vielen bitteren Wirren endlich Brust an
Brust...
Erschüttert beichtet Friedrich nach des
Königs Abreise einem Vertrauten:
„Ich hatte bisher nie geglaubt, daß mein
Vater die geringste Regung von Liebe für
mich hätte. Jetzt bin ich davon überzeugt.
Wenn nicht der Teufel selbst dazwischen tritt,
wird diese Versöhnung ewig sein!"
So fand der Vater nach langer banger Not
den Weg zum Herzen des Sohnes und der
Sohn das erste Verständnis für seines Vaters
Wesen.
Ein Fürst findet zu sich selbst.
Langsam wurden dem Kronprinzen die
Zügel gelockert: zunächst durfte er auch außer
halb Küstrins Festungsmauern umherstreifen.
Friedrich benutzte die neue Freiheit nicht ein
mal allzu sehr —: er arbeitete. Dem jungen
Adler wuchsen die Schwingen — und ehr
furchtsvoll nahm er sich des Vaters eisernen
Fleiß und Patriotismus zum Muster. So
verfaßte er, um wenigstens e i n Beispiel zu
geben, bald nach des Vaters Besuch eine kühn
geniale Schrift unter dem Titel: „Ueber die
gegenwärtige Politik Preußens". Sie enthält
einen Plan zur Abrundung des allzu sehr mit
Grenzen gesegneten damaligen Königreichs
Preußen — und schlägt zu dem Staat kurzer
hand Westpreußen dazu . . . das Friedrich
der Große 42 Jahre später tatsächlich seinem
Land einverleiben sollte .. . und schließt mit
dem inbrünstigen Wunsch:
„Ich wünsche diesem Hause Preußen, daß es
sich ganz aus dem Staube erhebe, in dem es
gelegen hat!"
Und fortbauend auf dem Fundament, das
sein Vater und Vorgänger, König Friedrich
Wilhelm I., gelegt, hat Friöericus Rex dann
ja auch sein Preußen aus dem Staub erhoben
das Andenken des vielverkannten Vaters
aus tiefster Erkenntnis heraus segnend . . .
Danach erhielt der Kronprinz endlich wieder
Offiziersrang — und die Führung des Regi
ments in Ruppin, wo er sich einen kleinen
Hofstaat einrichten durfte.
lSchluß folgt.)
Änek-otm tun Georg V.
Ueber König Georg von England, der
in diesem Jahr sein 25jähriges Regie
rungsjubiläum feiert, erzählt man sich
zahllose Geschichten, die die große Be
liebtheit und Volkstümlichkeit des
Herrschers beweisen.
Die Palme der Ungezwungenheit.
König Georg und Königin Mary pflegten
sehr oft in Londons ärmsten Vierteln Besuche
abzustatten. Nach solchen Besuchen beklagten
sie sich immer, daß sich die Leute ihnen gegen
über gänzlich unnatürlich und steif benahmen.
Sie ließen daher einmal verkünden, daß der-
oöer diejenige, die sich ihnen gegenüber am
ungezwungensten verhalte, eine ganz beson
dere Auszeichnung, die Palme der Ungezwun
genheit, erhalten werde.
Als das Königspaar dann nach einiger Zeit
gefragt wurde, wen sie denn nun für diesen
Preis würdig hielten, erklärten sie ein
stimmig:
„Londons älteste Frau. Anläßlich ihres
Geburtstages besuchten wir sie. Das Mütter
chen kam uns bis auf den Korridor entgegen
und sprach: „Ich ersuche Eure Majestät, die
Füße gut abzuwischen, denn soeben wurde
mein Zimmer frisch gescheuert."
Tor Hoflieferant.
König Georg fuhr gerne Auto. Eines Tages
hatte er auf der Landstraße eine Panne. Ter
Chauffeur stieg aus und versuchte zu repa
rieren, doch ohne Erfolg. Zum Glück kam ein
anderes Fahrzeug, dessen Insassen, zwei
biedere Kaufleute, dem König ihre Dienste
anboten. König Georg war auch schon ge
neigt, das freundliche Angebot anzunehmen.
Aber... in Anbetracht des kniehohen
Schlammes konnte er sich nicht entschließen,
den Wagen zu verlassen.
Ter Chauffeur der Kaufleute bemerkte das
Zögern Seiner Majestät, sprang ab, nahm,
ohne ein Wort zu sprechen, den König auf den
Eine Gedenkmünze
zum Händeljubiläum.
Zur 250jährigen Wieder
kehr des Geburtstages Ge
org Friedrich Händels am
23. Februar gibt das baye
rische Hauptmünzamt diese
Gedenkmünze heraus, deren
eine Seite den Kopf des
Meisters und deren andere
Seite ein Zitat aus seinein
berühmtcnOratorium„Mes-
sias" zeigt. In Rendsburg
findet die große Händelfeier
am 13. März statt.
Lr. LcUe-EisNr.
Arm und trug ihn in den anderen Wagen
hinüber.
Als der König sich geborgen fühlte, fragte
er seinen Retter, ob er einen besonderen
Wunsch habe. „Jawohl, Majestät", antwortete
dieser. „Ich möchte um den Titel Hoflieferant
bitten."
Die Legitimation.
König Georg unternahm einmal in streng
stem Inkognito eine Schiffsreise. Der Kapitän
hatte Befehl', unter keinen Umständen zu ver
raten, welch hoher Gast sich auf seinem Schiffe
befinde. Der König genoß die idyllische Ruhe
des Unbekanntseins und fühlte sich äußerst
wohl.
Das Schiff hielt in einem kleineren Hafen.
Graf . . ., unter welchem Namen der König
reiste, saß an Bord in einem Korbsessel und
betrachtete interessiert das Spiel der Wellen.
Da geschah es, daß zwei Zollbeamte ans
Schiff kamen und die Papiere der einzelnen
Reisenden verlangten.
Die Kontrolle war schon beendet, als die
Adleraugen des einen Beamten den abseits
sitzenden Herrn bemerkten. Und da dieser sich
nicht rührte, ging er geradewegs auf ihn zu
und verlangte seinen Ausweis. „Mein Herr,
darf ich um Ihre Papiere bitten?"
Der König fragte: „Was für Papiere?"
„Eine Legitimation, die einwandfrei beweist,
wer Sie sind."
Der König lächelte. Er begann in seinen
Taschen zu suchen und zog schließlich ein Gold
stück heraus. Mit der Münze in der Hand
fragte er nun den vor ihm Stehenden ganz
sanft: „Wird das genügen?"
Der Beamte schaute erst den Sprecher, dann
das Goldstück an, begann etwas zu ahnen,
stotterte einige unverständliche Worte und
verschwand.
So wurde das Inkognito des Königs auch
weiter bewahrt.
Der Puddingkoch.
Es war zur Weihnachtszeit. Georg besuchte
eine Kaserne und ging auch in die Küche, um
zuzusehen, wie der Pudding für die Soldaten
zubereitet werde. Da fiel ihm ein scheinbar
noch ganz junger Koch auf, der ängstlich sein
Gesicht verborgen hielt.
Er suchte sich diesen aus und sprach ihn
huldvoll an: „Mein Sohn, wie alt bist du?"
Der Angesprochene antwortete, ohne aufzu
blicken: „Majestät, das müssen Sie am besten
wissen."
Verwundert ob der eigenartigen Antwort
schaute Georg den Sprechenden an. Da sah
er den Prinzen von Wales in Uniform eines
Pudöingkochs vor sich.
Bunte Wett.
Nach 23 Jahren Zuchthaus — als unschuldig
freigelassen!
In der Gemeinde Genlis ist dieser Tage ein
Mann aufgetaucht, der ein furchtbares Schick
sal hinter sich hat, und der nun in sein
Heimatdorf zurückkehrte, um seine Angehöri
gen wieder in seine Arme schließen zu kön
nen. Josef Wendling war im Jahr 1909 nach
Amerika ausgewandert, um dort sein Glück
zu machen. Er kam nach Philadelphia, wo er
Arbeit fand. Aber kurze Zeit darauf wurde
er verhaftet und unter der Anklage, ein acht
jähriges Mädchen umgebracht zu haben, vor
Gericht gestellt. Auf Grund eines Indizien
beweises, dessen Schlüssigkeit der Angeklagte
leidenschaftlich bestritt, wurde Wendling
zum Tode verurteilt. In seiner Heimat
glaubte man, er sei auf dem elektrischen Stuhl
hingerichtet worden, denn die Nachricht von
seiner Begnadigung zu lebenslänglichem
Zuchthaus gelangte durch irgend einen Zufall
nicht mehr nach Genlis. Wendlings Eltern
starben darüber an gebrochenem Herzen. Vor
wenigen Wochen nun hat der wirkliche Mör
der auf dem Sterbebett sein Verbrechen ein
gestanden und den unschuldigen Wendling der
Freiheit zurückgegeben. Wendling schiffte sich
sofort nach der Heimat ein, wo er wenigstens
noch einige seiner näheren Verwandten vor
zufinden hoffte. Indessen sind alle seine An
gehörigen verstorben oder verzogen, nur ein
Vetter konnte den Heimgekehrten in seine
Arme schließen.
Mord aus spiritistischen Gründe«.
Im Hause des polnischen Gutsbesitzers
Missinger in der Ortschaft Dolina bei Stanis-
lau ereignete sich eine Mordtat, deren Gründe
bestimmt ungewöhnlich genannt werden kön
nen. In dem Hause Missingers wurden
öfters spiritistische Sitzungen abgehalten, an
denen auch ein dreizehnjähriger Sohn des
Gutesbesitzers, ein geistig beschränkter Knabe,
teilnahm. Der Knabe erschoß nun vor kurzem
seine 17jährige Schwester, während sie schlief,
und versuchte dann mit dem „Geiste der Er
schossenen" eine Verbindung herzustellen. Aus
die Fragen der unglücklichen Eltern nach den
Motiven der gräßlichen Tat, erklärte der
jugendliche Mörder, er hätte sich durch die Er
mordung seiner Schwester einen „Geist" be
schaffen wollen, mit dem er ständig verkehren
könne.
Grotzkausmann Jversen hat seine Jugend
in Amerika verbracht und von dort die Er
kenntnis mitgenommen, daß Zeit Geld ist. In
seinem Haus müssen alle Mitteilungen in der
denkbar knappsten Form gemacht werden.
Eines Tages kommt Jversen nach Hause, /
fragt, was es zum Mittagessen gibt, und er
kundigt sich nach seiner kranken Frau. Das
gut erzogene Hausmädchen erwidert prompt:
„Koteletten und schlecht!"
Liede mf Skiern. /
Roman von Lyonel Insterberg.
Copyright by Prometheus-Verlag Dr.Eichacker,
Gröbenzell bei München.
IS) Nachdruck verboten.
Schließlich formierte sich der Zug so, daß
Perathoner vorausging, dann Jenny, Ursula
und der Geheimrat folgten. Den Schluß bil
dete Eckmann, der aufzupassen hatte, daß nie
mand zurückblieb.
An einer einsamen, verlassenen Alm, die
tief im Schnee versteckt in einem engen Kessel
lag, schnallten sie die Skier an und zogen die
Felle auf.
Nach leiser Beratung erklärten Eckmann
und der Bergmensch, daß sie nun die Ruck
säcke der Damen tragen würden, da diesen
das ungewohnte Gehen auf den Brettern
ohnehin genug Schwierigkeiten bereiten
würde.
Langsam zog Perathoner seine Spur in den
Pulverschnee. Mit gesenktem Kopf stieg er
behäbig, gleichmäßigen Schrittes Fuß vor
Fuß setzend, weiter. — In unermeßlicher
Pracht lagerten die weißen, gewaltigen Bur
gen ringsum. Ungeheure Stille wurde nur
manchmal vom Pfeifen des Jochwinds unter
brochen, dieses eisigen, durchdringenden Win
des, der die Kleider wie mit Eispfeilen durch
stach und die Haut erstarren machte, der
einem Tränen in die Augen pumpte und die
Gänsehaut über Rücken und Arme jagte.
Auf einmal blieb Perathoner stehen, stieß
einen durchdringenden, grellen Jauchzer aus
und zeigte mit ausgestreckter Hand nach links
oben, wo, nicht mehr sehr weit entfernt, die
dunkle Silhouette einer Hütte sich gegen das
Weiß des Ferners abhob.
Alle schrien durcheinander. Alle waren
müde, bis auf Eckmann und Perathoner, und
alle waren deshalb entzückt, die Hütte zu
sehen. — Schneller und länger wurden die
Schritte, und eine halbe Stunde später stan
den sie vor der Hütte.
Andächtig starrte Ursula das schwarzbraune
Gebälk an. Der Schnee lag hier drei Meter
hoch.
Ursula, die mit zusammengebissenen Zäh
nen jede Anwandlung von Schwäche unter
drückt hatte, brach im Vorraum zusammen.
Halb ohnmächtig wurde sie von Alf aufge
fangen, der vorerst vor Entsetzen vollkommen
den Kopf verlor und nicht wußte, was er tun
sollte. — Die Wirtin, eine robuste Bäuerin,
nahm ihm die kraftlos Liegende aus dem
Arm und bettete sie auf die Bank, gab ihr
einen Schluck Kognak, während Jenny ihr die
Schläfen mit Kölnisch Wasser einrieb und
der Geheimrat händeringend dabei stand und
Alf mit Vorwürfen überschüttete.
„Wie kann man nur sagen, daß dies kein
schwieriger Aufstieg ist. Sie begehen ja ein
Verbrechen mit Ihrem Leichtsinn. Eine leichte
Partie, die jeder bewältigen kann! Ja, sind
Sie denn irrsinnig? Meine Tochter war ein
Jahr lang leidend, nun liegt sie wieder da.
Wer weiß, ob das nicht wieder einen Rückfall
zur Folge hat! Daran sind nur Sie schuld!"
Er sprach alles so schnell, daß es kaum ver
ständlich wurde, und blickte dabei ununter
brochen in Ursulas wachsbleiches Gesicht. —
„Dös is bald vorüber", meinte die Wirtin.
„Is halt a schwachs Fraule, dös. Aber wenn
sie jetzat a warme Suppn ißt, is s' bald wie
der auf der Stangn. Muatz s' halt derweil a
bißl niederlegn, nacher werns sehgn, wia s'
morgn schon mit die Ski geaht."
Tatsächlich fühlte sich Ursula, nachdem sie
eine heiße Suppe gegessen hatte, sofort
wohler. Sie ging am Arm der Wirtin hinauf
in ihr Kämmerlein, das allerdings winzig
war, aber sehr nett eingerichtet, nach Zirbel
holz duftend und nach alten Aepfeln. Sie war
entzückt. Sie ging gleich zum Fenster und
blickte hinaus. Das Fenster ging gegen
Westen und ließ den Blick auf die gewaltigen
Felswände der Höllentalspitzen frei. Jetzt
aber waren dort schon keine Farben mehr,
nur mehr alles grau in grau, und das Licht
hing nur noch an den Spitzen der Berge, röt
lich und lockend. Ein warmes Feuer pras
selte im Kachelofen. Der kleine Raum wurde
im Nu warm. — Ursula legte sich auf das
Bett und begann zu träumen.
Die einzelnen Kämmerchen wurden indes
sen bezogen und, so gut es ging, eingerichtet.
Die Wäsche wurde den Rucksäcken entnom
men, man wusch sich, zog sich um und wurde
wieder frisch und unternehmungslustig. —
Alle bis auf Ursula trafen sich dann wieder
in der Stube, wo sie von der Wirtin die
beruhigende Kunde vernahmen, daß es der
„Patientin" sehr wohl gehe und daß absolut
keine Befürchtungen gehegt zu werden
brauchten. Die Wirting ging hierauf wieder
in die Küche und kochte Knödel, echte bayeri
sche Leberknödel.
Alf holte die Gitarre von der Wand,
stimmte sie und sang Volkslieder.
Wein wurde getrunken, ein herrlicher
Muskateller, voll verhaltener Glut. — Der
Geheimrat wurde mit einem Male lustig.
Seine Augen rollten wie Glaskugeln im ge
röteten Gesicht. Seine Stimme wurde forsch
und unternehmend. Er fühlte sich als Be
zwinger der Berge, als kommende Sport
größe, und glaubte deshalb, auch in seinem
Eroberungsfeldzug gegen Jenny ein rascheres
Tempo einschlagen zu müssen.
Da Jenny ihn ermunterte, erreichte seine
Leidenschaft nach kurzer Zeit einen bedenk
lichen Grad.
Als sich dann der Bergmensch Perathoner
zu ihnen setzte und mit Jenny zu schwatzen
begann, packte ihn die Eifersucht plötzlich mit
rasender Gewalt. Zuerst versuchte er Pera
thoner wegzuekeln, aber er gab es auf, als er
bemerkte, daß Jenny seine Grobheiten durch
erhöhte Liebenswürdigkeit dem Wirt gegen
über wettzumachen suchte. Eine melancholi
sche Schwermut ergriff von ihm Besitz. Es
stand wahrhaftig schlimm um Herrn v. Herm.
Die anfängliche Verliebtheit, die Jennys
Munterkeit, ihre Schönheit und ihr Scharm
in ihm hervorgerufen hatten, verwandelte sich
schnell in eine Leidenschaft, die den Sechziger
bis in die tiefste Tiefe erschütterte. Er hatte
die feste Absicht, Jenny zu heiraten, aber noch
nie den Mut gehabt, ihr gegenüber auch nur
mit einer leisen Andeutung diese Möglichkeit
zu erwähnen, obwohl er aus seiner Liebe kein
Hehl gemacht hatte und überzeugt war, daß
sie seine Annäherung nicht ungern sah, viel
leicht sogar wünschte.
In einem plötzlichen Anfall von Aufleh
nung gegen Jennys System, ihn auf einmal
aus der liebenswürdigsten Unterhaltung her
aus kaltzustellen, erhob er sich und entfernte
sich vom Tisch. Er ging nach oben zu Ursula.
Während er noch über die knarrende Treppe
schritt, die neben der Küche in den ersten Stock
führte, warf er einen verstohlenen Blick zu
rück und sah, wie Jenny eben lachend mit
einer sehr vertraulichen Geste ihre schmale
Hand dem Bergmenschen auf die breite Schul
ter legte. Ein Stich durchfuhr ihn brennend,
er wäre beinahe umgekehrt und hätte einen
Skandal gemacht. Aber er beherrschte sich doch
noch, blieb einige Augenblicke, an seiner Un
terlippe nagend, auf der Treppe stehen, dann
zwang er sich unter Aufbietung seiner ganzen
Energie, ohne nochmals umzuschauen, nach
oben zu gehen. Und das helle Lachen Jennys
hakte sich wie eine Harpune in seinen Nacken
und riß ihm blutige Wunden.
Leise öffnete er die Tür zu Ursulas Zim-
mer. Es war ganz finster im Raume, nur
aus dem Ofenloche strahlte ein weiches, him-
beerrotes Licht über ein Stück des Bodens.
Die Scheiter knisterten. Die Kammer war
warm.
„Ursula?"
"Ja? Du bist's, Papa?" Ursula setzte sich
auf und rieb sich die Augen. „Denke dir,
Papa, ich habe geschlafen. Ist es schon spät?"
„Nein, mein Kind, es ist noch ganz früh.
Wie geht es dir?"
„Ach, gut, Papa!" Sie streckte sich, sprang
vom Bett und reckte den schlanken Körper, der
im blauen Skianzug ganz besonders grazil, ja
geradezu zerbrechlich wirkte.
„Ich habe einen Riesenhunger. Ich muß un
bedingt etwas essen, sonst sterbe ich."
„Furchtbar", lachte Herr v. Herm. Glück
licherweise kann man deinen Tod vorläufig
verhindern. Es gibt Leberknödel."
Ursula jubelte.
„Wo seid ihr eigentlich?"
„Wir? In der Stube."
„Was habt ihr gemacht? Habei ich etwas
versäumt?"
„Nein, Ursel. Wir haben nur Wein getrun
ken, und Dr. Eckmann hat gesungen vom
Dirndl und vom Bua und Tarohoi und wie
das geht. Du weißt schon."
„Gefällt er dir?"
Aber der Geheimrat hatte andere Sorgen
als die Herzensangelegenheit Ursulas. Er
hörte nicht das leise Zittern in der Frage,
die bebende Ungeduld, deshalb antwortete er
auch ganz gleichgültig: „Na, er ist ja ein ganz
netter Kerl. So ein Sportsmensch eben. Ich
weiß nicht recht, wo ich ihn hintun soll. Jeden
falls finde ich ihn herzlich uninteressant, aber
so im Gebirge, da geht er an, da söhnt man
sich mit seiner Existenz halbwegs aus, wäh
rend man sich in der Stadt unwillkürlich fragt:
„Ja, wozu lebt nun eigentlich sowas?"
Leise löste sich Ursula-aus seinem Arm und
setzte sich aufs Bett. „Ich glaube, du unter
schätzt ihn", sagte sie, und in ihrer Stimme
war eine kleine Traurigkeit.
(Fortsetzung folgt.)