Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 1)

9'r. 65 
Beilage der Scbleswîn-Holfteînîschen Landeszeîļung (Rendsburger Tageblatt) 
Mittwoch. den 18 März 1931 
Neues aus der Medizin. 
Don Dr. mod. Leo SBonnin. 
Schwermetalle î« Gallensteinen. 
Der Laie wird erstaunt sein, zu hören, daß in 
Gallensteinen, die doch gewöhnlich aus kalknhnlichen 
Substanzen bestehen, auch Metalle vorkommen sol 
len. Wie Dr. Schönheimer und Herkel, Freiburg, 
in der „Klinischen Wochenschrift" berichten, ist je 
doch schon seit langem bekannt, daß einige Metalle 
schon normalerweise im menschlichen Gewebe vor 
kommen. Am häufigsten wird in diesen, Zusammen 
hang das Kupfer genannt. Größere Untersuchungen 
halben ergeben, daß in der Leber des Gefunden sich 
je Kilogramm Gewicht 20—35 Milligramm Kupfer 
finden. Bei Leberschrumpfung und ähnlichen Er 
krankungen erhöht sich diese Kupfermenge bedeu- 
tendj Ganz unerwartet kamen aber die Unter- 
su chung sergebnisse genau zerlegter Gallensteine. 
Die Verfasser fanden bisweilen nicht weniger als 
10 000 Milligramm je Kilogramm. Ferner befin 
den sich in Gallensteinen unerhebliche Mengen von 
Fink, Eisen und Mangan. Ein neuer Beweis für 
den komplizierten Bau des menschlichen Orga 
nismus! 
Behandlung mit Eigenharn. 
In der neueren Zeit hat sich die Wissenschaft 
Ittit der genauen Erforschung des Urins beschäftigt, 
Um wichtige Heilstoffe aus ihm zu gewinnet,. Es 
sind ja auch gerade bei dem Urin Schwangerer sehr 
wichtige Ergebnisse gezeitigt worden. Sehr bemer 
kenswert sind die Veröffentlichungen von Dr. K. 
Herz in der „Münchener Medizinischen Wochen 
schrift". Herz hat teilweise recht gute Erfolge m't 
Einspritzungen von Eigenharn zu verzeichnen. Für 
die Allgemeinheit am wichtigsten sind wohl die Er 
gebnisse, die er ,nit dieser neuartigen Behandlung 
bei Keuchhustenpatienten erzielt hat. Diese Ergeb 
nisse sind sehr günstig, zumal der Verfasser aus 
drücklich betont, dt,ß auch bei drei Säuglingen der 
Krampfhusten sofort nachließ und bei Säuglingen 
natürlich eine Einwirkung der Spritzen lediglich 
durch Einbildung, wie es bei Erwachsenen oft der 
Fall ist, auf keinen Fall angenommen werden kann. 
Ermutigend waren auch die Erfolge der Harn- 
Einspritzungen bei Nieren- und Nervenstörungen 
während der Schwangerschaft. Schädliche Neben 
wirkungen sind nirgends aufgetreten. 
Rohkost als Entfetiungsdiät. 
In der modernen NahrungsmitteUehre gibt es 
wohl kaum ein häufiger angewandtes Schlagwort 
als die Rohkost. Es war daher zu begrüßen, daß 
diese Kostform auch bei der Fettsucht erprobt 
wurde. Hierüber berichten Eimer und Voigt in der 
Zeitschrift für „Klinische Medizin". Fettsüchtige 
haben bekanntlich die Fähigkeit, nicht nur Fette, son 
dern auch Wasser zu speichern. Die Rohkost in Formt 
von Obst und rohem Gemüse ist nun ganz besonders 
geeignet, Wasser aus dem Körper auszuschwemmen, 
weil sie nur über einen geringen Gehalt an Koch 
salz verfügt. Die Versuche ließen sich bequem durch 
führen, da die Nahrung gut bekömmlich war und 
genügend sättigte. Leider haben sie ergeben, daß 
es wohl möglich ist, int Anfang bei gutem Allgemein 
befinden eine erhebliche Gewichtsabnahiye zu er 
zielen, die natürlich auf den hervorgerufenen Wat 
serverlust zurückzuführen ist. Um aber eine weitere 
Abnahme namentlich des Körperfettgewebes durchs 
zuführen, muß mau den Nährwertgehalt der Nuh- 
.rung noch außerdem ganz bedeutend herabsetzen. 
Ein spezifischer Einfluß der Rohkost allein auf die 
eigentliche Ursache der Fettsucht ließ sich also trotz 
der Anfangserfolge nicht nachweisen, womit nicht 
ausgeschlossen zu sein braucht, daß der Rohkost eine 
unterstützende Bedeutung bei Entfettungskuren zu 
kommt. 
Sind Aluminiumgefchirre gesundheitsschädlich? 
Seit laugetn wird diese Frage diskutiert, ohrte 
daß man eigentlich zu einem Ergebnis gekommen ist. 
Eine wertvolle Zusammenstellung bringt Dr. von 
Fcllenberg, Bern, in der „Deutschen Aerztezeitung". 
Viele nehmen an, daß durch Kochen von Wasser m 
Alum-iniumgefäßen gewisse Äluminiumverbindtin- 
gen entstehen, welche die Magensäure abstumpfen, 
die roten Blutkörperchen schädigen und sogar das 
Auftreten von Krebs begünstigen können. Trotz- 
dent muß man berücksichtigen, daß das Aluminium 
einen regelmäßigen Bestandteil unserer gewöhn 
lichen Nahrung bildet. Cs ist sogar einer der lebens 
wichtigsten Mineralstoffe, dessen Anwesenheit in 
geringen Mengen für eine gesunde Entwicklung un 
seres Körpers notwendig ist. Besonders aluminium- 
reich sind Bohnen, Linsen, Radieschen, Gurken, Erd 
beeren und Rhabarber. Auch ausgedehnte Tier 
versuchen haben ergeben, daß sich Ratten, welche niit 
einer aluminiumreichen Nahrung gefüttert werden, 
ebensogut entwickeln utrd fortpflanzet! wie Konlroll- 
iiere ohne aluminiumretchen Zusatz zum Futter. Es 
liegt also kein Grund vor, die Muminiumkochgeräle 
nicht mehr zu verwenden, zumal ja sämtliche an 
deren Metalle wie Kupfer, Messing und Nickel 
zweifelsfrei auch garnicht so geringe Metallmengen 
an die Nahrungsmittel, die in ihnen gekocht wer 
den, abgeben. Gewarnt wird lediglich davor, saure 
Speisen und Getränke in Aluminium aufzube 
wahren. 
ÄkŗikLS Dekwelt 
ķM ĶNsMàK. 
Der englische Major Hingston bezeichnete 
es in der letzten Sitzung der Londoner Kö 
niglichen Geographischen Gesellschaft als eine 
unabweisbare Pflicht, zum Schutze der wil 
den Tiere in den britischen Besitzungen Afri 
kas acht Nationalparks anzulegen. „Von al 
len Sammelgebieten des Lebens der wilden 
Tiere ist Afrika weitaus das wichtigste", er 
klärte der Redner. „An Fülle, Reichtum, 
Verschiedenheit der Arten und prähistorischem 
Charakter seiner Fauna kann kein anderer 
Erdteil mit Afrika in Wettbewerb treten. 
Leider ist ein guter Teil des Großwildes, 
von dessen Existenz wir nur vom Hörensagen 
wissen, durch menschliche Unvernunft ausge 
rottet worden. So sind eine Antilopenart, der 
afrikanische Blaubock, die „Quagga" genannte 
gestreifte Pferdespezialität und eine andere 
Zebraart im Verlaufe des letzten Jahrhun 
derts vollständig verschwunden. Das weiße 
Rhinozeros, das noch vor wenigen Jahren 
stark vertreten war, ist jetzt ans 20 Tiere im 
Zululand und 180 wettere am oberen Strom 
lauf des Nil zusammengeschrumpft. Ich selbst 
glaube, daß, wenn sich die Verhältnisse nicht 
völlig ändern, von den drei großen Dickhäu 
tern, dem Elefanten, dem Rhinozeros und 
dem Nilpferd, in 60 Jahren nichts mehr 
übrig bleiben wird. 
Zu Unrecht hat man die Sportsmenschen, die 
ihre Jagdleidenschaft in die Jagdgründe 
Afrikas siihrt, für die Vernichtung der afri- 
kaitischen Fauna verantwortlich gemacht. In 
Wahrheit sind sie es aber nicht, die das Wild- 
tterleben mit der Vernichtung bedrohen. Ter 
wirkliche Jäger knallt das Wild nicht sinnlos 
tlicder, er begnügt sich vielmehr mit ein paar 
Trophäen von jeder Art, und der natürliche 
Fortpflanzungstrieb sorgt dafür, daß die ent 
standenen Lücken wieder aufgefüllt werden. 
Es sind die Eingeborenen, denen die größten 
Verwüstungen zugeschrieben werden müssen. 
Sie kümmern sich nicht um Arten- oder Jagd- 
trophäen. sondern haben nur den Wunsch, so 
viele Tiere wie möglich zur Strecke zu brin 
gen, des Fleisches oder des Tauschhandels 
wegen. So war es in Nordrhodesia eine Ge 
pflogenheit der Eingeborenen geworden, gan- 
ze Herden von wilden Tieren in die Flüsse 
zu treiben und sie dann zu Hunderten mit ih 
ren Speeren zu töten. Es braucht kaum er 
wähnt zu werden, daß in diesem Zusammen 
hang auch Krankheiten eine Rolle spielen. 
Vor allem ist es die Tsetsefliege, die von Zeit 
zu Zeit furchtbare Verwüstungen unter dem 
Tierbestand anrichtete, die gelegentlich einer 
vollständigen Ausrottung gleich zu achten wa 
ren. Aus diesem Grunde wurden im vergan 
genen Jahre im Zululand 20 000 Stücke Wild 
getötet. 
Laste» Sie sich in der Nase kitzeln! 
Die Amerikaner haben in allen Dingen be 
sondere Methoden. Je einfacher eine Sache ange 
faßt wird, desto bester. Verblüffend einfach ist die 
neue Medizin des Dr. Eillet. Er kuriert alle 
Krankheiten vom Rheumatismus bis zur Paralyse 
durch eine merkwürdige Massage des Nervus Sym- 
paticus. Der Patient wird auf einen Stuhl ge 
setzt, hebt den Kopf und reicht dem Arzt seine Nase. 
Dr. Eillet nimmt dann eine Silbernadol und kitzelt 
damit zart den Nervus Sympaticus, der im Nasen- 
innern am einfachsten erreichbar ist. Durch dieses 
Kitzeln werden im Nervensystem des Menschen 
Rückwirkungen erzielt, die sich auf alle übrigen 
Organe erstrecken. 
Dr. Eillet hat seine Entdeckung auch in einer 
wissenschaftlichen Arbeit zu vertreten gesucht. Er 
sieht das Wesentliche des Ncrvits Sympaticns da 
rin, daß er durch den ganzen Körper läuft und 
auf diese Weise seine Behandlung auch wirklich 
den ganzen Menschen erfaßt. Er will in 25 Pro 
zent der Fälle, die er behandelte, eine dauernde 
Heilung festgestellt haben. 
Autosuggestion ist schließlich auch eine Heil 
methode. 
lum kücheln und Lachen. 
Die hübsche Löwenbändigerin ließ einem mäch 
tigen Löwen ein Stück Zucker ans ihrem Munde 
nehmen. „Das kann ich auch," rief ein junger 
Mann in der ersten Loge. „Das bezweifle ich sehr 
stark," erwiderte die Löweitbändigerin. „Doch." 
sagte der Jüngling, „und mindestens so gut rote 
der Löwe." 
Lwşicherr Me» Feuere;« 
Von F. G r i e n. 
Ich stand neben meinem Freund aus dcm 
Deck des Panzerschiffs. Die Signalflagge siel, 
und im selben Augenblick schoß aus vier Ge 
schützen gleichzeitig eine Flamme hervor. Wir 
wurden von der Erschütterung beinahe umge 
worfen. Rostrote Rauchschwaden umhüllten 
die Geschützmündungen, und ehe noch die vh- 
renbetäubende Explosion ausklang, schrie 
mein Freund, der den Feldstecher nicht von 
den Augen nahm: 
„Seyen Sie! Dort sind sie!" 
Ich dachte zuerst, er scherze, aber dattn er 
blickte ich wirklich die riesigen Geschosse, die 
mit einer Geschwindigkeit von 800 Metern in 
der Sekunde ihrem Ziel entgegenrasten. 
Fern am Horizont befand sich ein schwar 
zer Punkt: das Artillerieziel. Nach einigen 
Sekunden schäumte das Meer dort auf, und die 
Punkte waren verschwunden. Die Geschosse 
hatten getroffen. 
In diesem Augenblick bemerkte ich, daß 
mein Freund totenblaß wurde. 
„Ist es möglich, daß ein alter Seemann 
während eines Uebungsschießens seine Ner- 
ven verliert?" dachte ich unwillkürlich. So 
bald das Schießen zu Ende war, fragte ich ihn 
vorsichtig airs. 
„Oh, nein!" rief er lebhaft. „Daran war 
nur eine Jugenderinncrung schuld, die mich 
plötzlich überfallen hatte. 
Ich war damals ein frischgebackener Fähn 
rich auf einem unserer größten Kriegsschiffe 
Wir hatten Manöver tut Süden, und da ich 
noch keinem Geschütz zugeteilt war, bekam ich 
das Kommando der Abteilung, die das Ziel 
während des Schießens in Ordnung zu halten 
und auszubessern hatte. 
Unter meinem Befehl standen drei Boote 
und ein Dampfkntter, der sich meist in einiger 
Entfernung hielt und tmr im Notfall zu Hilfe 
eilte. Das Artillerieziel ivar ein mächtiger 
Schwimmer mit Masten, die durch Bretter ver- 
bunden waren, so daß das Ganze eine Art 
riesigen Schild vorstellte. Wir überzeugten 
uns, daß das Ziel in Ordnung war, nahmen 
Aufstellung in etwa 800 Meter Entfernung 
und warteten auf das Erscheinen unseres 
Schiffes, daß von einem bestimmten Punkte 
aus das Feuer eröffnen sollte. 
Gegen 8 Uhr morgens sahen wir den 
Niesen unter Volldampf auf uns zusteuern. 
Das Einschießen mußte bei einer Entfernung 
von 15 Km. beginnen. Endlich mar es io 
weit. Das Schiff drehte scharf bei und nahm 
parallel zum Ziel Stellung. Dann war plötz 
lich die ganze Breitseite des Kolosses in Flam 
men gehüllt, dann ragten nur noch die Masten 
aus dem roten Ranchverhang heraus . . . 
ES vergingen mehrere Sekunden, bis wir 
den Kanonendonner vernahmen — und fm 
selben Augenblick sahen wir auch die im Son 
nenschein glitzernden Geschosse. Fast gleich 
zeitig dröhnte neben uns der donnernde Auf 
schlag. Zwei Geschosse hatten das Ziel getrof 
fen und einige Bretter zersetzt. An den Stel 
len, an denen die übrigen Geschosse auf das 
Wasser aufgeschlagen waren, spritzten hundert 
Meter hohe Fontänen in die Luft 
Das Panzerschiff gab eine Salve nach der 
andern ab. Meine Leute, meist. Neulinge, 
blickten voll Entsetzen ctttf das prachtvolle, 
aber schaurige Bild. Alle schwiegen. 
Endlich drehte das Schiff ab und gab Si 
gnal: wir unterbrechen die Beschießung. Nun 
begann unsere Arbeit. Als wir das Ziel er 
reichten, sahen wir itns in einem Reich ucm 
Trümmern. Wir mußten neue Masten aufrich 
ten und den Schild von neuem bauen. So eif 
rig wir auch arbeiteten, es vergingen gut zwei 
Stunden, bis die Reparatur ausgeführt war. 
Der Kapitän wartete sicher mit Ungeduld auf 
unser Signal, denn alle zehn bis fünfzehn 
Minuten fragte man vom Schiff durch Signa 
le, ob sie bald wieder mit dem Schießen be 
ginnen könnten. 
Um die Sache zu beschleunigen, ließ ich, so 
bald die Hauptarbeit erledigt war, zwei Boote 
vom Schwimmer abstoßen. Dem Bootsmann, 
der noch mit mir oben war, sagte ich, daß ich in 
seinem Boot mitfahre, und gab auch dem 
Kutter als dem schnellsten Fahrzeug deit Be 
fehl, näherzukommen, für den Fall, daß wir 
noch Hilfe brauchten. j 
Mein Fehler war, daß ich den Matrosen 
nichts sagte, und sic wnßtctt ttichi, ob ich mit 
ihnen oder mit dem Futter fahren wollte. 
Denn sobald die Arbeit fertig war, sprangen die 
letzten Matrosen ins Pool. Ich stand noch am 
Rand des Schwimmers und wartete aus den 
Augenblick, um auch hineinzuspringen. Die 
See war bewegt, die Wellett brachen sich am 
Schwimmer und umsprühten mich mit 
Schaum. Ich stand direkt ant Rand Llls ich 
abspringen wollte, glitt mein Fuß an dem 
nassen Eisen ab. und ich fiel ins Wasser. Beim 
Fallen schlitg ich mit dem Kovf gegen etwas 
Hartes, wahrscheinlich einen Balken, und ver 
lor das Bewußtsein . . . 
Als ich zu, mir kam,, befand ich mich int 
Wasser direkt vor dem Ziel. — Warum war 
das Boot nicht da, um mich aufzunehmen? . . 
Ich wollte rufen, aber meine Stimme versag 
te. Mühsam kletterte ich auf den Schwimmer 
hinauf und sah zu meinem Entsetzen, daß das 
Boot schon mindestens einen Kilometer weit 
war — und der Kutter noch weiter. Das war 
die Strafe für die unklaren Besthle. Die 
Wellen mußten die Matrosen gehindert haben, 
mein Fallen zu bemerken, der Bootsmann, 
durch die Nähe des Kutters irritiert, war wohl 
der Meinung, daß ich im letzten Augenblick 
auf den Kutter gegangen war, und die Matro 
sen konnten überhaupt nicht wissen, in wel 
chem Boot ich mich befand. . . . 
Inzwischen signalsierte der Bootsmann 
entsprechend meinen Anweisungen dem Pan 
zerschiff, daß alles in Ordnung sei, und sofort 
ging der Gigant unter Volldampf an die 
frühere Stelle. 
Ich stand auf dem Schwimmer und folgte 
wie betäubt den Bewegungen des Schiffes, 
während ich daran dachte, daß ich nun sterben 
müsse. Dch fühlte mich noch hundsmiserabel 
von dem Fall ins Wasser, und es war mir 
jämmerlich zumute. Da kam mir plötzlich der 
Gedanke, daß der erste Schuß selten ins Ziel 
trifft. „Die erste Salve geht gewöhnlich über 
den Schild, die zweite trifft zu kurz und erst 
die dritte sitzt. Ich habe also noch einige Mi 
nuten", überlegte ich fieberhaft, „wenn ich bet 
der dritten Salve tauche und lange genug un 
ter Wasser bleibe, io kann mich nur ein direk 
ter Treffer töten . . ." 
Kaum war ich mit dieser Ueberlegung fer 
tig, als schon die Breitseite des Panzerschiffes 
hinter einem Flammcnvorhang verschwand. 
Die ersten Geschosse befanden sich auf dem 
Wege zum Schild. Ich hielt den Atem an und 
ivartete. Glauben sie mir, es ist ein schauer 
liches Gefühl, so dazustehen und zu warten . 
Aber meine Berechnung erwies sich als richtig: 
alle Geschosse schlugen jenseits des Zieles ins 
Wasser— aber keine Fontäne war weiter als 
100 Meter von mir entfernt. 
Das war zu nahe. Ich durfte die zweite 
Salve nicht mehr abwarten. Das eine oder 
andere Geschoß konnte die Scheibe treffen. 
Ich hatte noch etwa zwanzig Sekunden bis 
zur nächsten Salve. Im Nu zog ich die Stie 
fel ans und spähte nach der besten Stelle zum 
Tauchen. Stellen Sie sich aber mein Entsetzen 
vor, als ich in dem durchsichtigen Waster einen 
ganzen Schwarm von Haifischen erblickte . . 
Bevor ich noch einen kleinen Gedanken 
fassen konnte, umhüllte der Rauch zum zweiten 
Male das Schiff. Jetzt hatte tch nur noch die 
Zeit, die die Geschosse für den Weg zu mir 
brauchten. Hilflos blickte ich um mich. Da 
siel mir ein glänzender Gegenstand in die 
Augen. Es war ein Messer, das einer der 
Matrosen wahrscheinlich in der Eile im Mast 
stecken gelassen hatte. Mit einem Sprung war 
ich am Mast, riß das Messer heraus, nahm die 
Lungen voll Luft und stürzte ins Meer. 
Während ich noch sank, öffnete ich die 
Augen und bemerkte über meinem Kopf den 
weißen Bauch eines Haies. Es war besser, 
seinem Angriff zuvorzukommen, und ich 
schwamm mit dem Messer in der ausgestreck 
ten Hand gegen den furchtbaren Feind los. 
Ich glaube, mein Messer berührte schon 
den Körper des Haies, als plötzlich eine unge 
heure Erschütterung mich irgend wohin zur 
Seite warf, um mich selbst drehte und schließ 
lich nach oben schleuderte. 
Als ich wieder sehen und hören konnte, 
begriff ich, was geschehen war. Ein Geschoß- 
splitter mußte den Hai in dem Augenblick ge 
troffen und getötet haben, in dem ich gerade 
zustoßen wollte. Das Wasser war rot von 
Blut. Aber auch das Ziel war mehrmals ge 
troffen. Drei Masten waren wegrasiert, meh 
rere Bretter zerfetzt. 
... Nur noch mit Anstrengung erreichte ich 
den Schwimmer und kletterte hinauf. Ich gab 
mich endgültig verloren. Die Erschütterung 
hatte mich zu sehr mitgenommen. Mein Mes 
ser war mir von dem Wasserdruck weggeris 
sen worden, und das Meer wimmelte jetzt von 
Haifischen, die vom Blut angelockt von allen 
Seiten herbeikanten. Mir blieb ttiir die 
Wahl, mich ihnen auszuliefern, oder auf der 
Scheibe zu bleiben nnd von den jetzt tvtstcher 
einschlagenden Granaten zerrissen zu werden. 
Wahrscheinlich war das Ganze meinen 
Nerven zu viel. Ich muß die Besinnung ver 
loren haben. Denn plötzlich hörte ich wie in 
tiefem Traum Rufe . . . Ich war gerettet." 
Mein Freund wischte sich den Schweiß von 
der Stirn, sein Gesicht mar aschgrau 
„Aber wie war das möglich? Jetzt mußte 
doch die dritte Salve kommen? Wieso unter 
brach das Schiff die Uebung?" fragte ich. 
„Scheinbar gibt eö noch Wunder", kam die 
Antwort. „Einer der Matrosen wurde von ei 
nem Geschützverschluß au der Hand verletzt, 
und während man sich mit dem Verwundeten 
beschäftigte, vergingen einige Minuten. In 
der Zeit bekam das Schiff ein Signal von un 
seren Bootet«, daß man mich vermißt. DaS 
Schießen wurde daraufhin eingestellt, und eins 
meiner Boote zu dem Schwimmer geschickt..
	        
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