Full text: Newspaper volume (1942, Bd. 1)

Unterhaltung 
Rolls 
Normannische Anekdote 
von Richard Carstensen 
Man kann unmöglich von normannischer 
Geschichte reden, ohne Rollos Namen zu 
nennen, denn er war es bekanntlich, der die 
Normandie als anerkanntes Herzogtum 
innerhalb der französischen Lehnsherrschaft 
begründete. Und man kann wiederum kaum 
an den bärengewaltigen Normannenherzog 
zurückdenken, ohne des „unhöfischen" Vor 
falls Erwähnung zu tun, den man sich in 
jener Zeit mit behaglichem Schmunzeln im 
Lande rundum erzählte. 
Als Rollo sich damals — im Jahre 911 — 
nach den ausreibenden Kämpfen mit den 
französischen Herren des Landes, die er bis 
weit seineaufwärts mit seinen Eroberungs 
zügen bedrängt hatte, endlich zu der Ueber 
zeugung bringen ließ, daß es vorteilhafter 
sei, einem günstigen Frieden zuzustimmen, 
tat er es ohne Kenntnis der „chevaleresken" 
Formen, die schon zu jener Zeit am 
französischen Hofe Gültigkeit beanspruchten. 
Vielleicht hätte er sich in solchem Falle gar 
nicht zu der Abmachung bereit erklärt. 
Jedenfalls — als die Ritter aus der kö 
niglichen Umgebung ihn kurz vor der Un 
terzeichnung des Friedensvertrages, der 
zugleich das künftige Lehnsverhältnis be 
siegeln sollte, in St. Clair aufsuchten und 
ihn über die einem König gegenüber ange 
brachte „courtoisie" belehren wollten, lehnte 
er rundweg ab. Es sei eine Forderung der 
hergebrachten Sitte, sagten die ritterlichen 
Herren, daß der Vasall vor dem Lehnsherrn 
das Knie beuge und ihm den Fuß küsse. 
Rollo mochte glauben, nicht recht gehört 
zu haben. Er, Herzog Rollo, der freie Nor 
manne, solle das Knie beugen? Dem König 
den Fuß küssen? 
Die Herren der königlichen Gesandtschaft, 
die alle Ueberredungskunst aufgewandt 
hatten, den erstrebten Vertragsabschluß un 
ter Dach und Fach zu bringen, sahen ihre 
schönsten Hoffnungen dahinschwinden und 
mußten alle Mühe aufwenden, den Nor- 
mannenkönig bei seinem bereits erklärten 
Einverständnis zu halten. Rollo willigte 
ein. Auch in die Beachtung der „vorge 
schriebenen" höfischen Form. 
Als dann der Augenblick der feierlichen 
Zeremonie kam, bestätigte der Normannen 
herzog durch seine Unterschrift den Urfehde- 
und Lehnsvertrag und trat sodann vor den 
königlichen Stuhl, der höfischen Form Ge 
nüge zu tun. Zur Seite standen des Kö 
nigs Ritter, erleichternd aufatmend, daß die 
langjährigen Bedrohungen des gefährlichen 
Nachbarn nun ein Ende hätten, auf der an 
deren Seite die Nordmänner aus der her 
zoglichen Begleitung, mit grollendem Blick 
und zugleich ein wenig gespannt, wie ihr 
Herr die demütigende Lage meistern werde. 
Karl III. — das Volk nannte ihn den Ein 
fältigen — steht vom Throne aus und hebt 
in königlicher Anmaßung den Fuß, um ihn 
dem neugewonnenen Vasallen zum Kusse zu 
bieten. Rollo beugt nur wenig das Knie, ge 
schweige denn seinen großmächtigen Rücken, 
ergreift des Königs Fuß und hebt ihn — 
das ist immerhin gute sechs Fuß — bis zur 
Höhe seines Mundes. 
Das losbrechende Gelächter, mit dem des 
Herzogs normannischen Schwertfreunde den 
Anblick des Franzosenkönigs befreit quit 
tierten. der in wenig königlicher Haltung 
unmittelbar auf dem Teppich Platz nahm 
und mit hochgereckten Beinen auf seiner ab 
gewandten Körperseite ruhte, stand in 
eigenartigem Gegensatz zu der zeremoniösen 
Getragenheit des bisherigen Verlaufes der 
Feierlichkeit. Jedenfalls mag den Norman 
nenherzog dieses Gelächter, das sich — wie 
gesagt — weit über die kleine Stadt am 
Grenzflüßchen seines neugewonnenen Her 
zogtums hinaus bis in die alte Heimat des 
nordländischen Dänemark ausbreitete, für 
die Zumutung entschädigt haben, als auf 
rechter Germane den Fuß eines Mannes 
— und sei er auch aus königlichem Geblüt — 
zu küssen. 
Allerlei ans aller Welt 
Ei« Weltkriegsgefaugener taucht auf. 
Wen die Bolschewisten in ihren Klauen 
hatten, den ließen sie nicht mehr los. Das 
mußte auch der Bruder des Rettenbach 
müllers in Bad Ischl erfahren. Ferdinand 
Hitsch, der im Jahre 1914 Traunkirchen 
verlassen hatte, um ins Feld zu rücken, 
wurde bei Prczemysl von den Russen gefan 
gengenommen und galt als verschollen. Kein 
Mensch hörte etwas von ihm. Erst vor ganz 
kurzer Zeit gelangte ein Lebenszeichen in 
die Heimat. Hitsch konnte sich unter großen 
Mühen aus den Händen der sowjetischen 
Sklavenhalter zu den deutschen Truppen 
durchschlagen und seinen Angehörigen die 
erfreuliche Nachricht schicken. 
Heldenhafter Kampf zweier Frauen 
gegen Polarhunde. 
Ein fürchterliches Erlebnis hatten zwei 
dänische Krankenschwestern, die im Kinder 
hospital zu Umanak auf Grönland tätig sind. 
Sie befanden sich mit einer Schar kleiner 
Patienten auf einem Spaziergang, als sie 
von einer Koppel hungriger Schlittenhunde 
überfallen wurden. Es ist ja bekannt, daß 
die Polarhunde unter der Einwirkung der 
Polarnacht und des Hungers, dem sie im 
Winter oft ausgesetzt sind, gefährlich wer 
den können wie die Wölfe. Als die kläffende 
Meute auf die Kinder losgestürzt kam, siel 
eines von diesen, das durch einen Gipsver 
band behindert war, hin, während die an 
deren in die Siedlung zurückrannten. Die 
Hunde überfielen sofort das liegende Kind 
und drohten, es in Stücke zu reißen. Die 
beiden Krankenschwestern aber eilten zu 
Hilfe und setzten sich mit bloßen Händen 
gegen die Bestien zur Wehr. Die Hunde, es 
war ein ganzes Dutzend, rissen auch eine 
der Frauen zu Boden. Es gelang aber den 
tapferen Pflegerinnen trotzdem, dem hilf 
losen Kind seine dicke Pelzkappe über den 
Kopf zu ziehen und sein Gesicht gegen das 
Eis zu pressen, so daß die Hunde es nicht 
zerfleischen konnten. Die Hunde rissen der 
umgeworfenen Frau die Pelzstiefel und Le 
derhosen von den Beinen. Im letzten 
Augenblick kamen aber einige grönländische 
Männer mit Hundepeitschen. Sie waren 
von den geflüchteten Kindern herbeigerufen 
worden. Auch ihnen gelang es erst nach ge 
raumer Zeit, die hungrigen Hunde von den 
Frauen und dem Kind fortzutreiben. Alle 
drei Ueberfallenen hatten schwere Ver 
letzungen erlitten. Im Krankenhaus war 
ein Chirurg acht Stunden lang angestrengt 
damit beschäftigt, die Verwundungen zu 
behandeln. Dem Kind wurde die ganze linke 
Wange und ein großer Teil der Kopfhaut 
bis auf die Knochen heruntergerissen. Der 
einen Pflegerin waren die Beinmuskeln 
von der Hüfte bis zur Ferse „durchgekaut", 
während die andere die rechte Ohrmuschel 
verloren hatte. 
Kurz gesagt 
Unsichtbares Glas. Die Durchsichtigkeit 
des gewöhnlichen Glases würde genügen, 
cs unsichtbar zu machen, wenn die Licht 
strahlen nicht durch die Erscheinungen der 
Refraktion abgelenkt würden und leichte 
Entstellungen der Bilder hervorriefen. Jetzt 
haben die Ingenieure des physikalischen In 
stituts für experimentelle Forschungen in 
Oslo eine außerordentlich feine Schicht syn 
thetischen Harzes mit äußerst niedriger Re 
fraktion auf die Oberfläche des Glases ge 
bracht und dadurch die Reflektion vermin 
dert und die Durchsichtigkeit des Glases er 
höht. Dieses Glas soll praktisch unsichtbar 
sein. 
Seltenes Weidmannsglück. Dem Revier 
förster Josef Marinell aus Reutte (Tirol) 
gelang es, bei Rhenbichl einen außerge 
wöhnlich großen Fischreiher zu erlegen. Die 
Flügelweite des Reihers beträgt 2,10 Mtr., 
seine Höhe 1,25 Meter. Die Fischreiher sind 
die größten Räuber der heimischen Fische 
rei und genießen deshalb keine Schonzeit. 
Kinder fingen ein Wildschwein. In Hil- 
lersleben. Kreis Haldensleben, bekamen 
Kinder, die aus dem Eis Schlittschuh liefen, 
den Besuch eines großen' Wildschweines. 
Dem neugierigen Keiler erging es aber, wie 
dem bekannten Esel, der sich aufs Glatteis 
wagt. Die Kinder bemerkten sofort, daß der 
Schwarzkittel sich nicht sehr bewegen konnte. 
Sie begannen ihn einzukreisen. Das 
Schwein fiel hin und konnte nicht wieder 
hoch. Die Kinder banden ihm die Hinter 
läufe und benachrichtigten dann den Jagd- 
berechtigten. 
Fremde Fettkarten für sich verwandt. Ge 
fundene Lebensmittelkarten sind abzulie 
fern. Diese Selbstverständlichkeit hatte eine 
Landauer Einwohnerin noch nicht begriffen. 
Sie radierte auf den von ihren Kindern ge 
fundenen Fettkarten den Namen aus und 
verwendete diese für sich. Das Radieren 
war eine schwere Urkundenfälschung, und 
die Frau — Mutter von 12 Kindern — muß 
nun sechs Monate Gefängnis absitzen. 
19 Punkte „Finderlohn". Eine Frau aus 
Melle fand eine Kleiderkarte für Frauen, 
die sie, da sie den Namen der Inhaberin 
trug, der Verliererin anonym zustellte. Sie 
hatte aber 19 Punkte von der Karte abge 
schnitten und auf einem beigefügten Zettel 
vermerkt, daß sie die Punkte als Belohnung 
für die Rückgabe abgeschnitten hat. Man 
sucht jetzt nach der „ehrlichen" Finderin. 
Die Goethemedaille für Kunst u. Wissen 
schaft hat der Führer dem akademischen 
Maler Professor Rudolf Bacher in Wien 
aus Anlaß der Vollendung seines 80. Le 
bensjahres in Würdigung seiner künstleri 
schen und lehramtlichen Verdienste ver 
liehen. Reichsminister Dr. Goebbels hat 
Prof. Bacher in Wien zur Vollendung des 
80. Lebensjahres in Würdigung seines 
künstlerischen Schaffens die herzlichsten 
Glückwünsche übermittelt. 
Oie sieben Kleidet 
det Katrin 
Roman von GifiGruber 
Copyright 1940 hy Kranich Verlag, Berlin 
Nachdruck verboten. 
Katrin trägt bunten Kattun 
Der Apfelbaum schneit letzte weiße Blü 
tenblätter über den bunten Garten. Schnur 
gerade den Zaun entlang sind Heckenrosen 
gepflanzt, und die winzigen Knöspchen be 
mühen sich aus aellr Kraft, die grüne Hülle 
zu sprengen. 
Katrin aber sieht nichts von all der bun 
ten, duftenden Herrlichkeit. Bäuchlings liegt 
sie im Gras unter dem Apfelbaum, baumelt 
mit den Beinen und schmökert in ihrem ge 
liebten Schiller. Hingerissen beginnt sie un 
bewußt laut zu lesen, und nun setzt sie sich 
auf und deklamiert mit großen Gesten: 
„Lebt wohl, ihr Berge, ihr geliebten Triften, 
ihr traulich stillen Täler, lebet wohl! Jo 
hanna wird nun nicht mehr auf euch wan- 
~ e J n ' Johanna sagt euch ewig Lebewohl! 
Ihr Wiesen, die ich wässerte —" 
„Ich will dir gleich Wiesen wässern geben, 
Katrin. Gieß lieber den Garten! Es ist ein 
Skandal. Nicht arbeiten kann man bei dem 
ewigen Gelarm!" 
Der kleine cholerische Mann verschwindet 
wieder in der ^ür der verglasten Veranda, 
und Katrin kehrt in die Wirklichkeit zurück. 
Mit schlanken Beinen läuft sie durch den 
Garten, pflückt die Gießkanne von ihrem 
Nagel und macht sich daran, hinter dem klei 
nen Siedlungshaus den Salar und die To 
matenpflanzen zu begießen. 
Während das Wasser in siebfeinen 
Strahlen auf die durstige Erde Fließt, 
pfeift Katrin vergnügt vor sich hin. Sie 
nimmt ihrem Onkel die ständigen Aus 
brüche nicht übel,' er ist nun einmal so, und 
sie hat sich damit abgefunden. 
Katrin füllt die Gießkanne am großen 
Wasserbottich und sieht ihr schaukelndes 
Spiegelbild. Wenn ich doch bloß hübscher 
wäre, denkt sie wieder einmal. Dieses sinn 
los lockige braune Haar und dazu die hellen 
graugrünen Augen! Man müßte schwarze 
Augen haben und glattes, houtgfarbenes 
Haar, wie Franzi. Und etwas mchr Fleisch 
auf den Knochen — nicht so spillerig dünn 
sein. Katrin seufzt und marschiert mit ihrer 
vollen Gießkanne zu dem Zwiebelbeet in der 
§cke des kleinen Gartens . .. 
„Katrin!" 
„Ja, Onkel!" 
„Reinkommen!" 
Katrin läuft ins Haus. In der dämmrig 
kühlen Veranda tobt Herr Burian wie ein 
wütender Zinshahn auf und ab. Der 
Schnauzbart über dem schmallippigen 
Mund ist drohend gespreizt, die kleinen 
Aeuglein in dem mageren, faltigen Gesicht 
schießen Blitze. Ab und zu fährt er sich mit 
der greisenhaft knotigen Hand über das 
kurzgeschorene graue Haar. Der ganze kleine 
Herr in dem sorgfältig gebügelten dunklen 
Anzug bebt vor Zorn. „Hundertmal habe ich 
euch gesagt," brüllt er heraus, „Ihr sollt 
mir meine Akte nicht anrühren! Wo ist das 
Urteil Grassinger? Wo, frage ich?! Gestern 
habe ich die hochwichtige Akte hier auf den 
Tisch gelegt, und heute ist sie weg! Wenn 
diese Akte nicht binnen fünf Minuten da 
ist, dann —" 
„Dann wirst du sie dir eben selber su 
chen," sagte eine gelassene Stimme von der 
Küchentür her. 
Herr Burian fährt herum und glupscht 
seine Gattin ärgerlich an: „Therese!" 
„Nun?" Frau Therese Burian ist die 
Ruhe selbst. Alles an ihr strahlt Ruhe aus: 
die mütterlich behäbige Gestalt, das freund 
liche Gesicht mit dem Grübchen im mehr als 
molligen Kinn, ja sogar der graublonde 
kleine Knoten, gedreht aus dem spärlichen 
Haar, der spaßig auf dem runden Kopf 
horstet, wie zufällig dorthin verweht. Ihre 
gutmütigen sanftbraunen Augen versuchen 
streng zu blicken. „Nun?" fragte sie noch 
mals. 
Katrin atmet auf. Sie drückt sich verstoh 
len der Gartentür zu und verschwindet 
rasch. Tante Tresi wird die Geschichte schon 
deichseln. Seit Katrins Eltern tot sind und 
sie als winzigen vierjährigen Murkel allein 
in der Welt zurückgelassen haben, hat Tante 
Tresi immer alles gerichtet. Oder fast alles. 
Katrin geht zu ihrem Zwiebelbeet zurück 
Das heißt, sie geht nicht, sie chassiert im 
Kiebitzschritt die schmalen Gartenweglein 
entlang. Gehen, bloß einfach gehen, wäre 
zu langweilig. Sie greift nach der Kanne 
und wässert wieder die Zwiebeln. Die 
Pflänzchen kriegen unbedingt zuviel Was 
ser, denn Katrin paßt nicht richtig auf, sie 
muß jedes Wort hören, das aus der Ve 
randa herausschallt. Ihres kleinen Onkels 
Stimme ist laut und gellend, die der Tante 
sanft, aber bestimmt. 
„Vor allem brüll' nicht," sagt Frau Bu 
rian. „Muß denn die ganze Siedlung wissen, 
daß du schlechtgelaunt bist?" 
„Ich bin nicht schlechtgelaunr! Ich ver 
lange Ordnung bei meinen Akten. Gestern 
habe ich die Akte hier auf den Tisch gelegt 
und heute —" 
„Das haben wir schon gehört, Philipp. 
Vielleicht schaust du einmal im Rollkasten 
nach?" 
Donnernd kracht drinnen der Rollkasten 
herunter. Katrin zuckt zusamen. Und sie 
denkt, wie verschieden doch Brüder sein 
können. Sie war zwar noch ein kleines 
Ding, als ihr Vater an der Grippe starb, 
aber sie erinnert sich noch gut, was für ein 
lieber, lustiger und stets gutgelaunter Va 
ter das war. Onkel Philipp, den doch die 
gleiche Mutter geboren hatte, war ganz 
anders. Immer aufbrausend, immer ver 
ärgert. Nur wenn Tante Tresi ihm die Cou 
rage abkaufte, so wie eben jetzt, dann wurde 
seine Stimme etwas sanfter. „Da ist sie," 
hörte sie ihn sagen. „Ich möchte nur wissen, 
welcher große Hornochse mir die Akte in den 
Rollkasten gelegt hat!" 
„Hat denn außer dir noch jemand einen 
Schlüssel dazu?" fragte Tante Tresi samten. 
„Therese! Das verbitte ich mir!" 
Katrin lächelt. So ist es immer. Tante 
wird immer mit ihm fertig. Und dann 
seufzte sie wieder. Ob das so richtig ist? Ob 
die beiden Menschen einander liebhaben? 
Fast dreißig Jahre verbrachten sie mitein 
ander — nebeneinander. Sie zogen am sel 
ben Karren, nur, weil sie sich einmal davor 
gespannt hatten. Wenn man keine Kinder 
yat, sich nicht selbst fortsetzen kann, ist das 
Leben leer, denkt Katrin weise. Wenn 
Tante Tresi nur gesünder wäre! Erst letzte 
Woche hat Doktor Schörg gesagt, sie muß 
geschont werden, vor jeder Aufregung be 
hütet. Und das Leben mit Onkel Philipp 
ist ständige Aufregung. Seit er in Pension 
ist, kann man es gar nicht mehr aushalten 
mit ihm. 
Ich werde niemals heiraten, beschließt 
Katrin, niemals. Einmal erzählte Tante 
Tresi, welch' lieber Mensch Onkel Philipp 
in seiner Jugend war. Aber das ist lange 
her, sehr, sehr lange. Katrin ruckt unbehag 
lich die Schultern. Sie muß an den blonden 
Flieger denken, der sie unbegreiflicherweise 
hübsch findet. Ob der auch mal so cholerisch 
wird? Katrin kann es sich nicht gut vor 
stellen. 
Wie gut, daß kein Mensch von diesem 
blonden Hans weiß. Und gut ist cs, ein 
Geheimnis zu haben. Es ist angenehm, an 
ihn zu denken und macht doch ein bißchen 
bange. Er hat große, starke Hände mit vielen 
goldenen Härchen darauf, breite Schultern 
und schmale Hüsten wie ein Knabe. Katrin 
fühlt sich ein wenig schwindelig. Sie läßt das 
Wasser aus der Kanne zu einer großen 
Pfütze rinnen und dann erschrickt sie. Die 
armen Zwiebeln! Sie kniet hin und drückt 
das gelockerte Erdreich wieder fest... 
* 
Das kleine Haus geht schlafen. Mit ge 
schlossenen Fensteraugen duckt es sich in den 
Schatten der Obstbäume. Von den Berghän 
gen des Wiener Waldes weht es erfrischend 
kühl über die Siedlung „Heimfried", und 
der Wind trägt den Duft der vielen bunten 
Blumen hinüber in die dunstende Stadt. 
Es ist still und friedlich bei der Lampe. 
Tante Tresi sitzt und stopft Strümpfe, und 
Katrin träumt. Sie hockt nur ganz sparsam 
auf der Sesselkante, damit sie sofort davon- 
ivischen kann, wenn Onkel Philipp aus dem 
Wirtshaus kommt. Daß ihn das überhaupt 
freut! Seine Hände zittern so sehr, wenn er 
Wein getrunken hat, und doch kann er es 
nicht lassen, täglich sein Viertel Heurigen 
zu kippen. 
(Fortsetzung folgt.) 
Heitere Ecke 
Gegen Ende des Monats. > 
„^vollen Sie nicht mit uns Skat spielen? 
Wir warten nämlich auf den Dritten." 
„Nein, danke, ich . . . ich warte auf den 
Ersten."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.