§ķ Unterhaltung
Nr. 64
Beilage der Schleswļg'Holsteînîschen Landeszcķļung (Rendsburger Tageblatt)
Mittwoch, von 16. März 1 ■'.i-
/
( Pünktlich wie immer schritt Theo Faustin durch
die Pforte seiner Fabrik. Mit energischen Schritten
ying der Fabrikherr durch das geräumige Kontor,
grüßte kurz und betrat dann seinen freundlich, aber
dis ins kleinste zweckmäßig ausgestatteten Arboits-
raum. Der Privatsekretär war aufgestanden und
wie immer dem Chef gefolgt, um ihm beim Ab
legen des Mantels behilflich zu sein, kurz Bericht
zu erstatten und die Weisungen des Fabrikgewal
tigen entgegenzunehmen.
„Neues?"
„Wieland u. Co. wünschen frühere Lieferung.
Abteilungsleiter erklärt sich außerstande."
„Bitten Sie ihn her. Weiter."
„Herr Schönfuß teilt mit, daß Wille u. Färber
in ZahlungsşchwieriFkeiten seien."
„Debet?"
„18 000 Mark. Ueberfällig."
„Telephonieren Sie, wann Anweisung zu er
warten. Verständigen Sie für alle Fülle den Air
walt. Weiter."
„Ein Privatbrief."
„Alles?"
„Dgs Wichtigste."
„Danke." Der Sekretär war entlassen.
Fünf Minuten später klopfte der erwähnte Ab
teilungsleiter an die Tür. Kein Herein! rief ihn.
Er klopfte nochmals. Wieder keine Antwort. Da
trat er ein.
„Guten Morgen . . Er vergaß, „Herr Fau
stin" hinzuzufügen. Der Anblick, der sich ihm bot,
roar ihm zu ungewohnt. Der Chef hatte beide
Hände auf den Tisch gestützt, den Kopf in die
Hände vergraben, und sah gedankenverloren auf
ein Bild nieder, das vor ihm lag. Theo Faustin
hörte und sah den Eingetretenen nicht, starrte nur
auf das Bild. Der Angestellte räusperte sich und
erschrak üBer seinen eigenen Laut, der die Stille
des Raumes zerbrach, raffte sich auf und sagte:
„Herr Faustin ließ enmich rufen."
Der Chef sah auf, aber sein Blick ging durch den
vor ihm Stehenden hindurch. Im Fernen schien
de-r Blick zu weilen. Jetzt raffte sich Faustin zu
sammen, aber es fiel ihm sichtlich schwer. Mit einer
Handbewegung winkte er ab und sagte: „Ich werde
Sie verständigen."
Als bei Angestellte gegangen war, stand Faustin
mis und durchmaß mit großen, schweren Schritten
k den Raum. Dann trat er ans Fenster und sah auf
die Straße hinunter. Aber er sah nichts von dem,
was unten vorging. Nichts sah er als das Bild,
das auf dem Schreibtisch lag.
Jetzt trat er wieder an den Tisch heran und
nahm den Brief auf, der neben dem Bild lag, las
-ihn zum dritten, vierten Male. Ein bitterer Zug
trat tu seift Gesicht, und es war, als ob feine Lip
pen ein Wort formen wollten, aber dazu kam es
nicht, die Lippen schloffen sich herb und fest.
Die Angestellten wunderten sich, daß der Chef,
der sonst mit unermüdlicher Energie Anordnungen
traf, heute nicht einen einzigen von ihnen zu sich
befahl. Der Sekretär hatte auf die Tritte hinter
der Tür gelauscht und war gewärtig, eine Fülle
von Aufträgen zu empfangen, aber der Chef rief
ihn nicht. Sollten ihn die gefährdeten 18 000 Mark
beschäftigen? Nein, ein Mann wie Faustin läßt
sich durch einen solchen Verlust nicht aus der Fas
sung bringen. Der Brief also, der Privatbrief.
Aber er ist ja von seiner Frau. Der Sekretär hatte
ihn an der Schrift erkannt. Doch wie sollte ein
Brief von seiner Frau Faustin aufregen! Ihr Ge
sundheitszustand ist zwar nicht der beste, aber die
Krankheit ist auch nicht so daß Beunruhigung am
Platze wäre. Was also kann es sein?
Der Sekretär hatte richtig geraten. Der Brief
von der Hand der Frau seines Chefs war die Ur
sache der Veränderung. Er hatte aber falsch ge
raten. wenn er die Ursache dieser Veränderung in
der Krankheit der Frau suchte. Ganz im Gegenteil.
Frau Faustin erfreute sich zunehmender Genesung,
first bester Gesundheit. Die Tatsachen in dem Briefe
hätten Faustin mit Freude erfüllen müssen. Und
das Bild, d-as dem Briefe bei lag, hätte ihn eben
falls erfreuen müssen, denn es stellte seine Frau
-dar und es bewies, daß der Arzt recht gehabt, als
er zu einem längeren Aufenthalt in Wiesbaden
riet. Das Bildnis zeigte die Frau zwar als eine
nicht mehr jugendliche, aber noch immer junge
Frau: der kränkliche, müde Ausdruck, der sonst 'in
den Zügen der Frau gelegen hatte, war geschwun
den. Eben das war es jedoch, was Faustin beschäf
tigte. Und noch etwas. Eine Stelle war in dem
Briefe, die ihn nachdenklich machte, nein, mehr, die
ihn aufwühlte. Im Grunde stand auch in dem
Briefe nichts davon, aber Faustin fühlte es zwi
schen den Zeilen, fühlte eine Frage heraus, die er
sich selbst stellte, und diese Frage war ihm wie ein
Peitschenhieb.
Jetzt richtete er sich auf. Ein Entschluß war in
ihm gereift. Er drückte den Knopf, der den Sekre
tär rief.
Lweèter äWmg. / s-» ss««.»
„Sehen Sie bitte nach, man der nächste Schnell
zug nach Wiesbaden fährt."
Der Sekretär kam zurück und meldete: „11 Uhr
20 Min."
„Ankunft?"
„18 Uhr 33."
„Ich reife. Sagen Sie Bescheid. Wichtiges kann
mir nach Wiesbaden gemeldet werden."
„Soll ich der gnädigen Frau depeschieren?"
fragte der Sekretär.
„Nein." Das klang hart und schroff, daß der An
gestellte verwundert droinblickte. Faustin steckte
Brief und Bildnis zu sich und verließ das Kontor.
ş Faustin faß tm Zuge und sah in die vorllber-
eilende Landschaft hinaus.
Zwei Männer stiegen hinzu. Unbekümmert um
ihn fetzten sie ihre Unterkaltung fort, die sich um
Geschäfte und Aktienkurse drehte. Faustin wandte
sich dem Fenster zu und zwang sich, nichts von dem
Jespräch zu hören. Wie ein Ekel stieg es in ihm
empor. Zahlen, Zahlen, Geschäfte,' Ein ganzes
Leben lang nichts anderes.Als ob das das Leben
sei! Einmal hatte auch er geglaubt, daß es für das
Leben genüge, wenn man sich regt und Gewinn zu
Gewinn häuft. Aber das war ja gar kein Gewinn.
gewesen. Zu ihr war er geflüchtet, als sich die Sor
gen häuften.
Diese Frau hatte ihm die Jugend geopfert, all
die Jahre, die hättenMvfüllt sein können vom Glück
schöner Zweisamkeit, in denen aber jeder von ihnen
einsam geblieben war.
Faustin entfaltete den Brief und las wieder:.
„Denke Dir, Lieber, wer noch hier ist: Georg Win
ter, meine einstige Tanzstundenliebe. Er ist nach
immer der „charmante Mann" von einst; nur
wirkt er heulte, nun er nicht mehr so schlank und
etwas gewaltsam elegant ist, ein wenig lächerlich,
wenn er zu charmieren versucht."
Eifersucht? Faustin sagte halblaut: „Unsinn!"
Aber er konnte sich doch nicht ganz verhehlen, daß
er eifersüchtig war. Lächerlich! Er und eifersüchtig!
Aber es sind eben oft die Lächerlichkeiten, die sehr
ernst zu nehmen sind. Und Faustin war gesonnen,
diese Lächerlichkeit ernst zu nehmen.
Als Faustin in der Pension vorsprach, wurde ihm
der Bescheid, daß die „gnädige Frau" ausgegan
gen fei.
„Sagen Sie, daß ich um 8 Uhr wiederkommen
werde."
„Den Namen bitte?"
„Tut nichts zur Sache . .
Dis ersten Vsrhotsrs öes äirhrmgs.
Schon sieht man nach den kalten Wintertagen die Kinder wieder das beliebte Marmel-
spiel auf der Straße treiben ein sicheres Zeichen dafür, daß die Tage wärmer gewor
den sind und der Frühling nun nicht mehr allzulange auf sich warten lassen dürfte.
So stand nur in den Büchern. Das war ein Ver
lust, denn man mutzte den Gewinn mit einem Le
ben bezahlen, das seinen Sinn verlor.
Es wurde ihm unerträglich, die zwei Männer
sprechen zu hören. Er stand auf und begab sich in
den Speisewagen. Ein junges Paar saß ihm gcgen-
ii&eu Der Mann hielt die Hand der jungen Frau
fest, streichelte sie, und die Frau sah zärtlich zu ihm
auf. Die beiden scherzten, lachten über irgendeine
Harmlosigkeit. Faustin verglich Wann hatte er
einmal gelacht, wirklich von Herzen und aus rei
nem Elücksempfinden heraus? Seins junge Ehe
war anders gewesen als die der beiden gegenüber.
Er hatte keine Zeit gehabt . . . Eine Brautzeit,
eins Zeit der Verliebtheit hatte es bei ihm nicht
gegeben. Dis Eltern hatten es für wünschenswert
gehalten, daß er das Mädchen nahm. Und er selbst
hatte erkannt, daß es geschäftlich klug war, denn
der Besitz war dadurch gewachsen, er hatte Bewe
gungsfreiheit erhalten. Sonst nichts. Von Liebe
hatte er nie gesprochen.
Kleine Erinnerungen drängten sich an Faustin
heran. Einmal hatte sich tote junge Frau unpäßlich
gefühlt. Er eilte trotzdem wie immer zur Fabrik.
Keine Sekunde später. „Ich schicke dir den Arzt,"
hatte er gesagt, als er sich verabschiedete, und die
Frau hatte seine Hand festgehalten und ihm mit
einem wehen Blick in die Äugen gesehen. „Bleib'
du bei mir!" hatte der Blick gebettelt. Aber er
hatte keine Zeit gehabt. Nicht einmal daran hatte
er gedacht, am Vormittag anzurufen und sich zu
erkundigen, wie es ihr geht.
Faustin nahm das Bild aus der Tasche. Das
also war die Frau, die länger als ein Jahrzehnt
an seiner Seite ging, von ihm behandelt, wie wenn
es ein toter Gegenstand sei, den man beiseite stel
len kann, wenn man seiner nicht bedarf. Und diese
Frau hatte nie geklagt, ihm nie Vorwürfe gemacht,
war immer die Dienende, Liebende, Verzeihende
Das war nicht mehr Faustin, der am Abend zur
Wohnung seiner Frau schritt, nicht mehr der un
ermüdliche Fabrikgewaltige, bei tüchtige Geschäfts
mann und kühle Rechner.
„Die gnädige Frau läßt bitten, im Lesezimmer
zu warten."
Eine lächerliche Komödie, die ich da spiele, sagte
er sich. Aber er fand keinen andern Weg. Gewiß
heit! Jetzt mußte sie sich irgendwie verraten.
Die Tür öffnete M. und vor ihm stand die
Frau, die er länger als ein Jahrzehnt besessen
hatte und die ihn jetzt wie eine Fremde anstarrte.
Aber nur einen Augenblick, denn schon im nächsten
lag sie an seiner Brust und schmiegte den Kopf an
seine Schulter. Wunderlich war Faustin zumute.
War das ein Schuldbekenntnis? Und nun gar die
Tränen in den Augen der Frau? Er geleitete sie
zu einem Sessel und sagte dann, die Härte seiner
Stimme bezwingend:
„Dein Brief führte mich hierher. Was ist mit
Georg Winter?"
Da spielte ein glückseliges Lächeln um den Mund
der Frau, das er nicht verstand.
„Gar nichts, Liebster. Ich habe mich so nach dir
gesehnt und nicht gewagt, dich hierher zu bitten,
weil ich befürchten mußte, eine Absage zu bekom
men. Ich war all die Zeit über allein und hatte
nur einen Gedanken, dir begehrenswert zu wer
den. Ist es mir gelungen?"
Faustin zog seine Frau an sich und küßte sie.
„Ja Lieb, es ist dir gelungen. Ich habe heute erst
erfahren, daß ich eine schöne und begehrenswerte,
aber auch eine kluge Frau besitze, du kleine In
trigantin . . . Aber nun muß ich in die Fabrik
telephonieren. Entschuldige mich einen Augenblick."
Schon wandte er sich zur Tür. Aber jeder seiner
Schritte wurde zögernder. Plötzlich stand er wie
festgewurzelt, drehte sich um und schritt zu seiner
Frau zurück. „Nein Lieb," sagte er und beugte sich
nieder, „jetzt habe ich für so etwas keine Zeit."
Dmà Wà
Spielzeug für 100 000 Mark.
Auf der letzten Newporker Autoschau war dar
Ziel zahlloser Besucher das naturgetreue Model
einer bekannten Automobilfabrik in einer Bettlet
nerung von 1:123, 6 Meter lang. 1,20 Meter breit
das imstande war, stündlich 1-10 Miniaturautos au-
den Bestandteilen zusammenzusetzen. So wie in der
wirklichen Fabrik gibt es auch hier keine Lager
räume, da das Rohmaterial nur im gleichen Maße
angeliefert wird, wie man es weiterverarbeitet und
die fertige Ware verschickt. Auch im Modell wurden
die winzigen Fahrgestell-Rahmen von Waggons ent
laden, die Achsen, Motoren, Karosserien auf dem
laufenden Band ganz mechanisch angefügt und die
fertigen Wagen einer Verladerampe zu Spielzeug.
Eisenbahnen zugeführt.
Der Bibliotheksbau des Münchener Deutschen
Museums.
Der neue Bibliotheksbau des Deutschen Museums
in München ist, wie verlautet, jetzt fertiggestellt wor
den und wird im Rahmen der traditionellen Jah
resversammlung am 7. Mai feierlich der Oefsent-
lichkeit übergeben werden. Die Bibliothek umfaßt
mehr als eine Million Bände.
Kein Aufpumpen von Pneumatiks mehr!
Um das für den Kraftfahrer recht lästige Auf
pumpen der Pneumatiks zu vereinfachen, bezw.
ganz in Fortfall zu bringen, ist kürzlich eine Er
findung gemacht worden, die statt der Luft Koh
lensäure verwendet.'Und zwar ist sie in einer
Kohlensäurepatrone enthalten, deren Füllung an
jedem Bierdruckapparat geschehen kann. Wenn'eine
Schlauchpanne eintritt, wird die Patrone mit dem
Füllkopf auf das Reifenventil gedrückt, worauf der
Schlauch in kurzer Zeit wieder prall gefüllt ist.
Die kleinen Patronen enthalten 30 Gramm Koh
lensäure und reichen für zwei Motorradreifen oder
einen^ kleinen Autoreifen aus. Die großen fassen
1.10 Gramm des Gases und können zwei normale
Autoreifen füllen. Auf demselben Grundsatz be
ruht übrigens auch ein pneumatischer Waaeu-
heber.
Ern Haus für 30 860 Kaufleute.
,.Ņs Mittelpunkt für den Warenhandel wurde
kürzlich, wie die „Umschau" berichtet, in Chicago
ein Riesenbau errichtet. „The Merchandise Mart".
Bei einer Länge von 220 Metern und einer Breite
von 90 Metern beträgt die benutzbare Bodenfläch,-
der 18 Stockwerke und des um 6 Stockwerke höbe-
ren Turmes 370 000 Quadratmeter. In dem Bau
können 30 000 Kaufleute untergebracht werden
Die Baukosten betrugen 35 Millionen Dollars.
Die Wiffenfchaft vom Schaumfchlagcn.
Gewiß werden die Hausfrau jene Versuche inter
essieren. die an einem landwirtschaftlichen Institut
vorgenommen wurden, um die günstigsten Bedin-
gungen für das Schlagen von Eierschaum festzustel
len. An der Menge und Festigkeit des in gleicher
Zeit geschlagenen Schaumes erkannte man: Eine
Spur Eigelb im Weiß behindert das Schlagen sehr,
doch läßt sich nicht das zähflüssige Eiweiß am besten
schlagen,^ sondern das mit Wasser verdünnte. Das
Vorauskühlen bringt keinen Vorteil. Das Alter des
Eies ist gleichgültig, selbst ein zwei Jahre lang kon-
lerviertes Ei gab gut schlagfähiges Eiweiß.
Hamlet mit Erammophonbeglettung.
^Jn Newyork wurden bei einer Aufführung von
„Hamlet" die Begleitmusik und die Geräusche das
Unwetter in der Geisterszene wie das Naheil der
Volksmenge durch Erammophonplatten und Laut
sprecher wiedergegeben.
f ssm àchesr rmö Lâchà
Zeitgemäße Steigerung.
„Günther, nenne mir ein Wort, das sich steigern
läßt."
„Ordnung, Herr Lehrer!"
„So? Dann steigere es!"
„Ordnung, Verordnung, Notverordnung."
(„Neue I. Z.")
*
Hartherzig.
»Du willst mir das Frühjahrskostüm also nicht
kaufen, Herbert? Sieh doch! Jeder Baum, ja jeder
Strauch, schmückt sich im Frühling mit einem neuen
Kleid."
„Dafür haben sie im Winter gar nichts all."
(„Fliegende ii. Meggendorfer Blätter.")
*
Vergeßlich.
„Woran hat denn Mama gemerkt, daß du dich
nicht gewaschen hast?"
„Ich habe vergessen, die Seife naß. zu machen!"
t..Matin."1