Full text: Newspaper volume (1934, Bd. 1)

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Heini biß sich auf die Lippen. Seine Gedan 
ken arbeiteten fieberhaft. 
In der Nacht lagen die meisten Leute im 
Unterstand. Sie waren ein wenig nervös ge 
worden. 
Und dann kam drei Tage später jene Nacht, 
in der wir das monotone Klopfen unter uns 
hörten, ein Zeichen, daß der Feind seinen 
Stollen unter der Erde bis unter unseren 
Graben vorgetragen hatte. Was nun folgen 
würde, das wußten wir. 
Der Leutnant sieht auf seine Uhr. 
Sie haben eben mit dem Ausbau unter uns 
angefangen. Es kann noch drei bis vier Stun 
den dauern, ehe sie unten die Zündschnur fer 
tig haben, aber genau abmessen kann das nie 
mand. 
Der Leutnant meldet an den Stab, daß die 
Gefahr im Graben auf das höchste gestiegen 
sei. Und der Stab gibt den Befehl: Graben 
räumen! 
In aller Ordnung ziehen wir uns zurück. 
Wo ist Heini? Hat jemand Heini gesehen? 
„Ein Mann fehlt, Herr Leutnant!" 
„Wer?" 
„Der junge Student?" 
„Ja, zum Donnerwetter, wo steckt denn der 
Kerl? Ist er: etwa im Graben zurückgeblie 
ben?" 
„Er war schon heute morgen nicht mehr da." 
„Vielleicht führt er Krieg auf eigene Faust. 
Der Tollkopf mit seinen sonderbaren Ideen 
kriegt das fertig. Und hatte er nicht gesagt, er 
müßte etwas für seine Kameraden tun?" 
Der Leutnant schickt zwei Freiwillige zurück 
in den Graben, nach Heini zu suchen. Sie sehen 
in jeden Winkel — Heini ist nicht zu finden. 
So kehren sie denn ohne Erfolg zurück. Wir 
müssen abwarten, was mit Heini geschehen ist. 
Unser Beobachter beobachtet den geräumten 
Graben. Er will sofort melden, wenn der 
Graben durch Sprengung des Feindes zer 
stört ist. Das mutz jede Minute geschehen. Auf 
merksam, jeder Nerv gespannt, sitzt er auf sei 
nem Posten. 
Und dann kommt alles ganz anders. 
Nicht unser geräumter Graben geht hoch, 
sondern der Graben des Feindes. Mit dieser 
Möglichkeit hat keiner von uns gerechnet. Da 
muß doch jemand von den unseren in den 
Sprengstollen gekommen sein? 
Heini? 
Herrgott, der Junge wußte ja nicht, daß der 
Graben geräumt werden sollte. Und da hat er 
sicher daran gedacht, seine Kameraden zu 
retten. 
Erst viel später kamen wir z« der Wahrheit, 
als der Stab den Vorteil, der durch die ver 
änderten Verhältnisse gegeben war, wahr 
nahm und die deutschen Linien über den zer 
störten feindlichen Graben vortrug. 
Da fanden wir Heinis Erkennungsmarke. 
Mehr war von ihm nicht übrig geblieben. 
Aber wir konnten uns denken, wie alles ge 
kommen war. Heini war in der Nacht mit 
Grabewerkzeugen losgegangen und hatte den 
feindlichen Stollen angegraben. Er war ein 
schlanker Bursche, und so mußte es ihm ge 
lungen sein, in den Stollen einzudringen. Er 
hatte dann das Sprengmaterial, das schon mit 
einer Zündschnur verbunden war, aufgenom 
men und zurückgeschleppt, bis er es unter dem 
feindlichen Graben hatte. Das war ein Unter 
fangen, zu dem neben heldischem Mut auch 
ungeheures Glück gehörte. Man hatte ihn in 
dem Stollen nicht abgefangen. Wahrscheinlich 
erwartete der Feind jeden Augenblick die Er- 
plosion und lag bereits außerhalb des Stol 
lens in Deckung, um die Wirkung abzuwarten. 
Keiner hatte Heinis Wirken bemerkt, und die 
Verwirrung beim Feinde, als der eigene Gra 
ben hochging, muß ungeheuer gewesen sein. 
Wir begruben die feindliche Grabenbesat 
zung.. Und dann fragte einer nach der Adresse 
der Angehörigen Heinis. Keiner wußte sie. 
Aber just an diesem Morgen war ein Brief 
an Heini angekommen. 
Er kam von seiner Mutter und lautete: 
„Mein lieber Junge! Ich schreibe Dir heute, 
weil wir in den nächsten Tagen die Erinne 
rung an jenen Tag begehen, an dem unser 
Heiland das Kreuz auf sich nahm, um die Welt 
zu erretten. Er gab sein heiliges Blut für das 
Leben der Welt hin. 
An diesem Tage sollst Du einige Minuten des 
Gedenkens haben an diese große Tat und sollst 
immer eingedenk sein Seines Opfers für Dich 
und die Menschheit!" 
Essen an. Die Kinder meldeten sich bei ihren 
Taufpaten, um ihr Osterei einzufordern, weil 
jedoch mit diesem Brauch mitunter Unfug ge 
trieben wurde, schaffte man ihn verschiedent 
lich ab und verbot ihn bei Strafe. 
Stille Woche irr Spiel und Brauch. 
Don H. W. Ludwig. 
Zu den Zeiten unserer Vorfahren, der alten 
Germanen, schlang sich ein Kranz heidnischer 
wrtten um das Frühlingsfest, das der Göttin 
Ostara geweiht war. Während einige Forscher 
der Sprachwissenschaft den Namen dieser angel 
sächsischen Göttin mit der Bezeichnung 
„Ostern" in Verbindung bringen wollen, er 
klären andere Gelehrte die Ableitung von dem 
altdeutschen Wort „Ursten" als richtig, was so 
viel heißt wie Auferstehung. In den noch heute 
üblichen christlichen Gebräuchen der Osterzeit 
läßt sich vielfach der heidnische Ursprung erken 
nen, ja, es gibt sogar eine ganze Reihe volks 
tümlicher Sitten, die unverfälschten heidnischen 
Aberglauben verraten. Ein erheblicher Teil 
der Ostcrbräuche, die früher allgemein üblich 
waren, ist jedoch fast völlig verschwunden, von 
ihnen legen nur noch alte Abbildungen und 
Aufzeichnungen der Chronisten Zeugnis ab. 
Palmsonntag: In den vergangenen Jahr- 
lunderten wurden an dem letzten Fajtensvnn- 
tag, dem Sonntag vor Ostern, in der Kirche 
Palmenzweige geweiht, die bei der Prozession 
zur Erinnerung an den feierlichen Einzug 
Christi in Jerusalem Verwendung fanden. Bei 
diesem Umzug, der unter dem Namen „Palm 
eselprozession" bekannt war, führte man das 
Tier, das den Heiland trug, mit herum, beglei 
tet von Kindern, die Palmenzweige in der 
Hand hielten. Der Palmesel wurde häufig durch 
eine holzgeschnitzte Figur dargestellt, die auf 
einem Brett mit Rädern gezogen wurde. In 
manchen Orten erlaubte man auch den Kin 
dern, auf dem Palmesel zu reiten, weil der 
Aberglaube herrschte, daß sie durch diesen liiitt 
vor Krankheit behütet würden. In Augsburg 
schenkte man den Kleinen zur Erinnerung an 
das Palmfest Eselsfiguren aus Holz. Ein be 
sonders eigentümlicher Brauch hatte sich in 
Aalen in Württenrberg eingebürgert: Dort 
schickte man die Kinder zu den Gräbern der 
Verwandten und beschenkte sie mit Leckerbissen, 
indem man ihnen sagte, die Süßigkeiten seien 
von den Verstorbenen für sie aus dem Grabe 
herausgereicht worden. 
Charwoche: Mit diesem Namen wird die 
Woche vor dem Osterfest bezeichnet, er rührt 
von dem altdeutschen Wort chara — Trauer, 
Klage her. Die Sachsen-Weymarsche Kirchen 
ordnung vom Jahre 1548 schrieb vor, daß zur 
Osterzeit kein Gericht gehalten werden dürfte, 
aber auch keine öffentliche Hochzeit erlaubt sei. 
In einem anderen Werk aus jener Zeit lesen 
wir: „Es werden in dieser Festzeit die Ge 
fängnisse geöffnet und die Gefangenen, die 
nicht grober Missetaten wegen gefangen sitzen, 
freigelassen, damit sie an der Freude des Oster 
festes teilnehmen mögen. An denjenigen aber, 
oie wegen schwerer Verbrechen gefangen blei 
ben, darf keine Exekution vorgenommen wer 
den. Zugleich ist es auch verboten, in solcher 
Zeit öffentliche Schauspiele abzuhalten, damit 
das Fest nicht entheiligt werde." 
Gründonnerstag: Er war von der Kirche 
dem Gedächtnis der Einsetzung des heiligen 
Abendmahles gewidmet. Im Mittelpunkt der 
Feierlichkeiten stand die fromme Sitte der Fuß 
waschung und Speisung von zwölf Armen. In 
England herrschte seit alter Zeit der Brauch, 
daß an diesem sogenannten „Korbdonnerstag" 
immer soviele arme Männer und Frauen, wie 
der König oder die Königin Jahre zählte, in 
der königlichen Kapelle in Whitehall mit Fi 
schen, Rinderbraten, Brot und Bier beschenkt 
wurden. — In Antwerpen stellte man im 
Hospiz des heiligen Julian am Gründonners 
tag eine reichgeschmückte Tafel mit den fein 
sten Eßwaren und den teuersten Getränken 
auf, zu der am Zlbend zwölf Arme, die in Rom, 
Loretto oder im heiligen Lande gewesen waren, 
geladen wurden. Die Eingeladenen erschienen 
hierzu in der gleichen Pilgertracht, die sie beim 
Besuch der frommen Stätten getragen hatten. 
— In Deutschland begann noch im 18. Jahr 
hundert am Gründonnerstag der Verkauf der 
Ostereier. In den Kirchen wurden die gefärb 
ten Eier körbeweise geweiht. Danach türmte 
man die Eier zu Hause in einer Schüssel zu 
Pyramiden auf, ließ sie auf der mit Blumen ge 
schmückten Tafel die ganze Woche über stehen 
und bot jedem Besucher davon ein Ei zum 
Charfreitag: Schon im 4. Jahrhundert war 
der „gute Freitag" der größte Buh- und Fast 
tag des ganzen Jahres, den man, ohne selbst 
Brot und Wasser zu sich zu nehmen, in Andacht 
und Gebet verbrachte. Im Mittelalter wurden 
an diesem Tage an vielen Orten in den Kir 
chen und aus den Friedhöfen die Leiden Christi 
dargestellt. Bon den alten Passionsspielen hat 
sich nur die Oberammergauer Passion, die 1634 
auf Grund eines alten Gelübdes aus der Pest 
zeit zum ersten Male aufgeführt wurde, bis in 
unsere Tage erhalten. Der Urtext des Lber- 
ammergauer Spieles war in Knittelversen ab 
gefaßt und enthielt außer der Leidensgeschichte 
auch noch Zwischenspiele von zum Teil sehr 
drastisch-komischer Wirkung. In keinem der 
mittelalterlichen Kirchenspiele, die von den 
Ortsbewohnern aufgeführt wurden, durfte die 
Figur des Teufels fehlen, der mit seinem Hof 
staat darauf ausging, die Menschheit zu ver 
derben. Heute ist es uns kaum mehr verständ 
lich, wenn sich in den Osterspielen selbst die 
Geistlichen die größte Mühe geben, die Zu 
schauer zwischendurch durch alle möglichen Pos 
sen zu erheitern. Das einst aber so allgemein 
übliche „Ostergelächter" gehörte eben zum Ge 
schmack der Zeit, und wir dürfen uns deshalb 
nicht darüber wundern. Das Oberammergauer 
Passionsspiel wurde nach einem Verbot im 
Jahre 1780 nur unter der Bedingung wieder 
erlaubt, daß alles Anstößige daraus ver 
schwand. 
Osterfest: Am ersten Osterfeiertag brachte 
man früher bestimmte Speisen wie Kuchen, 
Fleisch, Brot und Eier in die Kirche, um sie 
weihen zu lassen. Die Körbe, in denen sich die 
Speisen befanden, wurden mit schneeweißen 
Tüchern bedeckt. Kaum war der Weiheakt durch 
den Priester vollzogen worden, so eilte jeder 
nach Hause, denn hier erwarteten die Daheim 
gebliebenen bereits sehnlichst „das Geweihte", 
da.s sie nach der langen Fastenzeit als erste 
Speise zu sich nahmen. Die Eier wurden vor 
der Weihe besonders vorbereitet, indem man 
die Spitze der Eierschalen vorsichtig entfernte, 
in dem Glauben, daß dadurch die Kraft des 
Segens tiefer eindringen könne. Als besonde 
res Ostergebück galt der Osterfladen, der aus 
Mehl, Milch, Eiern und Butter hergestellt 
wurde und reich mit Rosinen und Gewürzen 
versehen war. Mit den Ostereiern schenkte der 
Taufpate seinen Patenkindern vielfach auch 
ein Gebäck in Hasengestalt zum Zeichen dafür, 
daß dieses Tier die Eier gebracht Habe. Eine 
recht merkwürdige Art, Kinder und Erwach 
sene „eindringlich" an die Auferstehung des 
Herrn zu erinnern, war die Sitte des „Schmeck 
ostern". Zu diesem Zweck machten sich die Kna 
ben kleine Peitschen aus abgeschälten Weiden 
ruten, durchflochten sie mit bunten Läppchen, 
und schlugen damit jeden, dem sie begegneten, 
wofür sie mit Gaben bedacht wurden. 
/ Ņoman von Hedda Lindner. 
Copyright by Carl Duncker Verlag, Berlin W 62. 
21) Nachdruck verboten. 
Gladys wurde rot und ärgerte sich, daß sie 
rot wurde. „Ach, Maud, rede nicht solchen Un 
sinn!" 
„Unsinn? Wenn eine Frau so plötzlich Wert 
auf ihr Aussehen legt, rst sie verliebt, erzähl' 
mir doch keine Geschichten: aber ich respektiere 
dein Herzensgeheimnis und werde erst einmal 
mit dir zu Monsieur Jean gehen." 
„Möchtest du mir verraten, wer Monsieur 
Jean ist?" 
„Daß du noch nicht einmal diesen Namen 
kennst, ist ein betrüblicher Bildungsmangel, 
mein Herz. Monsieur Jean, der Meister aller 
Frisöre, der Inhaber des besten Schönheits 
salons der Welt, der macht noch aus jeder Vo 
gelscheuche eine Venus. Und du bist nicht ein 
mal eine Vogelscheuche", fügte sie gnädig hin 
zu und lächelte. 
„Herzlichen Dank für das Kompliment. Also, 
aus zu Monsieur Jean." 
Maud hatte nicht zu viel gesagt, das gab 
Gladys ehrlich zu, als sie nach einigen Stun 
den ihr Spiegelbild betrachtete. 
Es waren allerdings sehr anstrengende 
Stunden gewesen. Monsieur Jean hatte sie 
eingehend gemustert, dann aber wohlwollend 
und aufmunternd genickt: „Oh, Madame war 
ein gutes Material, es würde etwas aus ihr 
zu machen sein." 
Und es wurde etwas gemacht. Das schwere 
dunkelbraune, aber stumpf und strähnig wir 
kende Haar, das in einem lieblosen Knoten am 
Hinterkopf festgedreht war, wurde rücksichts 
los abgeschnitten und mit Packungen und 
Essenzen behandelt, bis es einen tiefen, wei 
chen Glanz mit einem leuchtenden Kupfer 
schimmer bekam. „Eine sehr aparte Farbe hat 
Madame", meinte der Gebieter, über weibliche 
Schönheit befriedigt, „aber wir werden all 
mählich den Bronzeton noch mehr herausar 
beiten." Dann wurde das neuverwandelte 
Haar in ein Tuch gewickelk und nun das Ge 
sicht vorgenommen. „Madame hat „ein schö 
nes Oval", hieß es anerkennend „aber die 
hohe Stirne und die dichten Augenbrauen las 
sen das Gesicht zu streng erscheinen", und für 
die Haut, die ihm nicht gepflegt genug war, be 
kam Madame ein Gestchtsdampfbaö mit Mas 
sage, ein Büchschen mit einer wundervoll duf 
tenden Creme und den strengen Befehl, sich 
jeden Abend das Gesicht damit einzureiben. 
Dann wurden die Augenbrauen ausrasiert, 
bis an Stelle der breiten, buschigen ganz 
schmale zartgeschwungene Bogen wölbten, die 
tatsächlich erst richtig erkennen ließen, welch 
ausdrucksvoll große Augen von den dichten 
Brauen verdeckt gewesen waren. Und zum 
Schluß wurde das Haar in ganz lockeren, duf 
tigen Wellen in die hohe Stirn gelegt, und 
das gab dem schmalen Gesicht einen so verän 
derten Ausdruck, daß selbst Maud immer wie 
der erstaunt ihre Kusine ansah. Nun noch ein 
Tupfer Rot auf die Lippen, nicht zu viel, „das 
hat Madame nicht nötig", ein Hauch Farbe von 
den Backenknochen aus zu den Schläfen matt 
verlaufend, und Monsieur Jean erklärte mit 
der Befriedigung des Künstlers, dem ein aus 
gezeichnetes Werk gelungen ist: „Bitte sehr, 
Madame." 
Gladys starrt immer wieder überrascht und 
ungläubig ihr Spiegelbild an. Ist sie das 
wirklich, diese rassige, aparte Frau — sie schüt 
telt zweifelnd den Kopf, aber ihr Gegenüber 
im Spiegel macht die Bewegung mit — schließ 
lich streckt sie sich mit einer halb kindlichen, 
halb trotzigen Gebärde die Zunge heraus, das 
selbe tut die Frau im Spiegel — tatsächlich, sie 
muß es glauben, das ist sie, ganz wahrhaftig, 
das ist sie! 
Die nächsten Sitzungen werden festgelegt, 
auch Conchita soll kommen, und in der richti 
gen Haar- und Gesichtspflege unterwiesen 
werden. Das tat man sonst natürlich nicht, mit 
der Ausbildung des Personals gab man sich 
nicht ab, aber einer solchen Kundin gegenüber 
machte man doch einmal eine Ausnahme. 
„Uff", sagte Maud, die sich inzwischen na 
türlich auch einer gründlichen Behandlung 
unterzogen hatte. „Ich bin jetzt ziemlich er 
ledigt, das mutz ich sagen. Erst mitten in der 
Nacht aufgestanden". — „Wir standen in La 
Paz um sechs auf", warf Gladys ungerührt 
ein. — „Dafür liegt ihr nachher den ganzen 
Tag im Liegestuhl, bis die Sonne wegging, 
während wir doch heute schon schwer gearbei 
tet haben. Wir haben eine neue Frau aus dir 
gemacht, ist das etwa nichts?" 
„Gewiß, aber die neue Frau ist noch nicht 
vollständig. Es fehlt ihr vor allem die entspre 
chende Gewandung, du wolltest doch mit mir 
zu deinem Schneider . .." 
„Allmächtiger", stöhnte Maud entsetzt, „und 
das alles schon am ersten Tage! Ich sage ja, 
ihr Leute vom Lande seid nicht tot zu kriegen, 
wenn ihr mal in die Stadt kommt." 
Gladys blieb unerschüttert. „Ich habe nicht 
einen Tag zu verlieren", sagte sie mit einem 
Ernst, der sich seltsam von dem vorhergehen 
den heiteren Ton unteschieö, „nicht einen 
Tag", wiederholte sie nochmals und biß die 
Zähne zusammen. Maud sah sie von der Seite 
an. Merkwürdig, wenn sie dies Gesicht machte, 
glich sie ganz überraschend ihrem Vater, und 
dabei war eigentlich sonst gar keine Aehnlich- 
keit zwischen ihnen. 
„Na, schön, aber eine Erholungspause wirst 
du schon bewilligen müssen: ich schlage vor, 
wir frühstücken erst mal, und dann kann es in 
Gottes Namen weitergehen." 
In den großen Schneiderateliers war Maud 
Grogan eine bekannte und ihrem Scheckbuch 
entsprechend geschätzte Erscheinung: so wurde 
auch hier Monsieur Leblanc sofort von dem 
Erscheinen der wichtigen Kundin unterrichtet 
und erschien persönlich, um mit der Grazie 
und Gewandtheit des vollendeten Kavatiers 
Madame nach ihren Wünschen zu fragen. 
Maud erklärte ihm die Sachlage, darauf roll 
ten zwei riesengroße bequeme Klubsessel 
heran, ein Page brachte eine Platte mit Er 
frischungen, und dann ging es los. 
Vormittagskleider, Nachmittagskleider, Pel 
ze, Abendmäntel, Hausanzüge, Abendtoiletten 
— fast ununterbrochen zogen die Mannequins 
mit ihrem starren Lächeln vorbei, drehten sich 
vor den beiden Damen ein paarmal hin und 
her und verschwanden dann auf einen kurzen 
Wink der Directrice. Gladys wirbelte der 
Kopf. „Laß uns bloß aufhören, mir wird schon 
ganz schwindlig", bat sie erschöpft. „Nie im 
Leben finde ich mich da zurecht." 
„Das lernt sich, und rascher als du denkst", 
sagte Maud gleichmütig, „aber du hast recht, 
für den ersten Tag ist es wirklich genug. Das 
heißt, ein paar Sachen mußt du doch noch 
überziehen." Sie hatte mit sicherm Blick ihre 
Wahl getroffen, denn sie hatte tatsächlich einen 
guten Geschmack. 
„Das Vormittagskleid aus grstnem Woll- 
crepp mit dem gleichfarbigen Mantel, das 
braune Tuchkostüm mit Biberbesatz, das 
schwarze Velours Chiffon mit den Weißfüch 
sen, das rote Tanzkleid und — warten Sie — 
ja, den gelben Abenöpyjama in die Kabine", 
befahl sie. 
„Ich, ich möchte gern ein weißes Kleid", sag 
te Gladys fast schüchtern mit unmotiviertem 
Erröten. 
„Aber selbstverständlich", stimmte Monsieur 
Leblanc bereitwillig zu, „Mademoiselle, das 
weiße Tüllmodell mit Hermelinjäckchen sofort 
aus dem Atelier in den Probiersalon." 
Zum zweiten Male an diesem Tage steht 
Gladys in fassungslosem Staunen ihrem Spie 
gelbild gegenüber. In weichem Fall rieselt der 
flammendrote Chiffon an ihr hernieder, bei 
jeder Bewegung sprühen kleine Goldfunken 
aus der kostbaren Stickerei. Es ist unerhört, 
dieses Kleid, und es ist, als ob man mit seiner 
raffinierten Eleganz gleichzeitig etwas ganz 
Zteues, Unbekanntes in sich aufgenommen 
hätte, etwas, das plötzlich ins Blut geht wie 
ein Fieber und Müdigkeit und Abspannung 
und alles vergessen läßt. Zum ersten Male in 
ihrem Leben lernt Gladys das Gefühl ken 
nen, das für jede normale Frau mit zu den 
Höhepunkten des Daseins gehört, die „Freude 
an sich selbst". Und schon versteht sie nicht 
mehr, daß sie bis jetzt so gleichgültig auf die 
ses köstliche Gefühl verzichtet hat. 
Monsieur und sein Stab stehen bewundernd 
um sie herum. „Die Figur von Madame — 
wunderbar — einen so ebenmäßigen Wuchs 
findet man selten" — die Anerkennung klingt 
sehr viel wärmer, als es das Geschäftsinter 
esse erfordert — „es wird ein Vergnügen 
sein, für Madame zu arbeiten. Bitte, was dür 
fen wir noch notieren?" 
(Fortsetzung folgt.) 
mļ!6. leicht 
schäumend, 
ganz wundervoll 
im Geschmack. 
fürdie grOSSeTube 
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