Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 1)

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Nr. 30 
Zur Unterhaltung 
Donnerstag, den 5 Februar 1931 
Beilage der Schleswļg-Holsteķnlschen LandeszelLung (Rendsburger Tageblatt) 
Graf Lepprlins îîànbrchlrr. 
Der Erfinder des Parfeval-Luftschiffs 7O Jahre alt. 
Am 5. Februar begeht die deutsche Luftfahrt 
einen Festtag. Major August von Parseval, Pro 
fessor und mehrfacher Ehrendoktor, feiert seinen 70. 
Geburtstag. Die Verdienste dieses Mannes sind von 
den großen Erfolgen des Grafen Zeppelin und fei 
ner Jünger etwas überschattet worden. Dennoch hat 
da» deutsche Volk allen Grund, der Pionieriaten 
Parsevals gerade an diesem Tage zu gedenken. 
Als Parseval sich mit Luftfahrtproblemen zu 
beschäftigen begann, gab es noch keine Hilfsmittel, 
die dem heutigen Luftschiffkonstrukteur in so reichem 
Maße zur Verfügung stehen. Alles, was Parseval 
schuf, mußte er sich selber erarbeiten. Ueberlcgungen 
über den Vogelflug brachten ihn zeitig dazu, sich mit 
der Frage des lenkbaren Luftschiffs zu befassen. 
Mehr Muße für feine Ideen gewann er aber 
erst während seiner aktiven Dienstzeit als Offizier 
im dritten Bayerischen Infanterieregiment. Der 
junge, technisch begabte Offizier ließ sich damals be 
urlauben und stellte in der Fabrik von August Rie- 
dinger in Augsburg die ersten technischen Versuche 
mit einem lenkbaren Luftschiff an. Die langjähri 
gen, schwierigen Experimente in der bayerischen Fa 
brik führten 1906 endlich zum Erfolg. Parseval ver 
packte das Luftschiff und ließ es nach dem Berliner 
Schießplatz Tegel transportieren, wo die ersten prak 
tischen Versuche, die ersten Probefahrten, vor siA 
gehen sollten. Mit seinem 80pferdigen Daimler 
motor ist das damalige Parseval-Luftschiff mit un 
seren heutigen Luftgiganten nicht in einem Atem 
zu nennen. Immerhin erregten damals die Ver 
suche des Majors Parseval ungeheures Aufsehen. 
Vor allem auch in militärischen Kreisen, wo man 
Parsevals Erfindung alsbald auf ihre Tauglichkeit 
für den Kriegsfall untersuchte. 
' Die Probefahrten des Parfeval-Luftfchiffes ver 
liefen zur allgemeinen Zufriedenheit. Ueberhaupt 
lächelte dem unternehmungslustigen Luftschiffkon 
strukteur beständig das Glück. Wahrend der zahl 
reichen Flüge der Parseval-Luftschiffe ist kaum ein 
Unglücksfall vorgekommen. Eine Katastrophe in dem 
Ausmaße der Zeppelin-Kalastrophen hat ein Par- 
feval-Luftschiff nie betroffen. Von ein paar klei 
neren Zwischenfällen abgesehen bewährten sich die 
lenkbaren Luftschiffe Parsevals auf das Beste. 
Parseval, der den raschen Aufstieg seines Unter 
nehmens stolz mit angesehen hatte, mußte auch lei 
nen Niedergang miterleben. Das letzte Parseval. 
Luftschiff wurde nach Kriegsende abgewrackt. Es 
sollte nicht, wie die Zeppelin-Luftschiffe in die Hände 
der Ententestaaten fallen. Major Parseval, den die 
Entwicklung des Nachkriegsjahrzchnts nicht entmu 
tigt hat, darf an feinem 70. Geburtstag die Glück 
wünsche nicht nur der deutschen Luftfahrt, sondern 
des ganzen Volkes entgegennehmen. 
ķme àhrL öcs PL. Z. 
Don Prof. Dr. h. c. Ing. et phil. 
August von Parseval. 
Die interessanteste Fahrt des PL 3 war eine 
fünftägige Rundfahrt durch Süddcutschland, die 
unter Führung des Herrn Majors Stelling von 
Frankfurt a. M. über Nürnberg, Augsburg, Mün 
chen, Stuttgart zurück nach Frankfurt führte. Das 
Luftschiff blieb vier Nächte hindurch im Freien ver 
ankert — ohne Landemast — und war allen Zu 
fällen des Wetters, Nebel, Regen und Sturm, aus 
giebig ausgesetzt. Am 12. Oktober trat das Schiff 
bei schönem Wetter die Fahrt an. Sie führte längs 
des Mains und der Tauber durch tiefliegenden dich 
ten Nebel, dann über Würzburg nach Nürnberg. Am 
folgenden Tage ging es über den 900 Meter hohen 
Iura nach Augsburg. An der darauf folgenden 
Fahrt nach München nahmen der Regierungspräsi 
dent von Augsburg, Exzellenz v. Traun, der Divi 
sionskommandeur Graf Bothmcr und der Oberbür 
germeister Wolfram von Augsburg teil, Nach einem 
großartigen Empfang in München kam aber das 
Schiff bei der Rückfahrt nach Augsburg in einen hef 
tigen Gewittersturm mit schweren Böen. Der Füh 
rer steuerte das Schiff bis dicht an den Boden her 
ab, in der Hoffnung, dort eine geringere Windstärke 
vorzufinden. Hier kam das Schiff über ungünstigem 
Terrain ganz langsam vorwärts, indem es vom 
Wind fortwährend hin und her geschleudert wurde, 
ab und zu in großen Sprüngen den Boden streifend, 
einmal über eine Rinderherde hinweg. Nach zwei 
langen Stunden ließ der Wind etwas nach. Von 
den zwei ausgeworfenen Schleppseilen wurde nun 
das eine gekappt, däs andere fürchterlich schmutzige 
unter tatkräftiger Beihilfe der Exzellenzen eingezo 
gen. In 50 bis 75 Meter Höhe fliegend erreichte der 
PL 3 bei Einbruch der Dunkelheit seinen Landeplatz 
in Augsburg. 
Auf der Weiteren Fahrt trat eine Störung an 
einer der Pentilatorwellen der Kühler ein, so daß 
die Reise nur mit einem der beiden Motoren fort 
gesetzt werden konnte. In Stuttgart auf dem „Wa 
sen" neben den Daimlerwerken wurde gelandet un 
der Schaden repariert. Roch waren aber nicht alle 
Schwierigkeiten überwunden. Ein sehr heftiger 
Westwind drohte am nächsten Tage das Luftschiff ab 
zutreiben, und in dem engen Neckartal wurde es 
wie ein Spielball hin und her geworfen. Nachdem 
aber der Wind wieder etwas nach Süden gedreht 
hatte, erreichte der PL 3 in guter Fahrt den Heim 
hafen in Frankfurt. Der Ballon war völlig unbe 
schädigt. Er hatte auf der ganzen Fahrt nur 700 
Kubikmeter Gasnachfüllung gebraucht, obwohl mehr 
fach Höhen bis zu 1400 Meier aufgesucht werden 
mußten. An Velriebssicherheit w'rd er auch heute 
nicht übertroffen, wohl aber bedeutend an Geschwin 
digkeit, und zweimal trat der Fall ein, daß er gegen 
den Wind kaum mehr vorwärts kam. Ein neuzeit 
liches Schiff würde die Fahrt rascher erledigt haben. 
An Landungsfähigkeit und Handlichkeit war aber 
der PL 3 überlegen. 
krsmmt öer Rief-m-Omrribrrs? 
Zusammenarbeit zwischen Flcttner und Krupp. — 
Leichte Steuerung. 
Auf der bevorstehenden Automobilausstellung 
wird zweifellos ein Riesenomnibus großes Aufsehen 
erregen, den die Firma Krupp gemeinsam mit dem 
Erfinder des Rotors, Flettner, herausbringt. Das 
Problem, auch schwere und große Omnibusse mit 
Leichtigkeit zu steuern, scheint nach den Mitteilungen, 
die uns zugehen, durch diesen neuen Wagenlyp ge 
löst zu sein. Es handelt sich auch bei diesen Eroß- 
raumkraftwagen um das bereits bekannte Flettner- 
Prinzip, das sich für Schiffe und Flugzeuge wieder 
holt bewährt hat und das nunmehr auch auf die 
Steuerung von Landfahrzeugen angewendet wird. 
Der Hauptunterschied zwischen den bisher bekannten 
Kraftwagentypen und den, Flettner-Krupp-Wagen 
besteht darin, daß der Wagen nicht aus einem 
starren Chassis, sondern aus zwei Chassis, die zu 
einander gelenkig angeordnet sind, zusammengesetzt 
ist. Das eine Chassis dient zur Aufnahme der Fahr 
gäste bzw. der Ladung, während das vordere kleine 
Chassis nur den Fahrer und den Motor trägt. Don 
dem Fahrer werden also lediglich die beiden Räder 
des kleinen Chassis gesteuert, das naturgemäß sehr 
leicht belastet ist. Man hat errechnet, daß hierdurch 
nur noch ein Zehntel des bisher notwendigen Kraft 
aufwandes für die Steuerung benötigt wird. Die 
an dem zweiten Chassis befindlichen Räder werden 
nicht vom Fahrer gesteuert, sondern durch eine He 
belübertragung vom Motorchassis aus gelenkt. Die 
hinteren Räder des zehnrädrigen Riesenomnibusses 
laufen wie bei einem normalen Wagen. 
Durch diesen Fiettner-Wagen scheint also das 
Problem der Steuerung mit geringstem Kraftauf 
wand und unter Zuhilfenahme einer maschinellen 
Kraft gelöst zu sein, so daß es möglich ist, in Zukunft 
Omnibusse von einem Ausmaß zu bauen, das man 
sich bisher nur schwer vorstellen konnte. 
Auf der Automobilausstellung wird man bereits 
einen fertigen Wagen dieser Art ausstellen, der über 
13 Meter lang ist, eine Nutzlast von ca. 15 To. hat 
und einen Motor von 150 PS. besitzt. Es steht außer 
Frage, daß dieser Wagen besonders für den schienen 
losen Güter- und Personenverkehr eine große Rolle 
spielen wird und damit der Reichsbahn eine neue 
gefährliche Konkurrenz erwachsen dürfte. 
Sperlingssterbe«. 
Auf den Shetlandsinseln und auf Fair Isle, 
einer kleinen Intel in der Nähe, gab es bisher Sper 
linge in Hülle und Fülle. Seit dem Jahre 1926 
nimmt ihre Zahl erstaunlich schnell ab, und man weiß 
jetzt nur noch von ganz vereinzelten Tieren zu be 
richten. Man führt das Aussterben der Sperlinge 
auf irgendeine Krankheit zurück, konnte aber bis 
jetzt noch nichts Genaueres darüber ermitteln. 
Ein Wunderwerk der Präzisionstechnik. 
In der Werkftätte des physikalischen Instituts 
der Tübinger Universität ist ein Wunderwerk der 
Präzisionstechnik fertiggestellt worden. Es handelt 
sich um eine Waage, die an Feinheit des Gewichts 
vermögens von keiner anderen Waage der Welt 
übertroffen wird: Die Waage ist nämlich imstande, 
bis hinunter zu einem hunderttausendstel Milli 
gramm zu wiegen. 
Tum Lächeln und Lachen. 
Vor der Natur. 
Die Drahtseilbahn brachte uns zur Höh«. Gin 
Herr ist von der Aussicht, die sich oben bietet, über 
wältigt und spricht Hymnen. Seine Frau schweigt. 
Das stört ihn: „Nu, Emilie ,du sagst ja gar nichts?!" 
Sie aber hat echt Dresdener Gelassenheit: »Ich 
nehm's üben mit Ruhe." 
Frau und Politik. 
»Bei uns in Deutschland liegt es vielfach 
an der Leitung." 
»Ach ja, unsere ist auch wieder verstopft." 
Der giälerne Berg. 
Roman von Felix Neumann. 
Lopķlght 1930 by flntl Köhler n. Co., B-rlìn.Zehlendorf. 
13) (Nachdruck verboten). 
Im Auto des Spinnereibesitzers hakte Mallwitz 
vertraulich bei Herrn von Lenner unter. 
»Passen Sie auf. lieber Baron, das wird eine 
glänzende Sache. Und — und —", er lochte kurz. 
— »Ihr Schade soll es nicht sein!" 
Etwas ungehalten wehrte der Generaldirektor 
ab. Ihm ging die plumpe Vertraulichkeit dieses 
Mannes auf die Nerven, aber was sollte er machen? 
»Nun — ja — gewiß — aber vergessen wir 
nicht, daß das Wohl unserer Gesellschaft an erster 
Stelle stehen muß!" 
Der Wagen hielt, Lenner verabschiedete sich. 
Der Fabrikherr nickte mit dem Kopf. 
»Das ist doch selbstverständlich. Und —" er 
senkte die Stimme — »den Münster schicken wir in 
die vorderste Front. Hier richtet er womöglich Scha 
den an, drüben kann er uns sehr nützlich werden!" 
Mädchen, das er aufwachen und sich entwickeln sah, 
ja, dessen seelischen Werdegang er mit beeinflußte. 
Noch einige Jahre höchstens, dann zog das 
Schicksal den unerbittlichen Trennungsstrich. 
Sie wurde dann für ihn die Weltdame, die er. 
wenn der Zufall es wollte, vielleicht einmal im 
Kreise eines glänzenden Festes wiedersah. 
Dann durfte er ihr allenfalls die Hand küssen 
und fragen: „Hoffentlich geht es Ihnen gut, gnädige 
Frau 
4. Kapitel. 
Am Nachmittag vor Annalieses Geburtstag faß 
in Frau Münsters Eßzimmer eine fröhliche Gesell 
schaft beisammen. 
Blumen und kleine Gaben bedeckten den Tisch, 
und in der Mitte stand nach altväterlicher Sitte die 
Torte, die von siebzehn Wachskerzen umsäumt war. 
Hell fiel der rötliche Schein der flackernden 
Flämmchen auf Annalieses liebliches Gesicht, als sie 
sich über die Geschenke beugte. Erich stand mit ver 
schränkten Armen etwas abseits und blickte sie an. 
Nie war ihm die Freundin der Schwester so rei 
zend erschienen wie in diesem Augenblick, wo sich die 
Lichtstrahlen flimmernd in den welligen Haaren fin 
gen und in den glänzenden jungen Augen. 
Er wünschte ein Maler zu sein, um dieses eigen 
artig beleuchtete Bild festzuhalten. Gleichzeitig stieg 
in seinem Herzen etwas auf, das ihm bitter und 
weh vorkam. 
Er dachte: „Nun tritt sie in das jungfräuliche 
Alter hinüber und ist kein Kind mehr. Wie lange 
kann es noch dauern, dann greift die Hand irgend 
eines reichen, angesehenen Planne» nach diesem 
Und sie würde freundlich, aber unnahbar ant 
worten: „Ich — danke, Herr Doktor! Und wie geht 
es Ihnen, was macht Ihre Schwester?" 
Dann verschwand sie im Strom der Menschen, 
fortgevissen von der Welle, die sich brandend zwischen 
ihn und sie legte. 
Er fuhr sich mit der Hand gegen die Stirn und 
seufzte auf. 
Was sollte dieses Grübeln und Spielen mit der 
Phantasie? 
Das machte traurig und mutlos. 
„Else — sieh bloß einmal, was dein hochver 
ehrter Herr SSrnber am Tage vor meinem Geburts 
tag für ein Gesicht macht !" 
Annaliese rief es laut und lachend, und Else 
sprang auf Erich zu, um ihm die Falten fortzuftrei- 
chen, die zwilchen den Augen lagen. 
Er vericheuchie das unfreundliche Bild und 
wurde wieder heiter. 
In angeregter Unterhaltung, die sich fast nur 
auf schöngeistige Dinge oder Lagesfragen erstreckte, 
verging die Zeit. 
Man sprach von Literatur und Märchen. 
Elle brachte ein Buch herein, das der Bruder 
ihr vermachte, als sie noch klein war. 
Dieser Märchenalmanach zeichnete sich dadurch 
aus, daß er besonders schöne Illustrationen brachte. 
Als Annoliese in dem Werk blätterte, das so 
zusagen „unmodern" geworden war. blieb ihr Blick 
auf einem ganzseitigen Vollbild lüften, unter dem 
stand: Zum Märchen vom „Gläsernen Berg". 
Münster hatte seinen Stuhl herbeigerückt und 
blickte dem Gast über die Schulter. 
Da sah man auf der Spitze eines gletscherhaft 
flimmernden Glasberges n junges Mädchen mit 
einem Kränchen auf dem Haupt "tzen. Und ein 
Ritter auf schnaubendem Roß versuchte, den gläser 
nen Berg zu erklimmen 
Das Glas sprühte Funken unter den Tritten 
des Hengstes, der ängstlich schnaubte. 
Des Ritters Blick war unverwandt dem Gipfel 
zugekehrt, wo das holde Kind der Befreiung durch 
den Freier wartete. 
In den Schluchten des gläsernen Berges aber 
und an seinem Fuße bleichten die Knochen der 
Jünglinge, die. das Abenteuer versuchten und in die 
Tiefe stürzten. 
Ein Bild von einer Anschaulichkeit, wie man 
cs selten in Märchenbüchern sieht. 
In die Sülle hinein sagte Annaliese ergriffen: 
„Wie schrecklich, und doch — wie schön auch! 
Nun — es ist Gott sei Dank nur ein Märchen!" 
Der junge Ingenieur sprach leise und mit Be 
tonung: „Dieses Märchen wiederholt sich alltäglich 
im Leben, hundertmal, tausendmal ! Alle, 
die hoffen und wagen, klimmen den gläsernen Berg 
hinan, um das Glück, das sie ersehnen, zu gewinnen! 
Sie opfern Gesundheit und Leben, oft auch ihre 
Ehre, nur um das zu erringen, was ihnen als herr 
liches Ziel vorschwebt " 
Lang'am wandte Annaliese das Haupt und 
blickte Erich an, der gedankenvoll die Augen zur 
Decke des Zimmers gerichtet hielt. 
„Sie — haben — vielleicht — recht! Rur endet 
es nicht immer io, wie es hier dargestellt ist!" 
Münster nickte. 
„Nein — nicht immer! Manchmal läuft es 
anders aus. Das Heldentum verblaßt, der Absturz 
winkt banal und lächerlich!" 
Er atmete tief: „Zuweilen aber ist auch für den 
kühnen Mann der seelische Tod schlimmer als der 
leibliche!" 
Die Mutter Iäcl>cltc etwas gezwungen: „Legt 
das Buch fort! Wir wollen fröhlich sein! Diele 
Lebensprobleme sind zu schwer für unsere lustigen 
jungen Mädchen!" 
Erich Münster nickte: „Du hast recht! Wir sind 
unwillkürlich aus der Märchenwelt in den grauen 
Alltag hinübergeglitten " 
Anna liefe sprang auf und blickte auf die Uhr. 
„Cs ist reichlich spät geworden. Wie immer, 
wen« der kluge Herr Doktor sich einmischt und wir 
ins Plaudern geraten. Schnell meine Sachen, ich 
gehe nrit Fräulein von Raven in die Oper. Auch 
ein Dorge^chenk von Papa!" 
Während Else im Nebenzimmer die Gaben ein 
packte, war Frau Münster auf den Flur geeilt, um 
des Gastes Sachen bereitzulegen. 
Das junge Mädchen wandte sich in halblautem 
Ton an Erich. 
„Ich habe noch etwas auf dem Herzen, wollte 
es aber nur unter vier Augen erledigen * 
Die Stimme senkte sich. 
Hastig stieß sie hervor: „Gehen Sie nach Ruß 
land?" 
In ihre Augen trat ein eigenartiger Glanz. 
„Ich — hörte davon! Es soll ein ehrenvoller 
Posten sein, aber —* 
Ganz dicht stand sie nun vor ihm. 
„— aber — da Herr Mallwitz diesen Plan s» 
lebhaft vertritt, habe ich — Sorge um Sie — —" 
Erich Münster blickt Annaliese an. 
„Sie — wissen mehr als ich. Man machte mir 
wohl ein Angebot, ich lehnte es aber in Hinsicht auf 
meine in der Schwebe befindlichen Erfindungen höf 
lich ab. Und —" er blickte nach der Tür. von wo 
oas Rascheln von Papier ertönte — „den Meinen 
habe ich nichts davon gesagt, um sie nicht zu beun 
ruhigen!" 
Annaliese nahm die Handschuhe vom Tisch. 
„Vielleicht plaudere ich Dinge aus, über die ich 
nicht sprechen darf. Ich weiß es nicht." 
Sie rümpfte das Raschen. 
„Man betrachtet mich daheim noch zu sehr als 
Kind. So hörte ich gestern, während ich im Ne 
benzimmer los, wie Herr Mollwitz und mein Vetter 
Kurt meinen Pater bestimmten. Sie unbedingt mit 
nach der Krim zu senden. Zum Frühjahr, so in 
etwa sechs Wochen! 
Ich — glaubte — Sie von diesem Plan benach 
richtigen zu müssen, damit Sie nicht überrascht —* 
Else trat ein. 
„So. Herzchen, schwer nurst du nicht daran tra- 
gen! Ein Schelm gibt mehr, als er hat!" 
Die Mutter kam. Annalieses Pelz in der Hand. 
Erich sprang herbei und half beim Anziehen. 
Da sagte Annaliese plötzlich: „Sie wollen doch 
auch noch zur Fabrik, steigen Sie mit in meinen 
Wagen. Ich bringe Sie hin, und für mich i-st es 
kaum ein Umweg!" 
Diese Aufforderung kam Erich so unerwartet, 
daß er zuerst gar nicht wußte, was er antworte» 
sollte. 
fFortfetzuna folgt.) 
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