Full text: Newspaper volume (1888, Bd. 2)

Rom, 24. Oct. (H. C.) Der klerikale 
Graf Capranica hat den der Wohnung des 
preußischen Gesandten v. Schlözer gegenüber 
zur Erinnerung an den Besuch Kaiser Wil 
helm's angebrachten Gedenkstein wieder fort 
nehmen lassen. 
Frankreich. 
Pari-, 23. Oct. Die ungeheure Höhe 
der Forderungen des Kriegsministers Frey- 
cinet für die außerordentlichen Aus 
gab e n zur Bestreitung der F e st u n g s b a u t e n 
an der Ost- und Südostgrenze im Betrage 
von 1065 Millionen Frcs. veranlaßte Ribot, 
den Referenten für das außerordentliche Kriegs 
budget, die Ernennung einer Subkommission 
zur Prüfung desselben zu beantragen. Die 
Budgetkomniission stimmte einstimmig dem 
Antrage bei und wählte sofort fünf ihrer 
Mitglieder in diese Kommission. 
Rußland. 
Moskau, 23. Oct. In dem Neubau eines 
dreistöckigen Hauses stürzten heute die Wände 
ein und begruben eine Anzahl Arbeiter unter 
ihren Trümmern. Bislang sind 4 Todte 
und 21 Verwundete hervorgezogen worden. 
Serbien. 
Belgrad, 24. Oct. (B. T.) Das Amts 
blatt veröffentlicht eine Erklärung des Metro 
politen Theodosius, wonach die Ehe des 
serbischen Königspaares aufgelöst ist. 
England. 
London, 24. Okt. Webster erklärte gestern 
in der Kommission in Sachen der „Times" 
gegen die Parnelliten, es bestehe eine intinie 
Verbindung zwischen den Häuptern der Agrar 
liga, den P a r n e l l i t i s ch e n Deputirten 
und verschiedenen anderen Mitgliedern der 
Liga, welche Ausschreitungen offen Predigen, 
sowie Mord und Todtschlag empfehlen. 
Er werde dem Gerichtshöfe alle Thatsachen 
welche sich auf Briefe der namhaftesten Par 
nelliten beziehen, unterbreiten und die Namen 
Derjenigen nennen, welche sie den „Times" 
mittheilten, ebenso wie den dafür bezahlten 
Preis. 
Belgien. 
Brüssel, 24. Oct. Im Hexenkessel der 
internationalen Revolution scheint 
wieder etwas gebraut zu werden. Die Nach 
richt von der Wiedererweckung der „Inter 
nationale" liegt das Bestreben der belgi 
schen Socialisten zu Grunde, eine festere Ver 
bindung der Socialisten aller Länder herbei 
zuführen. Angeblich widerstreben die Führer 
der deutschen Socialdemokratie der einfachen 
Wiederbelebung der Internationale, weisen 
jedoch nicht jeden Zusammenschluß von der 
Hand. Offenbar fürchten sie ein strammes 
Einschreiten deutscher Gerichte und ziehen des 
halb ihre Selbstständigkeit vor. Zudem sind 
auch wohl viele Socialisten anderer Länder 
den nnfrigen zu extrem. Die Wiedererweckung 
der Internationale würde zweifellos auch einen 
internationalen Feldzug der Regierung zur 
Folge haben, der früher schon angeregt bis 
her nicht zur Ausführung gelangte. Im All 
gemeinen warnen wir übrigens unsere Leser 
vor den Schauernachrichten, mit denen manche 
Zeitungen ihre Berichte über diesen Gegen 
stand auszuputzen lieben. Je weniger Sicheres 
hierüber bekannt ist, desto mehr wird dazu 
geschwindelt oder combinirt. 
schändlichen und schädlichen Teufelsglauben, 
ohne sich die Mühe zu geben, entdecken zu 
können, daß der finstere Teufelsglaube, der 
die höllische Tortur und Hexenschmauche her 
vorrief, nicht dem Heidenthume, sondern der 
höllischen Ausgeburt des mittelalterlichen 
Christenglaubens entsprang. Die heidnischen 
Teufel, d. h. die degradirten heidnischen 
Götter waren ganz anderer Natur. Dr. 
Ulrich Jahn sagt: „Der Teufel des Volks 
glaubens ist nicht der Teufel der Bibel. 
Die nieistcn Züge des Hexenglaubens sind 
nndeutsch und durch fremde, zum Theil 
orientalische Beeinflussung in unser Volk ge 
drungen." Die alten echten Bolkssagen ent 
halten einen Schatz. Sie enthalten die 
Ueberrcste des alten Heidenglaubens der Vor 
fahren. Sie enthüllen uns ein köstliches 
Stück aus dem Seelenleben alter Zeit, sie 
zeigen uns, wie die Vorfahren sich Irdisches 
und Ueberirdisches verknüpft dachten. — Aber 
wie? Wie wird es uns möglich sein, aus 
den Trümmern des Heidenglaubens ein wenn 
auch nur lückenhaftes Lehrgebäude aufzu 
führen? Bis in die neueste Zeit sind uns 
die alten Volkssagen unentwirrbare Räthsel 
geblieben. Erst die vergleichende Mythen 
forschung aller Völker hat es möglich gemacht, 
ein Bild des Urglaubens der Heimath geben 
zu können. Hierbei ist nicht anders zu ver- 
Znland. 
Berlin, 24. Oct. Die städtische Depu 
tation zur Begrüßung des Kaisers bei seiner 
Rückkehr von der Reise wird am Sonnabend- 
Mittag vom Kaiser im hiesigen Schlosse em 
pfangen werden. — Zum Diner waren 
die Professoren ».Bergmann und Gerhardt 
geladen. 
Berlin, 24. Okt. Der „H. C." meldet 
offiziös: Die Börse wird seit einigen Tagen 
durch Gerüchte über russische Truppen- 
Dislocationen beunruhigt. Besondere 
Bedeutung wird dabei der Polemik des Wiener 
„Fremdenblattes" gegen den „Grashdanin" 
und der Mittheilung beigelegt, daß man sich 
in den westlichen Gouvernements Rußlands 
in neuester Zeit auf den Empfang beträcht 
licher Truppenkörper vorbereite, welche aus 
dem Innern des Reiches gegen die öster 
reichisch-deutsche Grenze vorgeschoben werden 
sollten. Auf Grund guter Informationen 
können wir mittheilen, daß man an maß 
gebender Stelle in Berlin den beabsichtigten 
Truppendislocationen auch nicht die geringste 
Bedeutung beilegt. Es handelt sich dabei 
lediglich um den Garnisonwechsel verschiedener 
Regimenter, nicht um eine Verstärkung 
der an der österreichischen Grenze befindlichen 
russischen Truppen. Die Frage, zu welchem 
Zweck man in Wien eine Aengstlichkeit zur 
Schau trägt, von deren Grundlosigkeit auch 
im österreichisch-ungarischen Auswärtigen Amt 
Jedermann überzeugt ist, läßt sich zur Zeit 
nicht beantworten. 
— In Sachen der Tagebücher Kaiser 
Friedrichs wird dem Berl. Tagebl. aus 
London gemeldet, eö seien noch weitere Auf 
zeichnungen vorhanden, deren Veröffentlichung 
gewiß nicht minder großes Aufsehen machen 
würde. Am ausgiebigsten und werthvollsteu 
wären die Tagebücher aus der Zeit der Re 
gentschaft, die der Kronprinz nach den Atten 
taten von 1878 führte, und ganz besonders 
aus der Zeit des Culturkampfes. Daß dieser 
wichtige Nachlaß, der sich seit geraumer Zeit 
in London befand, inzwischen wieder nach 
Berlin zurückgewandert wäre, scheint nicht er 
wiesen. Der Stand dieser Angelegenheit ist, 
was auch die deutschen Offiziösen darüber 
sagen mögen, der alte. Man glaubt in 
London, daß Fürst Bismarck bei seinem un 
erschütterlich festen Vorgehen in der Gefscken- 
Sache vorwiegend mit den Zweck verfolge, 
einschüchternd nach der englischen Seite hin 
zu wirken und zur Verhütung noch weit 
sensationellerer und unbequemerer Enthüllun 
gen ein Exenipel zu statnireu. 
— Ueber den Prozeß Geffcken wird 
es stiller und stiller. Man weiß noch immer 
nicht mit Sicherheit, ob und welche Anklage 
gegen den Beschuldigten von dem Reichsanwalt 
erhoben wurde, obwohl die Verhaftung am 
29. Sept. erfolgte und wir heute bereits den 
25. Octbr. schreiben. Dagegen dauert das 
Herunterreißen und Durch - den - Kothschleifen 
Geffckens in der eigens hierauf dresfirten 
reptilistischen Presse überhaupt fort. Augen 
blicklich macht eine Erzählung die Runde, daß 
Geffcken einmal in einer conservativen Ver 
sammlung in Barmen privatim bei Tisch 
geäußert haben solle: „Können Sie mir irgend 
einen edlen Charakterzng bei Bismarck nach 
weisen? Niemals hat er sich edelmüthig ver 
halten!" Geffcken habe dann noch weiter 
ausgeführt, in Bismarcks Leben fehle jeder 
auf ein tieferes Gemüthsleben dauernde freund - 
fahren, als die Alterthumsforscher etwa bei 
Untersuchung der Küchenüberreste der Pfal- 
bauten verfuhren. Fanden sie im Kjökken- 
möddinge von einer Thierart auch nur einzelne 
Knochen, so wußten sie oftmals daraus das 
ganze Thier zu reconstruiren. In ähnlicher 
Weise wissen wir aus einzelnen Zügen der 
Volkssagen den Zusammenhang mit anderen 
zu errathen. Dazu kommt, daß die Grund 
züge des Seelenlebens alter Zeit nie gänzlich 
verschwinden können, sondern oft unerkannt 
in den-Sitten und Gebräuchen späterer und 
jetziger Zeit fortleben. — So mag es denn 
nicht allzu verwegen erscheinen, den Versuch 
zu wagen, die alte Kimbern-Religion Nord 
deutschlands, Schleswig-Holsteins und be 
sonders der Rendsburger Gegend aus Schutt 
und Trümmern aufbauen zu wollen. Aus 
Trümmern haben wir aufzubauen! 
In der Müritz, einem großen, schönen 
See unweit Waren in Mecklenburg, liegt ein 
Bernstein, so groß wie ein Haus und von 
seltener Reinheit und Durchsichtigkeit. Kein 
menschliches Auge hat diefen wunderbaren 
Bernstein erschaut und wird ihn auch kein 
Mensch erschauen, da er Tag und Nacht 
aufs Sorgsamste von der Nixe der Müritz 
bewacht wird. Die Nixe hat am Grunde 
des Sees eine Wohnung aus lauter kleinen 
Bernsteinstücken, woran die Müritz ziemlich 
liche Zug. Die Opfer seines Hasses verfolge 
er mit kalter Grausamkeit, bis er sie ver 
nichtet habe. In ähnlicher Weise habe Geffcken 
sich damals noch des Längeren gegen Bismarck 
ausgelassen. — Der Zorn über eine solche 
unerhörte Frechheit begeistert die „Köln. Ztg-" 
zu der Ausführung, daß Fürst Bismarck „zu 
den genialen Riesencrscheinungen der Geschichte 
gehörte, welche zu groß sind, um liebens 
würdig zu sein." Gerade in Bismarck 
sei „der ebenso reckenhafte wie gemüthsinnige 
Typus des „deutschen Volkes verkörpert". 
Phantasie und Gemüth des deutschen Volkes 
nähre sich an dem Leben und Wirken Bis 
marcks wie an einem Jungbrunnen derart, 
daß seine bekannte öffentliche und private 
Correspondenz zu einem nationalen Familien 
schatz geworden sei u. s. w. (H. Bl.) 
— Vor dem Jmmcdiatbericht des Fürsten 
Bismarck schrieben die officio fett „Grenz 
boten" über das Tagebuch Kaiser Friedrichs: 
„Wir zweifeln nicht, wie andere, an 
der Echtheit des Gebotenen im Ganzen 
und ebensowenig an der Berechtigung des Ein 
senders, sich daraus Auszüge zu machen und sie 
drucken zu lassen." 
Nach dem Jmmediatbericht, 14 Tage später 
schrieb dasselbe officiöse Blatt folgendes: 
„Sehr viele Leser, und wir gehören zu dieser 
Zahl, hielten das, was in der „Deutsch. Rund 
schau" erschienen ist, nicht für echt, wollten es 
nicht für echt halten. Ein Tagebuch, worin nicht 
allein Thatsachen, sondern Gefühle, Stimmungen 
u. s. w. zum Ausdruck kommen, niitten in der 
bewegtesten, ereignißreichsten, aufregendsten Zeit 
regelmäßig fortgeführt, ist in unseren! Zeitalter 
ohnehin eine auffallende Erscheinung rc." 
Treffend citirt die „Voss. Ztg." zu dieser 
Kunstleistung, welche nur von der „Köln. Ztg." 
noch übertroffen wurde, die 4. Scene des 
2. Aufzuges von Shakespeares „Was Ihr 
wollt". Dort heißt es: „Nun, der schwer- 
müthige Gott beschirme Dich, und der 
Schneider mache Dir ein Wams von Schiller 
taft; denn Dein Gemüth ist ein Opal, der 
in allen Farben spielt. Leute von solcher 
Beständigkeit sollte man auf die See schicken, 
damit sie alle Dinge treiben und nach allen 
Winden steuern müßten; denn wenn man nicht 
weiß, wo nian hin will, so kommt man am 
weitesten." 
— Mehr als 300 Depeschen hat, wie 
die „Nazione" berichtet, Graf Herbert Bis- 
inarck mit seinem Vater und dem Auswärtigen 
Amte von Rom aus gewechselt. Alle Tele 
gramme ergingen in Chiffern, und manche 
Direktiven sollen noch in zwölfter Stunde 
aus Friedrichsruh eingelaufen sein. Der 
Kanzler bestimmte Alles, was in den Rahnien 
der auswärtigen Politik gehörte. Er hatte 
auch ausdrücklich gewünscht, daß bei der Auf 
fahrt nach dem Vatikan italienische Truppen 
bis zum Platze San Petro Spalier bildeten, 
woran ursprünglich Niemand gedacht hatte. 
Mehrfach wurden Vorkehrungen, die am 
Morgen beschlossen waren, für den folgenden 
Tag plötzlich abgesagt oder geändert, weil 
ant Mittag ein Telegramm aus Friedrichsruh 
es anders bestimmt hatte. Vom italienischen 
Ministerpräsidenten wurden alle Wünsche des 
Kanzlers sofort ausgeführt. 
— Die Freisinnigen lassen sichs in 
der augenblicklichen Wahlbewegung nicht ent 
gehen, von der moralischen Unterstützung, die 
ihnen das Tagebuch Kaiser Friedrichs gewährt, 
den wirksamsten Gebrauch zu machen. 
Schlagend und geistreich besorgt dies besonders 
der Rechtsanwalt M u n k e l. In einer Rede 
am Dienstag vor 8 Tagen sprach er über 
reich ist, kunstvoll zusamniengefügt. Die 
Bernsteinstücke sind von Wasserjungfern zu- 
samniengetragen. Bon diesem Hause aus be 
wacht sie den großen Bernstein. Menschen, 
welche ihrer Behausung zu nahe kommen, 
zieht sie hinab in ihre Behausung. — Bernstein 
berg und Nixe haben ihre Bedeutung, wie 
der GlaSbcrg des Märchens mit der darin 
verzauberten Prinzessin. Das Verständniß 
unserer Sagen ist uns bisher ebenso ver 
schlossen gewesen, wie der Bernsteinberg und 
Glasberg. Um den Schlüssel zu erlangen, 
haben wir dem Beispiel der Wasserjungfern der 
Müritz zu folgen. Wie sie zum Bau der 
Nixenbehausung alle Bernstcinstücke zusammen 
setzten, haben wir die Sagentrümmer zusammen- 
zu fügen. Ist diese Arbeit geschehen, wird 
sich auch der Schlüssel des Verständnisses 
finden lassen, denn in Schutt und Trümmern 
liegt er befallen. Zu solcher Arbeit können 
auch noch jetzt die Leserinnen und Leser mit 
helfen, wenn sie Baustückchen herzutragen helfen 
und dem Glauben der Ureltern und der Vor 
zeit Interesse entgegen bringen. 
Vermischtes. 
— Eine Explosion von Mchlstau», wie sie 
am 7. November v. I. die prachtvolle Weser 
mühle in Hameln fast vollständig zerstörte, 
wird jetzt aus Cleveland in Ohio gemeldet. 
die seit dem Erscheinen des Tagebuchs vor 
gekommenen Ereignisse und die Beschlagnahme 
der Mackenzie-Schrift, welche so schnell er 
folgte, als ob ein Staatsanwalt an der Grenze 
Wache gestanden hätte nnd zeigte unter wieder 
holtem großem Beifall den großen Unter 
schied zwischen der Königstreue, welche auch 
selbstständige Männer für ihre schönste Zier 
betrachten, und der Kanzlertreuc, deren her 
vorragendste Vertreterin, die „Köln. Ztg.", 
zur Erheiterung der Welt fortgesetzt zeige, wie 
überraschende Purzelbäume ein kanzlertreuer 
Mann je nach der vom Reichskanzler bekim- 
deten Meinung zu schlagen im Stande sei» 
muß. „Das Tagebuch hat gewisse Legenden 
bildungen zerstört und daraus erklärt sich 
vielleicht auch die Wuth, mit welcher sich die 
Gegner auf dasselbe stürzten. Als der Jm- 
mediatbericht erschien, der nicht zu den größten 
Ruhmesthaten des Reichskanzlers zu zählen 
ist, da dachte nian, daß die Veröffentlichung 
des Tagebuches mindestens von einem der 
bösen Freisinnigen herrühren müsse, und als 
sich nun der hochorthodoxe Prof. Geffcken 
entpuppte, da muß die Ueberraschung so fatae 
gewesen sein, als wenn jetzt plötzlich die 
Männer der fünfjährigen Gesetzgebungsperiod, 
mit einem Abgeordnetenhause überrascht würden- 
welches nicht nach ihrem Sinne ist." (Heitert 
keil.) Redner geißelte sodann die Art und 
Weise, wie man jetzt das Andenken des 
Kaisers Friedrich „vor Befleckung zu bewahren" 
trachtet, berührte die Stelle des Jmmediat- 
berichts, welcher gegen den verstorbenen Kaiser 
den Verdacht einer Indiskretion England 
gegenüber erhebt, und fragt, ob es in Preußen 
und Deutschland Rechtens werden solle, daß 
in Zukunft der erste Diener des Kaisers der 
artige Urtheile fällen darf, sobald der Kaiser 
todt ist. (Nein.) „Wir leben jetzt in einem 
Zeitalter der juristischen Interpretationen, und 
wenn dereinst einmal eine deutsche Reichs 
geschichte geschrieben werden sollte, dann wird 
der Reichskanzler als Rechtsbildner auch seine 
hervorragende Rolle darin spielen, denn man 
dankt ihm viele neuen Entdeckungen nicht nur 
im Strafrecht, sondern auch im Civilrecht. 
(Heiterkeit.) Die Kartellpresse hat mit ihrer 
vielfach vom Reptilienfonds bezogenen Ent 
rüstung dafür gesorgt, daß eine wunderliche 
Begriffsverwirrung Platz gegriffen hat; jetzt 
handelt es sich, die Begriffe wieder richtig zu 
stellen, dafür zu sorgen, daß Aufrichtigkeit 
und Freimuth wieder für eine Tuaee"' 
Krrecheret und Knechtsein über „is ein rastet 
betrachtet wird. (Beifall.) Das wird nicht 
mit einem Schlage geschehen, dazu gehört 
Muth und Ausdauer, und den Anfang müßte 
man bei diesen Wahlen machen. Die Ver 
wirrung der Begriffe scheint langsam zu 
schwinden, und dies ist vielleicht ein günstiger 
Wendepunkt. Der Kanzler ist stark nnd 
mächtig, wenn es aber das Andenken des 
Kaisers Friedrich gilt, dann hat er vielleicht 
den Stärkeren gefunden." (Lebhafter Beifall.) 
— Ueber die Lohn- und Lebensver 
hältnisse der deutschen Arbeiter macht 
der Generalsekretär des „Gewerkvereins der 
Fabrik- und Handarbeiter Deutschlands", Herr 
Hahn, gestützt auf die Berichte der Ortsaus 
schüsse für die Jahre 1883—88 interessante 
Mittheilungen, denen wir folgendes entnehmen: 
„Von einer Besserung in der Lage des Ar 
beiters, die von mancher Seite behauptet wird, 
ist im Großen und Ganzen so gut wie nichts 
zu spüren. Der Wochenlohn des männlichen 
Arbeiters beträgt 5.50—12 Mk., wo höher 
Dort wurde am 15. September, Morgens 
um 3 Uhr, die Nationalmühle der Firma 
B. Clark u. Sohn durch eine Mehlstaub 
explosion vollständig zerstört. Es haben dabei 
zwei Menschen ihr Leben verloren, vier wurden 
schwer und neun andere leichter verletzt. Der 
Schaden wird auf 520000 Mark geschätzt. 
Die Entstehung der Explosion wird wie folgt 
geschildert: Ein Arbeiter schaufelte bei den- 
Lichte etner Laterne in dem großen Kleic- 
b eh älter die Kleie in den Abfalltrichter, welcher 
mit einer Staubkanimer durch einen Schacht 
verbunden war. Die Laterne stürzte durch 
irgend einen Unfall um, der feine, mehlige 
Klciestaub entzündete sich mit heftigem Knall, 
und^ gleichzeitig lag auch die Mühle zuv> 
großen Theil in Trümmern. Da derartige 
Mühlenexplosionen von Jahr zu Jahr häufig^ 
zu verzeichnen sind, während dieselben vor 
20 Jahren noch ganz unbekannt waren, 
ist, wie in der „Magd. Ztg." bemerkt 
leider die Annahme gerechtfertigt, daß b icic 
große Gefahr eine Folge der im UcbrigsN 
außerordentlichen Fortschritte ist, welche 
Mühlentechnik in den letzten Jahrzehnten 9 e * 
»lacht hat. 
— Auch ein Grund. Aus Wiesbaden 
wird der „Fkf. Z." geschrieben: Der BelĢ 
einer der schöustgelcgenen Villen der Koble»» 
Straße in Bonn, deren Park sich bis ä l
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.