Full text: Newspaper volume (1934, Bd. 1)

Jur Unterhaltung 
Rr. 63 
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt« 
Donnerstag, den 15 März 1934 
Matkowsky-Anekdoten. 
Zum 25. Todestag des großen Schauspielers am 16. März. 
Der kleine Ausreißer. 
Adalbert Matkowsky aus Königsberg, der 
Unvergeßliche Darsteller der Dou Carlos, 
Karl Moor, Tell, Götz und Wallenstein am 
^erliner Königlichen Schauspielhaus, mit 
Phantasie begabt, seine Helden mit Leiden 
dst spielend, voll urwüchsiger Kraft und zar- 
rer Empfindung zugleich, wäre fast ein Athlet, 
şongleur oder Clown geworden. Denn er 
Lernte mit sieben Jahren eine Artistenfamilie 
"es Zirkus Carre kennen, schmuggelte sich in 
Requisitenwagen hinein und begab sich 
Utit auf die Reise. Glücklicherweise gelang es 
«er Mutter, den Knirps am dritten Tage wie 
der nach Königsberg heimzuholen. 
Entweder — oder. 
Reisefieber hat Matkowsky stets im Blut ge 
igen und über seine Reiseerlebnisse hat er 
An nettes Buch geschrieben. Wenn es ihn 
backte, telegraphierte er einige Provinzbühnen 
an, um eine Gastreise machen zu können. Oft 
war es ihm gleich, wo er hin kam. Einmal 
spielte er in Minden in einer Verfassung, wie 
sie sonst edlen Zechern nur in frühen Morgen 
stunden eigen ist. Die Mindener waren ent 
rüstet und machten ihrem Aerger recht hörbar 
Luft. Schließlich fiel der Vorhang und bald 
irat Matkowsky vor zu folgender Ansprache: 
Meine Damen und Herren! Wenn ein Mat 
kowsky in Minden spielt, muß er wahnsinig 
oder betrunken sein,' ich habe das letztere vor 
gezogen." 
Im Frack. 
Er war eben ein großer Liebhaber eines gu- 
M Tropfens. In der „Hütte", Berlin W., 
^aubenstraße, war Matkowsky ständiger und 
stets lange festsitzender Gast. Eines Abend er 
schien er im Frack. Seine Freunde fragten, ob 
er von einem Fest käme oder noch etwas vor 
habe. Er verneinte beides. Warum denn aber 
ìw Frack? „Ich gehe doch morgen auf Urlaub, 
'^ch muß mich doch morgen um 12 Uhr bei Ex 
zellenz Hülsen verabschieden," sagte Mat 
kowsky. Warum er dazu schon jetzt im Frack 
komme, dazu sei doch noch am anderen Vor 
mittag Zeit, fragten die andern. Matkowsky 
war sichtlich erstaunt über diese Frage. Ganz 
naiv, als ob das selbstverständlich sei, erwider 
te er leichthin: „Ich kann doch nicht des Fracks 
wegen noch einmal nach Hause gehen!" 
Der Brief. 
, Schlagfertigkeit war ihm eigen. Und sie half 
chm oft aus der Patsche. Denn Matkowsky 
lernte seine Rolle nicht gern auswendig. Den 
Text von Briefen, die ihm während des Spiel«/ 
überbracht wurden, lernte er grundsätzlich 
nicht. Er brauchte ihn ja nur abzulesen. Ein 
Kollege wollte sich einen Spaß mit ihm machen. 
Er trat vorschriftsmäßig auf, ging auf Mat 
kowsky zu und überreichte ihm das „Schrei 
ben". Der große Schauspieler entfaltete es — 
ein unbeschriebenes Blatt. Gefaßt gab er dem 
Ueberbringer den Brief zurück: „Ich kann 
nicht,' Erregung übermannt mich. Meine Au 
gen stehen voll Tränen. Lies du!" Der andere 
war einen Augenblick lang verblüfft, doch 
dann zeigte es sich, daß er seinem berühmten 
Partner gewachsen war. Er faßte sich und ant 
wortete: „Verzeih, ich habe meine Brille ver 
gessen." Und Matkowsky mußte wohl oder übel 
mit Hilfe des Souffleurs den Text nun von 
sich geben. 
Elegio. 
Matkowsky liebte philosophische Unterhal 
tungen. Elegische Sentimentalität war ihm 
verhaßt. Einst ging er mit einem Freunde 
durch den Berliner Tiergarten. Man stellte 
Betrachtungen an über Kunst und Natur, Gott 
und Welt, Leben und Tod sowie über alle mög 
lichen andern Dinge, die das Menschenherz be 
wegen. Bis schließlich der Freund elegisch wur 
de und meinte: „Wozu das alles! Der Herbst 
ist da, die Blätter sind schon rot, der Winter 
kommt und alles muß sterben!" „Die Blätter 
sind rot, gewiß," erwiderte Matkowsky, „gewiß, 
lieber Freund, aber bedenke, was sie diesen 
Sommer auch alles mit ansehen mußten!" 
Nllirlei aus aller Mell. 
Vor dem Hai gerettet. 
Eine Anzahl Kinder spielte kürzlich an der 
Mündung des australischen Georgeflusses mit 
einem Ball, der plötzlich weit ins Wasser flog. 
Der Flußlauf ist nach dem Meere zu durch 
eine Reihe von Pfühlen gesichert, doch der 
junge MacClutcheon schwamm aus diesem ge 
sicherten Gebiet hinaus. Da tauchte dicht bei 
ihm ein drei Meter langer Hai auf, der mit 
den furchtbaren Kiefern Brust, Schulter und 
Oberarme des entsetzten Schwimmers packte. 
Um den wäre es wohl geschehen gewesen, wäre 
nicht auf die Hilferufe des Jungen ein Mann 
in den Fluß gesprungen. Das Aufspritzen des 
Wassers scheint den Hai erschreckt zu haben, 
denn er ließ alsbald von seinem Opfer ab und 
verschwand im tiefen Wasser. Dem jungen 
MacClutcheon wurden die schrecklichen Wun 
den mit nicht weniger als 60 Stichen genäht. 
Gleichwohl dürfte er ohne dauernden Schaden 
sein Abenteuer überstehen. 
Morgans Wette. 
Der Korruptionsskandal in den Vereinigten 
Staaten hat wieder einmal den Namen Mor 
gan in aller Munde gebracht. Jeder weiß von 
dem ungeheuren Vermögen, welches das Haus 
Morgan angesammelt hat,' weniger ist über 
die Persönlichkeit des alten Morgan, des Va 
ters von John Pierpont, bekannt. Er war ein 
Mann, der Menschenkenntnis besaß und gute 
Einfälle hatte, Eigenschaften, denen er viel 
leicht nicht zum wenigsten seine geschäftlichen 
Erfolge zu verdanken hatte. Eines Tages ließ 
er in verschiedenen Newyorker Zeitungen in 
großen Lettern folgende Anzeige erscheinen: 
„Bringt mir einen Dollar! Smith, Newyork 
Street 12." Tags darauf las man an der glei 
chen Stelle der Zeitung: „Ihr habt noch bis 
morgen Zeit, mir den Dollar zu bringen!" Am 
folgenden Tage hieß es: „Wenn Ihr mir heute 
nicht Euren Dollar bringen wollt,, so behaltet 
ihn! Morgen ist es zu spät!" Ein Berichterstat 
ter begab sich, um der Sache auf den Grund zu 
gehen, nach der angegebenen Adresse. Er fand 
hier eine liebenswürdige Sekretärin, die er 
klärte, sie sei ermächtigt, die Dollars in Emp 
fang zu nehmen, die man Mr. Schmidt brin 
ge,' im übrigen aber verweigerte sie jede Aus 
kunft über den Zweck, dem das Geld dienen 
sollte. Im Verlaufe der weiteren Nachforschun 
gen erfuhr der Berichterstatter, Mr. Smith 
sei niemand anders als Pierpont Morgan. 
Der Milliardär war eine Wette eingegangen, 
er werde in Newyork tausend Naive finden, 
die bereit seien, ihm ohne Sicherheit einen 
Dollar zu überlassen, in der Hoffnung, daß sich 
für ihn daraus irgend eine angenehme Ueber'- 
raschung ergeben werde. Am dritten Tag hat 
ten tatsächlich über tausend Leute den Dollar 
abgeliefert. 
Das Trichinen-Duell. 
Bismarck und Virchow waren bekanntlich 
politische Gegner und stießen mehr als einmal 
ziemlich hart aufeinander. Eines Tages 
glaubt sich Bismarck wirklich ernstlich belei 
digt und schickte deshalb einen Rittmeister mit 
einer Duellforderung zu Virchow. „Welche 
Waffen?" fragt der Professor. „Das können 
Sie selbst bestimmen," gab der Rittmeister zu 
rück. „So wähle ich Trichinen," sagte Virchow 
zu dem bestürzten Rittmeister. „Zwei Speck- 
stückchen werden auf einen Tisch gelegt, das 
eine trichinenfrei, das andere gespickt mit Tri 
chinen. Nachdem unsere Augen verbunden 
worden sind, muß jeder ein Speckstück nehmen 
und aufessen." Das Duell kam nie zustande! 
Die duftende.Stadt. 
Das bekannte Hauptquartier aller Wohl 
gerüche, Grasse, die kleine Stadt in Süöfrank- 
reich, ist im Frühling, zur Zeit der Blüten 
ernte von Pflückern und Pflückerinnen förm 
lich überschwemmt, denn die Essenzfabriken 
verbrauchen jährlich Blütenblätter von einer 
Menge, die nach Millionen Kilogramm rech 
net. Das Arbeitsgebiet sind die sonnigen 
Städte der Riviera, Cannes, Nizza, Monte 
Carlo und Mentone, die der Allgemeinheit 
sonst nur als Stätten des Müßigganges be 
kannt sind. Das Material liefern die sich 
ringsum ausdehnenden Blumenfelder, in de 
nen Narzissen, Rosen, Veilchen, Mimosen, 
Flieder- und Orangensträucher ihre Pracht 
entfalten. Ströme berauschenden Wohlgeruchs 
fluten durch die Straßen und vermischen sich 
mit dem frischen Duft der nahegelegenen 
Fruchtkonservenfabriken, in denen ganze 
Ananasfrüchte und Melonen, Birnen, Apriko 
sen, Pfirsiche, Feigen und Mandarinen lang 
sam in großen Kesseln mit heißem Syrup ko 
chen. 
Hrriere Ecke. 
„Welche Wirkungen haben Wärme und 
Kälte?" fragte ein Lehrer einen Schüler. 
„Die Kälte zieht zusammen, die Wärme 
dehnt aus." 
„Recht so, könnt ihr das durch ein Beispiel 
aus eurer eigenen Erfahrung belegen?" 
Der Schüler schwieg, seine übrigen Kamera 
den glotzten einander an. Endlich stand einer 
auf und rief: „Oh ja! Wenn's heiß ist, werden 
die Tage lang, und wenn's kalt ist, werden sie 
kurz." 
* 
Im Jahre 1804 kündigte während eines 
Viehsterbens ein Landgeistlicher in einem 
Wochenblatt folgendes an: „Mittel gegen die 
Rindviehseuche, welches sich in meiner Familie 
seither immer bewährt hat!" Der Zensor fand 
„in meiner Familie" anstößig, strich den Pas 
sus und setzte dafür „bei mir". 
Schmerzloses Rasieren 
durch vorheriges Einreiben mit 
»«oder aber mit NIVEA-0L 
vir Blume. 
Ņtts dem Erlebnis der Kriegsgefangenschaft 
von HeinrichEckmann - Hohenwestedt. 
VIII. 
Heinrich Blume war ganz verwirrt, er steckte 
Me Briefe von Margot in seine Brusttasche, 
stahm sie noch einmal heraus und legte auch 
fe Bilder dazu. In der linken Seitentasche 
5î e „Züricher Novellen", rechts die „Leute von 
^eldwyla", einen Atlas unterm Arm — und 
^ün konnte die Reise seinetwegen losgehen. 
Ein paar Tage später wurde das Lager ge- 
Mmt. Der Zug brachte uns nach Southamp- 
;°tt. Dort nahm uns ein Schiff auf, das mit 
Zeichen des Roten Kreuzes geschmückt 
^ar. Wir sahen noch, daß außer uns große 
'Rengen feldmarschmäßig ausgerüsteter Trup 
pen das Schiff bestiegen, Doch daun wurde die 
Außenwelt vor uns abgeschlossen. In einem 
meürigen Raume wurden wir zusammcnge- 
lAeben und später eingeschlossen. Kein Tages- 
llht erreichte uns mehr, alle Bullaugen waren 
.^geblendet. Ein paar elektrische Lampen nur 
Endeten matten Schein. Die englischen 
Wachtposten, die von Zeit zu Zeit die Tür öff- 
'Mn, trugen Rettungsgürtel und Schwimm 
westen, wahrscheinlich wegen der U-Boots- 
^îfahr. Wir lachten darüber. Wir trugen 
^îchts, wir fühlten keine Angst. Wir waren 
M2,Begeisterung und sahen die indische Land- 
Mast vor uns aufblühen in den glühendsten 
Farben. Wir hörten im Dschungel die Tiger 
,^2en und verliebten uns schon in die indi- 
Men Mädchen. Heinrich Blume erzählte von 
^abindranath Tagore, dem großen indischen 
Achter und Philosophen, der im Jahre vor 
Kriege den Nobelpreis für Literatur er- 
Mlt. Heinrich Blume hatte sich schon häuslich 
^gerichtet in diesem Dunst und Qualm und 
,w?^binander, in diesem Lärmen und Lachen 
itö Streiten und Begeistern. Den Atlas hatte 
J vor sich auf den Knien liegen und wartete 
ş' auf den Augenblick der Abfahrt. Ein paar 
ihm E statten sich um ihn gesammelt, um von 
Jpî lltehr über Indien zu hören. Sie wollten 
e * und das wissen und waren sich noch nicht 
klar, ob sie ängstlich sein oder sich freuen soll 
ten. Dort drüben stritt man sich nämlich über 
die Gefahr dieser weiten Reise. Einige fühlten 
sich geborgen unter dem Schutze des Roten 
Kreuzes, andere hielten spannende Vorträge 
über die Rücksichtslosigkeit der deutschen Un 
terseeboote. Fast schien es, als wenn es in 
diesem wüsten Durcheinander für einen 
Augenblick stiller werden wollte, als die eifri 
gen Verfechter des rücksichtslosen U-Boot- 
Krieges mit ihren Reden durch den Lärm 
drangen. 
Es war entsetzlich heiß in unserm niedrigen 
Gefängnis. Nun schon legte sich der brennende, 
stinkende Dunst auf unsere Sinne, trieb den 
Schweiß aus allen Poren, benahm uns den 
Atem. Ein paar große, leere Biskuitbüchsen 
standen mitten im Raume uns im Wege. Wir 
wußten nichts mit ihnen anzufangen und be 
trachteten sie unwillig und mißtrauisch von 
allen Seiten. Aber dann kam einer auf den 
Gedanken, daß sie wahrscheinlich eine Art von 
Latrine darstellen sollten. Wir lachten natür 
lich darüber und stießen die Blechdosen hin 
und her und spielten Fußball mit ihnen. Doch 
sollte noch eine Zeit kommen, in der wir si^ 
schätzen lernten. Nun schon, als wir noch ruhig 
im Hafen lagen, wurde der erste unserer Leute 
seekrank. Er sollte nicht lange der einzige blei 
ben, denn der Dunst der heißen, eingepreßten 
Luft drückte uns auf Brust und Kehle, und der 
Magen wollte sich vor Ekel umkehren. Wir 
saßen dort und knabberten und lutschten an 
einem Stück harten Schiffszwiebacks, um einen 
schlechten, widerlichen Geschmack loszuwerden. 
Drüben flogen die Skatkarten und brüllte 
der Lärm des Gewinners. Heinrich Blume ver 
suchte sich in die Züricher Novellen zu vertie 
fen. In seiner Nähe führten der Schauspieler 
und der Theologe eine tiefgründige Unterhal 
tung über Goethes „Faust", von diesem Stand 
punkt und von jenem Standpunkt aus. Der 
Kunstmaler hatte alle Farbe im Gesicht verlo 
ren und hockte dort wie ein Häuflein Elend. 
Und der Nachbar der Blume, der einmal ein 
so kluges Gespräch über Freundschaft und 
Liebe führen konnte, blickte sich ängstlich nach 
allen Seiten um, als ahne er ein drohendes 
Unheil. Hier wurden tolle Liebeserlebnisse 
ausgekramt, dort grübelte einer schweigend vor 
sich hin. Trotz aller Heiterkeit war es ein ziem 
lich trostloses Bild. 
Am Abend fingen die Schiffsmaschinen an 
zu arbeiten, ihr Lärm zitterte wie mit bren 
nendheißem Atem durch die dumpfe Schwüle 
unseres Raumes. Nun beendeten auch der 
Schauspieler und der Theologe ihre Unterhal 
tung über Goethe und beschäftigten sich mehr 
mit eigenen, persönlichen Angelegenheiten. 
Heinrich Blume las noch immer in den Züri 
cher Novellen. Er las einigen Leuten, die um 
ihn saßen oder lageu, daraus vor, um sie in 
die Kunst des großen Erzählers einzuführen. 
Aber die Leute sahen und hörten zuletzt nichts 
mehr, ihnen wurde ganz eigen schwindelig zu 
mute, nicht heiß und nicht kalt. Sie versuchten, 
müde und überanstrengt die Augen zu schlie 
ßen, einzuschlafen, ohnmächtig zu werden, für 
die Zeit der Reise zu sterben. 
Die See war unruhig, wir fühlten es, sie 
warf uns hin und her. Heinrich Blume mußte 
nun auch sein Buch beiseite legen, er konnte 
nicht mehr lesen, es tanzte und flimmerte vor 
seinen Augen. Er suchte sich auch ein Stück 
harten Schiffszwiebacks hervor und begann 
daran zu knabbern und zu lutschen. Er starrte 
einen Augenblick in den Lärm der Skatspieler, 
warf einen melancholischen Blick auf den At 
las, dachte au Margot, sah den blonden Lok- 
kenkopf, sah tausend blonde Lockenköpfe, sah 
zuletzt nichts mehr, nur ein Flittern und 
Flimmern von tausend durcheinanderwirren 
den Farben und Gedanken. Plötzlich war es 
ihm, als wenn er zu ersticken drohte, er mußte 
sich Luft machen, riß den Waffenrock auf, 
sprang wie ein wildes Tier steil in die Höhe, 
suchte nach einer der Biskuitüüchsen und wußte 
nicht mehr, was um ihn geschah. 
Als er wieder aufwachte, lag das Schiff still, 
und die Maschinen stampften nicht mehr. Im 
ersten Augenblick dachte Heinrich Blume, daß 
das Schiff von einem deutschen U-Boot ver 
senkt sei und nun auf dem Meeresgrunde 
liege. Er wunderte sich, daß er mit dem Leben 
davongekommen war und blickte sich erschrocken 
um. Aber nun sah er, daß mit ihm viele Ka 
meraden das Leben gerettet hatten und nur 
einige — der Kunstmaler und der Theologe 
waren auch darunter — mit blassen Gesichtern 
wie tot am Boden lagen. 
Heinrich Blume versuchte zu lächeln, aber es 
gelang ihm nicht. Ein entsetzlicher Gestank 
durchpestete den Raum. Die Türen waren noch 
immer fest verrammelt, und der Inhalt der 
Biskuitbüchsen lief über und bildete hier und 
dort kleine Lachen. Eiu neuer Ekel stieg aus in 
dem armen Gefreiten und wollte ihn abermals 
niederzwingen. Er legte sich wieder hin, schloß 
die Augen, fühlte ein erbarmungsloses Wir 
beln in seinem Kopfe, drohte zu ersticken, 
schnappte nach Luft und sank wieder in eine 
leichte Ohnmacht. 
Endlich wurden die Türen geöffnet und 
frische Luft strömte herein. Als Heinrich 
Blume die Augen öffnete, sah er, daß die 
Wachtposten ihre Rettungsgürtel und 
Schwimmwesten abgelegt hatten. Nun begann 
er sich darüber Gedanken zu machen, warum 
das Schiff still liege und nicht in voller Fahrt 
über den Ozean stampfe. Schließlich fiel ihm 
ein, daß sicher irgendein Hafen angelaufen sei, 
um dies oder das mitzunehmen oder auszu 
laden. Er fragte sich auch, wieviele solcher 
fürchterlichen Nächte er wohl noch zu durch 
leben habe, bis Indien erreicht sei und begann 
in seinem Atlas zu suchen, welcher Hafen an 
gelaufen sein könnte. Margot fiel ihm ein. 
Aber Kopfschmerzen quälten ihn. Es ging ihm 
nicht besonders gut, es ging ihm sehr schlecht. 
Die Kette seiner Gedanken erfuhr eine Un^ 
terbrechung, als ein englischer Offizier den 
Raum betrat, über den fürchterlichen Gestank 
fluchte und uns befahl, unsere Sachen an uns 
zu nehmen und das Schiff in Ruhe und Ord 
nung zu verlassen. 
„Was soll das denn bedeuten?" dachte Hein 
rich Blume. „Sollen wir das Schiff wechseln 
oder was bedeutet es sonst?" Er klemmte sich 
in die vorwärtsdrängende Menge und verließ 
mit ihr das Schiff. 
(Fortsetzung folgt).
	        
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