielleicht, wenn mir bei dem Gedanken, in
Ihrem Kreise eine gemüthliche Parthie hinaus
in die herrlichen Berge machen zu dürfen,
fast kindlich weihevoll zu Muthe wird."
„Das kann ich Ihnen sehr nachfühlen,
denn ich mit meiner Schwärmerei für die
Natur habe meiner besten Mutter schon erklärt,
ich würde mir in den Mauern einer großen
Stadt wie ein gefangener Vogel vorkommen
und elend eingehen."
„So sind die Naturen verschieden," warf
Mrs. Cote ein, „mich, die an der ^ Seite
Deines Vaters lange Jahre in der Einsam
keit unserer herrlichen, secnreichen Heimath
Wisconsin gelebt, zieht es heute mit allen
Fibern nach der großen Stadt."
„Siehst Du, liebe Mutter, darum mache
ich mir ja auch Vorwürfe, daß ich durch
meine Unwissenheit und meinen Hang für
Gottes Natur ein Mühlstein an Deinen
Füßen bin."
Mrs. Cote wandte sich, die Achseln zuckend,
an Herrn von Steudten und meinte gerade
in dem Moment, als die Glocke zur table
d’hôte rief: „Glauben Sie nicht auch, die
Zeit wird nicht lange ans sich warten lassen,
wo nicin darling ein Ballfest mit seinen
prickelnden Reizen allen Naturgenüsscn vor
ziehen wird?"
Herr von Steudten sah es wohl, daß die
Amerikanerin ihre Frage gar zu gern bejaht
zu sehen wünschte; allein er blickte auch hin
über nach Miß Ellen und dort sah er zwei
große, klare Kinderaugen fragend und doch
vertrauensvoll auf sich gerichtet, — als wollte
sie sagen, ich bin doch begierig, wie Du mich
beurtheilst. Diese wunderbaren Augen aber,
in denen sich lese» ließ wie in einem aufge
schlagenen Buche, machten den Offizier. eigen
thümlich in tiefster Seele erzittern, bestimmten
ihn, der Klugheit entgegen auszusprechen,
indem er schnell und bestimmt sagte: „Meine
gnädigste Frau, ich bitte um Vergebung, aber
ich glaube, jene Zeit werden Sie bei Ihrem
Fräulein Tochter vergeblich erwarten."
„Ich glaube es auch," flüsterte Miß Ellen,
während Mrs. Cote helle Rothe in die
Schläfen stieg, als sie Herrn von Steudten
heftig die Worte cntgegenschlenderte: „Nun,
ich hoffe, mein Herr, daß Sie ein schlechter
Prophet gewesen; denn andernfalls wäre ich
durch Aufgabe meiner besten Wünsche zu
einem dauernden Märtyrinm gezwungen und
das — kann mein Mann doch unmöglich be
absichtigt haben!" —
Herr von Steudten horchte hoch auf bei
diesen augenscheinlich in der Erregung hervor
gesprudelten Worten; denn es war ihm, als
ob die üppige Amerikanerin einen fast feind
seligen Blick auf ihr lieblich crröthendes Kind
geworfen.
Da ist nicht Alles, wie es sein müßte,
notirte sich Steudten in Gedanken und folgte
dann den vorausschreitenden Damen zur Tafel,
wo ihm das Glück ward, Miß Ellen gegen
über einen Platz angewiesen zu erhalten.
Während sich Mrs. Cote sehr bald mit
ihrem täglichen Tischnachbarn in einer ange
regten Unterhaltung befand, siel dem Freiherrn
zum ersten Mal die nach jeder Richtung her
vortretende Grnndverschiedenheit von Mutter
und Tochter auf. Jene ein in allen Farben
strahlender, schön geschliffener Edelstein, der
noch nicht genügend auf seine Echtheit probirt,
diese eine seltene, fleckenlose Perle, die ihren
ungeahnten Werth in sich trägt.