Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 1)

vielen bitteren Wirren endlich Brust an 
Brust... 
Erschüttert beichtet Friedrich nach des 
Königs Abreise einem Vertrauten: 
„Ich hatte bisher nie geglaubt, daß mein 
Vater die geringste Regung von Liebe für 
mich hätte. Jetzt bin ich davon überzeugt. 
Wenn nicht der Teufel selbst dazwischen tritt, 
wird diese Versöhnung ewig sein!" 
So fand der Vater nach langer banger Not 
den Weg zum Herzen des Sohnes und der 
Sohn das erste Verständnis für seines Vaters 
Wesen. 
Ein Fürst findet zu sich selbst. 
Langsam wurden dem Kronprinzen die 
Zügel gelockert: zunächst durfte er auch außer 
halb Küstrins Festungsmauern umherstreifen. 
Friedrich benutzte die neue Freiheit nicht ein 
mal allzu sehr —: er arbeitete. Dem jungen 
Adler wuchsen die Schwingen — und ehr 
furchtsvoll nahm er sich des Vaters eisernen 
Fleiß und Patriotismus zum Muster. So 
verfaßte er, um wenigstens e i n Beispiel zu 
geben, bald nach des Vaters Besuch eine kühn 
geniale Schrift unter dem Titel: „Ueber die 
gegenwärtige Politik Preußens". Sie enthält 
einen Plan zur Abrundung des allzu sehr mit 
Grenzen gesegneten damaligen Königreichs 
Preußen — und schlägt zu dem Staat kurzer 
hand Westpreußen dazu . . . das Friedrich 
der Große 42 Jahre später tatsächlich seinem 
Land einverleiben sollte .. . und schließt mit 
dem inbrünstigen Wunsch: 
„Ich wünsche diesem Hause Preußen, daß es 
sich ganz aus dem Staube erhebe, in dem es 
gelegen hat!" 
Und fortbauend auf dem Fundament, das 
sein Vater und Vorgänger, König Friedrich 
Wilhelm I., gelegt, hat Friöericus Rex dann 
ja auch sein Preußen aus dem Staub erhoben 
das Andenken des vielverkannten Vaters 
aus tiefster Erkenntnis heraus segnend . . . 
Danach erhielt der Kronprinz endlich wieder 
Offiziersrang — und die Führung des Regi 
ments in Ruppin, wo er sich einen kleinen 
Hofstaat einrichten durfte. 
lSchluß folgt.) 
Änek-otm tun Georg V. 
Ueber König Georg von England, der 
in diesem Jahr sein 25jähriges Regie 
rungsjubiläum feiert, erzählt man sich 
zahllose Geschichten, die die große Be 
liebtheit und Volkstümlichkeit des 
Herrschers beweisen. 
Die Palme der Ungezwungenheit. 
König Georg und Königin Mary pflegten 
sehr oft in Londons ärmsten Vierteln Besuche 
abzustatten. Nach solchen Besuchen beklagten 
sie sich immer, daß sich die Leute ihnen gegen 
über gänzlich unnatürlich und steif benahmen. 
Sie ließen daher einmal verkünden, daß der- 
oöer diejenige, die sich ihnen gegenüber am 
ungezwungensten verhalte, eine ganz beson 
dere Auszeichnung, die Palme der Ungezwun 
genheit, erhalten werde. 
Als das Königspaar dann nach einiger Zeit 
gefragt wurde, wen sie denn nun für diesen 
Preis würdig hielten, erklärten sie ein 
stimmig: 
„Londons älteste Frau. Anläßlich ihres 
Geburtstages besuchten wir sie. Das Mütter 
chen kam uns bis auf den Korridor entgegen 
und sprach: „Ich ersuche Eure Majestät, die 
Füße gut abzuwischen, denn soeben wurde 
mein Zimmer frisch gescheuert." 
Tor Hoflieferant. 
König Georg fuhr gerne Auto. Eines Tages 
hatte er auf der Landstraße eine Panne. Ter 
Chauffeur stieg aus und versuchte zu repa 
rieren, doch ohne Erfolg. Zum Glück kam ein 
anderes Fahrzeug, dessen Insassen, zwei 
biedere Kaufleute, dem König ihre Dienste 
anboten. König Georg war auch schon ge 
neigt, das freundliche Angebot anzunehmen. 
Aber... in Anbetracht des kniehohen 
Schlammes konnte er sich nicht entschließen, 
den Wagen zu verlassen. 
Ter Chauffeur der Kaufleute bemerkte das 
Zögern Seiner Majestät, sprang ab, nahm, 
ohne ein Wort zu sprechen, den König auf den 
Eine Gedenkmünze 
zum Händeljubiläum. 
Zur 250jährigen Wieder 
kehr des Geburtstages Ge 
org Friedrich Händels am 
23. Februar gibt das baye 
rische Hauptmünzamt diese 
Gedenkmünze heraus, deren 
eine Seite den Kopf des 
Meisters und deren andere 
Seite ein Zitat aus seinein 
berühmtcnOratorium„Mes- 
sias" zeigt. In Rendsburg 
findet die große Händelfeier 
am 13. März statt. 
Lr. LcUe-EisNr. 
Arm und trug ihn in den anderen Wagen 
hinüber. 
Als der König sich geborgen fühlte, fragte 
er seinen Retter, ob er einen besonderen 
Wunsch habe. „Jawohl, Majestät", antwortete 
dieser. „Ich möchte um den Titel Hoflieferant 
bitten." 
Die Legitimation. 
König Georg unternahm einmal in streng 
stem Inkognito eine Schiffsreise. Der Kapitän 
hatte Befehl', unter keinen Umständen zu ver 
raten, welch hoher Gast sich auf seinem Schiffe 
befinde. Der König genoß die idyllische Ruhe 
des Unbekanntseins und fühlte sich äußerst 
wohl. 
Das Schiff hielt in einem kleineren Hafen. 
Graf . . ., unter welchem Namen der König 
reiste, saß an Bord in einem Korbsessel und 
betrachtete interessiert das Spiel der Wellen. 
Da geschah es, daß zwei Zollbeamte ans 
Schiff kamen und die Papiere der einzelnen 
Reisenden verlangten. 
Die Kontrolle war schon beendet, als die 
Adleraugen des einen Beamten den abseits 
sitzenden Herrn bemerkten. Und da dieser sich 
nicht rührte, ging er geradewegs auf ihn zu 
und verlangte seinen Ausweis. „Mein Herr, 
darf ich um Ihre Papiere bitten?" 
Der König fragte: „Was für Papiere?" 
„Eine Legitimation, die einwandfrei beweist, 
wer Sie sind." 
Der König lächelte. Er begann in seinen 
Taschen zu suchen und zog schließlich ein Gold 
stück heraus. Mit der Münze in der Hand 
fragte er nun den vor ihm Stehenden ganz 
sanft: „Wird das genügen?" 
Der Beamte schaute erst den Sprecher, dann 
das Goldstück an, begann etwas zu ahnen, 
stotterte einige unverständliche Worte und 
verschwand. 
So wurde das Inkognito des Königs auch 
weiter bewahrt. 
Der Puddingkoch. 
Es war zur Weihnachtszeit. Georg besuchte 
eine Kaserne und ging auch in die Küche, um 
zuzusehen, wie der Pudding für die Soldaten 
zubereitet werde. Da fiel ihm ein scheinbar 
noch ganz junger Koch auf, der ängstlich sein 
Gesicht verborgen hielt. 
Er suchte sich diesen aus und sprach ihn 
huldvoll an: „Mein Sohn, wie alt bist du?" 
Der Angesprochene antwortete, ohne aufzu 
blicken: „Majestät, das müssen Sie am besten 
wissen." 
Verwundert ob der eigenartigen Antwort 
schaute Georg den Sprechenden an. Da sah 
er den Prinzen von Wales in Uniform eines 
Pudöingkochs vor sich. 
Bunte Wett. 
Nach 23 Jahren Zuchthaus — als unschuldig 
freigelassen! 
In der Gemeinde Genlis ist dieser Tage ein 
Mann aufgetaucht, der ein furchtbares Schick 
sal hinter sich hat, und der nun in sein 
Heimatdorf zurückkehrte, um seine Angehöri 
gen wieder in seine Arme schließen zu kön 
nen. Josef Wendling war im Jahr 1909 nach 
Amerika ausgewandert, um dort sein Glück 
zu machen. Er kam nach Philadelphia, wo er 
Arbeit fand. Aber kurze Zeit darauf wurde 
er verhaftet und unter der Anklage, ein acht 
jähriges Mädchen umgebracht zu haben, vor 
Gericht gestellt. Auf Grund eines Indizien 
beweises, dessen Schlüssigkeit der Angeklagte 
leidenschaftlich bestritt, wurde Wendling 
zum Tode verurteilt. In seiner Heimat 
glaubte man, er sei auf dem elektrischen Stuhl 
hingerichtet worden, denn die Nachricht von 
seiner Begnadigung zu lebenslänglichem 
Zuchthaus gelangte durch irgend einen Zufall 
nicht mehr nach Genlis. Wendlings Eltern 
starben darüber an gebrochenem Herzen. Vor 
wenigen Wochen nun hat der wirkliche Mör 
der auf dem Sterbebett sein Verbrechen ein 
gestanden und den unschuldigen Wendling der 
Freiheit zurückgegeben. Wendling schiffte sich 
sofort nach der Heimat ein, wo er wenigstens 
noch einige seiner näheren Verwandten vor 
zufinden hoffte. Indessen sind alle seine An 
gehörigen verstorben oder verzogen, nur ein 
Vetter konnte den Heimgekehrten in seine 
Arme schließen. 
Mord aus spiritistischen Gründe«. 
Im Hause des polnischen Gutsbesitzers 
Missinger in der Ortschaft Dolina bei Stanis- 
lau ereignete sich eine Mordtat, deren Gründe 
bestimmt ungewöhnlich genannt werden kön 
nen. In dem Hause Missingers wurden 
öfters spiritistische Sitzungen abgehalten, an 
denen auch ein dreizehnjähriger Sohn des 
Gutesbesitzers, ein geistig beschränkter Knabe, 
teilnahm. Der Knabe erschoß nun vor kurzem 
seine 17jährige Schwester, während sie schlief, 
und versuchte dann mit dem „Geiste der Er 
schossenen" eine Verbindung herzustellen. Aus 
die Fragen der unglücklichen Eltern nach den 
Motiven der gräßlichen Tat, erklärte der 
jugendliche Mörder, er hätte sich durch die Er 
mordung seiner Schwester einen „Geist" be 
schaffen wollen, mit dem er ständig verkehren 
könne. 
Grotzkausmann Jversen hat seine Jugend 
in Amerika verbracht und von dort die Er 
kenntnis mitgenommen, daß Zeit Geld ist. In 
seinem Haus müssen alle Mitteilungen in der 
denkbar knappsten Form gemacht werden. 
Eines Tages kommt Jversen nach Hause, / 
fragt, was es zum Mittagessen gibt, und er 
kundigt sich nach seiner kranken Frau. Das 
gut erzogene Hausmädchen erwidert prompt: 
„Koteletten und schlecht!" 
Liede mf Skiern. / 
Roman von Lyonel Insterberg. 
Copyright by Prometheus-Verlag Dr.Eichacker, 
Gröbenzell bei München. 
IS) Nachdruck verboten. 
Schließlich formierte sich der Zug so, daß 
Perathoner vorausging, dann Jenny, Ursula 
und der Geheimrat folgten. Den Schluß bil 
dete Eckmann, der aufzupassen hatte, daß nie 
mand zurückblieb. 
An einer einsamen, verlassenen Alm, die 
tief im Schnee versteckt in einem engen Kessel 
lag, schnallten sie die Skier an und zogen die 
Felle auf. 
Nach leiser Beratung erklärten Eckmann 
und der Bergmensch, daß sie nun die Ruck 
säcke der Damen tragen würden, da diesen 
das ungewohnte Gehen auf den Brettern 
ohnehin genug Schwierigkeiten bereiten 
würde. 
Langsam zog Perathoner seine Spur in den 
Pulverschnee. Mit gesenktem Kopf stieg er 
behäbig, gleichmäßigen Schrittes Fuß vor 
Fuß setzend, weiter. — In unermeßlicher 
Pracht lagerten die weißen, gewaltigen Bur 
gen ringsum. Ungeheure Stille wurde nur 
manchmal vom Pfeifen des Jochwinds unter 
brochen, dieses eisigen, durchdringenden Win 
des, der die Kleider wie mit Eispfeilen durch 
stach und die Haut erstarren machte, der 
einem Tränen in die Augen pumpte und die 
Gänsehaut über Rücken und Arme jagte. 
Auf einmal blieb Perathoner stehen, stieß 
einen durchdringenden, grellen Jauchzer aus 
und zeigte mit ausgestreckter Hand nach links 
oben, wo, nicht mehr sehr weit entfernt, die 
dunkle Silhouette einer Hütte sich gegen das 
Weiß des Ferners abhob. 
Alle schrien durcheinander. Alle waren 
müde, bis auf Eckmann und Perathoner, und 
alle waren deshalb entzückt, die Hütte zu 
sehen. — Schneller und länger wurden die 
Schritte, und eine halbe Stunde später stan 
den sie vor der Hütte. 
Andächtig starrte Ursula das schwarzbraune 
Gebälk an. Der Schnee lag hier drei Meter 
hoch. 
Ursula, die mit zusammengebissenen Zäh 
nen jede Anwandlung von Schwäche unter 
drückt hatte, brach im Vorraum zusammen. 
Halb ohnmächtig wurde sie von Alf aufge 
fangen, der vorerst vor Entsetzen vollkommen 
den Kopf verlor und nicht wußte, was er tun 
sollte. — Die Wirtin, eine robuste Bäuerin, 
nahm ihm die kraftlos Liegende aus dem 
Arm und bettete sie auf die Bank, gab ihr 
einen Schluck Kognak, während Jenny ihr die 
Schläfen mit Kölnisch Wasser einrieb und 
der Geheimrat händeringend dabei stand und 
Alf mit Vorwürfen überschüttete. 
„Wie kann man nur sagen, daß dies kein 
schwieriger Aufstieg ist. Sie begehen ja ein 
Verbrechen mit Ihrem Leichtsinn. Eine leichte 
Partie, die jeder bewältigen kann! Ja, sind 
Sie denn irrsinnig? Meine Tochter war ein 
Jahr lang leidend, nun liegt sie wieder da. 
Wer weiß, ob das nicht wieder einen Rückfall 
zur Folge hat! Daran sind nur Sie schuld!" 
Er sprach alles so schnell, daß es kaum ver 
ständlich wurde, und blickte dabei ununter 
brochen in Ursulas wachsbleiches Gesicht. — 
„Dös is bald vorüber", meinte die Wirtin. 
„Is halt a schwachs Fraule, dös. Aber wenn 
sie jetzat a warme Suppn ißt, is s' bald wie 
der auf der Stangn. Muatz s' halt derweil a 
bißl niederlegn, nacher werns sehgn, wia s' 
morgn schon mit die Ski geaht." 
Tatsächlich fühlte sich Ursula, nachdem sie 
eine heiße Suppe gegessen hatte, sofort 
wohler. Sie ging am Arm der Wirtin hinauf 
in ihr Kämmerlein, das allerdings winzig 
war, aber sehr nett eingerichtet, nach Zirbel 
holz duftend und nach alten Aepfeln. Sie war 
entzückt. Sie ging gleich zum Fenster und 
blickte hinaus. Das Fenster ging gegen 
Westen und ließ den Blick auf die gewaltigen 
Felswände der Höllentalspitzen frei. Jetzt 
aber waren dort schon keine Farben mehr, 
nur mehr alles grau in grau, und das Licht 
hing nur noch an den Spitzen der Berge, röt 
lich und lockend. Ein warmes Feuer pras 
selte im Kachelofen. Der kleine Raum wurde 
im Nu warm. — Ursula legte sich auf das 
Bett und begann zu träumen. 
Die einzelnen Kämmerchen wurden indes 
sen bezogen und, so gut es ging, eingerichtet. 
Die Wäsche wurde den Rucksäcken entnom 
men, man wusch sich, zog sich um und wurde 
wieder frisch und unternehmungslustig. — 
Alle bis auf Ursula trafen sich dann wieder 
in der Stube, wo sie von der Wirtin die 
beruhigende Kunde vernahmen, daß es der 
„Patientin" sehr wohl gehe und daß absolut 
keine Befürchtungen gehegt zu werden 
brauchten. Die Wirting ging hierauf wieder 
in die Küche und kochte Knödel, echte bayeri 
sche Leberknödel. 
Alf holte die Gitarre von der Wand, 
stimmte sie und sang Volkslieder. 
Wein wurde getrunken, ein herrlicher 
Muskateller, voll verhaltener Glut. — Der 
Geheimrat wurde mit einem Male lustig. 
Seine Augen rollten wie Glaskugeln im ge 
röteten Gesicht. Seine Stimme wurde forsch 
und unternehmend. Er fühlte sich als Be 
zwinger der Berge, als kommende Sport 
größe, und glaubte deshalb, auch in seinem 
Eroberungsfeldzug gegen Jenny ein rascheres 
Tempo einschlagen zu müssen. 
Da Jenny ihn ermunterte, erreichte seine 
Leidenschaft nach kurzer Zeit einen bedenk 
lichen Grad. 
Als sich dann der Bergmensch Perathoner 
zu ihnen setzte und mit Jenny zu schwatzen 
begann, packte ihn die Eifersucht plötzlich mit 
rasender Gewalt. Zuerst versuchte er Pera 
thoner wegzuekeln, aber er gab es auf, als er 
bemerkte, daß Jenny seine Grobheiten durch 
erhöhte Liebenswürdigkeit dem Wirt gegen 
über wettzumachen suchte. Eine melancholi 
sche Schwermut ergriff von ihm Besitz. Es 
stand wahrhaftig schlimm um Herrn v. Herm. 
Die anfängliche Verliebtheit, die Jennys 
Munterkeit, ihre Schönheit und ihr Scharm 
in ihm hervorgerufen hatten, verwandelte sich 
schnell in eine Leidenschaft, die den Sechziger 
bis in die tiefste Tiefe erschütterte. Er hatte 
die feste Absicht, Jenny zu heiraten, aber noch 
nie den Mut gehabt, ihr gegenüber auch nur 
mit einer leisen Andeutung diese Möglichkeit 
zu erwähnen, obwohl er aus seiner Liebe kein 
Hehl gemacht hatte und überzeugt war, daß 
sie seine Annäherung nicht ungern sah, viel 
leicht sogar wünschte. 
In einem plötzlichen Anfall von Aufleh 
nung gegen Jennys System, ihn auf einmal 
aus der liebenswürdigsten Unterhaltung her 
aus kaltzustellen, erhob er sich und entfernte 
sich vom Tisch. Er ging nach oben zu Ursula. 
Während er noch über die knarrende Treppe 
schritt, die neben der Küche in den ersten Stock 
führte, warf er einen verstohlenen Blick zu 
rück und sah, wie Jenny eben lachend mit 
einer sehr vertraulichen Geste ihre schmale 
Hand dem Bergmenschen auf die breite Schul 
ter legte. Ein Stich durchfuhr ihn brennend, 
er wäre beinahe umgekehrt und hätte einen 
Skandal gemacht. Aber er beherrschte sich doch 
noch, blieb einige Augenblicke, an seiner Un 
terlippe nagend, auf der Treppe stehen, dann 
zwang er sich unter Aufbietung seiner ganzen 
Energie, ohne nochmals umzuschauen, nach 
oben zu gehen. Und das helle Lachen Jennys 
hakte sich wie eine Harpune in seinen Nacken 
und riß ihm blutige Wunden. 
Leise öffnete er die Tür zu Ursulas Zim- 
mer. Es war ganz finster im Raume, nur 
aus dem Ofenloche strahlte ein weiches, him- 
beerrotes Licht über ein Stück des Bodens. 
Die Scheiter knisterten. Die Kammer war 
warm. 
„Ursula?" 
"Ja? Du bist's, Papa?" Ursula setzte sich 
auf und rieb sich die Augen. „Denke dir, 
Papa, ich habe geschlafen. Ist es schon spät?" 
„Nein, mein Kind, es ist noch ganz früh. 
Wie geht es dir?" 
„Ach, gut, Papa!" Sie streckte sich, sprang 
vom Bett und reckte den schlanken Körper, der 
im blauen Skianzug ganz besonders grazil, ja 
geradezu zerbrechlich wirkte. 
„Ich habe einen Riesenhunger. Ich muß un 
bedingt etwas essen, sonst sterbe ich." 
„Furchtbar", lachte Herr v. Herm. Glück 
licherweise kann man deinen Tod vorläufig 
verhindern. Es gibt Leberknödel." 
Ursula jubelte. 
„Wo seid ihr eigentlich?" 
„Wir? In der Stube." 
„Was habt ihr gemacht? Habei ich etwas 
versäumt?" 
„Nein, Ursel. Wir haben nur Wein getrun 
ken, und Dr. Eckmann hat gesungen vom 
Dirndl und vom Bua und Tarohoi und wie 
das geht. Du weißt schon." 
„Gefällt er dir?" 
Aber der Geheimrat hatte andere Sorgen 
als die Herzensangelegenheit Ursulas. Er 
hörte nicht das leise Zittern in der Frage, 
die bebende Ungeduld, deshalb antwortete er 
auch ganz gleichgültig: „Na, er ist ja ein ganz 
netter Kerl. So ein Sportsmensch eben. Ich 
weiß nicht recht, wo ich ihn hintun soll. Jeden 
falls finde ich ihn herzlich uninteressant, aber 
so im Gebirge, da geht er an, da söhnt man 
sich mit seiner Existenz halbwegs aus, wäh 
rend man sich in der Stadt unwillkürlich fragt: 
„Ja, wozu lebt nun eigentlich sowas?" 
Leise löste sich Ursula-aus seinem Arm und 
setzte sich aufs Bett. „Ich glaube, du unter 
schätzt ihn", sagte sie, und in ihrer Stimme 
war eine kleine Traurigkeit. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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