Jut Unterhaltung
)«t. 71
Seila.qe &ec Schleswiq.Holsteinischen Landeszeittmg (Rendsburaer Tageblatt)
Die Toöesfahrt des MiMorrars». / Vs» L«iw:g «°« «sh,.
Gwendolyn Brandon saß am Frühstückstisch
und sah ihrem Mann zu wie jeden Morgen.
Tom hatte einen so wundervollen Appetit —
immer.
Eie selbst atz nie mehr als ein kleines Brötchen
mit Eurkenscheiben und ein wenig Obst.
^ Aber freilich, Tom war den ganzen Tag in der
Luft — und zwar im eigentlichen Sinne des Worts
— er war Sportflieger, der beste Sportflieger im
Staate Iowa, wie außer ihr auch noch anders
Leute behaupteten.
Ein breitgebauter kräftiger Junge, wirklich
noch ein Junge mit seinen ganzen dreiundzwanzig
Jahren.
Sie war fünfundzwanzig und cs gab Tage, wo
sie sich ihm gegenüber uralt vorkam.
^Er war so draufgängerisch, so optimistisch,
selbst in den schlimmsten Zeiten.
„Gib mir noch ein bißchen Tee, Erven!"
Sie schenkte ein und er betrachtete entzückt die
Deweguirgen ihrer zierlichen Hände.
Er war verliebt wie vor einem Jahr, als sie
geheiratet hatten.
„Wann startest du, Tom?"
„In einer halben Stunde. Given. Pracht-
«vetter, das."
^ Sie hatte ängstliche Augen.
„Du hast deinen Onkel seit Jahren nicht mehr
gesehen — er war nie recht einverstanden mit
unserer Heirat — glaubst du wirklich, daß —"
„Ich werd's schon schaffen, Gwen. Es geht
nicht ohne ihn. Also muß ich's schaffen."
„Zehntausend Dollar ist so viel Geld." sagte
sie leise.
Tom lachte.
. „Nicht für ihn, Kind. Er hat Millionen. Er
sst geradezu verbrecherisch reich. Er kann nie im
Leben ausgeben, was er hat. Ich muß jetzt gehen.
Darling. Heute nachmittag gegen sechs bin ich
in Kalifornien, ist das nicht ein komischer Ge
danke? Morgen abend bin ich wieder da."
Sie küßte ihn.
Er ging.
Sie wußte, daß er es nicht liebte, wenn sie
ihn zum Flugplatz begleitete.
lind sie wollte seinen strahlenden Optimismus
nicht trüben.
Sie wußte schließlich so gut wie nichts von
Toms Onkel, Oliver Westcott in Pasadena.
Nur, daß er reich war und daß er Toms
Heirat mit ihr so wenig gebilligt hatte, daß er
nur kurz und trocken telegraphisch gratulierte —
pe konnte sich schon denken, was er gegen sie hatte.
Sie brachte Tom nicht einen Cent in die Ehe
mit — reiche Menschen nehmen nichts so übel, als
wenn ihre armen Verwandten auch noch arm
heiraten.
Es ist beinahe wie eine persönliche Beleidi-
gllng in ihren Augen.
Gwendolyn Brandon seufzt«.
Zehntausend Dollar war viel Geld — auch
ein Millionär überlegte es sich, bevor er sie aus
gab, das war sicher.
Toms Idee, ein« Sportfliegerfchuls aufzu
machen^ war glänzend, es gab viel zu wenige und
sicher niemanden, der geeigneter für so eine Sache
war als er.
Er wußte auch mit den Schülern umzugehen,
er brüllte sie nicht wegen jeder Kleinigkeit an —
wie der alte Whistler oder wie Purvis, der sich
durch seine Kriegsmedaille dazu verpflichtet fühlte.
Es wurde sicherlich ein Erfolg und wenn nicht
ln einem Jahr wie Tom meinte — in zweien oder
dreien konnte er das Geld bestimmt zurückzahlen.
Aber, aber
Das Surren einer Flugmaschine unterbrach
Ihre Gedanken.
Sie stand hastig auf und lief zum Fenster.
Es war ein großer Doppeldecker, nicht feine
Maschine, natürlich nicht.
Er konnte es auch noch gar nicht sein.
Wahrscheinlich kam er nicht einmal hier vor
bei.
Sie blieb trotzdem am Fenster stehen bis der
Flieger, ein Pünktchen am Horizont der Häuser,
verschwand.
*
„Pasadena", dachte Tom Brandon und sah
auf di« Uhr vor sich.
Dreiviertel sechs, eine hübsche Leistung.
Was für ein Land da unten, Donnerwetter
ja.
Palmenwälder, tiefdunkelgrüne Baummassen,
zierlich überbrückte Wasserläufe — ganz fern der
Rauch von Los Angeles, der Riesenstadt — und
hier, sechshundert — jetzt nur noch vierhundert
Meter unter ihm, eingestreut zwischen üppigen
Gärten, di« weißen Flachdächer der Villen.
Hier wohnten ein paar hundert Menschen,
die alles Land in Iowa kaufen konnten, wenn sie
wollten, gepflegte, verwöhnte, völlig sorglose
Menschen.
Tom Brandon ging tiefer.
Dreihundertfünfzig — dreihundert Meter.
Nun die Villa Onkel Olivers finden — er
n>ar vor drei Jahren einmal dagewesen — auf
vierzehn Tage eingeladen.
Ob der alte Herr noch immer seinen scheuß
lichen schmutzig-weißen Kinnbart trug, mit dein
er aussah wie Onkel Sam persönlich?
Hier — nein — noch über den Palmenberg
weg — das war das Dach.
Er kreiste noch einmal zur Sicherheit — dann
stellte er den Motor ab, flog hübsch gezirkelte
Schleifen, und setzte auf einer kleinen Wiese auf,
kaum dreißig Meter von der Villa entfernt.
Es war eine Prachtlandung.
Er kletterte heraus, und ging auf die Villa zu.
Natürlich war alles zusammengelaufen, was
im Haufe war — ein halbes Dutzend Dienstboten,
darunter» Onkel Olivers spanischer Chauffeur, und
der kleine anamitische Boy. der nur für das Tele
phon da war.
Er kannte sie noch von damals her, Onkel Oli
ver war konservativ, er hielt seine Leute.
Da war er übrigens selber, saß auf der Ter
rasse und schien durchaus nicht erstaunt.
„Hallo", sagte er schon von weitem, „hast du
nichts besseres zu tun, als mir meine Wiese mit
deinem verdammten Karren zu ruinieren?"
«Hallo, Onkel."
Tom war heran, er bekam einen kühlen, le
dernen Händedruck.
„Wo brennt es?" fragte dann Oliver West
cott.
Er schloß die Augen halb und lehnte sich im
Korbsessel zurück.
Dieser junge kraftvolle Mensch in seinem Le
deranzug schien ihm physisches Unbehagen zu er
wecken.
Er blinzelte.
Tom Brandon holt« tief Atem.
, „Es kommt vielleicht ein bißchen plötzlich",
meinte er, „aber wenn du mich gleich fragst, werde
ich dir auch gleich antworten “
Er .zögerte aber doch.
Es kam ihm mit vineminal absurd vor, der
artig mit der Tür ins Haus zu fallen.
„Vielleicht läßt du mir erst ein bißchen was
zu essen geben." meinte er. „Ich habe seit heute
morgen nichts gegessen. Wie geht es dir über
haupt?"
„Ausgezeichnet." sagte der alte Mann unge
duldig. „Ganz ausgezeichnet. Es sind jetzt drei
Monate, daß ich nicht mehr im Geschäft bin, und
ich fühle mich wie ein Schlangenbeschwörer auf
Urlaub. Was willst du von mir? Los."
Tom Brandon riß sich zusammen.
„Also gut", sagte er, „es geht nicht mehr so
weiter mit uns, Onkel. Ich komme auf keinen
grünen Zweig."
„Aha", sagte der alte Mann höhnisch.
Tom Brandon schluckte.
„Nun will ich eine Sportfliegerschul« auf
machen", sagte er, „davon verstehe ich was und
di« Aussichten sind einfach glänzend."
Oliver Westcott knurrte etwas Unverständ
liches.
„Dazu. braucht man Kapital," fuhr Tom
Brandon fort. „Und —“
„Und das hast du nicht. Das willst du von
mir. Ich Habs zwar. Aber ich geb's dir nicht.
Sonst noch etwas?"
„Ich brauche zehntausend Dollar, Onkel", sagte
Tom leise.
„Du bist verrückt. Zehntausend Dollar. Laß
dir was zu essen geben, und fliege nach Hause. To
tal verrückt."
Tom biß sich auf die Lippen.
„Zehntausend Dollar sind nicht viel für dich,
Onkel — für mich bedeuten sie die Existenz!'
Gwendolyn muß selbst waschen, nähen, flicken, die
ganze Wirtschaft machen. Sie ist «ine sehr zarte
Frau und — ich kann's nicht länger mit ansehen."
„Das hättest du dir vorher überlegen sollen."
Ein« schmerzhafte Minut« des Schweigens.
„Gib mir das Geld, Onkel Oliver," sagte Tom
demütig.
Der alte Westcott stand auf — nicht ganz ohne
Mühe.
„Ich denke nicht daran", sagte er ruhig.
„Hallo — Johnson — bringen Sie Mr. Brandon
etwas zu essen und richten Sie ein Zimmer für
ihn her. Heute kannst du wohl nicht mehr zurück,
Tom. Mach kein wütendes Gesicht, ich weiß auch
so. daß du schlechter Laune bist. Nichts zu machen,
mein Junge. Vye — bye."
_ Warum schlage ich dem alten Schuft nicht den
Schädel <*m, dachte Tom.
Er blieb sitzen, wo er saß, mit schlaffen Glie
dern.
Er fühlte sich plötzlich müde, überanstrengt,
zerschlagen.
(Schluß iolgt.)
FriWisrgMhKm.
Tausend kleine Bäche fließen
In dem kahlen Stangenort.
Tausend grüne Blättchen schimmern
An dem dunklen Erabenbord.
Tropfen rieseln von den Zweigen,
Aebers Moor der Nebel zieht.
Leise flötet eine Amsel
Ein verwehtes Sehnsuchtslied.
. Ernst L ö n s.
Wdittik im AMmg.
Von K a r l Feder n.
Tie folgende Geschichte habe ich insofern
miterlebt, als ich im Kaffeehause saß, in das
der hagere und wohlgekleidete junge Advo
kat eintrat, der die überraschende Frage stellte.
Nachdem er sich gelassen seines Ueberrockes
entledigt und dem Kellner die Schattierung
des bestellten Kaffees aufs genaueste beschrie
ben hatte, fragte er, ohne eine Miene seines
glattrasierten Gesichts zu verziehen: „Wer
von Ihnen wünscht eine Weltreise zu machen?
Kostenlos natürlich, völlig kostenlos", fuhr er
fort, „das Billett von Cook, Aufenthalt in den
ersten Hotels mit eingeschlossen, liegt in mei
ner Kanzlei bereit . . — „Und wo ist der
Haken?" fragte einer von uns. — „Es ist kein
Haken, und die einzige damit verbundene
Verpflichtung ist, Reiseschilderungen nach
Europa zu schicken." — „A, also für eine Zei
tung?" — „Im Gegenteil, ich sagte ja nicht,
Reiseschilderungen zu schreiben, sie liegen be
reits geschrieben und verschlossen bei mir in
der Kanzlei; die Verpflichtung ist, sie mitzu
nehmen und von bestimmten Orten abzuschjk-
ken, sowie zweimal unterwegs größere Geld
beträge zu tetegraphieren, ... die übrigens
nicht eintreffen werden", fügte er, da wir laut
lachten, hinzu. Tiefe Mitteilungen wurden
bereits einem kleineren Kreise ernsterer,
wenn auch ungläubiger Interessenten ge
macht. Tann verlor sich das Gespräch zu an
deren Dingen und die ganze Sache wurde
wieder vergessen, besonders, da der Advokat
sie mit keinem Worte mehr erwähnte, und
als jemand daran erinnerte, sie als einen
Scherz abtat. Daß einer aus unserem ziem
lich weit gezogenen Kreise fehlte, fiel nicht
auf. Erst viel später erinnerten wir uns,
daß der blasse junge Mann, der sich für Nietz
sche und für japanische Kunst interessierte und
Gedichte in Prosa schrieb, an unserem Tisch
gesessen hatte. Er war übrigens, da all dies
ihn nicht nähren konnte, in irgend einem
„Frühling läßt sei« blaues Baud wieder flattern durch die Lüfte . -
Ein wundervoller Bliitenstrauß am K ö n i g s s e e im Berchtesgadener Land.
Mittwoch, oen 25 März 1931
Büro angestellt, und nur die Eingeweihten
wußten, daß er am andern Tag in der Kanz
le! des Anwalts gewesen, daß er einen länge
ren Urlaub genommen und auf einer Reise
um die Welt begriffen war, daß er tatsächlich,
ohne zu wissen, warum und auf wessen Kosten
er reiste, über Rom nach Brindisi, und von
Port Said^ durchs Rote Meer »ach Bombay
fuhr und Indien durchquerte, die Straße von
Singapore durchfuhr nach Shanghai und
Hongkong kant, ziemlich lange in Japan blieb
und dann durch die Südsee und über Vancou
ver quer durch die Vereinigten Staate» und
über den Atlantischen Ozean nach Hause zu
rückzukehren. Er hatte ein Jahr Zeit gehabt
und kam, um manche Erfahrung und um eine
wertvolle Sammlung japanischer Holzschnitte
reicher zurück, die er später an ein Museum
verkaufte.
Und für alles dies hatte er nichts getan,
als an bestimmten Orten verschlossene Brief-
umschläge geöffnet, ans denen der Name des
betreffenden Ortes geschrieben stand, und an
dere an verschiedene ihm völlig unbetannte
Personen adressierte v riefe herausgenom
men, mit den landesüolichen Briefmarken
versehen und zur Post befördert; und zweimal
hatte er, mit einer bestimmten Chiffre zeich
nend, an einen ihm früher genannten Notar
größere Geldbeträge telegraphiert, die er nicht
erhielt.
Jahre später erfuhren mir die Lösung,
die übrigens auch der Advokat damals selbst
nicht genau gekannt zu haben behauptete:
Eirl junger Husarenoffizier hatte eine
kleine Tänzerin unter allen Umständen hei
raten wollen. Sie war gar nicht berühmt, nur
jung und hübsch, und er verwendete alle seine
freie Zeit und das Geld seiner gräflichen El
tern ans sie. Doppelt betrübt suchten diese
ihn mit allen Mitteln von seiner mißbilli -
genswerten Leidenschaft abzulenken und bo
ten ihm unter anderem eine Weltreise mit
verlockenden Jagden an. Ter king beratene
junge Graf war nach einigem Widerstreben
auf den Vorschlag eingegangen. Tann hatte
er das Cookbillett und von dem standesgemä
ßen Reisegeld, mit dem er ausgestattet wurde,
eine für bescheidene Ansprüche hinreichende
Summe dem Vertreter übergeben, den der
Advokat an jenem Abend im Kaffeehaus für
ihn gefunden hatte. Er selbst behielt einen "
Betrag, der es ihm möglich machte, in einem
fernen Gebirgsschlößchen mit der Geliebten
so lange zu leben, als der andere unterwegs
war. Tie Jagd- und Reiseschilderungen wa-
reli verschiedenen einschlägigen Werken ent
nommen und durch einige nicht wesentlich
geistreiche Bemerkungen aktueller gestaltet
worden; auch damit hatte er sich nicht selber
bemüht, sondern einetl Schriftsteller, der sich
in die Seelen anderer einzufühlen verstand,
hatte es für ein mäßiges Honorar übernom
men. Jedenfalls war niemanden an den
Briefen etwas aufgefalletr. Dagegen waren die
nötigen Jagdtrophäen, Felle und Gehörne,
bei deren Prüfung man mehr Gefahr lief, von
einem sehr Sachkundigen ausgesucht worden.
Ten in diesem Fall unwesentlichen Teil der
Aufgabe, die Reise um die Welt, hatte unser
Freund zur vollen eigenen Zufriedenheit wie
zu der seiner unbekannten Auftraggeber
durchgeführt.
Ztoiti Tâchà fasstest.
Schlagfertig.
Der um die Jahrhundertwende berühmte
Leipziger Rechtslehrer Wach prüft Strafrecht.
Thema: Ehebruch. Wach fragt: „Nun, Herr
Kandidat, angenommen, ich ließe mich mit
Ihrer Freundin ein, was wäre das?"
„Ehebruch, Herr Professor."
„Aber. Herr Kandidat. Sie sind doch mit
Ihrer Freundin nicht verheiratet!"
„Aber Sie mit Ihrer Frau Gemahlin,
Herr Professor!
Wach ist überzeugt, lacht und meint:
„Nehmen wir an, ich sei nicht verheiratet,
welches De/Ä beginge ich dann mit Ihrer
Freundin?"
„Immer noch Ehebruch, Herr Professor!"
"”° e§t Ģ aber falsch", fährt Wach dazwi-
"îbârum denn immer noch Ehebruch,
Herr Kandidat?"
Professor", sagt dieser trocken,
„meine Freundin ist verheiratet!" -
Wach sich lachend zufrieden gab.
En gros..
In der Leipziger Straße in Berlin ver
kaufte ein kleiner Junge Schnürsenkel, zwei
Paar zu fünfunddreißig Pfennig. Ich frage
ihn, ob ich ein Paar haben kann.
„Nich zu machen", sagte der Kleine stolz,
„unter zwee Paar verkoofe ick nich; wenn Ske
ang detalch koofen wollen, müssen Sie zu
Wertheim (das große Warenhaus) rin jehn."