Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 1)

Der Tag in Wort rmö Vilö 
Die Königskrone im Schneestern. 
Es sind nicht nur die großen Wunder der 
Welt, die gewaltigen Berggipfel, das ewig 
wogende, unendlich erscheinendeMeer, die Mil 
lionen glitzernder Sterne, die uns die Größe 
der Natur offenbaren, die wunderreiche Fülle 
und das Geheimnis des natürlichen Lebens 
erschließt sich uns erst recht, wenn wir mit dem 
Mikroskop in die unserem unbewaffneten 
Auge verschlossene Welt der kleinsten Gebilde 
vordringen. 
Jeder kennt einen Schneestern, in den der 
Rauhreif den erstarrenden Wasserdampf 
glitzernd verwandelt. Was ist er schon, wenn 
wir ihn mit unserem unvollkommenen Seh 
organ betrachten, und in welcher märchen 
haften Fülle offenbart er uns tausend Wun 
der der Natur, wenn wir das Vergrößerungs 
glas vor das Auge nehmen Tie Meisterhand 
eines unnachahmlichen Künstlers verschwen 
dete an diesem winzigen Kristall die unend 
liche Fülle ihres schöpferischen Reichtums, sie 
gab ihm die herrlichsten, seltsamsten Gestal 
tungen. 
In 200 Jahren haben die Gelehrten mehr 
als tausend verschiedene Formen gezählt. 
Sie sahen Quadrate, Fünfecke, Kreise, Sterne 
mit reichstem ornamentalem Schmuck. Sie 
fanden die Wunder der ägyptischen Pyrami 
den, die Säulen der griechischen Tempel, die 
Formen der lieblichen bunten Blumen und 
der benadelten Tannenzweige in dem glitzern 
den Schneestern. Sie fanden auch mit Stau 
nen in ihm alle Vorbilder für die von Men 
schenhand geformten Gegenstände. Es gibt 
keine Kunstform, die sich nicht schon in diesem 
winzigen Kristall findet. Nehmen wir eine 
kunstvolle Handarbeit oder ein bauschiges 
Trinkgefüß, selbst die Grundform eines 
„Manschettenknöpfchens", ja, die Form der 
stolzen Krone, die sich die Könige von Künst 
lern schmieden lassen, hat die Natur im Rauh 
reif einer Winternacht millionenfach verwirk 
licht. 
Und wie mit dieser fälschlich als „leb- und 
seelenlos" bezeichneten Naturform, ist es mit 
den primitivsten einzelligen Lebewesen, in 
denen alle Formen, Flächen, Linien, Farben, 
alle Grundformen unseres mathematischen 
Denkens und höchster künstlerischer Schöpfung 
enthalten sind. In wirkungsvollen Groß 
modellen bringt die vom 23. März bis zum 
6. Mai dauernde große Ausstellung dieses 
Jahres am Kaiserdamm in Berlin „Das 
Wunder des Lebens", diese einzelligen Gebilde 
und Lebewesen, zur Schau und zeigt, wie diese 
Zellen sich durch Teilung immer wieder ver 
mehren und bei jeder Neuzeugung die glei 
chen Kunstformen hervorbringen. 
Diese Schau ist eine der interessantesten und 
wundervollsten der großen Ausstellung,' denn 
sie führt vor Augen, daß der Mensch als Tech 
niker, Künstler oder Gelehrter nicht eine ein 
zige Form erfunden hat, daß vielmehr alle 
Grundformen durch ein unbekanntes Natur 
gesetz gegeben sind: der Kreis, das Dreieck, das 
Sechseck, die Pyramide. Ter Mensch kann 
diese Formen nur immer wieder nachahmen 
und bleibt selbst in den erhabensten Schöpfun 
gen seiner Architektur und Plastik weit hin 
ter den Wundern des kleinen, im Rauhreif 
kleid einer Fichte glänzenden Schneesterns 
zurück. 
Der „drille Grad" in Amerika. 
Amerika ist eine andere Welt wie Europa, 
anders in seinen Anschauungen, Gefühlen und 
Sitten. Ein krasser Unterschied zeigt sich auch 
im amerikanischen Polizeiwesen, das bei sei 
nem Bestreben, die gefaßten Verbrecher unter 
allen Umständen und mit jedem Mittel zum 
Geständnis zu bringen, kaum Grenzen kennt. 
Gefürchtet ist vor allem die Anwendung des 
sogenannten „dritten Grades", den die Poli 
zei benutzt, um hartnäckige Leugner zu zer 
mürben. Wird der dritte Grad auch amtlich 
abgeleugnet, er besteht, wie aus vielem un 
widerlegbar zu entnehmen ist. Es sind dort 
wohl andere Maßnahmen nötig als in Eu 
ropa. 
Man will den Verbrecher seelisch „klein 
kriegen", dadurch etwa, daß vor seinen Augen 
ein Polizist mit finsterer Miene unter Gum 
mischläuchen die Auswahl trifft, um scheinbar 
im nächsten Augenblick damit über den Ein 
gelieferten herzufallen. Oder aus dem Neben 
raum sind furchtbare Schreie vernehmbar, 
man hört schwere Schläge klatschen, jemand 
stöhnt entsetzlich. In Wirklichkeit handelt es 
sich um Tricks, die jedoch selten ihren Ein 
druck auf den Verbrecher verfehlen. Führen 
die Tricks nicht zum Ziel, dann läßt man den 
hartnäckigen Leugner hungern, er wird, wenn 
er einschlafen will, immer wieder geweckt,' es 
treten auch Gummischläuche und Peitschen in 
Funktion, Tränengas wird benutzt usw. 
Man darf bei diesen Methoden nicht über 
sehen, daß bei den Verbrechern der USA. die 
Pistole ganz besonders lose in der Tasche sitzt 
und jährlich eine große Zahl Polizisten in 
dem von beiden Seiten mit äußerster Erbit 
terung geführten Kampf ihr Leben einbüßt. 
Todfeinde stehen sich gegenüber, die keinen 
Pardon geben, aber auch keinen erwarten. 
* 
verhör in der Hypnose. 
Der Staatsanwalt Philip I. Johnston der 
Stadt Bellefonte in Pennsylvanien griff in 
einem verwickelten Mordverfahren zu einem 
originellen Hilfsmittel. Von zwei tatverdäch 
tigen Gefangenen ließ er dem einen eine 
Spritze geben, durch die der des Mordes Be 
schuldigte in einen hypnotischen Schlaf verfiel. 
In diesem Zustand wurde das Verhör fort 
gesetzt. Es ergab sich, daß der Hypnotisierte 
genau die gleichen Aussagen wie im Wach 
zustand machte und seine Unschuld beteuerte. 
Der Staatsanwalt verfügte daraufhin die 
Freilassung des mit dem „Wahrheitsserum" 
behandelten Häftlings und seines Freundes. 
Das Verfahren gegen die beiden wurde ein 
gestellt. 
Verurteilung iu Chikago. 
Ein Mitglied einer Gangsterbande namens 
John Pauk Chase wurde vom Gericht in 
Chikago zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe 
verurteilt. Der Bandit hat einen Polizisten, 
der den Anführer der Bande verhaften wollte, 
erschossen. 
Dieder Dinker im Viesengebirge. 
DNB. Hirschberg, 29. März. Seit Freitag- 
nachmittag herrscht in den höheren Lagen des 
bei 
türm 
Riesengebirges heftiger Schneesturm 
Windstärke 11. Tie Sportler, die vom l 
überrascht wurden, bleiben in den Bauden. 
Die Temperatur sank im Hochgebirge auf 7 
Grad Kälte. Auch im Tal herrscht lebhafter 
Schneefall, der den Verkehr auf den Landstra 
ßen erschwert. Ueberall liegt eine geschlossene 
Schneedecke. 
* * * 
ZMseMWhen NHMschZr Ssöflet; 
Verhaftung von Lrdensangehörigen. 
DNB. Berlin, 29. März. Entgegen um 
laufenden falschen Gerüchten wird von der 
Zollfahndungsstelle Berlin folgendes mit 
geteilt: Mitte März d. I. fanden wegen drin 
genden Verdachtes schwerer Devisen- und 
Effektenschiebungen durch die zuständigen Zoll 
fahndungsstellen Untersuchungen bei zahl 
reichen katholischen Klöstern im ganzen Reich 
statt, mit dem Ergebnis, daß große Vergehen 
in devisenrechtlicher Hinsicht festgestellt wur 
den. Soweit sich bislang übersehen läßt, han 
delt es sich um Werte von mindestens zwei 
einhalb Millionen Reichsmark. Eine Reihe 
Geistlicher, Ordensschwestern und Ordens 
brüdern befindet sich in Haft. Einzelheiten 
können im Interesse der schwebenden Ermitt 
lungen vorerst nicht bekanntgegeben werden. 
Weitere Berichte bleiben jedoch vorbehalten. 
* * * 
Der Fail Iaeod. 
DNB. Berlin, 29. März. Zu den in der aus 
ländischen Presse erschienenen irreführenden 
Meldungen über die Verhaftung eines Jour 
nalisten namens Verthold Jacob erfährt das 
DNB.: 
Der wegen Landesverrats, Hehlerei usw. 
vorbestrafte und deshalb bereits 1932 in das 
Ausland geflüchtete Berthold Salomon, ge 
nannt Jacob, wurde 1933 ausgebürgert und 
ist seitdem staatenlos. Er lebte in Straßburg 
und gab dort eine Hetzkorrespondenz heraus 
in den Kreisen der Emigranten spielte er eine 
gewisse, aber selbst dort stark umstrittene Rolle. 
Salomon, genannt Jacob, hatte nach den 
bisherigen Feststellungen die französisch- 
schweizerische Grenze illegal überschritten und 
beabsichtigte, sich ebenfall auf illegalem Wege 
in das Reichsgebiet zu begeben, um sich dort 
mit Vertrauensleuten zu treffen. Es gelang 
den deutschen Grenzbeamten, ihn beim Grenz- 
übertritt anzuhalten, wobei er sich lediglich 
durch einen längst abgelaufenen und daher un 
gültigen deutschen Reisepaß ausweisen konnte. 
Wegen des Fehlens gültiger Ausweispapie^e 
wurde er zunächst vorläufig festgenommen. 
Als sich herausgestellt hatte, um wen es sich bei 
dem Festgenommenen handelte, erfolgte seine 
Verhaftung. 
Gegen Berthold Salomo», genannt Jacob, 
schwebt ein Verfahren wegen verschiedener 
schwerer Straftaten. 
Im Interesse der Untersuchung und Feststel 
lung der Hintermänner in Deutschland konnte 
bisher über den Vorfall nichts bekanntgegeben 
werden. 
Kilshkn verslhmWhen in 3M!en(mrg und Brindeàrz. 
LŞlEiche Warnung. 
Trotz eifriger Nachforschungen der Schwe 
riner und anderer mecklenburgischer Landes 
behörden ist es noch nicht gelungen, das Ver 
schwinden des Schülers Hans Joachim Neu 
mann, der seit dem 1ö. Februar, und des 
Schülers Heinz Zimmermann, der seit dem 
23. Februar vermißt wird, aufzuklären. Es 
ist festgestellt, daß im Lause der letzten beiden 
Jahre Kinder, vorwiegend Knaben im Alter 
von 8 bis 12 Jahren, verschwanden und später 
tot ausgefunden wurden. Tie Fälle ereigneten 
sich sowohl in Mecklenburg als auch iu der 
Mark Brandenburg, der letzte in Wittenberge. 
Tort war es der achtjährige Schüler Gustav 
Thomas, der am Freitag voriger Woche zuerst 
vermißt und am Sonnabend im Stadtpark tot 
aufgefunden wurde. Auch Thomas war zuletzt 
in Begleitung eines unbekannten Mannes 
gesehen worden. Aeußere Spuren von Gewalt 
sind in keinem der Fälle festgestellt. Im Laufe 
der Nachforschungen ist in Ludwigslust ein 
Mann verhaftet worden, dem die Vornahme 
unzüchtiger Handlungen an Knaben nach 
gewiesen werden konnte. Ter Täter hat sich 
bereits in der Nacht, die seiner Verhaftung 
folgte, dem irdischen Richter durch Selbstmord 
entzogen; anscheinend steht der Selbstmörder 
mit dem Verschwinden der zwei Schweriner 
Knaben nicht in Verbindung. 
Es ist erklärlich, daß sich der Eltern in den 
betroffenen Orten erhebliche Unruhe bemäch 
tigt hat. In den Schulen sind die Kinder 
gewarnt worden, in fremde Kraftwagen ein 
zusteigen, sich Wanderburschen anzuschließen 
oder sich durch Geschenke und Näschereien, zum 
Mitgehen bewegen zu lassen. Jetzt greift auch 
die Ländesstelle Mecklenburg des Neichs- 
ministeriums für Volksaufklärung ein und 
warnt die Kinder in einem Aufruf. 
Begnadigung durch den Führer. 
Ter Führer und Reichskanzler hat die vom 
Schwurgericht Torgau gegen den 1904 gebore 
nen Wilhelm Völkel und dessen 27jährige 
Frau erkannten Todesstrafen in Zuchthaus- 
strafen von 15 Jahren umgewandelt. Völkel 
und Frau hatten im September 1934 ihr «en- 
geborenes Kind getötet. Ter Gnadenerweis 
für beide trat ein, weil sie sich in wirtschaft 
licher Notlage befänden und aus Sorge um die 
Ernährung der drei lebenden unmündigen 
Kinder das sittlich Verwerfliche ihrer Tat nicht 
in vollem Umfange erkannt haben. 
* * * 
Filmverbok in Dien. 
DNB. Wren, 29. Mürz. Der große Beifall, 
den der Janutngsfilm „Ter alte und der jun 
ge König" bei seiner gestrigen Wiener Urauf 
führung gefunden hat, wird von der Wiener- 
Presse als „nationalsozialistische Demonstra 
tion" ausgelegt. Die Polizei hat daraufhin die 
weitere Vorführung des Films Verboten. Auf 
entsprechende Vorstellungen bei der Polizei 
wurde der hiesigen Ufadirektion gesagt, der 
Befehl sei vom Bundeskanzleramt ausgegan 
gen,' man möge sich dorthin wenden. 
* . * 
Katapultflngdienst 1933. 
TNB. Bremen, 29. März. Ter bisher mit 
Erfolg gemeinsam von der Teutschen Reichs 
post, der Teutschen Lufthansa und dem Nord 
deutschen Lloyd von Bord der Schnelldampfer 
„Bremen" und „Europa" betriebene Katapult 
flugpostdienst wird auch im Jahre 1935 regel 
mäßig durchgeführt. Er wird in Richtung 
Newyork mit der Ausreise des Schnell 
dampfers „Bremen" am 3. Mai eröffnet. 
Die Berliner Radfahrer 
haben dieser Tage einen traurigen Rekord 
aufgestellt. Im Verlauf einer großen ver 
schärften Verkehrsrazzia, die sich über zwei 
Tage erstreckte, wurden nämlich nicht weniger 
als 8125 radfahrende Verkehrssünder festge 
stellt. In 1552 Füllen mußten Strafanzeigen, 
in 1694 Füllen gebührenpflichtige Verwar 
nungen und in 4013 Füllen mündliche Ver 
warnungen erteilt werden. Bei 866 Rädern 
wurden so erhebliche Mängel festgestellt, daß 
die Polizei die Fahrzeuge sicherstellte. 
Kurze Post. 
Im Osten Berlins gelangten Einbrecher 
nach Durchstoßen einer Kellerdecke in ein 
Rundfunkgeschäft, aus dem sie für 16 000 Mark 
Waren entivcndeten. Es muß ihnen ein Last 
wagen zur Verfügung gestanden haben. 
An den Umversitäten Lille und Paris fan 
den Kundgebungen der Studenten gegen die 
Zunahme der Ausländer im Aerztestanö in 
Frankreich statt. •• ch Z . 
An der belgisch-französischen Grenze, bei 
Lille, durchbrachen zwei mit Schmuggelware 
beladene Kraftwagen in voller Fahrt die Zoll 
sperre. Beamte und Schmuggler lieferten sich 
auf der Verfolgung ein Feuergefecht. Die 
Schmugglerwagen rannten gegen eine Mauer 
bzw. einen Leitungsmast. Drei Schmuggler, 
Belgier, wurden festgenommen, einer in ver 
letztem Zustande. Ein Zollbeamter ist ange 
schossen. 
funk. 
Danzig. 
Hier erlebte der R e i ch s p a r t e i t a g - 
film „Triumph des Willens" die erste Aus 
führung außerhalb Berlins. Mit Begeisterung 
wurde er ausgenommen. 
London. 
30 Angehörige der H i t l e r j u g e n d trafen 
in Southampton ein. Sie werden für drei 
Wochen gemeinsam mit 30 englischen Jungen 
in der Grafschaft'Dorset ein Lager beziehen. 
Die englische Gruppe besteht aus fünf jungen 
Bergleuten aus Süd-Wales, sechs jungen 
Leuten aus einer Fabrik in Nottingham, so 
wie aus Schülern. 
Die Uraufführung von „Triumph -es Willens". 
Die Loge des Führers während der Festaufführung. Von links nach rechts: Neichs- 
minister Dr. Goebbels, Chef des Stabes Lutze, der Führer, Reichsminister Heß, 
Reichs minister Seldte. 
Der Führer beglückwünscht die Künstlerin 
Leni Riefenstahl, deren Werk der Reichspartei 
tagfilm ist. 
. .. ; Dr. Sell«.Ly»l«.
	        
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