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lüo. IO«
Sonnabend,
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Jahrg.
Als Beilage wird dem Blatt monatlich einmal
„Der Landwirth" gratis beigegeben.
29. December.
(Stulstöuun pm loitiieinciit.
Das „Rendsburger Wochenblatt" wird auch im 1. Quartal nächsten
(82sten) Jahrganges „ , > r
(5 mal wöchentlich
erscheinen, die wichtigsten Tagesereignisse, durch Original-Depeschen unterstützt,
sofort veröffentlichen und den Angelegenheiten der Provinz nach ime vor bte größte Be
achtung schenken. _ t 1 0 r „ _
Für die Unterhaltung wird durch ausgewählte Romane und guten Lesestoff Sorge
getragen sein. Es ist uns u. A. gelungen, für die bis jetzt noch nicht veröffentlichte Arbeit
Roscqqcr's: „Jakob der Letzte" das Abdruckrecht zu erwerben ; desgleichen das größere
Werk Erich Nordens: „Der Vagabund" und die Cnminal-Novelle Höcker s:
„Ein Phantom." m . , .
Als Publikationsorgan ist das „Rendsburgcr Wochenblatt nach wle vor
um so mehr zu empfehlen, als es in jüngster Zeit seinen Leserkreis über die Grenzen dieses
Kreises hinaus weiter in der Provinz auszudehnen vermochte. SBir berechnen daber den
ff Preis der Inserate verhältnißmäßig billiger, als die meisten Provinzblätter mit 15 Pfg. die
Petitzeile.
Der Abonnementspreis des Blattes ist ttUt? ohne Postspesen und
Bringerlohn. ■— Jede Postanstalt nimmt Bestellungen entgegen, sowie auch für die Stadt
Die Expedition.
Die Broschüre des Herrn Cremer.
Vor einiger Zeit wirbelte in der Presse die
bekannte Thatsache viel Staub auf, daß der
bekannte große Berliner Bankier v. Bleich -
röder dem Wahlfonds der Kartellparteien
10,000 Mk. zugeführt hatte unter der Be
dingung, daß der Kandidat des dortigen 5.
Reichstagswahlbezirks, Herr Cremer, dessen
Candidatur mißliebig und den Freisinnigen
gegenüber durchaus aussichtslos war, zu
Gunsten eines anderen Candidaten zurücktrete
und der Verbleib dieser 10,000 Jt später von
keiner Partei nachzuweisen war. Wie ein
Märchen wollte es dem erstaunten Leser be-
dünken, daß der Verbleib einer so bedeutenden für
Wahlzwecke ausgegebenen Summe zur offenen
Streitfrage werden konnte. Nun tritt der durch
dieses ganze Wahlmanöver schwer beleidigte Herr
Cremer mit einer Broschüre an die Oeffentlich-
keit, welche den entschiedenen Zweck verfolgt, die
ganze Sache in blauen Dunst zu hüllen.
Gegen diese Broschüre tritt der conservative
Abg. Dr. Kropatschek in der „Kreuzzeitung"
mit folgender Auseinandersetzung auf:
„Als ich Anfang Februar v. I. eines Tages,
ohne von den Gerüchten über die Bleichrödersche
Spende irgend etwas zu wissen — ich hatte mich
von der sogenannten „Berliner Bewegung" ab
sichtlich fern gehalten — ins Abgeordnetenhaus
kam, sprach mir Herr Abg. Cremer, un
verkennbar in der größten Erregung davon, daß
man seinen Rücktritt von der Can
didatur des 5. Reichstagswahlbezirkes
fordere, um eine große Summe Geldes
von Herrn v. Bleichröder zu erhalten.
Als er dabei immer heftiger wurde, warf ich
ihm ein: ich würde an seiner Stelle mich nicht
verdrängen lassen, sondern an meiner Kandidatur
festhalten. — Die Worte mögen etwas anders
gelautet haben, für den Sinn stehe ich ein. —
Daraus erwiderte er mir: „Wenn ich das
thue, will man mir auch meinen Land
tagswahlkreis entziehen." Wen Herr
Cremer mit dem „man" gemeint hat, überlasse
ich anderen, >zu vermuthen. Meinerseits kann
ich nur sagen, ich gewann damals den Eindruck,
daß sein Rücktritt nichts weniger als ein frei
williger war."
Dagegen rächt sich Herr Cremer in seiner
Broschüre, indem er allerlei Geschichten aus
plaudert, welche den Conservativen nicht an
genehm sein können.
Sehr bezeichnend ist es, so schreibt Cremer,
„daß, als in dem nunmehr abgelaufenen
Jahre die Vorstände konservativer Ber
liner Bürger»ereine sich gelegentlich der
Geburtstagsfeier des Fürsten Bismarck, wie
fast alljährlich, zu einer gemeinsamen Glück
wunsch-Adresse vereinigten, nur der Vorsitzende
des „Thiergarten-Bezirksvereins" seine Unter
schrift verweigerte. Dieser Vorsitzende ist mit
dem Chefredacteur der „Kreuzztg."
identisch. Die Sache hat viel böses Blut
gesetzt, und die Mißstimmung, welche in den
dadurch peinlich berührten Kreisen entstand,
ist keineswegs überwunden. Ein anderer
Vorsitzender aus dem 2. Reichstagswahlkreise,
der bei der letzten Landtagswahl als Kandi
dat der Konservativen — der Kartell-
feindlichen — aufgestellt war, sagte gelegent
lich zu mir, um mich über die Verkehrtheit
meiner Kartellideen zu belehren: „Was
kümmern Sie Sich denn um Frie-
drichsrnh? das thue ich längst nicht
mehr!" Als ich darauf ganz bescheiden be
merkte, daß ich den Fürsten Bismarck für
die Leitung der deutschen Politik vorläufig
noch in höherem Maße verantwortlich erachte,
als Herrn Hofprediger Stöcker und auch die
Verdienste des Herrn Reichskanzlers um das
deutsche Vaterland sogar noch über die des
Kerrn Stöcker stelle, erwiderte mir jener Zu
kunftsminister: „Ach was, selbstständige
Politik, das ist die Hauptsache!"
Man sieht, daß von Einigkeit unter den
Kartellparteien in Berlin nicht viel mehr die
Rede ist und daß es in nicht allzu ferner
Zeit dahin kommen m u ß, daß eine Spaltung
des Kartells eintritt. Die Gemäßigtsten unter
den Nationalliberalen können doch auf keinen
Fall zugeben, daß Fürst Bismarck auf
solche Weise von den Conservativen ange
feindet wird und müssen darnach ihre Maß
nahmen treffen. Es entspricht der Wahr
scheinlichkeit, daß damit der Zeitpunkt einge
treten ist, eine große gemäßigt-liberale Mittel
partei unter Anschluß der Freisinnigen zu
Ausland.
Anstcreuropäische Reiche.
Aus New York werden fürchterliche Details
überden Brand des Dampfers „John
Hanna" auf dem Missisippi gemeldet. Das
Verdeck und die Laderäume waren mit trocke
ner Baumwolle dicht besetzt. Das Feuer
wurde durch eine Cigarrette veranlaßt und
um Mitternacht entdeckt. Die Passagiere
schliefen. In drei Minuten war das ganze
Schiff in Flammen gehüllt. Die Passagiere
wurden eiligst geweckt; mehrere erstickten auf
dem Verdeck. Das einzige Rettungsboot sing
Feuer. Als die Flammen die Maschinen
erreichten, sprangen die Rohre und aus den
selben entwich heißer Dampf. Der Steuer
mann band im dichtesten Rauch das Steuer-
' rad fest und lenkte das Schiff nach dem
Ufer hin, wo es aufrannte. Der Kapitän,
der Lootse und Andere sprangen hinaus,
blieben aber im Morast stecken, wo sie leben
dig geröstet wurden. Die Dörfler mußten
hülflos zuschauen. Die meisten Personen der
Mannschaft sprangen ins Wasser, viele er
tranken, einige wurden gerettet. Der Dampfer
löste sich wieder los und trieb brennend lang
sam fluthabwärts, bis er sank. 75 Personen
sind umgekommen.
Suokin, 27. Dec. Der heutige uner
wartete Abmarsch des Regiments der
„schottischen Grenzer" nach Suez wird, wie
das Reuter'sche Bureau meldet, hier lebhaft
besprochen. Es verlautet, OsmanDigma^
der den Abmarsch beobachtete, sehe die Zurück
ziehung aller hier befindlichen Truppen als
wahrscheinlich an und wäre deshalb bemüht,
seine Truppen bei Handub zusammen
zuziehen.
Rustland.
St. Petersburg, 23. Decbr. Loris Melikow,
der bekannte Staatsmann und frühere russische
Minister des Innern, ist, dem „H. C." zufolge,
in Nizza gestorben.
Frankreich.
Paris, 29. Decbr. Der bekanntlich zum
Tode verurtheilte Mörder Pradro ist gestern
früh hingerichtet worden.
Paris, 28MDec. Prado's Kopf fiel
heute Bormittag um 7 Uhr 30 Min., genau
12 Minuten nachdem er, aus tiefem Schlafe
erwachend, das Urtheil des Kassationshofes
und die Abweisung des Gnadengesuches er
fahren hatte. Prado bewahrte bis zuletzt
große Kaltblütigkeit. Er erklärte seinen Ver
theidiger für einen unfähigen Juristen. Energisch
lehnte er jede geistliche Trostspendung ab und
forderte den Henker mit den Worten: „Auf,
zur Schlachtbank!" auf, ihn zur Guillotine
zn führen. Er starb unter der Betheuerung
seiner Unschuld.
Paris, 27. Dec. In der heute abgehal
tenen, von gegen 400 Panama-Aktio
nären besuchten Versammlung erklärte der
Vorsitzende Dilhau unter lebhaftem Beifall:
Die Panama-Aktionäre wollten selbst für die
Vollendung des Kanals sorgen und vor Allem
ihren Lesseps an der Spitze des Unternehmens
erhalten.
Serbien.
Belgrad, 27. Dec. Auf königlichen Be
fehl wurde heute die Festung, wo sämmt
liche Truppen konsignirt sind, gesperrt und
jeder Verkehr zwischen dem Militär und Civil
unmöglich gemacht. Der Metropolit Theodo
sius berief gestern die Geistlichkeit zusammen
und forderte dieselbe auf, sich jeder Opposition
gegen die neue Verfassung zu enthalten.
Bulgarien.
Sofia, 27. Dec. Das Verhältniß zwischen
dem Fürsten und Stambulow ist sehr
gespannt und es steht eine neuerliche Krise
bevor. Das bulgarische Amtsblatt veröffent
licht einen Ukas des Fürsten, in welchem dem
es) Schicksakswege.
Sļoņan in zwei Abtheilungen von Seih- von vr-ff-nli».
Burgsdorf, an dessen Seite seine Mutter
getreten, hatte die Briefe in Empfang ge
nommen und Maschkupat aufgefordert, sich
den Baum anzusehen, während seine Schwester
ihm ein Glas Punsch bereiten wolle, um sein
Blut nach der ungemüthlichen Fahrt zu er
wärmen.
Während Maschkupat, — der einein Glase
Grogk oder Punsch gegenüber, wie alle Lit-
thauer, niemals nein sagte, sobald dies mit
der Pflicht zu vereinbaren — der ergangenen
Aufforderung näher trat, und die Geheim-
räthin mit zitternden Händen sich daran
machte, die überbrachten Geschenke von ihren
Küllen zu befreien, durchflog Burgsdorf die
empfangenen beiden Briefe. Mit Steudtens
Zeilen, worin ihm dieser mitheilte, daß das
beikommende gemeinsame Bild von ihm,
Alma und Ellen zur bleibenden Erinnerung
an seine drei dankbaren Patienten bestimmt,
ein Geschenk von ihm, das medizinische Besteck
aber, mit der darauf gemalten Charitas ein
Zeichen unauslöschlicher Dankbarkeit seitens
seiner heute recht ausgelassenen Ehehälfte
sei, — war er bald fertig. Die Art, wie
diese Geschenke geboten wurden, hatte ihn
erfreut, ja entzückt; aber nun hielt er Ellen's
Brief, zum Oesinen bereit, in den Händen.
Warum zauderte er?
Warum ging ein nervöses Zittern durch
seine Hände, so daß die Schwalbenpost fast
seinen Händen entfallen wäre? — — Es
stand ihm wiederum — trotz des Liebe und
Vergebung predigenden Christbaumes Glanz
— das projektirte farbenprächtige Eisfest auf
der Rousseau-Insel vor Augen. Er sah
Ellen — die Erbin — dahinschweben am
Arme der stolzen Garde-Officiere, obgleich er
wußte, daß sie Waldstedt's Einladung abge
lehnt, — und weg war jedes Zaudern! Er
schalt sich innerlich einen träumerischen Thoren
und erbrach energisch den Brief.
Wieder und wieder laS er:
„Bester Freund!
Was hatten Sie vorgestern nur? Hat
Ellen Sie unwissentlich verletzt? Warum
blieben Sie denn nicht, bis Major von
Waldstedt gegangen? Freunde sind sich
doch Offenheit schuldig! Wozu die Grau
samkeit haben, Ihre Freundin zwei Tage
in dem Gedanken zu lassen, daß sie Grund
gab, von Ihnen mißverstanden zu werden?
Mir brachte der heilige Abend
heute die erwartete telegraphische Nachricht
von Hackney aus New-Iork. Ich weiß
nun mindestens, woran wir sind. Polen
lebt! Er hat die Brillanten meiner Mutter
vier Tage nach dem Brande in New-
Ņork verkauft und sich am 14. Oktober
auf der „Hammonia" nach Hamburg ein
geschifft. Meine Mutter ist von diesen Vor
gängen durch Onkel Lewis in Kenntniß
gesetzt. Doch darüber sprechen wir morgen.
Es erübrigt mir noch, Sie, — dessen
Passion für alte Bücher ich kenne, — zu
bitten, die Bibel meines Vaters, welche er
trotz ihres künstlerischen Werthe« in . den
letzten Jahren nie von sich ließ, als Zeichen
meiner besonderen freundschaftlichen Hoch
schätzung anzunehmen. Die beiden Buch
zeichen, welche Sie in der Bibel vorfinden,
sind von mir gestickt und bezeichnen unter
Anderem Stellen, die ich in letzter Zeit
viel gelesen und die mir so recht aus dem
Herzen herausgeschrieben sind.
In der Hoffnung, Sie morgen nicht zu
spät begrüßen zu können, wünscht ein
gesegnetes Fest Ihnen und den Ihren zu
gleich mit vielen Grüßen
" Ellen Cote."
Endlich schien Burgsdorf Ellens Brief ge
lesen und verstanden zu haben, denn er schob
denselben in seine Tasche. Statt aber sich
sofort an die Besichtigung seiner Geschenke zu
machen, umarmte er in jugendlicher Hast seine
Mutter und drückte einen Kuß auf ihre Stirn.
Dann erst nahm er mit einem unterdrückten
Freudenruf das in gepreßtem hellen Leder
rahmen kostbar eingefaßte Bild seiner Freunde
in Augenschein und hörte nicht auf, M«sch-
kupa seine Freude über dieses Geschenk ganz
besonders auszusprechen.
Und dann nahm er die umfangreiche Bibel
in dem verschlossenem ledernen Einband zur
Hand, aber — er öffnete sie nicht. Er hatte
keine Ahnung davon, daß er da in seinen
Händen ein Kunstwerk hielt, welches aus der
Werkstatt Johann Guttenbergs etwa um das
Jahr 1454 hervorgegangen und als eine
Biblia Sacra vulgata bekannt, eines der seltensten
der Erde, allein für sich ein sehr namhaftes
Vermögen repräsentire. Am allerwenigsten
kam es Burgsdorf in diesem Augenblick auf
den Werth dieses Geschenkes an. Ihm genügte,
daß Ellen sich der Bibel ihres Vaters ent
äußert, um ihm eine Freude zu machen, und
daß sie selbst diese Bibel zu ihrer Erbauung
benutzt habe. Zur Verwunderung der Seinen
eilte er mit dem Buch hinweg und barg es
in seinem Schreibtisch. Er benutzte diese
Gelegenheit zugleich, um in wenigen Zeilen
Steudten und dessen Frau wie Ellen seinen
innigsten Dank auszusprechen und sich vorzu-