Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 1)

LEAGUE OF NATIONS 
Vereinigung mit Frankreich 
Vereinigung mit Deutschland 
DER ABSTIMMUNGSBERECHTIGTE MACHT 
EIN KREUZ,IX) IN DIE WEISSE KREISFLÄCHE 
P ES SEINER WAHL ENTSPRECHENDEN FELDES 
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die MtU. 
Schuss litt Anzug? 
Etwas von dem vermeintlichen und dem richtigen sibirischen Winter. 
Die Kälte um Mittel-, Nord- und Ostdeutsch 
land wird aller Voraussicht nach noch einige 
Tage anhalten. Die Kältewelle ist zurückzu 
führen auf ein kräftiges Hochdruckgebiet, das 
über Jnnerrutzland lagert und dessen Kern 
den ungewöhnlichen Luftdruck von 788 Mm. 
hat. Mitteleuropa liegt am Südwestrande 
dieses Hochdruckgebietes und bekommt die 
kalte Festlanösluft mit östlichen Winden. Die 
Temperaturen in Rußland liegen zur Zeit 
zwischen 20 und 40 Grad Kälte, stellenweise 
noch tiefer. 
Königsberg hatte Dienstagmorgen 19, Dan 
zig 18, Stettin 16 Grad Kälte,' besonders in 
Hinterpvmmern ist der Frost außerordentlich 
scharf. Da vom Mittelmeer und Balkan wär 
mere Luftmasseu kommen, dürften alsbald, 
besonders in Schlesien, Schneefälle ein 
setzen, die im übrigen auch für Mitteldeutsch 
land und Berlin im Bereich der Möglichkeit 
liegen. Westdeutschland hatte gestern durch 
weg mäßigen Frost mit wenigen Graden un 
ter Null. 
* 
Bei uns spricht man leicht von „sibirischer 
Kälte", wenn es einigermaßen kalt geworden 
ist. Doch ist das eine Uebertreibung. In der 
ersten Januarhülfte pflegen in Sibirien die 
stärksten Fröste aufzutreten,' sie überschreiten 
oft die 60-Grad-Grenze. Die Luft ist dann die 
sig, kein Windhauch regt sich. Sie beißt sich in 
die Haut hinein, aber man empfindet sie nicht 
als Kälte, sondern es ist, als ob man mit 
etwas Heißem in Berührung käme. Gibt man 
nicht acht, so wird die Haut weiß und unemp 
findlich,' dann muß man das Gesicht mit 
Schnee abreiben, um die Blutzirkulation wie 
derherzustellen. Anderenfalls ist man in Ge 
fahr, schlimme Wunden im Gesicht zu erhalten. 
Will man mit bloßer Hand eine Türklinke an 
fassen, so frieren die Finger sofort am Metall 
an und man verletzt sich. Schlimm, wenn man 
gezwungen ist, bei 40 oder 50 Grad Frost eine 
Fahrt durch die Landschaft zu machen. Die klei 
nen, zottigen Pferde dampfen vor dem Schlit 
ten. Schrill und eintönig klingt die Schlitten 
glocke durch die fahle Einsamkeit. Ihr Läuten 
schabt an den Nerven und bohrt sich durch die 
Fellklappe der Mütze in die Ohren. Weit 
draußen am Rande der Taiga huschen wie 
Schatten Wölfe dahin und folgen dem Schlit 
ten. Jede Bewegung bringt Unbehagen. Man 
möchte am liebsten die Augen schließen und 
schlafen, ohne zu denken. Das ewige Bim 
meln tönt jetzt wie ein einziger Laut, der das 
Himmelsgewölbe ausfüllt. Im Norden steigt 
das Nordlicht in grünen, violetten und silber- 
^ Bei nächtlicher Entgleisung eines Güter- 
^rges vor Stettin wurden Lokomotivführer 
^»ronert, Heizer Wittke und Zugschaffner Ha- 
°eck getötet, Zugführer Fregin schwer verletzt. 
nen Flammenreigen zum Himmel empor. Tie 
Augenlider drohen zusammenzufrieren. Die 
Erlösung kommt erst, wenn in der Ferne 
Hunde kläffen und man sich einem Gehöft 
nähert, wo die erstarrten Glieder gewärmt 
werden. 
Selten aber hört man einen Sibirier über 
die Kälte klagen,' er richtet seine Kleidung 
nach den klimatischen Verhältnissen, sorgt für 
eine warme Stube und fühlt sich keineswegs 
wohl, wenn das Thermometer nur 10 oder 15 
Grad unter Null sinkt. Es ist gemütlich im 
Winter in einem sibirischen Hanse. Im riesi 
gen Ofen prasselt ein großes Holzfeuer, der 
schwarze Kieselsteintee brodelt in der Kanne, 
im Flur steht gefrorene Milch, von der man 
nach Belieben Stücke mit einem Beil ab 
schlägt. Gefrorene „Pelmeny" (die sibirische 
Nationalspeise) werden in der Pfanne ge 
wärmt, und dazu wird Schnaps gereicht. Der 
Winter dauert in Sibirien durchschnittlich 
sieben Monate (ausgenommen Nordsibirien, 
wo es niemals warm wird), und dann setzt 
plötzlich Mitte Mai der sonnige Sommer ein. 
Da es in Sibien nur wenige Fabriken gibt, 
so ist die Luft immer klar und gesund. Kein 
Rauch schwärzt den Himmel. Der Sibirier 
würde kaum seinen so berüchtigten Winter 
gegen ein anderes Klima eintauschen wollen. 
Die Unschädlichmachung von Nauschgisthändlern. 
Ihre heremgrfailrnen mrö gcfchrspktm GriKxeber. 
Vor einiger Zeit wurde einer Bande, die 
seit Jahren Betrügereien großen Umfanges 
mit Rauschgiften betrieb und viele Personen 
um große Summen geprellt hatte, das Handwerk 
gelegt. Die Gauner knüpften, so teilt die Dres 
dener Polizei mit, in Großstädten oder Bade 
orten Bekanntschaften mit wohlhabenden Leu 
ten an, denen sie vorschwindelten, daß sie ge 
winnbringende Geschäfte mit Radium oder 
Patenten abschließen könnten. Der Zweck war 
immer der gleiche: sie wollten ihre Opfer zur 
Hergäbe von Geld gewinnen, was ihnen auch 
in weitestem Maße gelungen ist. Den Geld 
gebern offenbarten sie dann, daß sie nebenbei 
mit Kokain handelten. Um ihr Geld nicht zu 
verlieren, beteiligten sich die Opfer an dem 
verbotenen Handel und nahmen sich damit die 
Möglichkeit, die Gauner strafrechtlich verfolgen 
zu lassen. Waren sie erst vollkommen von den 
Schwindlern abhängig, nahmen die Forderun 
gen nach neuen Vorschüssen kein Ende. Statt 
Geschäfte abzuschließen, verpraßten die Händler 
das Geld im Kreise ihrer Freundinnen. Dem 
Tun und Treiben der Gaunerbande setzte die 
Berliner Kriminalpolizei jetzt im Zusammen 
wirken mit anderen Kriminalpolizeibehörden 
ein Ende. Die meisten Mitglieder wurden fest 
genommen und der Staatsanwaltschaft zu 
geführt. Die wahrscheinlich ins Ausland ge 
plante Flucht der Brüder Hans und Fritz 
Schmitt mißlang,' die Hochstapler wurden in 
Düsseldorf festgenommen. 
* ' 
Sin dem Kriminalfall wäre besonders an 
zumerken, daß sich für zweifelhafte Geschäfte 
leider noch immer Geldleute finden. Die Art 
und Weise der Annäherung der Schwindler 
und ihr Locken mit fettem Gewinn war ver 
mutlich nicht einwandfrei bzw. ganz sauber. 
Trotzdem fanden sie, wie aus dem Polizei 
bericht hervorgeht, finanzkräftige Börsen ge 
nug. Das dicke Ende folgte allerdings nach. 
Wie die Einzelheiten auch aussehen mögen: ein 
Mangel an Vorsicht seitens der Geldgeber liegt 
jedenfalls vor. 
ßMMstmls. 
Sogenannte Hungerstreiks werden jetzt öfter 
gemeldet. Neuerdings befindet sich die Beleg 
schaft des Annaschachtes bei Ellbogen in Nord 
böhmen, 20 Mann, im Hungerstreik, weil sie 
von dem Grubenbesitzer, einem gewissen Josef 
Weinkauf, seit Wochen keinen Lohn erhalten 
haben. W. ist übrigens verschwunden. — Im 
Schlachthof des Vorortes Tacnbaya von Me 
xiko-Stadt gaben 43 Arbeiter einen mehr als 
fünftägigen Hungerstreik auf, nachdem Präsi 
dent Cardena einen Schiedsspruch in dem 
Kampf um besseren Arbeitsvertrag zugesagt 
hat. Uebrigens besetzten 400 Arbeiter die Vor 
zimmer im Präsidentenpalais, um dort einen 
Hungerstreik durchzuführen. Sie verlangen, 
daß Cardena sie empfängt, und erstreben u. a. 
gleiche Bezahlung von Mann nud Frau in den 
Fabriken. 
* * * 
Raubmord itt der Mauteuffelstraße. 
Mà ein i'-NMZ Ehepaar. 
Am 4. b. M. gegen 3 Uhr morgens wurde, 
wie berichtet, der 86 Jahre alte Hausverwalter 
Hermann Schmidt vor dem Hause Manteuffel- 
straße 87 in Berlin SO. mit zerschmetterten 
Gliedern tot aufgefunden. Während man zu 
nächst annahm, daß der Greis infolge eines 
Schwächeanfalls aus seiner im zweiten Stock 
des Hauses liegenden Wohnung auf die Straße 
gestürzt sei, haben jetzt die Ermittlungen der 
Der Rundfunkprozeß. 
„Meneiimhinen" Ir. Ztzerr 
Im Rundfunkprozeß kam der Vorsit 
zende auf Nebeneinnahmen zu sprechen, die 
der Angeklagte Dr. Jäger-Leipzig neben sei 
nem Gehalt als Wirtschaftsdirektor von der 
Berlagsanstalt des Messeamtes der Leipziger 
Mustermesse als Gewinnbeteiligung für den 
Druck der Leipziger Rundfunkzeitung „Mirag" 
erzielt hat. Die Verlagsanstalt hatte sich ver 
traglich zur Zahlung eines Gewinnanteils an 
Jäger verpflichtet, der sich bis Ende des Jah 
res 1927 auf über 90 000 Mark belief,' der Vor 
stand der Leipziger Sendegesellschaft erhielt 
dagegen nur 2600 Mark jährlich von der Ver 
lagsanstalt. Die Nebeneinnahme hat im Auf 
sichtsrat der „Mirag" böses Blut erregt. AIs 
der Aufsichtsrat Jäger seine Stellung als 
Wirtschaftsüirektor kündigte, verlangte er von 
ihm gleichzeitig Herausgabe des Vertrages mit 
der Verlagsanstalt sowie Auslieferung der 
„Mirag"-Aktien, die Jäger im Betrage von 
15 000 Mark besaß. Als Gegenleistung wurde 
Jäger der Weiterbezug seines Gehaltes für 
1928 bewilligt, außerdem sollte er bis Ende 
Oktober 1929 zwei Drittel des Gewinnanteils 
von der Verlagsanstalt und von da ab ein 
Drittel erhalten. 
Der Angeklagte Dr. Jäger erklärte auf 
Fragen des Vorsitzenden, er habe diesen Vor 
schlag annehmen müssen, weil der Aufsichtsrat 
ihn in die Form eines Ultimatums gekleidet 
hatte. 
Bredow betonte, er habe im Aufsichtsrat das 
größte Gewicht darauf gelegt, daß Jäger die 
Aktien und der Vertrag mit der Verlagsgesell 
schaft abgenommen würden, damit Jäger nach 
seiner Entlassung nicht mehr in der Lage war, 
dem Rundfunk Schwierigkeiten zu bereiten. 
Dafür habe man natürlich gewisse finanziell 
Dpfer bringen müssen. Die Verhandlung wur 
de auf Donnerstag vertagt. 
Vsn Ser VorKbstimmrZng im LKkrgcbiet. 
Be i behalt ung der gegenwärtigen Rechtsordnung 
(Status quo) 
Der Stimmzettel in seiner endgültigen Form. Durch ein Kreuz 
im untersten Kreis bekennt sich das ganze Saarvolk zu seinem 
deutschen Mutterlanöe. > 
Auch die Insassen der Gesangenenanstaltcn haben bereits abge 
stimmt. 
Moröinspektion ergeben, daß der alte Hausver 
walter einem Raubmord zum Opfer gefallen 
ist. Die Nachforschungen führten zur Verhaf 
tung der Untermieter des Ermordeten, eines 
jungen Ehepaares. Zuerst legte die Frau und 
nach längerem Leugnen auch der Ehemann ein 
Geständnis ab. Danach hat der Ehemann, der 
25jährige Bruno Laude, den Hausverwalter 
am 3. Januar mit einem Hammer hinterrücks 
erschlagen und in der Nacht zum 4. Januar airs 
dem Fenster geworfen, um einen Unglücksfall 
vorzutäuschen. Einen Betrag von 94 JUl und 
einigen Pfennigen, die der Hausverwalter als 
Mietgelder eingenommen, hatte das verbreche 
rische Paar sich angeeignet und für Vergnü 
gungen sowie den Ankauf von Lackschuhen aus 
gegeben. 
* * * 
Sensation im Hauptmanu-Prozeß. 
Ein Greis belastet den AîMķlĢn. 
Die Dienstagverhanölung im Hauptmanu- 
Prozeß zu Flemington gestaltete sich anfangs 
ziemlich eintönig, bis plötzlich der General 
staatsanwalt Wilentz einen unbekannten Na 
men aufrief. Nervös und unsicheren Schrittes 
betrat der 87jährige Amandus Hochmuth den 
Zeugenstand. Er bekundete, als er am Nach 
mittag des Entführungstages auf der Veran 
da seines Hauses an der Ecke der Landstraße 
und des zum Landhaus Lindberghs führenden 
Weges stand, habe sich ein schmutziggrünes 
Automobil genähert. Als der Kraftwagen et 
wa acht bis zehn Meter entfernt war und in 
den „Lindbergh-Weg" einbog, schaute der Füh 
rer des Wagens aus dem Fenster und starrte 
ihn den Zeugen, an, als sehe er ein Gespenst. 
Der Zeuge bemerkte auch einen Teil einer Lei 
ter im Automobil. Auf die Frage des General 
staatsanwalts, ob der Mann, den er im Au 
tomobil erblickte, im Gerichtssaal sei, antwor 
tete Hochmuth mit Ja und zeigte mit zitternder 
Hand auf Hauptmann. In diesem Augenblick 
versagten einige elektrische Lampen im Ge 
richtssaal. Hochmuth schritt zum Verteidigcv- 
tisch und legte die Hand auf Hauptmanns 
Schulter. 
* * * 
Flugzeug stürzt in indisches Regiment. 
Elf Loldaleu geiölek. 
DNB. London, 8. Januar. Wie aus Karachi 
in Britisch-Ostindien gemeldet wird, ist am 
Dienstag ein indisches Militärflugzeug am 
Flusse Har in der Nähe von Karachi schwer 
verunglückt,' elf indische Soldaten büßten ihr 
Leben ein. Das Unglück geschah, als die Ma 
schine zu Manöverzwecke» einen Scheinangriff 
auf eine marschierende Truppe unternahm, 
plötzlich aber nicht mehr die nötige Höhe ge 
winnen konnte, so daß sie kopfüber in die Ab 
teilung eines indischen Regimentes stürzte. 
Die Folgen waren entsetzlich. Elf indische Sol 
daten waren auf der Stelle tot, eine größere 
Anzahl erlitt mehr oder weniger schwere Ver 
letzungen. Die Bemannung des Flugzeuges, 
ebenfalls Inder, kam mit leichten Verletzungen 
davon. 
' . * 
Kal M Zabrikleile in den Fjord gZstmzl. 
Vier Menschen vermißt. — Rettender Sprung. 
DNB. Olslo, 8. Januar. In der süönorwe- 
gischen Hafenstadt Drammen sind infolge ei 
nes Erdrutsches der ganze Kai in Länge von 
mehreren Hundert Meter und die Lagerhäu 
ser einer Glasfabrik in den Fjord gestürzt. Als 
Ursache des Erdrutsches werden Veränderun 
gen am Meeresgrunde vermutet. Sie dürften 
in jenem Teile des Fjordes erfolgt sein, der 
unmittelbar den Lagerhäusern der Glasfabr',' 
vorgelagert ist. Vier Personen werden ver 
mißt. Man befürchtet, daß sie ums Leben ge 
kommen sind. Zwei Männern gelang es wie 
durch ein Wunder, sich im letzten Augenblick 
zu retten. Geistesgegenwärtig sprangen sie 
über den Erdritz, der sich bildete, als das Un 
glück geschah. Ausgeschlossen ist nicht, daß in 
folge der Lockerung des Baugrundes auch noch 
das Verkanfslager der Glasfabrik, in dem sich 
große Mengen Glaswaren befinden, einstürzt. 
* * * 
Das Unglück auf der Oktoberbahn. 
23 ïoîe, 79 VZrlWe. 
DNB. Leningrad, 8. Jan. Nach amtlicher 
Mitteilung sind bei dem Unglück auf der Ok- 
toberbahn 17 Personen auf der Stelle ums 
Leben gekommen,' sechs Schwerverletzte star 
ben im Krankenhaus, so daß die Gesamtzahl 
der Toten 23 beträgt. 56 Personen liegen mit 
schweren Verletzungen darnieder, 23 haben 
leichte Verletzungen erlitten. Die Katastrophe 
ist darauf zurückzuführen, daß der Führer des 
einen Schnellzuges die Haltesignale nicht be 
achtet hat, sondern mit unverminderter Schnel 
ligkeit auf den wegen eines geplatzten Schie 
nenstranges haltenden zweiten Schnellzug 
auffuhr. 
Bei einem Kraftwageunufall im Rheinland 
wurden vier Personen, darunter der Ober- 
bürgermeister von Herne, erheblich verletzt.
	        
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