Zeichnungen, so dem Geheimrath Lu kan ns
und dem preußischen Gesandten Grafen
Rantzau den Michelsverdienstorden 1. Klasse,
dem Hofmarschall Pückler und Leibarzt
Leuthold den Michelsorden 2. Klasse mit
Stern; Graf Eulen bürg erhielt das
Komthurkreuz der Bayernkrone, Geheimrath
Kautky und Legationsrath Raschdau den
Michelsorden 2. Klasse; das Großkreuz des
Militärverdienstordens wurde an die General
lieutenants Hahnke und Wittich, das Groß-
komthurkreuz Generalmajor Branchitsch, das
Komthurkreuz den Majoren Kessel, Zitzewitz
und Rantzau verliehen.
Berlin, 3. Octbr. Die „Voss. Ztg." er
fährt, der Reichsbankpräsident Dechend theilte
Vormittags hervorragenden hiesigen Bank
instituten eine ihm von allerhöchster Seite zu
gegangene Anregung mit, die Unterstützung
der Finanzwelt zu einem Fond für humani
täre Zwecke nachzusuchen, welcher zur Ver
fügung der Kaiserin gestellt werden soll. Er
hebliche Zeichnungen erfolgten. Demnächst
soll ein allgemeiner Aufruf ergehen. Wie ver
lautet, hat es sich ursprünglich um eine Unter
stützung der inneren Stadtmission gehandelt
und soll ausdrücklich betont sein, daß die Be
seitigung Stöckers aus der Stadtmission auf
alle Fälle erfolgen solle.
Berlin, 2. Okt. Das erbauliche Schau
spiel, daß die Kartellparteien sich den Geheim
rath Geffcken gegenseitig zuzuschieben ver
suchen, wird mit Eifer fortgesetzt und nimmt
bei der sonst obwaltenden politischen Stille
einen breiten Raum in den Blättern ein.
Ein sich gouvernemental gebärdendes Börsen
blatt erklärt den Veröffentlicher des Tagebuchs
kurzweg für einen Welfen. Die „Kreuzztg."
ist empört, daß die freikonservative „Post"
den Uebelthäter nicht bei den Gemäßigten
dulden, sondern ihn der speciellen Kreuz
zeitungsrichtung anheften will. —• Das
„Deutsche Tageblatt" erhebt von Neuem die
Forderung, daß die Broschüre Macken
zie's in Deutschland nicht erscheinen
dürfe, und sagt: „Wir unsererseits haben
Vertrauen zu der deutschen Regierung, daß
sie einem Verlangen nachgeben werde, das
ebenso berechtigt wie natürlich ist, und wir
befürchten nicht, daß demnächst von Neuem
ein Englishman als freisinniger Wahlmacher
auf dem Kriegsschauplätze der Parteien er
scheine, der sich das politische und medizinische
Genick längst gebrochen hat." In der That
macht man sich in hiesigen politischen Kreisen
darauf gefaßt, daß die Schrift Mackenzies,
wenn es irgend angeht, unterdrückt werden
wird. Es giebt zu viele Personen, die Grund
haben, die Indiskretion des englischen Arztes
zu befürchten.
— Der Kaiser war gegen die Ein
leitung des Strafverfahrens, so wird
dem „Berliner Tageblatt" geschrieben, nach
dem mehrere Rechtsgelehrte sich dahin ausge
sprochen hatten, daß ein Verstoß gegend irgend
welchen Paragraphen des Strafgesetzbuchs in
der Publikation nicht gefunden werden könne.
Es bedurfte des persönlichenErscheinens
des Reichskanzlers, um die Einleitung
des Strafverfahrens beim Kaiser durchzusetzen.
Auch widerstrebte dem Kaiser die Publikation
des Antrages des Reichskanzlers. Fürst
Bismarck bestand jedoch darauf und machte
sein ferneres Verbleiben im Amte hiervon ab
hängig. —- Ob Vorstehendes richtig ist, ver
mögen wir nicht zu beurtheilen. Thatsache
ist es freilich, daß Fürst Bismarck sich nicht
mit dem schriftlichen Bericht begnügte, sondern
noch persönlich von Friedrichsruh herüberkam,
um bei dem Kaiser unmittelbar vor seiner
Abreise in Potsdam einen Vortrag zu halten.
— Zur Tagebuch-Angelegenheit
wird von einer Berliner Lokalkorrespondenz
noch berichtet: „Gerüchtweise hört man, daß
die Regierung eine Liste aller derjenigen Per
sönlichkeiten besitze, welche von Kaiser Friedrich
eine Kopie des Tagebuches von 1870 und
anderer Diarien erhalten haben, ferner, daß
auf Befehl des Kaisers, dem in erster Linie,
vielleicht sogar ausschließlich, das Pnblikations-
recht zusteht, auf Mittel und Wege gedacht
wird, jene Exemplare einzuziehen und sie dem
königlichen Hausarchiv einzuverleiben. Die
Zahl der durch Widmung einer Kopie aus
gezeichneten Persönlichkeiten soll 20 übersteigen.
Unter Anderen werden als angebliche Besitzer
genannt: Professor Dr. Delbrück, die Erben
des verstorbenen Herrn v. Normann, Geheim
rath Geffcken, General v. Stosch, Freiherr
v. Roggenbach und der Justizniinister Dr. v.
Friedberg, der mithin am besten in der Lage
gewesen wäre, den Rundschau-Text sofort auf
seine Echtheit zu prüfen. — Hinsichtlich der
Mittheilung, daß Herr Geheimrath Geffcken
seit Jahren hochgradig nervenleidend und viel
leicht nicht ganz zurechnungsfähig sei, darf
konstatirt werden, daß die Nachricht in infor-
mirten Kreisen keinen Glauben findet. Herr
Dr. Geffcken habe gerade in letzter Zeit als
Gelehrter und Schriftsteller eine so außeror
dentliche geistige Regsamkeit und Ausdauer
bewiesen, daß jene Annahme nicht ernst ge
nommen werden könne. Daß er eine sehr-
nervöse Natur ist, darf freilich als That
sache gelten. — Es verlautet ferner, Frau
Dr. Geffcken habe sich am Montag nach
Friedrichsruh begeben, um dort bei dem Kanz
ler für ihren Gatten Schritte zu thun, doch
habe derselbe es abgelehnt, sie zu empfangen.
Auch ein längeres Telegramm in dieser An
gelegenheit blieb unbeantwortet. Die Ver
handlungen wegen der Auslieferung gelten
zur Stunde als beendigt. Dr Geffcken dürfte
schon in kürzester Frist im „Kleinen Männer
gefängniß" zu Alt-Moabit eintreffen."
— Prof. Delbrück hat über das Tage
buch Kaiser Friedrichs in den „Preußischen
Jahrbüchern" einen Aufsatz veröffentlicht, aus
dem hervorgeht daß Professor Delbrück das
Tagebuch für unzweifelhaft echt hält; denn
nirgend findet sich in der Ausführung des
Prof. Delbrück au der Echtheit der mindeste
Zweifel. Im Gegentheil bedauert Professor
Delbrück, der anscheinend selbst im Besitz eines
Exemplars des Tagebuchs von 1870/71 sich
befindet, nur „die vorzeitige Veröffentlichung
desselben." Die Zeit werde kommen, „wo die
Tagebuchblütter ans den trüben Wassern, durch
die sie jetzt gezerrt werden, gerettet, als köst
liches Denkmal eines edlen Herzens
und deutscher Gesinnung mit unge-
theilter Pietät vom deutschen Volke verehrt
werden." — Diese Zeit braucht nicht erst
zu kommen, sie ist für die weitesten Kreisen
des Volkes schon jetzt vorhanden.
— Bezüglich des in der abhängigen Re
gierungspresse aller Schattirungen weit und
breit erörteten Vorhaltes, daß im kronprinz-
lich-kaiserlichen Tagebuchesich Staats-Ge
heimnisse befänden, die nun durch dessen
Veröffentlichung aller Welt preisgegeben seien,
gestattet sich die „Freis. Ztg." folgenden Ver
merk: „Wie wäre es, wenn man, anstatt sich
auf so viele einzelne, immerhin zweifelhafte
Ich hoffe, auf diese Art den gordischen Knoten
gelöst zu haben; denn nun dürfte Mrs. Cote
die Times des Herrn Barons lesen. —"
„In der That werde ich nach Tisch mit
Vergnügen von Ihrer gütigen Erlaubniß
Gebrauch machen, nachdem unser vortrefflicher
Herr Nicolai den Bann der geltenden conven-
tionellen Form gelöst. Denken Sie längere
Zeit in Eisenach zu bleiben, Herr Baron?"
„Meine gnädigste Frau, die Entscheidung
werde ich lediglich dem Arzte überlassen müssen;
denn ich habe eine Kaltwasserkur hinter mir
nnd soll irgendwo in gesunder Luft eine Nach
kur gebrauchen, die allerdings in nicht viel
mehr besteht, als gut zu essen, zu trinken
und viel spazieren zu gehen —"
„Nun, diese Kur kann man sich schon ge
fallen lassen, meinte Miß Ellen mit einenl
reizenden Lächeln; „besonders wenn der letzte
Theil der Verordnung einem Kranken hier
in Eisenach mit seiner herrlichen Umgebung
auferlegt wird."
„Meine Tochter ist eine ausgesprochene
Natur-schwärmerin, und wunderbarerweise haben
wir einen Arzt, der ihr genau dasselbe ver
ordnet hat wie Ihnen. Wenn Sie übrigens
nicht kränker sind als meine Tochter, so braucht
man Sie ebenfalls nicht zu bedauern. Nur
ein kleiner Unfall, der Ellen vor Kurzem
Zustieß, hat uns Plötzlich zu einem Hausarzt
gebracht, den wir jetzt allerdings seiner ebenso
liebenswürdigen als trefflichen Eigenschaften
wegen, als Rathgeber beibehalten wollen, so
lange wir in Eisenach bleiben."
„Darf ich Sie um den Namen des Herrn
bitten, gnädige Frau? Ich werde vielleicht
genöthigt sein, einen Arzt zu konsultiren und
könnte —"
„O, mein Herr, Sie können schon heute
Nachmittag sehr bequem die Bekanntschaft
des Herrn Doctor Burgsdorf machen, denn
wir haben uns für eine Parthie nach der
Hohen Sonne verabredet; Doctor Burgsdorf
hat versprochen, uns mit seinem Freunde,
Herrn von Polen, gleich nach Tisch von hier
aus abholen. Wir können Sie also dem
Herrn Doctor vorstellen, und ich bin sicher,
daß Sie die Wahl dieses Arztes nicht bereuen
werden, — denn Doctor Burgsdorf ist ein
selten tüchtiger, pflichttreuer Mann!"
„Mein gnädiges Fräulein, nach ihren
Worten warmer Anerkennung bin ich aller
dings gespannt, den Herrn kennen zu lernen,
und nehnie mit Vergnügen Ihren liebens
würdigen Vorschlag an, mich mit ihm bekannt
zu machen."
(Fortsetzung folgt.)
Paragraphen zu beziehen, einfach einen neuen
in Vorschlag brächte, daß Kaiser Friedrich
überhaupt nicht gelebt habe? Wer
widerspräche, würde wegen Aufreizung znni
Umstürze und zuIinnerem Unfrieden aus dein
Reiche verwiesen!"
— Einen heftigen Artikel bringt
die „Post" auf den „Reichsfeind" Geffcken.
Der „Post" beliebt es jetzt, denselben als
einen „welfischen Partikularisten" hinzustellen,
„der zu der Verbindung von Reichsfeinden
gehört, die sich aus Welfen, Polen, Centrums-
Mitgliedern, elsaß-lothringischen Franzosen,
Freisinnigen und Socialdemokraten zusammen-
setzt." Die „Post" schildert alsdann, wie
Herr Geffcken, Windthorst und Richter vereint
die Reichseinheit zerstören wollten und das
preußische evangelische Kaiserthum bekämpften.
Zu diesem „Zerstörungsbund der feindlichen
Elemente des Reiches" gehöre auch die Kreuz
zeitungspartei. — Die „Post" scheint in
neuerer Zeit auch Artikel anzunehmen, die von
Personen herstammen, welche entweder
schon verrückt sind oder in ihren
Wut Hansbrüchen nachgerade jedes
Untersch eidnngsvermöqen verloren
haben.
-— Die konservativen Bürgervereine in
Charlottenburg und Berlin sind auf
eine höchst eigenthümliche Art verfallen, Bei-
träge zu den Wahlkosten einzutreiben. Sie
versenden an die Beamten Rundschreiben mit
Karten, um deren Ausfüllung und Rück
sendung gebeten wird. Diese Karten lauten
wie folgt:
Register Nr. (ausgefüllt.) Einnahme-Betrag.
Als Beitrag zu den Kosten der Landtags
wahlen zeichne ich den Betrag von Mark.
Name: Stand: Wohnung:
Diese Karte wird in einigen Tagen wieder
abgeholt werden.
An den Bürgerverei» rc..
zu Händen rc.
Berlin, 3. Octbr. Wie der Telegraph
meldet, hat die Operation, welcher sich
der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete
Kraeker in diesen Tagen unterzogen hat,
den Tod desselben zur Folge gehabt. Herr
Kraeker, der wegen Theilnahme an geheimer
Verbindnng zu einer längeren Gefüngnißstrafc
verurtheilt war, ist vor Kurzem mit Rücksicht
ans ein schweres Nierenleiden aus der Haft
entlassen worden, da der Arzt erklärte, das
Verbleiben im Gefängniß sei absolut gefähr
lich. Es war offenbar schon zu spät. Herr
Kraecker, der das Sattlerhandwerk erlernt
hatte, war vor Erlaß des Sozialistengesetzes
Mitarbeiter der „Wahrheit" und anderer
Sozialdemokratischer Zeitungen. Später war
er Mitarbeiter der Firma Buchdruckcrei und
Verlagsgeschäft Silesia W. Kuhnert & Co.
in Breslau. Im Reichstage, dem er seit
1881 angehörte, trat Kraecker im Ganzen
ziemlich gemäßigt auf. Infolge seines Ab
lebens wird nun auch ein Reichstagsmandat
in Breslau frei. Indessen wird die Nach
wahl auch hier, wie in Anklam-Demmin
wohl erst nach Beendigung der Abgeordneten
wahlen stattfinden.
Gotha, 2. October. Auf dem Dominium
Gräfentonna hat der dort engagirte
Hauslehrer die ebenfalls dort angestellte
Gouvernante, wie verlautet aus Rache, er
schossen und hierauf sich selbst getödtet.
Köln, 2. Okt. Die „Köln. Volksztg."
veröffentlicht den Wahlaufruf der Cen
trum spartest Derselbe verlangt die von
der Verfassung gewährleistete freieste Bewegung
und Selbstständigkeit der Kirche und erklärt
sich mit dem Inhalt des Windthorst'schen
Schnlantrags einverstanden. Die verheißene
Reform der direkten Steuern solle in einer-
gerechteren Bertheilung derselben bestehen.
Ferner verlangt der Aufruf die Umkehr des
Staates vom falschen Liberalismus und den
weiteren Ausbau der Selbstverwaltung. —
Windthorst hat sein Erscheinen auf dem
bevorstehenden großen Kölner Parteitag
am 14. Oktober zugesagt.
AuS Sachsen, 1. Oct. Einen intereffanten
Beitrag zur Gefängnißarbcitsfrage
liefert das in Dresden erscheinende „Sachs.
Wochenblatt". In einer Dütenfabrik in dem
an Dresden angrenzenden Dorfe Pieschen
wurden bisher 10 Frauen beschäftigt, welche
für die Herstellung von 1000 Düten 20 bis
25 Pfennig und für eine gleiche Zahl Beutel
30 bis 35 Pfennig, je nach der Größe, aus
gezahlt erhielten. Jetzt läßt die Fabrik in
der Gefangcnanstalt arbeiten, wo sie für
Düten 12 und für Beutel 18 Pfennige pro
Tausend ohne Unterschied der Größe zu zah
len hat. Der Gewinn fließt in die Tasche
der Fabrikanten; die zehn Arbeitssrauen aber
sind in Folge der niedrigen Löhne, welche die
Gefangenanstalt zahlt, brodlos geworden. —
Wie dasselbe Blatt zu berichten weiß, hat
neuerdings ein Strumpfwirkerfabrikant in dcr
Chemnitzer Gegend seinen Arbeitern — er
beschüftigt deren etwa 35 — freigestellt, ob
sie die 4 Pfennige, die er wöchentlich für
jeden Arbeiter an die Unfallkasse zu ent
richten hat, selbst bezahlen oder ob sie
für jedes Dutzend Strümpfe einen Pfennig
in Abzug gebracht haben wollen. Da im
letzteren Falle der Einnahmcausfall wöchent
lich 6 bis 8 Pfennige betragen würde, so
gingen die . Arbeiter auf den ersterwähnten
Vorschlag ein, ein neuer Beleg dafür, daß
die Fabrikanten dafür zu sorgen wissen, (daß
die ihnen gesetzlich aufgelegten Kassenbeiträge
auf die Arbeiter übertragen wer
de n. In den meisten Fällen wird dies, aller
dings weniger offenkundig ausgeführt werden,
als in dem vorliegenden Falle.
Provinzielles.
Altona, 2. October. Zur Landtagswahl
geht den „Alt. Nachr." nachstehendes Schreiben
zu: „Altona, 2. Oct. 1888. Die geehrte
Redaction bitte ich, gefälligst meiner Erklärung
Raum zu geben, daß ich für die hier bevor
stehende Landtagswahl „nicht" kandidire.
Hochachtungsvoll Wittich."
Neumünster, 2. Oct. Auf dem Jahres
fest des Landesvereins für innere
Mission war der Schwerpunkt des In
teresses den Ausführungen des Hofpredigers
Stöcker gewidmet, welcher nach Absingung
des Liedes: „Eine feste Burg ist unser Gott",
um ca. 11 Uhr die Rednerbühne betrat zu
seinem Vortrage: „Wie sind die in den Ge
meinden bestehenden Kräfte zur Hülfeleistung
für das geistliche Amt heranzuziehen?" Ein
leitend wies der Redner darauf hin, daß die
Frage zur Zeit viel erörtert wird. Wir leben
in einer entscheidungsvollen Zeit; die Pessi
misten meinen, in einer schlechten, die Opti
misten . in einer guten. Auf jeden Fall sei
die Zeit ernst. Gleichzeitig gegen den großen
Unglauben und gegen die Macht der katholi
schen Kirche anzukämpfen, dazu reiche das
Rüstzeug der evangelischen Kirche nicht. Dies
führte Redner näher aus und betonte dann,
man müsse aber darum die Hände nicht in
den Schooß legen, im Gegentheil, jeder Geist
liche und jeder Laie müsse auf dem Posten
sein. Es sei erfreulich, daß die Laien sich
selbst anböten. Mit Recht sei indeß in dem
Thema des Vortrags nicht von „Laien" die
Rede, sondern von den zur Hülfelcistung be
reit stehenden Kräften. Kirchendiener und
Kirchenglieder, das sei die richtige Bezeichnung
für Geistliche und Laien. Letztere seien ebenso^
berufen wie die Kirchendiener, die Geistlichen.
Darüber sei man sich, im Gegensatz zu frühe
ren Zeiten, nirgends mehr unklar. Die Laicn-
arbeit sei nicht mehr ein zu erstreitendes Recht,
sondern bereits eine unbestreitbare Pflicht. In
erster Linie müßten die Kirchenältesten, die so
vielfach eine geradezu kirchenfeindliche Stellung
einnähmen, vom Geistlichen zur Mitarbeit
herangezogen werden. Dazu kommt die Ar
beit der inneren Mission. Redner rechnete
darunter folgende Punkte: 1. Sonntagsschulc.
2. Fürsorge für die Elenden. 3. Vertheilung
christlicher Schriften, besonders der Sonntags
blätter. 4. Die Gemeindediakonie. Die ein
zelnen Punkte wurden näher ausgeführt und
beleuchtet. Zusammengefaßt war der erste
Theil des Vortrages in folgende 3 Thesen,
welche gedruckt vorlagen: 1. Die Thätigkeit
gläubiger Laien im Reich Gottes ist nicht
ein zu erstreitendes Recht, sondern vielmehr
eine unbestreitbare Pflicht. Wo eine geistliche
Gabe vorhanden ist, da liegt auch eine geist
liche Aufgabe vor. 2. Das Pfarramt bedarf
der Hülfe, die Laienthätigkeit der Anlehnung;
gläubige Pfarrer und Laien sind aufeinander
angewiesen. 3. In den Gemeindeorgancn
liegen die Anfänge zu beruflichen kirchlichen
Ehrenämtern, in der inneren Mission die Bc-
dingungen zur segensreichen Thätigkeit sowohl
von angestellten wie von freiwilligen Laien
kräften. — Aber damit sei doch noch nicht
genug geschehen; so sei die Sozialdemokratie
trotzdem immer mehr in die Höhe gekommen
und die Macht derselben, wie auch die dcr
bürgerlichen Demokratie, die beide durchaus
kirchenfeindlich seien, sei sehr groß. Auch
dagegen müsse man kämpfen. Diesem zweiten
Theile des Vortrags lagen ebenfalls 3 Thesen
zu Grunde, welche von der Befassung bet
raten mit den sozialen und politischen Fra
gen der Gegenwart handeln. Mit der Be
gründung und Ausführung dieser Thesen
schloß der Redner den sehr interessanten Vor
trag. Derselbe berührte dabei stellenweise seinen
eigenen bekannten Standpunkt und erklärte,
daß er es als seine Pflicht ansehe, so zu
handeln, da Laien, welche für ihn eintreten
könnten, noch nicht in genügender Zahl vor
handen seien; so lange müsse er selbst han
deln. — Von dem Vorsitzenden zur Debatte
aufgefordert, erklärte Baron v. Oertzen seine
Zustimmung mit dem Gehörten. Er stehe
seit lange mitten in der Laicnpredigt und seit