Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 1)

Die weiße Königin öer ĶoraNenfee 
Eine Europäerin allein unter Menschenfressern. 
Sydney beherbergte vor kurzem einen inter- 
eisanten Gast: Königin Evelyn, die weiße Herrscherin 
der Südseeinsel Badu. Die Dame ist eine würdevolle 
Erscheinung.mit Hornbrille, weißen Haaren und ein 
wenig altmodischer Kleidung. Sie wurde photogra 
phiert und interviewt, die australischen Zeitungen 
brachten ihr Bildnis. Ungewöhnlich sind die Etap- 
pen dieses romantischen Lebensganges: Kontoristin, 
Advokatensgattin. Stewardeß, Königin, Und das 
'kam so: 
r>m Jahre 1898 ehelichte die damals achtund- 
zwanzig Jahre alte Evelyn Maud Croker den jun 
gen Londoner Reckstsanwalt Pitt Zahell. Nach zwei 
jähriger glücklicher Ehe starb der Mann an Tuber 
ļulose und ließ seine Gattin mittelos zurück. Die 
men, sie als Braten zu versuchen. Uebrigens fand 
>ie bald heraus, daß ihren Gastfreunden keineswegs 
Intelligenz fehlte. Die Hutten waren aus Flecht 
werk errichtete geräumige und peinlich saubere Bau 
ten, die Dächer hatten kunstvoll geschnitzte Holzgie- 
^.el und Verzierungen, dr-, Kanus waren bis dreißig 
Meter lang und seetüchtig. Zur Zeit, als Frau Eve 
lyn auf die Insel kam, unternahmen die Bewohner 
noch häufig Kriegsfahrten zu benachbarten Inseln, 
mm Gefangene zu machen. Diese wurden nach der 
Heimkehr geschlachtet, zerlegt und gebraten. Ein 
solcher Menschenschmaus war ein großes Fest für die 
In,e!bewohner. Frau Evelyn schrieb diesen Kan 
nibalismus dem Fleischhunger der Wilden zu, denn 
auf der ganzen Insel gab es kein größeres eßbares 
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lunge Witwe ,ah ,ich genötigt, ihren Lebensunterhalt Tier. Die Schädel der Menschenopfer wurden auf 
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'şilbst zu verdienen und, da sich ihr nichts anderes 
bot, wurde sie kurz entschlossen Stewardeß auf dem 
Luxusdampfer „Orama", der den Passagierverkehr 
zwischen England und Australien besorgte. Auf der 
Rückfahrt von Brisbane passierte der Dampfer die 
Nippenreiche Korallensee, durch die man in die 
Torresstraße gelangt. Infolge eines Gebrechens an 
der Maschine mußte die „Orama" an der Insel 
Vadu anlegen, um den Schaden auszubessern. 
. Da du ist eine ziemlich große, tropisch fruchtbare 
Basel, die infolge des gefährlichen Fahrwassers sel 
ten von Schiffen angelaufen wird. Damals genos 
sen ihr« Bewohner, wilde, braunhäutige Melanesier, 
e:nen bösen Ruf. sie galten als Menschenfresser.' 
Frau Evelyn wußte nichts davon und ungeachtet 
«des Abratens der Schiffsleute ließ sie es sich nicht 
nehmen, ans Land zu gehen, um die bezaubernde 
tropische Vegetation zu bewundern. Sie wagte sich 
zu weit in einen Eukalyptuswald vor und verirrte 
chch Als Frau Evelyn endlich doch wieder zum 
Strand zurückfand, sah sie nur noch in weiter Ferne 
Die Rauchfahne der „Oi-cnna". Der Kapitän hatte 
offenbar seine Stewardeß vergessen. 
Frau Evelyn befand sich in peinlichster Lage. 
wußte sie, daß nicht so bald ein Schiff kommen 
wurde, ihre ganze Ausrüstung aber bestand in dem, 
was sie auf dem Leibe trug. Es blieb ihr nichts 
anderes iibrig. als die Eingeborenen aufzusuchen 
mud um Gastfreundschaft zu bitten. Nach langem 
Amherirren entdeckte sie, im Walde versteckt ein 
E-ngeborenendorf. Gleich der erste Eindruck war 
erichreckend denn sie iah vor jeder Hütte geschnitzte 
chfahle, auf denen Memchemchädcl bleichten Zit 
ternden Herzens betrat sie die stattlichste Hütte und 
iah sich einem splitternackten, baumlangen Wilden 
gegenüber, der sie verwundert anstarrte." Die Eng- 
änbertn machte sich ihm durch Gebärben verstäub- 
lich und zu ihrer Erleichterung grinste der W'lüe 
gutmutig und setzte ihr einen Krug eines angenehm 
säuerlichen Gebräus iowie Früchte vor. 
.. ckrau Evelyn war unter den Wilden bald hei 
mlich und erlernte raich deren einfache Sprache. 
Sie war damals sehr mager und dies empfand sie 
selbst als Gluck. Denn nur dadurch war es zu er 
klären, daß die Wilden nicht auf den Gedanken ka- 
lange geschnitzte Pfähle gesteckt und für tabu, 
gehalten. 
_ Frau Evelyn bemühte sich nach besten Kräften, 
die Naturkinder zu unterrichten, insbesondere lehrte 
sie die Frauen kochen und hygienischer zu leben. Die 
Sittlichkeit stand auf hoher Stufe. So wohnten die 
ledigen Burschen in einem Gemeinschaftshaus, wäh 
rend die Mädchen in einem von alten Kriegern be 
wachten „Pensionat" mitten im Walde wohnten. 
Als Frau Evelyn ->nmal mit Erfolg bei der Ent^ 
bindung einer Häuptlingsfrau assistiert hatte, wuchs 
ihr Ansehen ungeheww. 
Um diese Zeit geschah es. daß die „Orama" wie 
der vor Badu ankerte, um nach der verschollenen 
Stewardeß zu suchen. Frau Evelyn kam an Bord 
und erklärte dem Kapitän, sie gedenke für den Rest 
ihres Lebens auf der Insel zu bleiben. Sie erbat 
sich zwei Schweine und einiges Geflügel zur Auf 
zucht, einige Werkzeuge, eine Lampe samt einigen 
Gallonen Petroleum und Bücher. 
Nach dem 1910 erfolgten Tode des Königs der 
Insel wählten deren Bewohner sie zur Königin. 
Frau Evelyn nahm die neue Würde nur unter der 
Bedingung an, daß die Menschenfresserei aufhören 
müsst. Die Wilden stimmten zu und sie hatten es 
nicht zu bereuen. Die tatkräftige Frau wurde ihren 
Untertanen eine musterhafte Landesmutter, so daß 
jene das glücklichste Inselvolk der Südsee wurden. 
Die ganze Insel ist gut bebaut und liefert reichliche 
Ernten, jede Familie besitzt Schweine und Geflügel. 
Auch einen Ausfuhrhandel hat die Insel, da 'die 
Eingeborenen an australische Händler große Men 
gen Kopra verkaufen. Königin Evelyn duldet aber 
nicht, daß sich ein Weißer auf der Insel niederläßt, 
da sic darin eine Gefahr für das friedliche Leben 
ihrer Untertanen sieht. Der Kapitän eines Schiffes 
schenkte ihr einen Klubsesiel, in dem sie wöchentlich 
zweimal vor ihrem Bungalow thront und die 
Wünsche und Klagen ihrer Untertanen enigegen- 
nimmt. Ihre Entscheidungen werden immer 
respektiert. 
Königin Evelyn leidet seit einiger Zeit an 
Gallensteinen, und so ist sie nach Sydney gekommen 
um sich ärztlich behandeln zu lassen. Sie hat dem 
Muieum der Stadt reiche Geschenke übermittelt' ur 
alte Waffen. Tanzmasken, zierlich aus Palmen'blät. 
tern geflochtene Gefäße, Holzschnitzereien und aus 
àteàe?ļļ^ Şîoffe, durchweg Erzeugnisse ihrer 
»öic Äîrmme ö§s 
9îvman von ^îşrib von ^^nşiein. 
Vertrieb: Literatur-Verlag Gloria. Berl-n-Steglitz. 
) ■ (Nachdruck verboten). 
àrze Inhaltsangabe für Misere neuen Abonnenten. 
In der Kieler Villa des Grafen Arnim-Dehrental 
Abschied des Marine-Schulschikfes 
Klleptm, Der Neffe des Grafen, Konrad, liebt die 
Tochter semes Onkels und nimmt ihr das Versprechen 
î harten bis er nach 2 Jahren wieder. 
^ ®'“î àr möchte feine Tochter einem 
reichen Baron verheiraten, in dessen Schuld er steht 
den trotz ausgedehnter Güter in Pommern war die 
fmanzlelle Lage des Grafen, der leidenschaftlich spielte, 
katastrophal. Ein reicher Bruder des Grafen, der als 
Porscher viel Ruhm erworben hat, kehrt rechtzeitig 
beim, um einen Zusammenbruch z-u vermeiden. Trotz, 
dem verschwendet der Graf das Geld wiederum und 
die Heirat mit dem verhaßten Baron rückt für Ilse 
^»nàher. Da flüchtet sie zu ihrem Onkel, dem sie 
viele Stunden beim Sortieren seiner Sammlimg ge- 
Holsen hat, und der sie gern hat. Er verspricht, alles 
z-u tun, um ihr zu helfen. 
. I'ņ anderen Morgen lag auf seinem Antlitz 
der schollen der Rächt, die er durchwacht. 
Mußerlich völlig ruhig, ging er in das Vor 
derhaus und bat seinen Bruder und seine Schwä 
gerin um eine Unterredung. 
„Entschuldige, lieber Alexander, wenn ich mich 
in eme Privatangelegenheit deiner Familie dränge, 
aber es handelt sich um bas Glück eurer Tochter und 
Gl) bitte dich daher, mir einige Worte zu gestatten. 
Il>e hat mir mitgeteilt, daß ihr die Absicht habt, sie 
mit dem Baron Waldow zu verloben. Sie liebt den 
Mann nicht und da sie sich selbst nicht stark genug 
fühlt, eurem Willen entgegenzutreten, so hat sie mich 
gebeten, den Vermittler zu machen." 
„Dann bitte ich.dich, Hieronymus, dir unnütze 
Worte zu sparen. Ich denke, daß wir als Eltern 
wohl selbst am ersten das Glück unseres einzigen 
Kindes im Auge haben. Es ist mir peinlich, in einer 
Sache, die lediglich uns allein angeht, dir, dem jün 
geren Bruder, gewissermaßen Rechenschaft zu stehen, 
aber du hast dich vor wenigen Wochen so selbstlos 
gezeigt, daß ich dich nicht mit kühlen Worten ab 
speisen möchle. 
Wenn wir fest entschlossen sind, unsere Zustim 
mung zu Ilses Verbindung mit Waldow zu geben, 
so hat das seinen guten Grund. Und was ich dir 
nun tage, wird dir bew°isen. daß es auch mir nicht 
an Selbsterkenntnis und Offenheit fehlt. Als du 
mir geholfen, hatte ich den festen Vorsatz, noch ein 
mal von vorn anzufangen. Aber ich tauge nicht 
zum Landwirt. Vater hat mich falsch beurteilt. Als 
Nevo utron in Panama. 
Amerikanische Militärposten in den Straßen der Stadt Panama. 
f-Ņ mittelamerikanischen Staat Panama ist eine Revolution ausgebrochen, die sich gegen 
fabr?durG^ ArĢŗna richtet Falls die Bewegung zu einer Bedrohung der Schiff- 
fahrt durch den Panama-Kanal fuhren follie, beabsichtigen die Vereinigten Staaten 
Truppen zu entsenden. 
Auf der Suche nach einer verschollenen Expedition. 
Eine Expedition, die Spuren des englischen 
Forschungsreisenden Oberst Fawcett und seiner bei. 
den Begleiter im brasilianischen Urwald, aufsuchen 
will, ist von Neuyork abgesegelt. Sie besteht aus 
elf Männern, die von zwölf Spürhunden begleitet 
sind, von denen sie sich wertvolle Dienste in dem 
wegloien Dickicht des weiten Gebietes von Matto 
Gro„o versprechen. Oberst Fawcett befand sich mit 
'einem 21jährigen Sohn und dem 23jähriaen Ra. 
lergh Rimell auf einer Forschungsreise in diesem 
Gebiet, von der er am 30. Mai 1925 seine lebte 
Botschaft sandte. Die Expedition, die etwa 4000 
Kilometer in dem noch nicht kartographisch Qur - qe , 
nommenen Teil von Südwestbrasilien zurücklegen 
will, hat zwar wenig Hoffnung. Fawcett und die 
Seinen noch lebend anzutreffen, will aber versuchen, 
das Geheimnis seines Schicksals aufzuklären. 
Die erste Fahrt des neue» 
Riviera—Neapel-Expreßzuges. 
îN. Berlin, 3. Jan. Ain Sonnabend um 
12,83 Uhr hat der neue Rivtera-Neapel-Ervren 
Berlin vom Anhalter Bahnhof aus zu seiner 
ersten Nerse verlassen. Ter neue Erpreßzug be 
steht aus drei Gepäckwagen, einem Speisewa 
gen und vier Schlafwagen, die einheitlich in 
dunkelblauer Farbe mit gelben Streifen ge 
halten find- Die Lokomotive ist eine der schnell 
sten Maschinen, die in Deutschland vorhanden 
sind, fete kann 120 Kilometer in der Stunde 
zurücklegen. Der Expreßzug wird in Zukunft 
wöchentlich dreimal verkehren. 
Fener im Elektrizitätswerk Dessau. 
TU. Dessau, 3. Jan. Ein schwerer Keller 
brand entstand am Sonnabend vormittaa ae, 
gen 10 Uhr im Elektrizitätswerk Dessau. Das 
ganze Werk ist in Rauch gehüllt. Die Mann, 
Ichasten der Feuerwehr drangen mit Gasmas 
ken in den Keller, um den Brand zu bekämp 
fen. Es wird dauernd Sauerstoff von außen 
zugepumpt. Die Bekämpfung des Brandes ist 
außerordentlich schwierig. Das Feuer ist im 
Heizungskeller entstanden. Bisher ist die 
Stromlieferung noch nicht unterbrochen. Das 
Feuer konnte nach 2 Stunden gelöscht werden. 
Lin dänischer Schoner mit fünf Mann gesunken« 
Kopenhagen, 3. Jan. Der dänische Schoner 
„Jens Nielsen", der am 12. Dezember Leith mit 
Kohlen für Dänemark verließ, ist überfällig. Man 
nimmt an, daß er während der letzten Stürme in der 
Nordsee untergegangen ist. Die Besatzung besiand 
aus fünf Mann. 
ich neulich in dem elenden Nest, das die Kreisstadt 
für untere Güter ist, war, ekelte mich der Gedanke 
an, etwa die meiste Zeit meines Lebens da zu ver 
bringen, und wie ich dann nach Berlin kam, packte 
mich der Leichtsinn und der Spielteufel. 
Rem, ich bin der Mann nicht, der unsere Güter 
in die Höhe bringt. Ich hät!e vielleicht pflichtschul 
digst mem Glück vermcht, aber nach wenigen Jah 
ren wäre dieselbe Schuldenlast dagewesen. Zum 
zweiten Male würdest du dich mit gutem Grunde 
hüten, dein gutes Geld in eine schlechte Sache zu 
werfen und vielleicht kämen unseres Bakers Güter 
doch unier den Hammer und ich sauge auf meine 
allen Tage Hungcrpfoten, Ilse aber bleibt als armes 
Madel zurück. 
Daß Ilse eine reiche Heirat machen muß, ist 
elb-tner-tändlich. und daß sie eine solche in standes 
gemäßen Kreisen macht, ist unter innigster Wunsch. 
Beides bietet ihr Waldow. Er ist von altem Adel 
und immens reich. Ilse nimmt an seiner Seite eine 
glanzende Stellung ein. Er ist Kavalier, Reichs- 
tagsabgeordneier. in jeder Weise eine vorzügliche 
Partie und obendrein nimmt er mir die Last der 
mir unerträglichen Landwirtschaft ab und sichert 
durch eine von mir zu bestimmende Rente mir und 
meiner Frau einen angenehmen Lebensabend. Wä 
ren wir da nicht Toren, wenn wir einer einfältigen 
Mädchenlaune ein solches Glück opferten? 
„Aber sie liebt ihn nicht!" 
„Unsinn! Was weiß Ilse von Liebe. 
„Ich denke, sie liebt ihren Pflegebruder Kon 
rad." 
„Kindereien und Grund mehr, ihre Verlobung 
zu beschleunigen. Sie braucht einen reichen Mann 
und er erst recht eine reiche Frau. Die Verbindung 
ist von vornherein ausgeschlossen. Und was heißt 
da Liebe? Kinderfreundschaft. Nichts weiter. Wenn 
er heimkehrt, werden beide darüber lachen. Glaubst 
du, der Bengel hat nicht in jedem Hafen bei irgend 
einer Schönen Feuer gefangen? Nein, aller Junge, 
da spreche ich aus Erfahrung. Wenn Konrad ein so 
şi'cher Bursche geworden sein sollte, wie er zu 
werden versprach, dann stehen ihm andere Türen 
offen, und wenn er eine reiche Frau hat und Ilse 
Baronin Waldow ist. dann werden beide zufrieden 
und dankbar sein. Also laß uns Schluß machen und 
ein Glas Madeira auf den' Schreck trinken." 
In Hieronymus tobte ein schwerer Kampf. Sein 
blasses Gesicht färbte sich mit dem Rot der Erre 
gung. Er ging einige Male mit schnellen Schritten 
auf und nieder, dann blieb er vor dem Bruder 
stehen. 
„Ich bitte dich, beantworte mir noch einige 
fragen. Du wirst gleich erfahren, warum. Ist es 
dein unbeugsamer Wille, niemals in eme Verbin 
dung zwischen Ilse und Konrad zu willigen?" 
„Mein fester Entschluß." 
„Und seid ihr beide, auch du. Schwägerin, über 
zeugt, daß Ilse nicht unglücklich wird, wenn sie anf 
Konrad verzichten muß?" 
Lächelnd bejahten es beide. 
„Nun noch eins. Welche Summe willst du als 
jährliche Rente verlangen?" 
„ „Ich werde mich mit dreißigtausend Mark be 
gnügen. Aber das ist ja wie ein Perhör." 
Alexander lachte etwas gezwungen und stand 
auf, um die Unterredung abzubrechen. 
„Noch einen Augenblick. So muß es denn sein. 
Ich habe die ganze Nacht mit mir gerungen und mich 
tauiendmal gefragt, ob ich das aussprechen darf, 
was sich jetzt über meine Lippen drängt. Gott sei 
mein Zeuge. Wenn auch das Gluck meines ganzen 
Lebens auf dem Spiele steht — ich hätte geschwie 
gen. wenn es sich nur um mich handelte. Aber es 
handelt sich um mehr, viel mehr. Lieber Alexander 
und liebe Bertha, wozu der langen Worte. Ich bitte 
euch, zwingt Ilse nicht zu dem verhaßten Bund, ver 
traut euer Kind mir an. Ich liebe Ilse mit aller 
Innigkeit meines Herzens und ich glaube auch, sie 
fühlt für mich, wenn sie auch in mir wohl bisher 
nur den Onkel sicht. Kurz, ich bitte euch in aller 
Form um die Hand eurer Tochter." 
Die beiden hallen mit' wachsendem Erstaunen 
zugehört. Auch die Gräfin hatte sich erhoben. Jetzt 
zeigte sich auf Alexanders Gesicht deutlich ein Zug 
des Unwillens. 
„Ich verstehe dich nicht. Zu schlechten Scherzen 
ist doch weiß Gott keine Veranlassung." 
„Ich scherze durchaus nicht. Bitte, setzt euch noch 
einen Augenblick. Komme ich euch zu alt vor? Nun 
ja. ich habe es mir in dieser Nacht wieder und wie 
der gesagt, als mein Herz allzu laut pochte Ich 
achtunddreißig. Aber Herr von Waldow ist in dem 
selben Alter. Wir sind ja-zusammen zur Schule 
gegangen. Ihr wißt, daß sich Ilse in den letzten 
Wochen eng an mich angeschlossen hat. Ihr kennt 
ja eure Tochter selbst nicht. Von Tag zu habe 
>y sie lieber gewonnen. In meinem aanzen Leben 
habe ich mich mit keiner Liebschaft abgeoeben Ihr 
wißt, daß ich nur der Arbeit mein Dasesn gewidmet 
habe, aber was ich an Liebe empfinde, gehört ihr. 
Sic wird treu und gut behütet fein an meiner Seite, 
und wie ich Ilie zu kennen glaube, wird ihr ein stil 
les Geleyrtenheim lieber fein als hohle Repräflnta- 
i:on, die ihr Waldow bieten würde. Ob Ilse im 
stande ist, mich zu lieben, so, wie ich sie liebe, weiß 
ich nicht, aber pe hat Freude an meinem Werk« und 
ich glaube, sie wurde in treuer Mitarbeit und in der 
Befriedigung, an dem großen Werke der Wissenschaft 
mitzuhelfen, einen Ersatz finden, und vielleicht fühlt 
sie >ich auch warm und geborgen in dem traulichen 
Nestchen, das ich ihr bereiten will. Jedenfalls ober 
wird sie bei mir von den Brutalitäten verschont 
bleiben, die ihr in einer Ehe mit Waldow, dessen 
Charakter mir keinerlei Garantien bietet, nicht er, 
spart bleiben würden. 
Und nun laßt uns einmal rein geschäftlich re- 
den, denn euch geht ja der Geldpunkt dem Gefühls- 
leben vor Ihr wollt eure Güter Waldow gegen 
eme Rente uberlassen. Damit liefert ihr unseres 
Vaters Erbe Fremden aus und gebt euch selbst der 
Anstand.gkeit. eures Schwiegersohnes preis. Ich 
mache euch einen anderen Vorschlag. Als Pater 
starb, hinterließ er mir eine Million und dir die 
nrnfc vri'w-fc * « Ņ'à Ich habe mein Vermögen 
* &te Ģûter sind durch deine neulich« 
Zahlung auch in demselben Zustand wie damals. 
Wenn du mtr_3l fe zur Frau gibst, bin ich bereit. 
- ‘T zu tauichen. Ich will die Güter übernehmen 
uno wenn ich auch selbst nichts davon verstehe, fei 
uberzeugt, ich werde dafür sorgen, daß sie nicht in 
fremden Besitz kommen und sie werden mich und 
meine Familie ernähren. Dir aber gebe ich das bare 
Geld. Das heißt, ich verschreibe das Geld als Eigen 
tum deiner Tochter Ilse, mit der Bestimmung, daß 
dir und Bertha, solange ihr lebt, die Zinsen zuflie 
ßen. Dann hast du die dauernde Rente von jährlich 
mindestens vierzigtausend Mark und dazu die Ge 
wißheit, daß unsere Güter in der Familie bleiben. 
Ich dächte auch, daß du dein Kind deinem Bruder 
lieber anvertrauen solltest, als dem Baron Waldow." 
Immer stiller waren die beiden geworden, wäh 
rend Hieronymus sprach, nun begann Alexander: 
„Du kannst es uns nicht verdenken, wenn wir 
nicht sofort an den Ernst deiner Werbung glauben 
wollten, denn nichts lag uns ferner, als der Ge 
danke an eine Verbindung zwischen dir und unserer 
Tochter. ■ Wenn es aber wirklich dein Ernst ist woran 
zu zweifeln für mich kein Grund mehr vorliegt, so 
bist du uns natürlich von ganzem Herzen willkom 
men. Nicht wahr, Bertha?" 
«Fortsetzung folgt.' 
«er u Druck ö e tnrtd) Möller ÊîM(. Rendsburg. 
Ebefredaktion u Verlagsleitung: e r d. Möller. J 
B-ranlwortlrch fur Leitartikel: Ferdinand Möller, 
für Politik: A d t [ f © r e g o r t kür den allgemeine». 
Herbert P u h \ m a n n , für den 
Dr. Jod. Gosch für den prooin. 
zrelleii unà örtlichen Teil: Karl Mürter, alle to 
Aerrdsourg.
	        
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