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meisten Anderen, mit den fuͤr seine Kunst not hwen⸗
digen Kenntnissen zu bereichern. Daß ein außerot⸗
dentlicher Genius, mit allen Geisteskraͤften ausge⸗
ruͤstet, leicht zur Reife gelangt, versteht sich von
selbst. Die Frage ist hier also nicht von unzaͤhligen
Huͤlfsmitteln und Vorsichtsregeln, die man auf
schwaͤchere Naturen anwenden kann; nur daß die
staͤrkere Natur nicht verhindert wird, sich zu entwi⸗
ckeln. Die kraͤftige Steineiche bedarf keines Duͤn⸗
gers, man braucht sie nicht zu beschneiden, zu pfro⸗
pfen noch zu begießen: sie waͤchst von sich selbst,
und bedarf nichts anders als Platz und freie
Luft. Wuͤrde man sie in ein Treibhaus setzen,
wuͤrde sie zum elenden Busch zusammen schrumpfen;
wollte man ihre Zweige als Spalier an der Garten⸗
mauer ausbreiten, wuͤrden sie verwelken. Sie
müssen sich selbst helfen. Also Shakespear
Jenes thoͤrichte Mitleid, welches man mit seinem
Mangel an Erziehung hatte, entsteht selbst, ent⸗
weder aus gelehrtet Eitelkeit, verbunden mit schwa—
cher Urtheilskraft, oder aus Unwissenheit dessen,
was ein Dichter zu wissen braucht, und was
Shakespear wußte. Wir studiren ohne Zweifel, um
unsern Verstand und unsere Vernunft zu entwickeln,