Full text: Newspaper volume (1934, Bd. 1)

•Deutsche <Reimat ♦ ütemde £ändec 
fâcieļ. aus Stockholm. 
Pein; Sigvard heiratet eine Berlinerin. 
Die junge Blondine im Filmatelier. — Trauung in London. — Wird „Mister G's" 
schlechte Laune verrauchen? 
Fast ist es, als wollte das bürgerliche Blut 
der Famlie Bernadotte, die seit mehr als hun 
dert Jahren den schwedischen Königsthron 
innehat, von Zeit zu Zeit an die Oberfläche 
drängen und alle Hindernisse konventioneller 
Vorurteile beiseite schieben. Noch nicht ein 
Jahr ist es her, daß Prinz Lennart, der Neffe 
des Königs, in London Fräulein Karin Niß- 
vadt heiratete,' er nahm für sich und seine Nach 
kommen den alten Familiennamen Berna 
dotte wieder an. Und nun wird Schweden durch 
die Nachricht überrascht, daß Prinz Sigvard 
in den nächsten Tagen eine junge Berlinerin 
bürgerlicher Herkunft ebenfalls in London zum 
Traualtar führen wird. Allerdings wird der 
Prinz diesen Schritt gegen den ausdrücklichen 
Willen des Königs und des Kronprinzen, sei 
nes Vaters, unternehmen. 
weilen unter dem Namen „Mister G." ein bür 
gerliches Dasein auf den großen Tennisplätzen 
Europas zu führen liebt, dürfte schließlich 
Verständnis für den Herzenswunsch seines 
Enkels haben. 
Die Geschichte dieser prinzlichen Liebe ist 
Nicht ohne romantischen Beigeschmack. Prinz 
Sigvard hat sich nach seinem in München ab 
geschlossenen Studium dem Film zugewandt, 
und eine ganze Reihe bedeutender Filme sind 
in den letzten Jahren unter seiner Mitwir 
kung als Regisseur hergestellt worden. Seit 
längerer Zeit arbeitet er in den Berliner 
Ateliers einer großen Gesellschaft unter an 
derem Namen. Da er nicht wünscht, mit seiner 
königlichen Herkunft Reklame zu machen, hat 
er sich einen bürgerlichen schwedischen Namen 
Zugelegt. 
' In seiner Begleitung, auch während der 
Filmarbeit, sah man in den letzten Monaten 
fast ständig eine blonde junge Dame, die unter 
dem Namen „Fräulein Erika" in den Film- 
Ateliers bald zu einer bekannten Erscheinung 
wurde. Es war Erika Patzek, die 22jahr. Tochter 
eines Berliner Kaufmanns. Die hübsche, kluge 
Berlinerin hatte es dem Prinzen derart ange 
tan, daß er bald täglicher Gast im Hause ihrer 
Eltern wurde. Er zeigte sich viel mit ihr in Ge 
sellschaft, so daß die eingeweihten Kreise Ber 
lins durch die Nachricht von der bevorstehenden 
Eheschließung keineswegs überrascht waren. 
Schon vor einigen Wochen sprach man in 
Schweden von den Heiratsabsichten des Prin 
zen, ohne daß man damals den Namen der 
Braut anzugeben wußte. Jetzt hat Prinz Sig 
vard feine Familie und die Ocffentlichkcit vor 
die vollendete Tatsache gestellt: er ist nach 
London gereist, um dort die letzten Vorberei 
tungen zur Trauung zu treffen. Auch seine 
Braut ist mit ihren Eltern unterwegs, so daß 
in wenigen Tagen das schwedische Volk um 
ein junges Paar reicher, das Haus Berna 
dotte jedoch um einen Zweig ärmer sein wird. 
Der Einspruch des Königs wird sich wohl kaum 
in einer völligen Lösung aller Beziehungen 
auswirken, da das Familienleben des Königs 
hauses als innig gilt. König Gustaf, der bis- 
Wie heute aus London berichtet wird, be 
finden sich Prinz Sigvard und Fräulein 
Patzek bereits dort. Der Prinz soll schon 1928 
die Absicht gehabt haben, eine bürgerliche Ehe 
einzugehen. Er wollte damals Greta 
Garbo heiraten. Seinem Vater gegenüber 
begründete Prinz Sigvard seinen jetzigen 
Schritt damit, daß ihm gestattet worden sei, 
einen bürgerlichen Beruf zu ergreifen. Infol 
gedessen müsse ihm auch zugebilligt werden, sich 
mit einer Bürgerlichen zu verheiraten. An 
dernfalls würde es einen Mißklang zwischen 
seinem beruflichen und persönlichen Leben ge 
ben. 
Der Vater der Braut ist der Wilmersöorfer 
Kaufmann Anton Patzek. Patzek betreibt ein 
ausgedehntes Fuhrparkgeschäft und ist Pächter 
fast aller Wochenmärkte in Wilmersdorf. Auch 
der Bruder der Braut, ein Berliner Rechts 
anwalt, weilt gegenwärtig in London. 
Riesiger Valdbrand in Sberikalien. 
DRV. Mailand, 23. Febr. (Eig. Funk 
meldung.) Ein äußerst heftiger Waldbrand wü 
tet seit Donnerstagmorgen in den Bergen am 
mittleren Lago Maggiore, nordwestlich von 
Pallanza. Bei starkem Wind breitet sich das 
Feuer trotz aller Abwehrmaßnahmen weiter 
aus. Große Waldgebiete und mehrere Viehhüt 
ten sind bereits vernichtet. Der Feuerschein ist 
von allen Punkten des Lago Maggiore aus zu 
sehen. Aus der ganzen Umgebung sind zahl 
reiche Feuerwehren, die durch starke Abteilun 
gen Miliz und Alpinisoldaten unterstützt wer 
den, zur Hilfeleistung herangezogen. 
Die Expedition 
nach dem Nanga Parbat. 
Der EiWĢkMŞil Hilst. 
Wie berichtet, wird eine deutsche Expedition 
unter Führung des Münchener Reichsbahn- 
beamten Willy Merk einen Angriff auf den 
Nanga Parbat, einen Berg von 8120 Meter 
Höhe im Himalajagebirge, riskieren. Gelingt 
das wagemutige Unternehmen, dann ist der 
erste „Achttausender" der Erde bezwungen. 
Mitte März wird sich in Venedig ein Teil der 
Bergsteiger einschiffen. 
Vor zwei Jahren bereits hatte Merk mit 
deutschen und amerikanischen Bergsteigern 
versucht, auf den Gipfel des Riesen zu gelan 
gen. In einer Höhe von mehr als 7000 Me 
tern mußte man umkehren, weil Unwetter 
einen Strich durch die Rechnung machte. Der 
neuen Expedition, deren Ausrüstung viel 
Energie kostete, gehören u. a. auch Neichsbahn- 
oberrat Drexel aus München und Reichs 
bahninspektor Baumeister aus Wien an. Im 
Hinblick auf seine wissenschaftliche Bedeutung 
wird das Unternehmen von der Notgemein 
schaft der deutschen Wissenschaft unterstützt. 
Desgleichen wurde es durch den Reichssport 
führer von Tschammer und Osten sowie den 
Deutsch-Oesterreichischen Alpenverein geför 
dert. Den Hauptanteil an den notwendigen 
Geldern tragen jedoch die deutschen Eisen 
bahner und die Reichsbahngefellschaft wegen 
der besonderen Beziehungen zu den Kollegen, 
die an der Expedition teilnehmen. Jeder deut 
sche Eisenbahner verpflichtete sich zu einem 
einmaligen Beitrag von mindestens 10 Pfg., 
dem sog. Eisenbahnergroschen. 
Mmu aus dem Ķriegspsad. 
Jndianergeschichten älteren Angedenkens 
werden lebendig. Die „Times" melden nämlich 
aus Südamerika, daß die Kommission zur 
Regelung der Grenze zwischen Venezuela und 
Kolumbien nachts von Indianern überfallen 
wurde. Die Wilden schossen mit Giftpflcilen, 
töteten drei Beamte und verwundeten neun 
Mitarbeiter. Die Indianer — man nennt sie 
die Motilones — sollen gelobt haben, sich dem 
Eindringen -er Weißen auf ihr Gebiet bis 
zum Tode zu widersetzen. In den letzten Jah 
ren bereits griffen sie wiederholt die Lager 
von Weißen an, die gekommen waren, um 
das Land auf Bodenschätze zu untersuchen. 
Auf die Dauer wird dem farbigen Mann, 
der mit dem Instinkt der bedrohten Kreatur 
das, was er für sein eigen hält, kämpfend ver 
teidigt, sein Widerstand nichts nützen. Zu sehr 
sind ihm die Waffen und die auf lange Sicht 
berechnete Taktik der Weißen überlegen. 
* * * 
Schnlkuaben bestehlen Kassen. 
In Berlin-Wilmersdorf fuhr eine angehe» 
terte Autolenkerin in eine Arbeitergruppe. 
Drei Arbeiter wurden erheblich verletzt. Der 
Autofahrerin — es handelt sich um die 36 
Jahre alte Eleonore G. aus Lichterfelde —< 
wurde der Führerschein abgenommen' das 
Auto wurde polizeilich beschlagnahmt. 
Bei einer Hermann-Stehr-Feier in Breslau 
wurde dem Dichter ein Bild des Führers mit 
der Widmung Hitlers „Hermann Stehr, dem 
deutschen Dichter" überreicht. Stehr sprach 
Worte des Dankes und schloß mit einem Sieg- 
Heil auf den Führer. 
Am 8. und 9. September ö. I. findet in Ham 
burg und Altona der Korpsappell des früheren 
9. Armeekorps statt. Die Anschrift des vorbe 
reitenden Ausschusses ist Hamburg 36, Neuer 
wall 41. 
In Köln konnten 23 Schulknaben im Alter 
von 7—12 Jahren überführt werden, seit län 
gerer Zeit systematisch Geldöiebstühle in Ge 
schäften und Gastwirtschaften ausgeführt zu 
haben. 2 oder 3 Kinder gingen in den Laden 
oder in die Gastwirtschaft und fragten nach 
Bildchen und Kistchen. Waren sie abgefertigt, 
wußten sie es stets so einzurichten, daß ein 
anderer Junge sich schnell in das Geschäft ein- 
schlich und versteckte. Im geeigneten Augenblick 
wurde dann die Kasse bestohlen. 
Krrrzr ysst. 
Auf den Kanarischen Inseln, in der Nähe 
des Ortes Teror, barst ein großes Wasserreser 
voir. Zwei Familien wurden von der Flut im 
Schlaf überrascht und ertranken. Andere Men 
schen, die infolge des Getöses erwachsen, rette 
ten sich, indem sie in die Kronen der Bäume 
flüchteten. 
Der kleine schwedische Dampfer „Catalogna", 
der Anfang Februar mit einer kleinen Ladung 
Pech von Venedig nach Gibraltar in See ge 
gangen und seitdem überfällig ist, scheint in der 
Adria Schissbrnch erlitten zu haben. Es wur 
den nämlich Schiffs- und Ausrüstungsteile des 
Dampfers an der Küste angeschwemmt. Wie 
groß die Besatzung war, weiß man nicht. 
Der Rektor der Johann-Wolfgang-von- 
Goethe-Universität in Frankfurt a. M., Pro 
fessor Dr. Krieck, dementiert Gerüchte von einer 
Auflösung der Universität. 
In Marburg starb im Alter von 71 Jahren 
der frühere langjährige Ordinarius für ger 
manische Philologie an der Marburger Univer 
sität, Professor Dr. Ferdinand Wrebe, der auch 
Direktor der Zentralstelle für den Sprachatlas 
des Deutschen Reiches und für deutsche Mund 
artenforschung gewesen ist. 
Während des Gaupartcitages der NSDAP, 
in Hamburg wird am Holsteuplatz vom Dach 
des Hochhauses herab ein 26 Meter hohes Ha 
kenkreuz leuchten, das drei große Pechpfannen 
trägt, die lodernde Flammen zum Nachthimmel 
schicken. 
Die ägyptische Polizei hat in Alexandrien 
den englischen Hauptmann Cecil Attfielö ver 
haftet, der im Hafen mit zwei Koffern voll Ha 
schisch (Rauschmittel) an Land zu gehen ver 
suchte. 
Der amerikanische Fliegerleutnant Lowry 
ist als Postflieger auf der Strecke Chikago- 
Cleveland in der Nähe von Napoleon (Ohio) 
tödlich abgestürzt. 
NeļlerberW. 
4 ton. 
Wahrscheinliche Witterung. Frische um West dre 
hende Winde, wechselnd wolkig, in den südlichen 
Teilen des Bezirks auch heiter, sehr mild, im Nor 
den des Bezirks nicht ganz niederschlagsfrei. 
Verantwortlicher Hauptschriftleiter und Herausgeber: Fer 
dinand Möller. 
Vertreter und Chef vom Dienst: Herbert Puhlmann. 
Verantwortlich für Politik: Herbert Puhlmann, für den 
allgemeinen Teil: Adolf Gregory für den wirtschaftlichen 
Teil: Dr. Johann Gosch, für den provinziellen und ört. 
lichen Teil: Karl Müller, alle in Rendsburg, 
Verlag und Druck: Heinrich Möller Söhne, Rendsburg. 
Verantwortlicher Anzeigenleitcr: Karl Jacobsen, Rendsburg. 
D.=A. I. 13 202. 
Der Marsch ttt die Ankunft. 
Originalroman von O t t o H a w r a n e ck. 
86) Nachdruck verboten. 
„Es ist das schöne Wetter", heuchelte Wolf 
und stieß das Fenster zum Tale weit auf, „für 
einen Apriltag übrigens eine drückende Hitze 
hoffentlich hagelt uns kein Wetter in die 
Bowle." > 
„Für alle Fälle würde ich Neinerz anweisen, 
keinerlei Mineralwasser zuzusetzen", ermahnte 
Harat und entwich lachend in die Kanzlei. — 
Dietrich Nauroth ritt zur selben Stunde dem 
Vorwerk zu. Immer drückender wurde die 
Hitze. Er trug eine alte Uniform ohne Abzei 
chen, verblichen und verbraucht. 
„Aber der gute Sitz und Schnitt überdauert 
alles", klang die Knabenstimme des kleinen 
Grafen Kulm in ihm auf, der das Monokel 
nicht fallen ließ, als ihm vor Guillemont die 
Kugel durch die Stirn fuhr. 
„Kragen auf", kommandierte er sich, seltsam 
ungerührt von der Erinnerung an den Kame 
raden. Alles geht, alles fließt, alles Leben 
mündet im Tod. Dein Opfer war nicht umsonst, 
kleiner Graf. Das Land denkt wieder deiner 
und der Millionen der toten Armee. Wir ha 
ben wieder ein reines Vaterland ^ unsere 
alten Fahnen wehen wieder... 
Leicht und frei war ihm heute zumute. Er 
spürte Kraft in sich und reckte sich im Sattel. 
Der Trakehner warf unruhig den Kopf auf, 
sein Schweif peitschte die Flanken. Toll, diese 
schwüle Hitze. Er schwippte mit der Reitpeitsche 
nach den Blutsaugern. Hei — auf dem Vorwerk 
war Leben eingezogen! Das vergrößerte Werk 
schrie mit Kreis- und Gattersägen. Die Hobel 
maschinen fraßen die Bretter, die Fräs- und 
Kehlmaschinen schrillten... Die Gutsziegelei 
nebenan mar wieder in Betrieb. Ueberall ar 
beiteten die Gruppen der Siedler. Dann wollte 
er hinüber nach Toska-Kreuz, wo Harms mit 
einem Kommando schaffte. Nein — erst auf 
schnellstem Wege nach dem Talsperrengebiet. 
Dort war Oberförster Hayler mit seinen Leu 
ten« und der neue Ingenieur montierte mit 
seinem Personal Maschinen in den Steinbrü 
chen. 
Der Trakehner fiel in Schritt, das Sattelzeug 
knarrte. Nauroth wischte sich die Stirne. 
Die Wege, überlegte er, die Wege! Sie hiel 
ten den Lastkraftwagenverkehr nicht aus. Die 
schweren Wagen mußten Spur fahren. Er zog 
die Zügel an, nahm die Gutskarte aus dem 
Aufschlag. Schwedenschanze — Toska-Kreuz — 
Talsperrengebiet — diese Straße mußte sofort 
werden. Er würde Harat den Vorschlag ma 
chen, vorübergehend Erdarbeiter anzuwerben. 
Er machte sich Notizen. 
„Grüß Gott, Herr von Nauroth!" 
Er schreckte auf. Annemt Hayler im einfachen 
Dirndlkleid, frisch und blank. 
„Sieh da — Fräulein Annemi!" Er sprang 
erfreut aus dem Sattel, nahm ihre Hand. 
, „Ich weiß, daß Sie keine Zeit haben", neckte 
sie. „Vater sagt, Sie reiten umeinander wie ein 
Geist, sind überall und nirgends..." 
„Schon", lachte er, frohen Zug im braunen 
Gesicht, „und es ist jetzt eine Freude, Fräulein 
Annemi..." 
Sie nickte ihm fröhlich zu. 
„Männer müssen werken können — und alle 
weil Sorgen haben ums Gelingen. Soll ich's 
Ihnen sagen? Heut' schauen Sie ganz anders 
daher, wie neulich, Herr von Nauroth. Gelt, 
bei uns wird man gesund an Leib und Seel'..." 
„Ja, Fräulein Annemi — so ist es! Oft 
wollte ich schon einen Sprung zur Frau Mut 
ter tun, aber es will mit der Zeit nicht langen." 
„Wenn's einmal langt, kommen Sie bitte, 
Mutter fragt oft nach Ihnen. Jetzt ltest sie 
viel. Eben geh' ich zum Herrn Pfarrer Bücher 
eintauschen..." plauderte sie. 
„Ist denn die Frau Mutter allein?" fragte 
er, während sein Blick sich an dem schönen Mäd 
chen freute. 
„Die alte Ursel ist bei ihr, unsere Magd, sie 
kann nimmer viel schaffen, aber eine treue 
Seel' ift's fürwahr. Ich will mich auch eilen,, 
beim Pfarrer gibt es so leicht einen Aufenthalt 
— alleweil richtet die Kathrin den Kaffeetisch, 
wenn ich komm'..." Sie reichte Nauroth die 
Hand, er drückte sie warm und sie mußte den 
Blick senken. — 
Er sah ihr versonnen nach. Dann riß er die 
Augen los. 
Also — ja, die Wege ^ : 
^Am Spätnachmittag verließ Nauroth das 
Talsperrengebiet. Er führte Kasimir fürsorg 
lich den steilen Waldweg abwärts zur Hoch 
ebene. Am Waldrand hielt er. Der Himmel 
hatte eine fahle, gelbe Färbung angenommen. 
Die sengende Hitze der letzten Stunden ver 
wandelte sich in drückende, unerträgliche 
Schwüle. Kein Lufthauch regte sich. Gräser und 
Blumen neigten sich, die Bäume standen wie 
gebannt mit hängenden Zweigen. Vogelgezwit 
scher verstummte, Schwalben schossen dicht über 
dem Erdboden. Die ganze Landschaft duckte sich 
wie gelähmt... 
Der Trakehner schnaubte ängstlich, seine 
Flanken zitterten. 
Ein schweres Gewitter war im Anzug. Nau 
roth spähte über die Hochfläche, seltsam berührt 
von der Angst der Natur und der Kreaturen. 
Ein Gewitter! — wirklich schade, ein so aufge 
klärter Mensch zu sein. Hier ist Elektrizität am 
Werk, sucht Ausgleich und Entspannung... 
Einst aber fuhr der rotbärtige Donar über 
die Wolken und zeigte den Menschen Gottes 
macht. Sein Hammer sandte Blitze... Jetzt 
gab es Blitzableiter, man sah dem Naturereig 
nis zu, zählte die Sekunden zwischen Sicht und 
Schall und berechnete mehr oder minder richtig 
Entfernungen. Das heißt, in der Großstadt sah 
man natürlich längst nicht mehr zu — da 
mußte man sich den Kopf verrenken, den Him 
mel zu sehen. 
Der Trakehner stampfte mit der Vorderhand 
den Boden, warf den Kopf auf — Schaum flog 
vom Gebiß. Das hieß: Mensch, Nauroth, fort 
von hier! 
Gut, Kasimir, wir wollen ja noch nach Toska- 
Kreuz! 
Der Braune flog über Rain und Weg, 
sträubte sich gegen die Zügelfaust -- der Reiter 
ließ ihm Freiheit. 
In Sekunden wurde es finster. Ferner Don 
ner grollte — verstärkte sich schnell. Jetzt wurde 
selbst Nauroth unruhig eine unerträgliche 
Atmosphäre. 
Da — was war das? 
Hohles Sausen am Waldhang zur rechten 
Hand! Krachen und Splittern! Ein Blick 
Bäume wirbelten durch die Luft!? 
Eine riesige, schwarze Windhose raste heran. 
Kasimir stieg mit einem stöhnenden Laut auf 
die Hinterhand — seine Hufe schlugen durch die 
Luft — berührten kaum mehr den Boden ^ 
der Reiter gab ihm alle Hilfen 
Die Baracken von Toska-Kreuz wuchsen auZ 
dem Boden. Die Windhose zog in Richtung 
Talsperrengebiet! Er mußte zurück! Aber keine 
Menschenfanst konnte dieses rasende Tier zü 
geln... 
Da ~ der Himmel barst auf in feuriger 
Lohe! 
Ein Donnerschlag, als wenn hunderttausend 
Bretter stürzten! 
Nauroth sprang zwischen den Baracken aus 
dein Sattel. Der Braune stand plötzlich mit 
eingestemmter Vorderhand, Schaum troff von 
Brust und Flanken 
Donner und Blitz — Schlag auf Schlag 
Harms, die Siedler sprangen zu. 
„Wo ist eine leere Baracke?" Nauroth zog 
das Pferd hinein und befahl: 
„Alle verfügbaren Leute sofort hierher!" Er 
suchte nach Zucker in seiner Tasche. „Tüchtig, 
mein Kasimir, hätte uns beinahe gehascht, wa 
ren wir einen halben Kilometer im Rückstand, 
— ruhig, mein Guter, wir sind in Sicherheit", 
er wandte sich zu Harms, „die Windhose ist in 
Richtung Talsperrengebiet davongejagt — wir 
wissen nicht, was es geben wird, lassen Sie prü 
fen, ob wir mit Frankenhof Verbindung ha 
ben ... 
Schwere Tropfen schlugen an die Scheiben, 
trommelten aufs Dach — Hagelkörner prassel 
ten — 
Plötzlich stürzte eine unhemmbare Flut her 
nieder. 
Wolkenbruch — ^ 
Harms kam zurück. 
KortMunI folgtj, ■
	        
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