Full text: Newspaper volume (1932, Bd. 1)

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25. Jahrgang > Nr. 43 
Beilage der Schleswtq.Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
Sonnabend, den 20. Zebruar >932 
Das stamme Heer. 
Millionen toter Soldaten — 
Wir kennen die Namen nicht mehr — 
Rnh'n aus von ihren Taten; 
Ein großes, stummes Heer. 
Einst klang aus frohem Munde 
Das Lied von der Wiederkehr, 
Nun schläft im fremden Grunde 
Das große, stumme Heer. 
Es rveht durch die dunklen Zypressen 
Die Frage bang und schwer: 
Habt Ihr uns schon vergessen, 
Das große, stumme Heer? 
Wenn wir zur Freiheit schreiten, 
In harter Faust die Wehr, 
Dann kämpft an unser'« Seiten 
Das auferstand'ne Heer. 
Ernst L 3 n s, 
€im-ļŗirmerêwg ;ism ŅáàsmsàI. Şmr Osasg E-chsahach, 
Er hieß Franz Binder und war einer von den 
Hunderttausenden, die nicht aus jugendlicher Be 
geisterung in den Krieg zogen, sondern weil die 
Pflicht.es von ihnen forderte. Er ließ eine Frnu 
und zwei Kinder zu Haufe. 
Eigentlich gehörte er auch nicht in das Jäger 
regiment, das sich aus jungen Leuten zusammen 
setzte. Aber sein Kompagnieführer war dem Zufall 
dankbar, der den Ersatzreservisten Binder zu ihm 
geführt hatte. Denn er wußte aus Erfahrung, daß 
im Felde der gute Wille des einzelnen allein nicht 
genügte, um der Truppe über jede schwierige Lage 
hinweg zu helfen. Es bedurfte auch einmal eines 
aufmunternden Wortes, eines guten Beispiels, das 
nicht von den Vorgesetzten allein ausging. And 
hierfür war der Jäger Binder der geeignetste 
Mann. 
Er besaß eine gewisse Autorität seinen jungen 
Kameraden gegenüber. Sie hörten auf sein Wort, 
nahmen ihn sich unwillkürlich zum Vorbild, suchten 
bei ihm Rat und oft auch Hilfe, lind jeder, der 
einmal das Bedürfnis fühlte, als guter Soldat 
über alles — sonderlich über die Unvernunft der 
Vorgesetzten — zu schimpfen, der sah sich erst nach 
Franz Binder um, als wollte er fragen: „Was 
meinst Du dazu, Franz?" 
Dieses Mal war der Jäger Binder der Ansicht, 
inan könnte ruhig einmal ordentlich fluchen und 
sich die Wut von der Leber herunterschimpfen. 
Denn allmählich wurde die Lage hier unten in 
der Schlucht zum Auswachsen. Lag man da nun 
schon über eine Woche unter freiem Himmel ain 
Fuß dieser verdammten Sternkuppe, bie der Teufel 
dahin gesetzt haben mußte, damit sich der Italiener 
darauf verbeißen konnte. Tiefer Winter war es, 
und das nächste Dach lag irgendwo stundenweit 
entfernt im Tal. Die Maultiere mit den Essen 
behältern kamen nur dann und wann einmal durch 
das Sperrfeuer anr unteren Ende der Schlucht, und 
in den Hütten aus Tannenzweigen, die an der 
Wand klebten, ließ das qualmende offene Feuer 
die Augen ständig tränen und den geschmolzenen 
Schnee in den Hals der Fluchenden träufeln. Einer 
heulte vor Wut. 
Der Jäger. Binder lachte. Es war nicht ganz 
echt, dieses Lachen, aber die meisten merkten das 
nicht. Sie dachten sich, wenn der Franz lachen 
konnte, muß es wohl doch nicht so schlimm sein. 
So kamen sie über einen neuen Tag ohne warmes 
Essen hinweg, und als der Jäger Binder noch er- 
zählte, wie er sich auf das baldige Wiedersehen in 
der Heimat freue, weil doch den Italienern bald 
die ganze Lust am Kriegführen vergehen müßte, 
da dachten alle an ihr Mädchen, und wer noch 
keines hatte, der malte sich in Gedanken ein Bild 
vom zukünftigen Schatz und vergaß darüber diese 
verfluchte Schlucht, aus der es so recht kein Heraus 
kommen mehr gab. 
Dann war es mit dem Warten plötzlich zu Ende. 
Der Leutnant kam den Hang herunter gerutscht, 
aus der Richtung, wo der Vataillonsführer liegen 
mußte: „Kinder, in der Nacht geht's los! Wir 
müssen die Sternkuppe' nehmen. Es wird eine un 
angenehme Geschichte, aber besser, als daß wir hier 
Lg§mLa§sgeKcmkeer. 
„Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit 
mir im Paradies sein" (Luk. 23, V. 43). 
Für anständige Leute war Jesus längst anrüchig 
gewesen. „Der Zöllner und Sünder Geselle" hatte 
man ihn genannt. Das war aber kein Ehrentitel 
für ihn, wie wir das Wort heute verstehen, son 
dern eher eine Warnungstafel: „Hier wird man 
schmutzig!" Was damals nur Verdacht war, am 
Kreuz schien es offensichtlich bewiesen zu sein. Jesus 
war gehenkt unter zwei Mörder. Also in die Ge 
sellschaft gehörte er hin! Und nun ist es ausge 
rechnet noch ein Mörder, der sich vertrauensvoll zu 
ihm hält, und Jesus geht gewissermaßen die Ver 
brüderung mit ihm ein. Na ja! Man tat ihm also 
doch kein Unrecht, wenn man ihn „unter die 
Uebeltäter gerechnet"! So mögen anständige Leute 
dieses Gespräch naserümpfend angehört haben. 
Jesus selbst wird ganz anders empfunden haben. 
Ihm wird das Heilandsherz gejubelt haben, daß 
e-r doch noch einen Menschen mit sich vor des Vaters 
Thron bringen konnte, den Erstling aller Erlösten. 
Und was für einen! Einen, der wirklich und ganz 
verloren war, einen, an dem nach der Menschen 
und seinem eigenen Urteil nichts mehr zu ver 
lieren, folglich auch nichts zu gewinnen war! Ein 
solcher nun doch noch gewonnen und gerettet! 
Wenn ein solch wirklich „Verlorener" gerettet 
wird, ist das nicht ungleich größer, als wenn ein 
„anständiger" Mensch, der immer auf glatter Bahn 
gewandelt, selig wird? Das ist Erlösungswunder! 
Aehnliches erleben wir immer wieder. Wir ken 
nen den Hohn der Feinde Christi: Christen seien 
doch immer nur minderwertige Leute, geistlich 
Arme, geistig Arme, körperlich und seelisch Defekte, 
Schwächliche und Schwächlinge, alte Frauen und 
kleine Kinder! — Und wenns so wäre, wäre es 
nicht ein Ehrenblatt unsers Heilandes, daß seine 
Macht in Tiefen hineinreicht, wo Menschen sonst 
nichts mehr anfangen können? Wenn man es z. B. 
in Bethel erlebt, wie selbst das umnachtete Gemüt 
der Epileptischen vom Namen und Geiste Jesu 
fröhlich durchleuchtet wird; wenn Trinker oft nach 
vielen vergeblichen Ansätzen eigener Kraft, von 
aller Welt aufgegeben, im Namen Jesu der Lei 
denschaft und der Verführung standhalten können; 
wenn roheste Heiden friedliche Gotteskinder wer 
den, Mörder im vollen Frieden der Gnade heim 
gehen im Aufblick zum Heiland — das mag die 
höhnende Welt erst mal nachmachen! Und wir 
„Normalen"? Wenn es mit uns wirklich durch 
tiefe Nöte geht, Sorgen u. Verzweiflung über dem 
Haupt zusammenzuschlagen drohen, wenn Schuld 
das Gewissen zernagt, wenn es zur letzten Not — 
unser aller letzten Not — zum Sterben kommt, 
dann versagt alles, was Menschen Großes, Schö 
nes, Herrliches, Mächtiges gedacht, gesagt und ge 
macht haben. Dann ist aber derselbe, zu dem deu 
Schächer sich gewandt: „Herr, gedenke an mich!", 
auch für uns die einzige Zuflucht. 
Wie kommen wir zu solchem Glauben? Wie hat 
ihn der Schöpfer gefunden? Andemonstrieren läßt 
er sich nicht. Dem Schächer hat niemand einen Be 
weis geführt, daß der neben ihm Gekreuzigte doch 
der „Sohn Gottes" sei. Alle Versuche, uns psycho 
logisch zu erklären, wie der arme Mensch wohl zum 
Glauben gekommen sei, werden einen Nest unge 
löst lassen. Der Glaube birgt immer in sich etwas 
Irrationales, „was die Vernunft nicht fassen 
kann". Wer aber aus der Tiefe, wo er sich selbst 
verloren weiß, nach Jesus den Elaubensarm aus 
reckt, der erfährt es.im Frieden seiner Seele, daß 
man an Jesus und durch Jesus glauben kann und 
daß der Glaube hilft, wo nichts mehr helfen kann. 
Groß ist des Schächers Glaube, ganz gewiß. 
Aber größer ist des Heilandes Glaube. In dieser 
Lage, wo ihm alles zerbrach, wo er von allen Sei 
ten Unrecht bekam, von allen, auch den Treuesten 
verlassen wurde, wo die ganze Welt sich von ihm 
abwandte und auch Gott ihn scheinbar im Stiche 
lieh, wo ihm Leib und Seele verschmachtet, daran 
festzuhalten, daß er der „liebe Sohn" und der 
Mittler zwischen Gott und Menschen sei, und dann 
diesen Glauben, dem alle Erfahrung widersprach, 
nicht bloß still bei sich im Herzen zu hegen, sondern 
ihn einem verzweifelnd Sterbenden als gewissen 
Anker hinzuwerfen, das ist göttliches Macht- und 
Siegesbewußtsein. Darum bleibt das Wort an den 
Schächer eiu Leuchtturm für die Ewigkeit 
OiMZöm ķ. O. KgchmhsFsr 
Von Dr. Gunther Haupt. 
An einem sehr warmen Maitage, an dem man 
zaghaft die ersten Versuche machte, im Freien zu 
baden, sah ich E. G. Kolbenheyer zum ersten Male, 
ohne freilich zu wissen, wen ich vor mir hatte. Ich 
war eben als junger Student nach Tübingen ge 
kommen und vertat dis ersten schönen Tage der 
neuen Freiheit damit, mich hemmungslos den 
Eindrücken dieser herrlichen Landschaft hinzugeben, 
in die das alte Neckarstädtchen eingebettet ist. Mit 
Freunden lag ich irgendwo am Neckar herum. Wir 
hatten es uns mit Pfeife und Büchern auf dem 
warmen Sand der Ufer bequem gemacht. Plötzlich 
kriege ich einen Stoß in die Rippen: „Du, da oben 
geht Kolbenheyer!" Ich: „Wer ist Kolbenheyer?" 
Ich hatte keine Ahnung. Doch so ahnungslos war 
ich nicht, daß mich nicht dieser eindrucksvolle Kopf 
begeistert hätte, auf. den ich da aufmerksam ge 
macht worden war. 
Es dauerte einige Jahre, bis ich wieder diesen 
energischen Kopf mit den ungeheuer lebendigen 
und willenskräftigen Augen vor mir hatte und 
ihn einmal mehr als nur flüchtig betrachten 
konnte. In meiner Doktorarbeit stieß ich nämlich 
auf eine Frage, die den alten Bombastus Para 
celsus betraf, und ich bildete mir ein, ich könnte 
mir das Problem nur von Kolbenheyer lösen las 
sen. Selbstverständlich suchte ich nur nach einer 
Gelegenheit, den Mann, dessen Werk ich nun al 
lerdings sehr eingehend studiert hatte, einmal per 
sönlich aufsuchen zu dürfen. Mit einer guten 
Empfehlung bewaffnet, stieg ich also wohlgemut 
die schmale Treppe hinauf, die in Kolbenheyers 
Arbeitsraum führt. Der Dichter ist sonst eben nicht 
entzückt, wenn ihn neugierige Besucher beehre». 
Aber vielleicht machte es die Empfehlung oder ich 
hatte sonst einen günstigen Augenblick erwischt. 
Jedenfalls wurde ich sehr freundlich empfangeb 
und auch über das, was ich zu erfahren wünschte, 
bereitwilligst belehrt. Wir blieben aber nicht 
lange bei der trockenen Wissenschaft. Kolbenheyer 
wurde warm, erzählte mir von seinem Schaffen 
und seiner Einstellung zur studierenden Jugend, 
und die Stunde, in der ich bei ihm so sein durfte, 
Das ļrà Res Zeppelin „t. 32 
Englische Blätter bringen, verursacht durch das 
plötzliche Auftauchen des Logbuches des einstigen 
deutschen Zeppelin „L 32", eine ganz absonderliche 
Geschichte. 
Anläßlich eines Vorstoßes eines deutschen Luft- 
schlffgeschwaders gegen England im Jahre 1910, 
zu dem auch „L 32" und „L 33" zählten, wobei 38 
englische Untertanen getötet und 23 schwer ver 
letzt wurden, gelang es den Engländern am 24. 
September, die zwei vorgenannten Luftschiffe nächst 
Bildericay in der Grafschaft Essex zum Abschuß 
zu bringen. Nur der Kommandant des „L 33", 
namens Petersen, konnte sich nach Angabe der 
Engländer retten, während die übrige Besatzung 
der Luftschiffe entweder sofort tot war oder ihren 
erlittenen schweren Brandwunden im Spital er 
lagen. Nun, nach mehr als 13 Jahren, tauchte in 
England plötzlich ein vom Kommandanten des „1. 
32" mit genauen Aufzeichnungen versehenes Buch, 
anscheinend ein Logbuch, auf, in dem die Gewichts 
verteilung, der aufzunehmende Ballast, Oelvor- 
räte, Bomben, Gas und sonstige Geräte für jede 
Reise verzeichnet waren. Alle Seiten des Buches 
waren in allen Rubriken vollständig ausgefüllt, 
bloß die letztbeschriebene dreizehnte Seite war 
halbleer. Nun erinnerte man sich auch der sonder 
baren Rufe, welche der an Kleidern und am gan 
zen Körper brennende Kommandant des „L 32" 
ausgestoßen hatte, als er, schon halbverkohlt, aber 
immer noch bei Bewußtsein, aus dem brennenden 
Trümmerhaufen des „L 32“ gezogen wurde. „Drei 
zehn! Dreizehn!" rief er in einemfort. Es war die 
„dreizehnte Reise" des Luftschiffes, die so unheil 
voll endete. In seinen Armen hielt er krampfhaft 
ein ebenfalls halbversengtes Buch. 
Ein ill London lebender Kaufmann teilte nun 
der englischen Luftschiffbehörde diesbezüglich fol 
gendes mit. Vor kurzem kam zu ihm ein ehemaliger 
englischer Offizier, Captain Croßley, der ihm ein 
Buch, eben jenes Logbuch des „L 32“ zeigte, das 
gegenwärtig enteilt Freunde gehört. Dieser wieder 
erhielt es von einer Frau, einer Witwe, deren 
Namen aber bis jetzt geheimgehalten wurde. Ihr 
verstorbener Mann war Farmer in Essex, und 
zwar befand sich seine Wirtschaft ganz nahe der 
Stelle, an der der 
,L 32" brennend niederging. 
Als der Farmer dies sah, eilte er als erster sofort 
zu dem Wrack des abgestürzten Luftschiffes hin, 
aus dem Schmerzensschreie und Stöhnen ertönte. 
Alsbald bemerkte er auch eine ganz in Flammen 
gehüllte Gestalt — es war dies der Kommandant 
—, welche sich mit Mühe aus dem brennenden 
Trümmerhaufen herausgearbeitet hatte. Hart an 
seinen Leib gepreßt hielt er ein schon halb ver 
kohltes Buch. Die Verletzungen des deutschen Offi 
ziers waren so schwere, daß er nach wenigen Mi- 
nuten auf der Stelle starb, nicht bevor er die dem 
Engländer ganz unverständlichen deutschen Worte: 
„Dreizehn! Dreizehn!" ausgestoßen hatte. Der 
Mann soll nun das Buch dem Toten aus der Hand 
genommen und es zu sich in seine Wohnung ge 
bracht haben, wo es als „Kriegsandenken" ver 
blieb, auch als der Mann schon gestorben war. 
Erst viele Jahre später erinnerte sich dessen 
Witwe an das Buch des deutschen Luftschiffkapi- 
täns und zeigte es einem Bekannten, der es um 
eine ansehnliche Summe kaufte. Bei ihm sah es 
nun der vorerwähnte Captain Croßley, der wieder 
um dem Kaufmann in London gesprächsweise da 
von Bkitteilung machte. 
In eingeweihten Kreisen nimmt man nun an, 
daß dieses Buch seitens der englischen Heeresver 
waltung als ihr gehörig angesprochen werden 
dürfte und wahrscheinlich auch seinen Platz >m eng 
lischen Kriegsmuseum erhalten wird. 
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• : CE FALLEN 
M KWŞS 
4UR HEIMAT.- 
SSI 
Eindrucksvoller Gedenkstein für die deutschen 
Gefallenen auf dein Soldaten-Friedhof in 
Montdidier (Frankreich). 
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