Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 1)

u;m>ud) haven wie uns |uu ge, ehe» und 
beginnen beit Abstieg: Schußfahrt und Bögen 
nnd Schußfahrt und Bögen, zuerst, wegen der 
Spalten, vorsichtig in Spur, und dann immer 
schneller, immer sausender, daß der Schnee 
stäubt und der Wind an den Ohren in immer 
höherem Tone vorbeipfeift, geduckt hinein in 
die weiche Tiefe. Jubelndes Erlebnis, nur 
auf eins gesammelt: die rasende Geschwindig- 
teit. 
Bis zu einer steilen Wand. Tie Skier 
auf der Schulter wird hinaufgestapft. Tritt 
iür Tritt in den Futzstapfen des Vorder 
manns, viele Meter steil nach oben und unten, 
Fahne zusammen, daß kein Schwindel hoch 
kommt. Und dann wieder Abfahrt und Ab 
fahrt durch bewegte Landschaft, über Kuppen, 
Hügel und Hänge, entlang an Wänden und 
Böschungen. In wunderbarer Kulisse tut sich 
ein Tal, ein Kessel, eine Enge, eine Weite 
nach der anderen auf. Abendlicht steigt am 
Himmel hoch. In mattem Gelb und Rötlich 
und Violett ziehen die Wolken. Mit der Dun 
kelheit langen wir an unserer Hütte an. 
Ina B e e r. 
NMtL Wdt 
Weltrekord 
der „blinden" Schreibmaschiuenkönigin. 
Um den Ehrgeiz ihrer Stenotypistinnen 
anzustacheln, hat die britische Admiralität 
kürzlich eine ungewöhnliche Vorführung ver 
anstaltet. Sämtliche weibliche Angestellte wur 
den in einen Saal gerufen, wo die dreiund- 
zwanzigjährige Eleonore Mitchell, die Inha 
berin der „Weltmeisterschaft im Maschinen 
schreiben", vor einer Schreibmaschine Platz 
nahm. Man hatte der jungen Dame eine Ma 
schine zur Verfügung gestellt, bei der die Ty 
pen der Tastatur entfernt waren, Auf dieser 
blinden Maschine schrieb dann die Stenoty 
pistin ein Diktat und erreichte eine Schnellig 
keit von 900 Buchstaben in der Minute. Um 
ihre Leistungsfähigkeit ein zweites Mal auf 
die Probe zustellen, erhielt sie den Auftrag, 
einen Zeitungsartikel abzuschreiben und wäh 
rend des Schreibens gleichzeitig mit dem dik 
tierenden Beamten der Admiralität eine Un 
terhaltung in französischer Sprache zu führen. 
Man unterhielt sich sehr anregend, Fragen und 
Antworten folgten mit unglaublicher Schnel 
ligkeit. Die Musik der klappernden Tasten be 
gleitete die Unterhaltung solange, bis sich end 
lich der Beamte für besiegt erklärte und ein- 
gestand, daß sein Vokabelschatz der französi 
schen Sprache vollständig erschöpft sei. Tie 
dritte Probe bestand in einem Diktat, bei dem 
der Stenotypistin die Augen mit einem Ta 
schentuch vrbunden wurden. Bei dieser Blind 
schrift erreichte Fräulein Mitchell eine Schnel 
ligkeit von 00 Worten in der Minute, ohne 
daß sie sich dabei des kleinsten Fehlers schuldig 
gemacht hätte. 
Frankfurter Gocthehaus bedroht: 
Eine Untersuchung der Frankfurter Bau 
polizei hat ergeben, daß das Geburtshaus 
Oe? Zlätems Berg. 
Roman von Felix Neumann. 
Upright 1930 b, «arl Köhl-r u. To.. D-rlin-gehNndorf. 
26) (Nachdruck verboten). 
Der Generaldirektor hob abwehrend die Hände. 
„Aber — Onkel, wie sollen wir das denn ma 
chen? Wir haben zur Zeit, wo wir alle Barmittel 
in das Krimunternehmen steckten, doch gar nicht das 
Kapital, um Mallwitz hinaus zu drängen!" 
„Dieser Geldmangel ist entsetzlich!" stöhnte der 
Geheimrat. 
„Die deutsche Wirtschaft wird daran noch zu 
grunde gehen!" 
Osterwald nahm Aktenstücke aus der Mappe. 
„Und was sagst du zu Münsters Berichten? 
Sie kommen mir fast unheimlich vor. Er schreibt 
unter anderem: Zuweilen ist es einem, als ob man 
sich bemüht, eine hohe Mauer um uns zu ziehen. 
Man fühlt sich beobachtet und bespitzelt. Trotzdem 
schreitet bei der Hingabe der Beamten und Mon 
teure das Werk voran. Als die letzte Maschinen 
sendung eintraf, wäre sie beinahe nicht abgenom 
men worden, weil russische Ingenieure bei der Prü 
fung behaupteten, sie wären unbrauchbar, man 
habe Sabotageakte vorgenommen " 
Osterwald blickte von dem Schreiben aus. 
„Angenehme Zustünde !" 
Dann legte er die Aufzeichnungen fort und 
nahm ein umfangreiches Dokument. 
„Hier ein kleiner Lichtblick! Die elektrischen 
Anlagen für..Mailand. Die Sache eilt. Bist du 
in der Lage, sie noch heute zu bearbeiten und in die 
Maschine zu diktieren?" 
Lenner verzog erst ein wenig das Gesicht, dann 
aber sah er ein. daß er den Abend schon opfern 
mußte. 
„Ja — Onkel, und da es sich um geheime 
Dinge handelt, werde ich den Vertrag Fräulein 
Münster diktieren " 
Interessiert horchte Osterwald auf. 
„Wie macht sich das junge Mädchen?" 
Lenner nickte. 
„Gut! Seit vierzehn Tagen ist sie aus der 
Zcntralabteilung in mein Geheimbiiro übernommen 
worden. Bei den anderen Damen weiß man nie, 
ob nicht doch Indiskretionen vorkommen." 
Und als am Abend dieses Tages Elle sich an 
schicken wollte, ihre Sachen zusammenzupacken, um 
zu gehen, trat der Generaldirektor ins Zimmer, 
wo drei Damen die Gebeimkorrespondenz erledigten. 
i. ' ’ 
lAnietije» um Grogen Htrschgraven in seiner Si 
cherheit bedroht ist. Da das Baupolizeiamt 
die Sicheruttgsarbeiten für dringend erklärt, 
wird das Haus gerade während der Festwoche 
anläßlich des 200. Geburtstages der Frau 
Rat geschlossen sein. 
Ein seltsames Museum. 
Frau Calvin Coolidge, die Gattin des frü 
heren amerikanischen Präsidenten, hat un 
längst dem National-Museum von Washington 
ein rosa Belour-Chiffon-Kleid geschenkt, das 
ihr von allen Abendtoiletten, die sie während 
der Amtszeit ihres Mannes trug, am besten 
gestanden haben soll. Das Museum besitzt 
nämlich eine etwas merkwürdige Sonderab 
teilung, die, wenn auch vielleicht nicht jeder 
manns Geschmack, zum mindestens einzigartig 
ist und von deß Amerikanerinnen fleißig be 
sucht wird. Dort stehen in Reih und Glied 
die lebensgroßen Marmorstatuen sämtlicher 
Präsidentenfrauen der Bereinigten Staaten, 
angefangen bei Martha Washington, und an 
getan mit dem schönsten Originalgewand, das 
„Amerikas erste Frauen" während der Prä- 
sidentenschast ihrer Gatten schmückte. Ta kann 
die armselige nackte Venus von Milo nicht 
mehr mit! 
Gin künstlicher Maschinenmeister. 
Die PhotozeUc umfaßt heute bereits ein An 
wendungsgebiet, dessen Unifang sie auch der allge 
meinen Aufmerksamkeit würdig macht. Grundsätz 
lich stellen alle Photozellen Instrumente dar, die be 
fähigt sind, Schwankungen der Lichtintensität in 
elektrischen Strom umzusetzen. So beruhen Fern 
sehen, Bildtelegraphie, Tonfilm u. a. auf der Ver 
wendung der Photozelle. Darüber hinaus hat die 
Photozelle in ihren mannigfachen Anwendungsfor 
men es ermöglicht, eine große Reihe von Erschei 
nungen meßbar zu ersassen, zahlreiè 'Vorgänge' 
automatisch zu kontrollieren, und damit der Indu 
strie, dem Gewerbe, aber 'auch der Alltagspraxis 
ebenso einfache wie wertvolle Hilfsmittel zur Ver 
fügung zu stellen. Hierher gehören so außerordent 
lich feine und schwierige Messungen wie die der 
Lichtdurchlässigkeit von Porzellanen, Glas, Farben, 
der Deckkraft von Pigmenten, der Dicke von Papier 
böden u. a. m. Bei diesen Aufgaben dient die 
Photozelle unmittelbar als Meßinstrument. Dage 
gen kann sie auch bei anderen Apparaten Schall- 
vorgänge auslösen. So kann man sie mit Zähl 
werken verkuppeln und auf diele- Weile sowohl glit 
te it de Eisenblöcke in Walzwerken als auch empfind 
lichere Gegenstände aller Art zählen. Nach dem 
gleichen Prinzip verfährt man bei der Sortierung 
von Gütern, wobei es beispielsweise sogar gelingst 
lielle und dunkle Zigarren sowie Erze ungleicher 
Körnung voneinander zu trennen. In der Tat ver 
dient die Photozelle heute schon die Bezeichnung 
„künstlicher Maschinenmeister": Vermag sie doch 
nicht nur, Maschinen in Gang zu setzen und sie bei 
etwaigen Betriebsstörungen automatisch stillzulegen, 
auch die automatische Steuerung von Webstühlen, 
Stickereimafchinen u. dgl. wird bereits in die Praxis 
eingeführt. Schließlich kann sie noch als «utomati- 
scher Hauswächter auftreten: Für die Konstruktion 
moderner Diebessicherungen werden ,chon vielfach 
die hierzu vorzüglich geeigneten Photozellcn benutzt. 
Der Ankerplatz in den Wolken. 
Der Plan, große Luftschiffe an einem Blast ans 
dem Newyorker Empire State Building. 416 Meter 
über der Straße, zu verankern, begegnet großer 
Skepsis. Der Bau des Ankermastes ist nahezu voll 
endet. Admiral Moffct, Kommandeur der amerika 
nischen Luftstreitträfte, Hot genehmigt, daß das 
Luftschiff „Los Angeles" im Sommer dort Anker 
werfen soll, obwohl die Sachverständigen ihn daraus 
aufmerksam machten, daß der Versuch für Besatzung 
wie Zuschauer außerordentlich gefährlich sei. 
Ein Niesenmeteor in Afrika entdeckt. 
Der südafrikanische Landmesser Nott hat 
zwischen dem Tanganyika- und Niassa-See den 
größten Meteor entdeckt, der bisher in Afrika 
gefunden wurde. Der Meteor ist eine feste 
Masse aus Mitteleisen und hat eine Länge von 
etwa 4,6 Metern und einen Durchmesser von 
1,3 Metern. Er hat sich ungefähr einen Meter 
tief in den Erdboden eingegraben. Tie Schät 
zungen seines Gewichtes schwanken zwischen 70 
und 74 Tonnen. Die meteorologische Abteilung 
der Witwatersrand-klniversität wird weitere 
Analysen vornehmen, und man glaubt, daß 
Mitteleisen und Chrom die hauptsächlichsten 
Bestandteile des Meteors sind. Der Landmesser 
hielt seine Entdeckung geheim und ließ sich so 
fort von der Regierungsstation die Bergiverks- 
rechte für die dortige Gegend geben. 
Schacheeke 
Geleitet von Schachmeister Alk Rrlnckmann. Kiel. 
Soltenauer Straße 228. 
lAnichriiten an bieie Adresse.) 
Aufgabe Nr. 24. 
von Hermansson. 
(1./2. Preis. Thematurnier „L'Echiquicr" 
Brüssel.) 
<10) 
Schwarz: Kd4, Tc5, Sb7 u. d6, Bc7, c6, c3, f7, g6, e3 
(10) 
Şchachnochrichten. 
Im Wettkampf Sultan Khan ^ 
Tartakower, der jetzt auf dem SernwH 
ring ausgefochten wurde, siegte der Inder nu 
61-: 5 l A. Wenn auch Tartakower infolm 
Krankheit unter seiner sonstigen Stacks 
spielte, so hat der Inder doch hier in f e i nc£ 
Laufbahn das beweiskräftigste Argument 
für erbracht, daß er zu Großem prädestinier 
erscheint. Er hat sich in die erste Reihe ö e * 
Jungmeister (mit Kashdan, Flohr, Stoltz) 6 C * 
stellt, die jetzt mit Macht an den Jnnentore" 
der Großmeisterfestung rütteln, nachdem ! |C 
im Vorjahre bereits die äußeren Wälle er 
stiegen haben. Wenn man indessen heute sch"" 
von einem Kampfe Sultan Khans mit Alst« 
chin um die Weltmeisterschaft redet um 
schreibt, so halten' wir das für mehr als de« 
plaziert. Zn solch weitgreifenden Plänen bfl 
rechtigt die bisherige Leistung des Inders >" 
keiner Weise. Man müßte es schmerzlich de« 
dauern, wenn dem Geldsack seines Gönners 
eines indischen Nabobs, das zu erreichen 6s' 
länge, was bis heute weitaus besser gualiji« 
zierten Meistern wie Nimzowitsch, Tartoko« 
wer, Euwe u. a. verwehrt blieb. 
Auch im Turnier zu Stockholm, das un 
gefähr gleichzeitig mir jenem Wettkampf statt 
fand, erstritt die Jugend den Sieg. Floßt 
Stoltz. Lundin wurde» gemeinschaftlich ErV 
und ließen den alten Kämpen Sämisch me> 
hinter sich. 
Ansturm der Jungen also auf der ganze" 
Linie. Die bisher herrschende Meistergen^ 
ration wird sich mit äußerster Kraft verleibt« 
gen müssen, wenn sie nicht rasch hinweggefegt 
sein will. Götterdämmerung —? 
Zum Lächà unê f adjcn 
Wahrscheinlich. 
Kimme geht auf sie Jagd und konimt ohne 
Hund heim. 
„Pech gehabt!" knurrt er. „Hasen gesehen, an 
gelegt, losgedrückt. Hund springt dazwischen, Hui'ö 
tot." 
Fragt ihn Korn: 
„Und der Hase?" 
Schreit Kimme wütend: 
„Der Hase? Der Hase? Nu — apportiert ha! 
er mir den Hund." 
„Der Mann da drüben hat wahrscheinlich meist 
Unsinn in seinem Leben geschrieben als sonst st' 
mand." 
„ Roma nschriftsteller?" 
„Nein. Parlamentsstenograph." 
Schwere Enttäuschung. 
A. (zu einem Bekannten): Fräulein Mactt 
hat sich bitter getauscht, als sie den alten Bare» 
heiratete. 
B. : Wieso? Ist er nicht so reich, wie f' 8 
dachte? 
A.: Das schon, aber er ist zehn Jahre jünger 
als er ihr gesagt hatte, statt 75 nur 66. 
„Es tut mir leid, Fräulein Münster, daß ich 
Sie noch für einige Zeit hier behalten muß, aber 
es gibt noch einen Geheimvertrag zu diktieren. 
Kommen Sie bitte in zehn Minuten in mein Zim 
mer zum Aufnehmen!" 
Else legte den Hut in den Schrank zurück und 
strich sich verwirrt mit den Händen über das wel 
lige Haar. 
Die beiden anderen Sekretärinnen lächelten sich 
verstohlen und etwas spöttisch zu. 
Sie waren schon ältere Semester nnd bean 
spruchten nicht, daß ein Mann wie Lenner ihnen 
-schöne Augen mache. 
Die Art aber, wie diese junge Kollegin bevor 
zugt und behandelt wurde, mußte Kopfschütteln er 
regen. 
Seit jenem Abend, wo Lenner und Else mit 
einander tanzten, waren sich die beiden verschieden 
fach begegnet, ober immer nur flüchtig, und der 
verwöhnte Baron war schon im Begriff, das rei 
zende Mädel zu vergessen, als es plötzlich in der 
Zentralabteilung auftauchte. 
Und gerade das etwas Kühle, Herbe, Mädchen- 
hafte zog ihn mit unwiderstehlicher Gewalt an. 
So sorgte er nach einer bestimmten Frist, die 
er ablaufen ließ, um jedem Gerede vorzubeugen, 
dafür, daß Else seinem engsten Personal zugeteilt 
wurde. 
Um neun Uhr begann Fräulein Münster ihren 
Dienst, arbeitete bis ein Uhr. worauf sie zu langer 
Mittagspause heimkehrte. 
Erst gegen fünf kam sie wieder, um noch die 
Abendpost erledigen zu helfen. Da kam es zu 
weilen vor. daß es an bewegten Tagen später 
wurde. I 
Das Arbeitszimmer der drei Damen lag un 
mittelbar neben dem Lenners, getrennt durch schall 
sichere Türen. 
Das Verhältnis des Generaldirektors zu seiner 
neuen Sekretärin war vom ersten Tage an ein 
eigenartiges. 
Einordnete nicht an, wie er es sonst tat. son 
dern „bat", wenn es sich um Elle handelte, und 
während zuweilen bei längeren Diktaten direkt in 
die Maschine die Damen diese selbst in Lenners Zim 
mer trugen, sorgte bei Fräulein Münster der Ge 
neralgewaltige stets dafür, daß einer der kleinen 
in Livree steckenden Doter^ diese unwürdige Arbeit 
erledigte. 
Und Else? 
Sie wurde aus diesem rätselhaften Mann nicht 
klug, über den so merkwürdige Dinge erzählt wur 
den. 
War er wirklich ein solcher Don Juan? 
Treulosigkeit gegen Mädchen und Frauen sagte 
man ihm nach und Verschwendungssucht! 
Aber sonst «in arbiter elegontiarum vollendet 
ster Art. 
Ein Mann von Geist und Gewandtheit! 
Und wie oft kam es vor, daß der Chef und 
feine Sekretärin, wenn ein Brief diktiert oder sonst 
eine Arbeit erledigt war, einige Minuten ins Plau 
dern gerieten! 
Dann konnte er hinreißend von Kunst und 
Wissenschaft berichten, über fesselnde Dinge sich 
äußern, so daß das junge, zu schöngeistigen Din 
gen hinneigende Mädchen mehr und mehr in den 
Bann dieses eigenartigen Menschen geriet. 
Und s-o geschah es, daß allmählich Bastion um 
Bastion der Festungswerke siel, die Else Münster 
um ihr Herz errichtet hatte. 
Der kleine Boy stand plötzlich vor ihr, nahm die 
Maschine mit einem gewissen Schwung und trug 
sie ins Nachbarzimmer. 
Das schreckte Else aus ihrem Grübeln. Die 
zehn Minuten Frist waren um. 
„Auf Wiedersehen, meine Liebe!" flötete Irma 
Schrader, die Fünfundbreißigjährige, und ent 
schwebte, während dîe andere Kollegin in der Tür 
meinte: „Nicht überanstrengen. Kindchen!" 
Und Else ging, um ihre Pflicht zu tun. 
Als sie eintrat, meinte entschuldigend der- Ge 
neraldirektor: „Ich fürchte, die Sache wird eine 
Weile dauern. Fangen wir daher gleich an. Drei 
Durchschlüge, bitte. Ueberschrist: Streng geheim!" 
Während Else die Maschine bediente, ging 
Herr von Lenner diktierend durch den mit Perser- 
teppichen belegten Raum. 
Die beiden Ampeln brannten, der feine Ziga 
rettenrauch schlängelte sich zur Decke. 
Else war gar nicht zumute, als ob sie in einem 
„Büro" nüchterne Schreibarbeit verrichte. 
Nach einer guten halben Stunde etwa klopfte 
es, und auf Kurts „Herein", betrat ein Kellner der 
benachbarten Weinstube das Zimmer, enthüllte einen 
großen, verdeckten Korb und baute in der Nische 
ein Abendbrot für zwei Personen auf. 
Dann verschwand er. 
Lenner trat an die Maschine heran und beugte 
sich über die soeben vollendete Seite. 
„Die gute Hälfte haben wir. Sie sollen um 
Ihr Nachtessen nicht betrogen werden, also machen 
wir eine kurze Paule!" 
Errötend und verlegen wehrte Else ab. 
„Aber — ich bitte — Herr von Lenner " 
„Keine Widerrede! Selbst der strengste Dienst 
gestattet eine Atempause " 
Lachend bot er Else den Arm. 
Ihr Blick flog zu dem Tischchen unter der bun 
ten Lampe, wo die erlesensten Delikatessen die 
Tafel schmückten im Derein mit einer vom Kellner 
lautlos geöffneten Flasch Sekt. 
Sie wußte gar nicht, wie es kam, daß sie nu» 
ln dem weichen Armsessel saß, er ihr gegenüber. 
Er reichte ihr ein gefülltes Glas. 
„Seien Sie mir wagen dieses kleinen Inter 
mezzos nicht böse! Aber gestehen Sie selbst, ist eint 
solch kurze Ausspannur^, solch ein Plauderstünd' 
chen nicht reizend?" 
Und sie mußte zugeben, das er recht hatte. 
Die Gläser klangen aneinander, der Zwang 
siel, man unterhielt sich vortrefflich. 
Der Sekt warf bald in Elfes Augen bezaubern- 
den Glanz. 
Die Wangen glühten, man stritt lachend un> 
Kunst- und Schönheitsfragen dieser modernen Tage- 
Die Flasche ging zur Neige, als Kurt Fräulein 
Münster eine neue Zigarette bot, aus dem Wand- 
schräukchn Benediktiner holte und zwei Kristoll- 
gläschn füllte. 
Sie wehrte erst ab, aber er meinte, daß erst 
dieses herrliche Erzeugnis alter Mönchskunst de>» 
Essen einen würdigen Abschluß verleihe. 
Mit spitzen Fingern nahm Else den Likör, und 
man stieß an. 
„Nun — aber — bitte wieder an die Arbeitst 
Else blickte aus ihre Uhr. 
„Es wird sonst zu spät." 
Ihr Gefichtchen glühte, sie war den feurigen 
französischen Sekt nicht gewohnt und empfand 
peinlich, daß sie in eine ganz merkwürdige Stint' 
mung geriet, die sie sich nicht zu erklären ver 
mochte. 
Sie setzte sich an die Maschine , und strich 0 
über die heiße Stirn. 
Höhnisch grinsten sie die weißen Felderchen de» 
Tastatur an und versuchten durcheinander ii" 
hüpfen. 
Sie sing plötzlich an zu lochen: „Ich — weiß 
— gar nicht ". 
Dann schüttelte sie den Kopf und blickte 
Kurt auf, der neben ihr stand, das Manuskript i" 
der Hand und sich amüsierte. 
„Die tausend kleinen Teufel sind Ihnen rvoht 
ein bißchen ins Köpfchen gestiegen?" 
„Beinahe — glaub« ich es!" 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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