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Schlsswîg-kolfteînischs
125. Jahrgang
125. Jahrgang.
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Notwendige Revision einer Fehlentwicklung
Die Zeitungsverbote bezw. -Verwarnungen in
Schleswig-Holstein finden in der deutschen Presse
steigende Beachtung und werden in den bürgerlichen
Zeitungen, wie z. 93. in Hamburg, kritisch als eine
Ucbcrfpannung der Notverordnungspraxis durch
die Zensur einer Provinzbehörde erachtet. Die
ganze Angelegenheit ist ja nach Ursprung und Ein -
zelauswirkungen so widerspruchsvoll, daß tatsächlich
die Presse alles Interesse an einer, Korrektur der
Maßnahmen gegen eine Reihe Zeitungen durch das
Reichsgericht bezw. ministerielle Instanzen hat, wo
bei die Klarstellung publizistischer Rechte im politi
schen Ausnahmezustand als Grundbedürfnis für
Presse, gesamte Oeffentlichkcit und Staatsgewalt
das Rahmenerfordernis bildet. Die provinziellen
Verschiedenheiten der Auslegung und Handhabung
von Bestimmungen, welche ihrem Wortlaut nach
der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung die
nen sollen, führen zu unhaltbaren Zuständen, und
eine Nervosität oder ein etwaiges Vorgehen ini
Affekt liegt schon garnicht im Interesse der Staats
politik, was wir hiermit wiederholt zum Ausdruck
bringen. Daß Maßregelungen der Presse eine zwei
schneidige Waffe sein können, sollten sich Behörden
auch zu Zeiten einer politischen Hochspannung und
eines Wahlkampfes sagen.
Die gegen eine Auswertung der Angelegensten
gerichtete Bemerkung in unserer Nr. 73 hat einer
Redaktion in einer Nachbarstadt Anlaß gegeben,
Zensuren auszuteilen. Sie scheint uns in der Sache
mißverstanden zu haben. Das Grundsätzliche
in der Wahrnehmung von Presseinteressen
war von uns gebührend hervorgehoben. Es wurde
lediglich beanstandet, im Zusammenhang mit einer
neuerlichen politischen Haltung geschäftlich schmek-
kende Anspielungen zu machen, die gerade in
Anbetracht des Grundsätzlichen n. E. im wohlver
standenen Interesse der Presse hätten unterbleiben
müssen.
Die Berliner „Tägliche Rundschau",
das Blatt des Christlich-Sozialen Pollsdienstes,
fordert infolge der Vorkommnisse in Schleswig-Hol
stein, die sic „übertriebene Verbotspraxis" nennt,
von der preußischen Regierung die Herausgabe von
Richtlinien an ihre Nachgeordneten Organe und
gibt in dem Zusammenhang der Meinung Ausdruck,
daß es garnicht schaden könnte, wenn Httler einmal
im Rundfunk spräche, am besten gleich in einem
Zwiegespräch mit einem verantwortlichen Staats-
man», damit durch Rede und Antwort die politische
Entschcidnng in Deutschland geklärt werde.
siedlung der Zöglinge aus provinzeigenen Anstalten
in Familienfürsorge und private 2lnstalten, Strei
chung aller über das gesetzliche Maß hinausgehen
den Maßnahmen usw. lassen sich dabei nicht mehr
umgehen. So gewiß es falsch wäre, das Kind mit
dem Bade auszuschütten, so sehr ist es richtig, recht
zeitig eine Aenderung in der Grundeinstellung na
mentlich auf dem Gebiete des Landesfürsorgewesens
anzuregen.
sen. Bei einem Bestand von 623 Zöglingen werden
für die Landesheilanstalt für Jugendliche in Hester
berg 896 150 RM. angefordert. Das sind pro Kind
und Jahr rund 1400 RM. Die täglichen Ausgaben
stellen sich also auf 4 RM. pro Zögling. Das sind
Summen» die in einer Zeit, in der in den Städten
selbst die Familienfürsorge stark eingeschränkt wird,
nicht verantwortbar sind. Zudem darf noch der er
ziehliche Wert der Unterbringung der Kinder in
komfortablen Heimen stark bestritten werden. Ziel
der Erziehung kann nur bas Bestreben ans Einglie
derung des Zöglings in seinen zukünftigen Lebens-
kreis sein, es erscheint aber ausgeschlossen, daß sich
gerade das Leben dieser Zöglinge etwa in einem
bewegt, der dem der Heime ebenbürtig
Von besonderer Seite wird uns anläßlich der
Etatberatung des Provinziallandtages geschrieben:
Das kommunalpolitische Interesse der nächsten
Tage wird sich auf die Beratung des 73. Provinzial
landtages im Kollegiensaale in Kiel richten. Es ist
kaum wie in früheren Jahren mit einem reibungs
losen Ablauf der Tagung zu rechnen, da zwischen der
Provinzialverwaltung und den großen Fraktionen
des Provinziallandtages insbesondere Meinungs
verschiedenheiten über die beantragte Erhöhung der
Provinzialsteuer von 15 auf 17 Proz. bestehen.
Während die Provinz-ialverwaltung ihren Etat in
seinem jetzigen Umfang vertritt, sind von seiten der
Fraktionen Meinungen laut geworden, daß wertere
Ersparnisse unvermeidbar seien. Zweifellos stellt der
Etat, wie er jetzt vorliegt, nur eine rohe Schätzung
auf der Einnahmcnseite dar, von der anzunehmen
ist, daß sie leider von der Wirklichkeit erheblich unter
boten wird. Die Entwicklung der Einnahmrschoump-
fung bei allen öffentlichen Körperschaften wird zwei
fellos auch in der Folgezeit anhalten, sie wird in
ihren schweren Auswirkungen nur ertragen werden
können, wenn gleichzeitig eine erhebliche Einschrän
kung aller Ausgaben eintritt. Das wird in zurei
chendem Maße aber nicht allein durch Abstriche bei
einzelnen Etatpositionen, durch Drosselung der Kul-
turausgaben usw. erfolgen können. Es gilt, gleich
zeitig Fehlentwicklungen der letzten Jahre rechtzeitig
zu ertennen und ihre fortdauernden Auswirkungen
durch schroffe Revisionen zu hemmen.
In der Fürsorge ist die Provinz im letzten Jahr
zehnt zu einer nicht unerheblichen Ausschaltung der
freiwilligen Fürsorgeeinrichtungcn geschritten. Ge
rade in Schleswig-Holstein ist in diesem Zeitraum
das Bestreben auf die Errichtung von Prooinzial-
onstalten deutlich erkennbar gewesen. Es sind na-
menklich auf dem Gebiete der Jugendfürsorge Ein
richtungen geschaffen worden, die man wohl mit
Recht als abwegig bezeichnen darf. Das gilt so
wohl bei den beiden Aufnahmeheimen in den Schlös
sern Selent und Heiligenstedten als auch von der
stark ausgebauten Landesheilanstalt für Jugendliche
in Schleswig-Hesterberg. Ohne eins Umstellung in
der provinziellen Fürsorgepolit'k wird man für die
Folgezeit kaum an eine wesentliche Etatbesserung
denken können. Don ben Bruttoausgaben von 31,7
Millionen betragen allein die Ausgaben für die Für
sorge 17 Millionen RM. Der Nettozuschuß für die
Fürsorge ist ohne erhebliche Erhöhung der Zahl der
Fürsorgebedürftigeil unverändert rund 4 Millionen
RM. geblieben. Es ist unverkennbar, daß sich Zu
schüsse'in dieser Höhe auf die Dauer nicht ausbringen
lassen. Andererseits wird eine wesentliche Herab-
Minderung nur dadurch erzielt werden können, daß
man die Leistungen der Provinz auf dem Gebiete
des Fürsorgewesens, wie es in den Gemeinden teils
unter dem Druck der Finanznot, teils durch staat
liche Anordnung geschehen ist, auf das gesetzlich vor
geschriebene Matz beschränkt. Davon ist die Provinz
zur Zeit noch weit entfernt. Die Landescrziehungs-
heime z. 93., die ihrem Charakter nach Aufnahmc-
heime sind, siiid mehr.und mehr Heime zu längerem
Aufenthalt der Jugendlichen geworden. Trotzdem
steht einwandfrei fest, daß eine Unterbringung der
Die hemmende Tributfrage.
Der GZgeàsuch nach Kiel.
In Kreisen der englischen Marine ist die Frage
ausgeworfen worden, ob in diesem Jahr der Gegen
besuch deutscher Kreuzer in einem englischen Hafen
erfolgen wird. Den Gepflogenheiten zufolge wäre
der Gegenbesuch air sich einige Monate nach der
Anwesenheit der englischen Kreuzer in Kiel fällig
gewesen, wurde aber im Borjahr aus finanziellen
Gründen verschoben. In englischen Fachkreisen ist
man der Ansicht, daß die Segelwoche von Tunis
Ende Juli oder Anfang August ein günstiger Zeit
punkt für einen deutschen Gegenbesuch sein würde,
da bis dahin die Reparationsfrage in großen Zü
gen unter Dach und Fach gebracht und damit eins
weitere internationale Schwierigkeit beseitigt sein
würde.
Rahmen
wäre.
Gerade in einer Zeit starker Finanznot aber wer
den die öffentlichen Körperschaften gezwungen sein,
öffentliche Mittel dort anzusetzen, wo sie zur Ge
sundung des Volksganzen und zii seiner Erhaltung
notwendig sind. Wenn heute der Unterstützungsrrcht-
satz für eine Familie im Durchschnitt aber nur 50
RM. monatlich beträgt, dann erscheint die Auf
wendung von 120 RM. für ein schwachsinniges oder
stark psychopathisches Kind stark übersetzt.
Me diese Frageii drängen nach Klärung. Man
darf rückschauend sagen, daß die Fürsorgepolitik der
Provinz sich in allzu weitem Rahmen bewegte. Es
wird darauf ankommen, wenn in Zukunft bei wei
terer Schrumpfung der Einnahmen eine erhebliche
Ausgabensenkung der Provinz stattfinden muß, die
Streichungen so vorzunehmen, daß sie vernünftig
und sinnvoll bleiben, und daß nicht nur Einzel-
gebiete (kulturelle Aufwendungen) völlig zerstört
werden. Da,bei wird der Provinziallandtag an den
Grundlagen unseres heutigen Fürsorgewesens nicht
vorübergehen können. Fragen wie di« stärkere Her
anziehung der freien Wohlfahrtspflege, die Um-
vàas «ķ!
rmMsig zurÄckgetzstten.
Das irische Kabinett hat beschlossen, die Ant
wort auf die englische Note über den Treueid und
die Entschädigungszahlungen noch nicht abgehen
zu lassen. Sie wird Gegenstand einer weiteren Ka
binettsberatung in den nächsten Tagen sein.
einer Listengemeinschaft regelrecht Beschluß
fassen will. Man bezeichnet den Hugenbcrg-
schen Vorschlag au und für sich als gesunden
Gedanken, den das Landvolk stets vertreten
habe, hält aber den von Hugenberg begange
nen Weg für falsch und glaubt, daß der deutsch-
nationale Parteiführer den richtigen Augen
blick verpaßt habe. Tein Vorschlag würde Aus
sicht auf Erfolg gehabt haben, wenn er unmit
telbar nach der ersten Hindenburgwahl an die
Mittelparteien gerichtet worden wäre. Nach
dem er in der Presse in Form eines offenen
Briefes veröffentlicht worden, sei für Ver
handlungen zwischen den Parteien kaum noch
eine Möglichkeit vorhanden.
Die von Hugenberg gewählte Vorschlags
form eines Offenen Briefes erregt auch bei
der Wirtschaftspartci Anstoß, und man er
klärt, daß Hugenbcrgs Vorschlag nicht disku
tabel sei.
Der Chxistlich-sozialc Volksdicnst gibt ve-
kannt, daß er ohne Bindung an andere Par
teien den preußischen Wahlkampf dnrchfechte,
und der christlich-soziale Führer Arbeitcrsekrc-
tär Hülser-Spandau erklärt, daß Hugenvergs
Bedingungen für Parteien, welche sich nicht
schon zu 99 Prozent aufgelöst hätten, unan
nehmbar wären.
Hugenbergs gestern mitgeteilter Vorschlag
an die Deutsche Volkspartei, die Landvolk-
unö Wirtschaftspartei-, ihre Kreis-Reststim-
men bei der preußischen Landtagswahl auf die
deutschnationale Laudesliste zu vereinigen
und die mit Hilfe der Lanöesliste Gewählten
bei öen Deutschnationalen im Landtag hospi
tieren zu lassen, begegnet keiner glatten oder
freudigen Zustimmung. Die Deutsche Volks
partei wirft Hugenberg namentlich im Hin
blick auf seine Bemerkung über die „schwan
kend Pu ihm Kommenden", die bei ihm „ein
geschmolzen" werden sollten, ein geistiges
Unvermögen vor» bürgerliche Sammlungs-
pvlitik zu betreiben. Wer anders als Hugen
berg denke und handle» sei noch lange kein
Haltloser oder Schwankender, sondern ein Po
litiker, der von persönlicher Ueberzeugung
und vaterländischer Verantwortung ein ganz
anderes Bild habe als der deutschnationale
Führer, ist ach dem Ergebnis des 13. März
möge Hugenberg, so heißt cs in der öeutsch-
volksparteilichen Stellungnahme weiter, Ver
anlassung haben, sein politisches Ansehen
durch eine neue Aktion zu heben. Für die
Deutsche Volkspartei bestehe keine Veranlas
sung, auf das Scheinangcbot einzugehen) die
Stimmen der volksparteilichen Wähler wür
den auf den Wahlkreislisten und dem Landcs-
wahlvorschlag zur Geltung kommen. Zum
Schluß glaubt man Hugenberg ankündigen zu
können, daß er mit dem Verlust der Hälfte der
öeutschnativnalen Mandate rechnen müsse,
demnach kaum in der Lage sein dürfte, anderen
Parteien Sicherungen zu versprechen.
In der Form verbindlicher, doch in der Sa
che ebenfalls zurückhaltend klingt es aus der
Landvoltpartei, öke heute über den Vorschlag
Morîtz-Zsrņow
M 3 Blonaten Gefängnis mruriM.
Das Schöffengericht Schöneberg hatte sich mit
einem Beleidigungsprozeß gegen den Schriftstelle!
Moritz-Zarnow, den Verfasser der „Gefesselten
Justiz", und den Herausgeber des „Deutschen
spiegel", Dr. Häubor, zu beschäftigen. Der Prozeß
war von dem sozialdemokratischen Landtagsabge
ordneten Kuttner in die Wege geleitet. Moritz-
Zarnow hatte in einem im „Deutschenspiegel" er
schienenen Artikel behauptet, daß Kuttner in sei
ner lluterlassungsklage gegen Moritz-Zarnow, die
am 30. Januar vor dem Kammergericht verhan
delt worden war, bereit gewesen sei, einen Mein
eid zu leisten. Das Schöffengericht verurteilte Mo
ritz-Zarnow wegen öffentlicher übler Nachrede in
Tateinheit mit öffentlicher Beleidigung zu drei
Monaten Gefängnis. In der Begründung führte
der Vorsitzende <mts, daß die Tendenz des Artikels
die Neigung zeige, einen politischen Gegner schwer
zu beschimpfen. Aus diesem Grunde könne dem
Angeklagten Moritz-Zarnow der 8 193 (Wahrung
berechtigter Interessen) nicht zugebilligt werden,
Der Mitangeklagte Herausgeber des Deutschenspie
gels, Dr. Häuber, wurde zu 200 Mark Geldstraf!!
oder ersatzweise 20 Tagen Gefängnis verurteilt.
Wàk HMZrjchn-Vrszeß.
Das Reichsgericht hat beschlossen, die Wieder
aufnahme und Erneuerung der Hauptverhandlung
gegen Bullerjahn anzuordnen. Bullerjahn war am
11. Dezember 1925 vom Reichsgericht zu 15 Jahre«
Zuchthaus wegen Landesverrats verurteilt wor
den. Davon hat er 6 Jahre verbüßt. Zur Vorbe
reitung seines Wiederaufnahmeverfahrens wurde
Bullerjahn vor ungefähr Jahresfrist aus der Hast
entlassen,
Zöglinge sowohl in Familienfürsorge als auch in
Heimen der freien Wohlsahrtspflege wesentlich bil
liger wäre. Es erscheint deshalb angebracht, daß die
Wiederheranziehung der freien Wohlfahrtspflege,
die wir irt den wesentlich günstigeren Vorkriegs
zeiten nicht entbehren koirnten, ernstlich geprüft
wird. Interessant i|t hinsichtlich der Heranziehung
privater Anstalten und der Familienfürsorge ein
Vergleich zwischen Schleswig-Holstein und der Pro
vinz Poinmern im Jahre 1929. Pommern hatte
2392, Schleswig-Holstein 2162 Zöglinge. Irr eigenen
Anstalten befanden sich ' n Pommern aber zu der
gleichen Zeit nur 86 Zöglinge gegen 337 (allo die
vierfache Zahl) in Schleswig-Holstein. Dagegen wa
ren in Pommern 1020 Zöglinge in privaten Anstal
ten untergebracht» während Schleswig-Holstein dort
nur 680 hatte. Bei deu in Familienpflege und Lehr-
lingsstellen untergebrachten Zöglingen zeigten sich
nur geringe Unterschiede.
Zn schweren 'Bedenken gibt schließlich die Tatsache
Zn.laß. daß insbesondere für geistig minderwertige
Linker erhebliche Summen aulacb rächt werden müs-
Der Zusammentritt des R e i ch stages dürfte
erst nach den Wahlen der Länderparlamente (24.
April) erfolgen.
Bisher şiitb für das dänische Gefallenendenkmal
im Marsetisborger Gedächtnispark 4012 Namen
dänisch gesinnter Gefallenen ange
meldet.