Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 2)

einzelner Stellen aus dem T a g e b u ch e 
Kaiser Friedrichs in einer Extraausgabe 
durch Kaiser Wilhelm persönlich ver 
anlaßt worden ist. Es geht daraus hervor, 
daß Kaiser Wilhelm sich als den Erben des 
Urheberrechts des Verstorbenen an dem Tage 
buch ansieht. Die Beschlagnahme der Sonder 
ausgabe der „Freisinnigen Zeitung" wegen 
Nachdrucks ist vorläufig aufrecht erhalten. Es 
haben Vernehmungen stattgefunden und die 
Voruntersuchung wegen Nachdrucks ist eröffnet 
worden. Es muß dabei, wie die „Freist Ztg." 
meint, die Frage entschieden werden, wer der 
Rechtsnachfolger Kaiser Friedrichs in Bezug 
auf das Eigenthumsrecht an dem Tagebnche 
ist, besonders ob dieses Recht der Erbschaft 
dem Kaiser zusteht, oder ob es die Kaiserin 
Friedrich besitzt, etwa auf Grund einer vor 
dem Tode erfolgten Uebertragung dieses 
Rechtes. Diese Frage kann nur auf Grund 
von Beweiserhebungen entschieden werden. 
— Unter der Überschrift „Zur Auf 
klärung" bringt die „Lib. Korr." folgende 
Mittheilung: 
„Die „Freisinnige Zeitung" erklärt 
gegenüber der „Volkszeitung", welche die erstere 
als „Fraktionsorgan" und „Organ der Par 
teileitung" bezeichnet hatte, Folgendes: „Die 
„Freisinnige Zeitung" ist ebensowenig ein 
„Fraktionsorgan" oder ein „Organ der Partei 
leitung" wie die „Volkszeitung" selbst [ober 
irgend ein anderes freisinniges Blatts. Frak 
tionsorgan und Organ der Parteileitung ist 
ausschließlich die allmonatlich erscheinende 
„Parlamentarische Korrespondenz", und auch 
diese nur insoweit, als darin Kundgebungen 
enthalten sind, welche ausdrücklich als Kund 
gebungen der Fraktion oder der Parteileitung 
hingestellt sind." Auf diesen Sachverhalt 
haben wir unsererseits an dieser Stelle zu 
wiederholten Malen hingewiesen Wenn 
gleichwohl auch aus der Mitte der Partei 
selbst die „Freis. Ztg." wiederholt als ein 
berufenes oder offizielles Parteiorgan bezeichnet 
wurde, so hat das nicht zum Vortheil 
der Partei gedient. Es wäre sehr 
wünschenswerth, daß der jetzt von der „Freis. 
Ztg." selbst gekennzeichnete Standpunkt in 
Zukunft von allen Parteien festgehalten wird. 
Es würde dann eine Reihe von Mißverständ 
nissen beseitigt werden können, auf welche die 
Gegner ihre Angriffe gegen die freisinnige 
Partei mit Vorliebe bisher gestützt haben. 
Leipzig, 19. Novbr. Eine Gedenkschrift 
zum 18. October 1888 (Geburtstag Kaiser 
Friedrichs) unter dem Titel: „Saul und 
Jonathan" ist heute hier, angeblich 
wegen Majestätsbeleidigung, beschlagnahmt 
worden. 
FricdrichSruh, 20. Novbr. Der Reichs 
kanzler Fürst Bismarck erfreut sich gegen 
wärtig des besten Wohlseins; ob derselbe aber 
zur Eröffnung des Reichstags nach Berlin 
reisen wird, ist bis zur Stunde noch nicht 
entschieden, doch sind die Vorbereitungen zur 
Abreise getroffen, so daß der Fürst auf Wunsch 
des Kaisers jeden Augenblick nach Berlin ab 
reisen kann. Die Eröffnungsrede für den 
Reichstag ist hier vom Reichskanzler redigirt 
und bereits dem Kaiser zur Genehmigung 
vorgelegt. — In den letzten Tagen — so 
erzählt die „Res." — ist hier die Nach 
richt aus Leipzig eingetroffen, daß der 
Geheimrath Dr. Geffcken in allernächster 
Zeit aus der Haft entlassen werden wird. 
Dr. Geffcken beabsichtigt dann aber, vorerst 
nicht nach Hamburg zurückzukehren, sondern 
sich zunächst auf einige Monate nach dem 
Süden zu begeben. 
Freiburg, 20. Nov. In dem hier an 
hängigen Sozialistenprozesse wurde ge 
stern Abend nach dreitägiger Verhandlung ge 
gen die 15 Angeklagten, welche der Einschmug- 
gelung verbotener Schriften aus der Schweiz 
und der Theilnahme an einer unerlaubten 
Verbindung bezichtigt waren, das Urtheil ver 
kündet. Zwölf wurden mit zwei Wochen bis 
vier Monate Gefängniß bestraft, drei freige 
sprochen. 
Stolp, 21. Nov. Das Rath haus in 
die Luft sprengen wollte am Mittwoch 
Abend der in der dortigen Stadthauptkasse 
beschäftigte Rezeptor Schumann. Statt dessen 
hat er aber Folgendes fertig gebracht: Er 
machte in einem Wasserglase eine Nachtlampe 
zurecht, stellte dieselbe brennend in den im 
MagistratS-Sitzungssaale befindlichen Ballo- 
tagekasten und drehte nunmehr sämmtliche 
Gaskrähne auf. Nur dem Umstande, daß der 
Unhold vergessen hatte, die Ventilationsklappen 
zu schließen, ist die Nichtentzündung des Gases 
und damit die Verhütung großen Unheils zu 
verdanken, das leicht entstehen konnte, da, wie 
man der „Danz. Ztg." schreibt, im Rath 
hause der Kastellan mit seiner Familie wohnt. 
Schumann war am Morgen nach der That 
nach Stolpmünde gefahren, wurde aber schon 
Donnerstag Abend ergriffen und zur Haft 
gebracht. Was ihn zu der That bewogen, ist 
noch nicht aufgeklärt, man darf aber wohl 
annehmen, daß die That in geistiger Um 
nachtung ausgeführt wurde, worauf auch schon 
frühere Handlungen des Sch. schließen lassen. 
Hamburg, 19. Novbr. Die Glücksgöttin 
Fortuna hat am Dienstag unter den Handels 
treibenden auf dem großen Neumarkt allge 
meine Aufregung hervorgerufen. Eine der 
populärsten Originale daselbst, eine Fischfrau, 
hatte ein Achtel von der Prämie gewonnen 
und gab in der Freude ihres Herzens für- 
alle Freunde und Bekannte „einen Kleinen" 
aus. Wie verlautet, hat die Frau, welche 
seit längerer Zeit Wittwe ist und schon in 
höherem Alter steht, noch am selbigen 
Tage nicht weniger als elf Heiraths- 
anträge erhalten. 
Provinzielles. 
Altona, 19. Novbr. Wie die „A. N." 
hören, geht die Behörde mit dem Plane um, 
die Zahl der Wirthschaften, in denen die Gäste 
von weiblichen Personen bedient werden, zu 
beschränken, resp. dahingehende Erlaubniß fer 
nerhin nicht zu ertheilen. Einige Straßen, 
in denen derartige Wirthschaften besonders stark 
vertreten sind, sollen solche in Zukunft über 
haupt nicht mehr aufweisen können. 
Altona, 20. Nov. Das flotteste Geschäft 
hat jetzt das Standesamt, indem sich Alles 
drängt, dort den Bund fürs Leben einzugehen. 
Man hat deshalb ein Zimmer im Rathhaus 
für die Vornahme der Civiltrauung einrichten 
müssen. So erschienen am Sonnabend 19 
und am Montag 21 Paare zur Trauung. 
Unter Letzteren befand sich ein Paar, von 
dem der Bräutigam 78, die Braut 67 Jahre 
alt waren. 
Ottensen, 20. Nov. Eine katholische 
Kirche und Schule sollen bekanntlich dem 
nächst in Ottensen errichtet werden. Die 
Pläne dazu sind im Wesentlichen bereits fest 
gestellt und zwar wird darnach die Kirche 
insgesammt 432 Sitzplätze erhalten. In 
derselben werden außer dem Hochaltar zwei 
Seitenaltäre errichtet werden. Rechts vom 
Hochaltar wird die Kanzlei, links die Tauf 
kapelle hergerichtet werden. — Die Schule 
soll zunächst zweiklassig erbaut werden und 
zugleich die Wohnungen für die Lehrer ent 
halten. 
Neumünster, 20. Nov. Als am Sonn 
abend der beim Hufner Plambeck in Krog 
aspe beschäftigte Tagelöhner Koltzau auf dem 
Boden mittelst eines Hakens Heu herabziehen 
wollte, kam das hochaufgeschichtete Heu in's 
Schieben und verschüttete den Arbeiter. Znm 
Glück befand letzterer sich nahe der Bodenluke 
und behielt, als er von dem niederstürzenden 
Heu zu Boden gerissen wurde, den Kopf noch 
so weit frei, um sich durch Hülferufe vernehmlich 
machen zu können. Die herbeikommenden 
Leute hatten länger als eine halbe Stunde 
zu arbeiten, bevor es gelang, den Verschütte 
ten aus seiner unbequemen Lage zu befreien. 
— Das erste diesjährige Concert des Mu 
sik-Vereins, anfänglich für den 27. ds. 
in Aussicht genommen, ist verschiedener Um 
stände wegen jetzt endgültig auf Montag, den 
з. December festgesetzt. Zur Mitwirkung ist 
ein wohlrenommirter Künstler, Herr Heinrich 
Meyn (Bariton) aus Hamburg gewonnen. 
Der instrumentale Theil des Programms wird 
и. A. Beethovens große Leonoren-Ouverture, 
sowie Richard Wagners Parsifal - Borspiel 
bringen. Die Vokalkräfte des Vereins bringen 
Niels Gade's „Comala" zur Aufführung. 
Von dem mitwirkenden Künstler sind eine 
Reihe der besten Arien und Lieder dem Pro 
gramm einverleibt. (H. C.) 
Kiel, 20. Nov. Es ist eine elektrische 
Beleuchtung des Stadttheils vom Hotel 
„Germania" bis zur Hafenstraße in Aussicht 
genommen, deren Kosten sich einschließlich 
Grunderwerb auf 80,000 Mk. stellen werden. 
Husum, 19. Nov. Wie nach dem „H. W." 
verlautet, wird der Königl. Landrath Herr- 
Gr a f z u R e v e n t l o w Hierselbst zum 1. April 
к. I. sein Amt niederlegen und in den Ruhe 
stand treten. 
Schleswig, 19. Nov. In voriger Woche 
verabschiedete sich der langjährige Comman 
deur des Landwehrbezirks Schleswig, Oberst 
Hicksch in Schleswig, von den Reserve- und 
Landwehroffizieren des Bezirks. Während des 
Abschiedsfestes, wo sich das herzliche Einver 
nehmen zwischen dem Obersten und den Offi 
zieren im schönsten Lichte zeigte, wurde der 
allgemein geehrte Vorgesetzte durch Widmung 
eines kostbaren Geschenks besonders erfreut. 
Das Offiziercorps überreichte ihm nämlich 
eine kunstvoll ausgeführte bronzene Statuette 
Kaiser Friedrichs auf marmorner Säule. 
Dieses Geschenk war äußerst sinnig gewählt; 
war doch im deutsch-französischen Kriege Kaiser- 
Friedrich der Lebensretter des Obersten 
Hicksch geworden. Am Abend des blutigen 
Tages bei Wörth fand der damalige Kron 
prinz den schwer verwundeten Offizier auf 
dem Schlachtfelde und sorgte sofort in seiner- 
edlen, menschenfreundlichen Weise für die Ueber- 
führnng des Gefallenen nach dem Lazareth. 
Oberst Hicksch gedenkt seinen Lebensabend in 
Erfurt zu verbringen. 
Q Mcggerdorf, 20. Nov. Der in Megger 
koog angestellte Lehrer Diener wurde vor 
Kurzem zum Lehrer in Friedrichskoog ge 
wählt. Herr Diener, welcher in Hamburg 
das Seminar besucht hat, wird bereits zu 
Neujahr nach seinem neuen Wirkungskreis 
übersiedeln. Das Wiederbesetzungsrecht der 
Lehrerstelle in Meggerkoog hat der Patron 
der Schule, Gutsbesitzer Schwerdtfeger auf 
Johannisberg. 
Kleine Mittheilungen a. d. Provinz re. 
Bon unbekaunter Hand wurden der Kirche 
zu Ahrensbök echt sammetne Altarleuchter 
decken und eine sammetne Klingbeuteldecke ge 
schenkt. — Der Bruder des Dichters Friedrich 
Hebbel, Johann Hebbel, ein Maurer und ein 
Mann nicht ohne Geist und Witz, ist in 
Wesselbnren 73 Jahre alt gestorben. — 
Bei dem am 18. d. M. Adends herrschenden 
starken Sturm wurde das ganze Dach des 
Kohlenhauses auf der Gasanstalt in T o n - 
dern abgehoben und über das Wohnhaus 
geschleudert. — Zwei Schiffer, der eine von 
der Hallig Oland, der andere von der Elbe 
haben wegen Maugel an Wasser zehn Tage 
von Sylt nach Dagebüll gebraucht. Sonn 
abend Morgen wurden sie wieder flott, nach 
dem sie zwischen den Steinlahnnngen einen 
tüchtigen Sturm abgehalten hatten. — Der 
— Herr Regierungsrath Freiherr von Pa tow 
in Schleswig, bisher dem Oberpräsidenten 
von Schleswig-Holstein beigegeben, ist zum 
Ober-Regierungsrath und Stellvertreter des 
Regierungspräsidenten inGummbinnen ernannt 
worden. 
X Theater. 
Gestern Abend gab die Balletgesellschaft des 
Herrn Paul Voltz, welche dem Friedrich-Wilhelm- 
städtischen Theater in Berlin ihre Entstehung ver 
dankt, ihr erstes Gastspiel am hiesigen Theater. 
Der Ruf, der dieser Gesellschaft vorangeht, ist 
völlig gerechtfertigt und auch hier fanden die 
Leistungen derselben ungetheilten Beifall. In dem 
gestern Abend zur Aufführung gelangten Schäfer 
spiel Fleur d'Orange“ waren es vor allen 
Dingen die wirklich ausgezeichneten Evolutionen 
der Prima ballerina Frl. Guiseppina Zimmermann, 
welche das Publikum zu lauten Beifallsbezeugungen 
hinrisien. Auch der Solotänzer Herr Visconti 
producirte sich als ausgezeichneter Tänzer. Das 
Gesammtauftreten der Gesellschaft war überhaupt 
ein derartig gelungenes, daß ivir das heute statt 
findende zweite Gastspiel, in welchem das japa- 
nesische Ballet „der Mikado" zur Vorführung ge 
langen wir», jedem auf das Beste empfehlen 
können. Auch das gestern Abend gegebene Lust 
spiel „Er muß auf's Land" war sehr gut gewühlt 
und das Ballet paßte vorzüglich in den Rahmen 
desselben hinein. Auch hier war das Zusammen- 
spiel gestern Abend ein recht gutes, wenn uns 
auch scheinen wollte, als ob Herr Fuchs, als Rath 
Presser, seine Rolle etwas zu „komisch" nahm; 
etwas mehr Mäßigung hätte seine Rolle sicherlich 
nicht beeinträchtigt. 
ņAarum haben wir nicht noch 
jetzt den ßommunat'verein? 
(Schluß). 
Der bisherige Communalverein hat sich in 
den 13 Jahren seines Bestehens einer practischen 
und eifrigen Leitung zu erfreuen gehabt und 
herrschte in den Versammlungen fast nie Miß 
stimmung, sondern durchgehends anheimelnde 
Gemüthlichkeit. Trotzdem waren die Ver 
sammlungen meistens flau besucht, selbst oft 
wenn brennende Fragen verhandelt wurden. 
Eine geschlossene Mitgliedschaft hatte der Verein 
zur Zeit kaum mehr. Wer zu den Versamm 
lungen kam, war willkommen. Mit der Lau 
heit des Publikums in kommunalen Ange 
legenheiten zu Zeiten, in welchen nicht gerade 
Geldbeutel-Angelegenheiten auf Tagesordnung 
stehen, kämpfen selbst Götter vergebens. 
Gegen Ende des Jahres 1880 jedoch stand 
eine brennende Frage auf Tagesordnung. Ein 
Mitglied des Vereins hatte die Frage einge- 
Vermischtes. 
— In Petersburg erzählt man sich, dem 
„B. T." zufolge, ein kleines Geschichtchen aus 
jüngster Zeit, das, so harmlos es an sich ist, 
immerhin noch die Beklemmung bekundet, die 
in allerhöchsten Kreisen herrscht, sobald etwas 
von einer Explosion verlautet. Vor wenigen 
Wochen hat der Czar, der bekanntlich ein 
starker Zeitungsleser ist, durch Zufall einmal 
ein hauptstädtisches Journal in die Hand be 
kommen, das sonst nicht zu seinen Leibblättern 
zählt. Er liest es gelangweilt durch, bis 
schließlich sein Auge auf einer Lokalnotiz haften 
bleibt, die ihn zu lebhaftem Nachdenken ver 
anlaßt. Sie bringt die Meldung, daß ein 
Dwornik mitten auf der Straße am hellen 
Sommer-Nachmittag eine „Patrone mit einer 
Zündschnur" gefunden hat. Er hebt sie auf, 
nimmt sie mit sich in seine Wohnung, hantirt 
mit derselben herum, bis sie plötzlich explodirt 
und ihm und einem dabei sitzenden Kollegen 
die Hand stark verletzt. Der Zar liest die 
Notiz, wird stutzig, liest sie wiederholt und 
wird ganz bedenklich. Die paar Zeilen beun 
ruhigen ihn schließlich so, daß er den Kriegs 
minister Wannowskij nach Peterhof citiren läßt. 
Wannowskij erscheint natürlich sofort, und der 
Czar fragt ihn: „Haben wir in der Armee 
Patronen mit einer Zündschnur?" „Gott 
bewahre, Majestät!" sagt der Minister. „Nun, 
dann lesen Sie!" Wannowskij liest, schüttelt 
den Kopf und sagt: „Mir ist die Sache völlig 
unverständlich." „Dann schicken Sie mir den 
Stadthauptmann Gresser her!" Der Stadt 
hauptmann tritt an, der Czar legt ihm das 
Blatt vor und fragt: „Was sagen Sie dazu?" 
Der verblüffte Polizeichef, dem sonst nichts 
entgeht, legt die Zeitung hin und sagt: „Ma 
jestät; ich habe das nicht gelesen. Uebrigens 
sind schon drei Wochen darüber vergangen." 
Gresser begiebt sich zur Stadt zurück, läßt die 
Dworniks ausfindig machen, verhört sie aufs 
Genaueste, und sie bestätigen nicht nur den 
Inhalt der Notiz, sondern bringen auch die 
Hülse herbei, die allerdings ganz zersprengt 
und übrigens größer ist als eine gewöhnliche 
Patronenhülse. Sie erzählen, daß sie sehr- 
vorsichtig gewesen seien, die Hülse mit Wasser- 
gefüllt hätten, aber gerade dabei sei die Ex 
plosion vor sich gegangen. Der Polizeichef 
betrachtet die Hülse hin und her und fährt 
schließlich zu einem bekannten Chemiker, dem 
die Geschichte erzählend und die Trümmer der 
Hülse vorzeigend. „Excellenz", sagt der Che 
miker, „nichts ist leichter als die Lösung des 
Räthsels. Da hat mir gerade ein Hiesiger- 
Fabrikant zur chemischen Analyse ein Feuer 
zeug gebracht. Sehen Sie, der Hauptbestand 
theil desselben ist Ihre Hülse, und diese ist 
mit Natrimn gefüllt. Passen Sic mis! wenn 
ich sie jetzt ins Wasser werfe, wird der Gischt 
meterhoch gehen." Gesagt, gethan. Gresser 
ist stolz auf seine Entdeckung, fährt nach Peter 
hof und macht dem Czaren seine Meldung. 
Der Czar lacht laut auf, wendet sich aber 
plötzlich nach seinem Schreibtisch und ruft: 
„Das ist ein nettes Geschenk! Woronzow 
(der Hofmeister) hat mir da aus dem Aus 
lande zwei solche Dinger mitgebracht — sind 
es die gleichen?" „Ganz gewiß, Majestät, 
das gleiche Patent, von unserer Regierung 
bestätigt und zugelassen." „Nun", sagt der 
Czar, „ich schenke sie Ihnen. Da soll man 
noch wissen, wo man vor einer Explosion sicher 
ist. Uebrigens danke ich Ihnen!" 
— Ein seltener Tag war der letzte Sonn 
tag. Derselbe erscheint als 18. Tag im 11. 
Monat des Jahres 1888. Die Zahlen 1 
und 8 kommen also je viermal vor. Das 
wird sobald nicht wieder geschehen, der Leser 
dieser Zeilen wird es sicherlich nicht erleben, 
den es wird sich erst nach 6300 Jahren 
wieder ereignen, d. h. am 18. 11. 8188. 
Dagegen wird nach 111 Jahren diese Kom 
bination mit 1 und 9 eintreten; der 19. 11. 
1999 wird also auch ein „seltener" Tag 
sein. Briefumschläge und Postkarten mit dem 
Poststempel vom letzten Sonntag dürfen bald 
von Briefmarken- und anderen Sammlern gern 
genommen werden. 
— A» den Stufen des Altars erfuhr am 
Sonntag voriger Woche eine Braut in Wirsitz 
in einer dortigen Kirche eine recht unangnehme 
Ueberraschung. Das Brautpaar hatte den 
Tag vorher beim Standesamt die Ehe ge 
schlossen, und es sollte nun die kirchliche 
Trauung erfolgen. Als der Geistliche sich 
anschickte, den Akt zu vollziehen, kam in 
größter Eile ein Mann in die Kirche und 
meldete dem Geistlichen, daß der Bräutigam,, 
der Tagearbeiter B. aus E., bereits ein 6 
angetraute Frau mit einem Kinde 
habe, welche zwei Meilen von Wirsitz auf 
einem Gute diene. Dem Geistlichen blieb 
nichts anderes übrig, als das überraschte 
Paar auf die Polizei führen zu lassen. Die 
erschrockene Braut entfernte unter Thränen 
ihren bräutlichen Schmuck und der Hochzcits- 
zug begab sich vor das Magistratsbureau. 
Der Bräutigam gestand hier dem Bürger 
meister gegenüber die Wahrheit der gegen ihn 
vorgebrachten Anschuldigung ein und wurde 
verhaftet, während die Hochzeitsgäste sich in's 
Brauthaus begaben; trotz der „kleinen Störung" 
sollen sie dort — den Hochzeitsschmaus ge- 
halten haben. _ 
Latz nie den neidgetrübten Blick 
In fremde Freuden tauchen. 
Du kannst doch nur Dein eigen Glück, 
Richt das der Andern brauchen.
	        
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