Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 1)

UimL. 
Estern, als ich jung war, — 
deute, wo ich alt bin, — 
borgen bin ich tot . . . 
îunkt so süß der Unke Nus, 
flirrt so stolz der Rosse Huf, 
^ohnt so schön des Donners Schlag, 
^auten Glocken Feiertag, 
^eht ein Wind im Weidenbaum, 
graust im Sand der Welle Schaum, 
und über all dem Weltgesang 
deiner lieben Stimme dunkler Klang . . .! 
Gestern, als ich jung war, 
. Noch nicht, 
deute, wo ich alt bin, 
^ Nicht mehr, 
Morgen bin ich tot, — 
^ann will ich Ewigkeiten lang dir lauschen! 
Börries, Freiherr von Münchhausen. 
, ^ ^ Dss Licht im Fsuster. 
Ein Erlebnis in der Kriegsgefangenschaft. 
Don HeinrichEckmann - Hohenwestedt. 
(Nachdruck verboten ) 
. , Diesen Brief trug ich wohl acht Tage in der 
?^'che, um chn immer bei mir zu haben, um ihn 
^ņner wieder zu leien und auswendig zu lernen, 
eines Abends schrieb ich die Antwort an 
«itc. 
Mein Brief lautete: 
. »Liebe Freundin, ich bin still und freue mich 
^4. Meine Freude hockt tiefmnen, wo das Leid 
^ohnt. Es ist nur ei« kleine Kammer, aber es 
i^nnt eine Kerze darin und es ist hell genug. Denn 
ît habe ich auch dein Bild aufgehängt. 
Ich hatte die Tür abgeschlossen. Es sollte mein 
^heimnis sein. Aber nun öffne ich die Tür wie- 
und lacke dich eintreten in mich. 
Immer wieder 
Schließe die Tür ich zu 
Und bringe in meinem Herzen 
Dein Bild zur Ruh. 
Und immer wieder 
Schließe ich auf dos Tor 
Und hole aus meinem Herzen 
Dein Bild hervor. 
So wird wohl bleiben 
Entsagen und Hoffen. 
Laß, Torherr, in meinem Herzen, 
Die Tür nur offen. 
Du weißt, daß Dick mein Freund ist. Und ich 
^eiß, daß du Dick treu sein willst. Wir wissen also 
^lde. was wir ineinander sind und bleiben wollen." 
Diesen Brief gab ich Mrs. Hughes, daß sie ihn roei- 
äsende an Eira. Sie nickte nur, sie sprach kein 
Wort, als ich ihr den Brief gab. Sie stand auf 
und versteckte ihn im Zimmer. 
* 
Es gingen nun Wochen dahin, ohne daß ich wie 
der etwas von Eira hörte. Höchstens sprach Dick 
über sie, wenn er zu mir ins Hotel kam. Im Herbst 
wollte Eira ihr Examen ablegen und sich dann vor 
bereiten auf die Hochzeit. Er lud mich ein, zur Hoch 
zeit von Deutschland herüberzukommen. Ich sagte 
nicht viel dazu. Was sollte ich auch sagen? Ich 
sagte vielleicht: „Ja, ja. Dick, aber wer weiß, wie 
alles noch kommt." 
Ich sehnte mich nach Hause. Ich lernte Stun 
den kennen, die mich erbarmungslos niederzwan 
gen und alle Hoffnung töteten. Der Sommer blühte 
auf. Aber unser Schicksal hatte sich noch immer 
nicht entschieden. Wir waren wohl vergessen. Ich 
arbeitete still für mich dahin und suchte mich so von 
einem Weg in den andern. Eines Tages stieg ein 
höherer Offizier in unterem Hotel ab. Er kam auch 
zu mir in meine Kabine, und wir sprachen lange 
miteinander. Er gehörte der Beiatzungsarmee an 
und war kürzlich erst aus Deutschland zurückgekehrt 
auf einen kurzen Urlaub. Ich fragte ihn, wann wir 
endlich heimgeschickt würden, aber er wußte nicht 
mehr als wir. Doch tagte er: Der Besiegte darf 
nicht fragen, er muß sein Schicksal ertragen." Das 
war ein schöner Trost. 
Das Leben im Hotel ging seinen alten Sang 
weiter. Die Sommergäste fanden sich wieder ein 
und trieben sich mit ihrem Angelgerät fast den gan 
zen Tag über am Dovey-River umher. Old Jack, 
der Trinkgeldkassierer, machte gute Geschäfte. Ich 
war noch immer nicht dazu gekommen, mich als tüch 
tiger Hausknecht den Leuten aufzudrängen. Ich 
blieb, der ich war. 
Nun kam wieder Dick auf unsern Hof geritten. 
Er wollte auf einige Tage nach Nord-Wales verrei 
sen, ich glaube, er sagte: bis Sonntag, also auf vier 
Tage, getchäftshaMr. Er brachte mir wieder ein 
kleines Paket mir, ein wenig Fleisch, Käse und Frich. 
Er kam nie mit leeren Händen. Er sagte: „Wenn 
du kein Gefangener wärest, müßtest du mit mir 
nach Nord-Wales reiten." Ich sagte: „Eira wird 
dich doch sicher begleiten." Aber er schüttelte den 
Kopf: „Eira hot keine Zeit, sie arbeitet doch für 
das Examen". Was frage ich nur? Ich wußte es 
doch. Sie fand doch nicht einnral einen Augenblick 
Zeit, um mir ein paar Worte zu schreiben. 
An diesem selben Abend, als Dick nach Nord 
Wales reiste, sollte ich noch von ihr hören. Ich traf 
Mrs. Hughes wieder allein in der Küche. Ich merkte 
es ihm an, sie war erregt, und ihr Atem keuchte. 
Sie sagtet „Wird es. dir möglich fein, heute 
abend noch einmal zu mir zu kommen? Vielleicht 
in einer Stunde?" 
„Ja," sagte ich, „es wird wohl möglich sein. 
Ich gehe gleich ins Lager und tage Bescheid, daß ich 
heute länger im Hotel zu tun habe." 
„Dann ist es gut", erwiderte sie. „Mein Plann 
ist unterwegs und kehrt erst morgen wieder zurück. 
Du geksst affo wieder in die Küche. Wenn Leute 
dich fragen, was du noch zu tun haft, antwortest du 
ihnen, daß du vom Hotel wegen der Milch eine Be 
stellung auszurrchien hättest." 
Ich versprach es und ging gleich darauf ins 
Lager, um mir die Erlaubnis zu holen. Natürlich 
mar nichts im Wege. 
Old Jack machte ein sehr verwundertes Gesicht, 
als ich noch einmal ins Hotel zurückkehrte. Aber 
ich erfand einige glaubhafte Ausreden. Ich hielt 
mich bei ihm solange auf, bis die Zeit gekommen 
war. Dann ging ich zu Mrs. Hughes. 
Sie saß in der Küche, und ich sah, daß sie den 
Kopf in beide Hände gestützt hatte. Als ich eintrat, 
land sie auf und gab mir ein Zeiechn, ihr zu folgen. 
Sie sprach kein Wort. Sie sah sehr krank und elend 
aus und zitterte am ganzen Körper, als sie eine 
Tür öffnete und mich in eine kleine Kammer hinein 
führte. Hier sollte ich wa.rten, bis sie zurückkehre. 
Dann ließ sie mich allein, und ich hörte, wie sie die 
Tür von draußen abschloß. 
Ich weiß nicht, wietange ich warten mußte. Ich 
sah dort in einem Sessel und begriff noch immer 
nicht, was dies alles bedeuten sollte. Merkwürdige 
Gedanken irrten durch meinen Sinn. 
Endlich kam Mrs. Hughes zurück. Ich hört« 
leise den Schlüssel klirren. Dann öffnete sie die 
Tür und winkte mir wieder, ihr zu folgen. S>e 
führte mich über den Flur in ein anderes Zimmer. 
Als ich eingetreten war, schloß sie die Tür wieder 
leise und vorsichtig ab. Ich stand dort allein, blickte 
mich ein wenig befangen und fragend im Zimmer 
um und sah Eira vor mir stehen. Sie war in weiße 
Seide gekleidet, trug auf der Brust das kleine sil 
berne Schild der Universität und versuchte zu lächeln. 
Ich stand dort noch immer, bewegte mich nicht 
von meinem Platz, sah mit ernsten Augen nach ihr 
hinüber und fragte mit letser, bebender Stimme: 
„Du bist hier, Eira?" 
Sie senkte den Kopf und antwortete nicht. 
„Weiß Dick, daß du hier bist, Eira?" fragte ich 
weiter. 
„Nein," sagte sie und atmete schwer. 
„Und du willst Dick nie untreu werden, Eira?" 
fragte ich. 
„Nein, erwiderte sie. 
Da trat ich einen Schritt näher auf sie zu und 
sah, daß sie auch mir entgegenkam, bis wir vor 
einander standen und ich ihre Hände fassen konnte. 
„Nun sind wir also wieder beieinander, Eira," 
sagte ich. 
Sie nickte und zeigte mir ihre Augen. 
Wir. setzten uns nieder und begannen mitein. 
ander zu reden und vergaßen dabei, daß wir froh 
lich sein wollten über das Wiedersehen. Wir spvu 
chen zuerst über allgenieine Dinge, die man sich so 
erzählt. Sic hatte mir ein kleines Büchlein mit 
gebracht. Ich bat sie, einen Gruß hineinzufchreiben. 
aber sie wehrte sich und erfüllte meine Bitte nicht. 
Sie sagte: „Denk', es sei von Dick. Und ver 
giß es nie." 
Es stand ein Klavier im Zimmer. Als es ein 
mal ganz still zwischen uns wurde, stand Eira auf 
und begann zu spielen. 
„Kennst du dies Lied?" fragte sie. 
„Ja", sagte ich, „es ist ein deutsches Volkslied". 
„Ich habe es irgendwo in meinem Heft ge- 
ünden", erzählte sie. 
„Es waren zwei Königskinder, heißt es." 
„Es ist ein sehr schönes Lied." 
„Ja, es ist sehr schön, Eira." 
Ich setzte mich neben sie und hörte ihr zu. Ich 
bettachtete ihre weißen, schlanken Hände, und dachte 
da ran ^ daß sie einst die Hände einer Bauernfrau 
iverden sollten. Ich atmete den Duft ihres Haares 
ein und sah, wie ihre Brust sich hob und senkte. 
Ich verließ meinen Platz wieder und stand nun 
auf der entgegengesetzten Seite des Zimmers. Ich 
fühlte, wie mein Herz klopfte, und daß es mir heiß 
und eng in diesem Raume wurde. Nun brach auch 
Eira ihr Spiel ab. Aber ihre Hände blieben auf 
den Tasten liegen. Sie sagte: „Ich habe dir eine 
kleine Freude bereiten wollen. Es ist mir undenk 
bar. daß ein Mensch im Gefängnis schmachten muß, 
obwohl er unschuldig ist. Darum habe ich meine 
Tante gebeten, uns für eine Stunde ihre Stube zu 
öffnen. Ich glaubte, es würde eine sehr fröhliche 
Stunde werden." 
„Vielleicht ist die Stunde fröhlicher, als wir 
es fühlen, Eira," sagte ich. 
„Du darfst mir nicht böse sein," sprach st« leise 
für sich hin. „Und du darfst nicht zweifeln, daß 
Dick und ich glücklich werden. Ich fürchte mich nicht 
vor der Arbeit, ich habe schon als Kind Bauernarbeit 
gelernt. Bei meinem Vater lernten wir alle die 
Arbeit kennen. Er schonte uns nicht." 
„Ich bin dir nicht böse, Eira," antwortete ich. 
„Und ich glaube dir alles, was du sagst. Warum 
sollte ich dir böse? Du bist so freundlick» und mir 
zu mir gewesen, daß ich nicht weiß, wie ich dir dafür 
danken soll." Nun wurde es doch noch fröhlich um 
uns. Wir sprachen nicht mehr über Dick, wir kamen 
ganz vom Wege ab. Wir lochten über Examens 
nöte und Hausknechtsnöte. Wir sahen nebeneinan 
der am Klavier und versteckten nicht mehr unsere 
Augen voreinander. Wir vergaßen alle Welt um 
uns und versprachen, daß mir eine Gelegenheit 
inchen wollten, uns in Zukunft noch einmal zu ttef- 
fen. Wir wollten doch nur beieinander sein und 
miteinander sprechen und einander in die Augen 
sehen. Wir wollten Freunde bleiben, für immer 
und alle Zeiten. 
. (Fortsetzung folgt.* 
* Die braven Kinder. > • ^ 
Mutter zu Hans und Klärchen: „Warum sitzt 
ihr denn so ruhig?" — Hans: „Vater ist einge 
schlafen!" — Mutter: „Das ist aber nett von euch, 
daß ihr so hübsch still seid!" — Hans: „Ja, wir 
passen auf, wenn seine Zigarette bis an die Finger 
runterglüht!" 
Os? sILtsms 6s?Z. 
Roman von Felix Neumann. 
Upright 1930 by Karl Köhler n. To.. Berlin.Zehkevdorf. 
*1) (Nachdruck verboten). 
„So ist es. In Südamerika zum Beispiel ist 
"vch viel Raum für uns. Dort weiß man ungefähr, 
der deutschen Unternehmer wartet, in Rußland 
'Pielt rwm ein unberechenbares Spiel!" 
„Danke! Nun ist es genug!" 
Analiefe griff na-ch ihren Haudschicheu. 
„Ja — es ist nicht leicht, sich durchzufinden. 
Ņber — man kann ja lernen, und — ich werde schon 
Augen aufhalten!" 
„ Langsam erhob sie sich und sttich der Freundin 
das wellige Haar. 
„Du host einen sehr gescheiten Bruder, mein 
ļ^bez Kind. Ich werde weiterhin in seine Schule 
^hen. Für heute genügt cs!" 
Sie reichte dem Ingenieur die Hand über den 
Tisch, 
^ „Ich — danke Ihnen! Ich werde über das. was 
^ie mir sagten, nachdenken!" 
Dann verabschiedete sie sich, und Else brachte 
H Gast zur Etagentür. 
Frau Münster wandte sich an den Sohn. 
„Was bedeutete das? So war sie doch noch nie! 
^'onaliese muß irgend etwas gehört haben, was sie 
beunruhigt." 
„Ja — das vermute ich auch. Und — fast will 
mir scheinen, als ob mein Name genannt worden 
'ft Du weißt ja, wie man in der „Belag" gegen 
sstch arbeitet, weil ich Osterwald vor dem russischen 
Projekt gewarnt habe. Die Herren oben meinen, 
°uß ich meine Kompetenz überschritten habe. Nun 
sfs aufgedrängt hätte ich dem Direktorium meine 
Meinung gewiß nicht, aber wenn ich gefragt werde, 
es meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, 
^înen Wein einzusckienken." 
Erich sah nach der Uhr, es wurde für ihn Zeit, 
"'s Laboratorium zu gehen, wo er noch eine drin 
Aude Sache zum Abschluß bringen mußte. 
Auf dem Wege zur Fabrik konnte er die Ge 
funken nicht von den Ereignissen dieses Nachmittags 
'dsreißen. 
Nock» nie hatte er die kleine Osterwald innerlich 
erregt gesehen. 
Man hatte zweifellos im Hause des Gehsimrats 
besprochen, die ihr ungeschultts Köpfchen nicht 
zu verarbeiten vermochte. 
Dem Dater wagte sie sich nicht anzuvertrauen, 
so kam sie zu ihm. 
Als er sein Arbeitszimmer betrat, fand er auf 
dem Tisch eine Notiz vor, daß ihn Herr von Lenner 
sofort zu sprechen wünsche. 
Der Generaldirektor hatte die etwas veralteten 
Räume seines Vorgängers völlig neu herrichten 
lassen. 
Er liebte die Eleganz. 
An Stelle der nicht mehr zeitgemäßen Möbel 
ttat der allermodernste Sttl. 
Und wenn man sich auch achse'lzuckend im Di 
rektorium zuraunte, daß es wahrlich wichtigere 
Ausgaben gäbe, als gerade diese, so bewilligte man 
doch'lächelnd solche „Kleinigkeit" aus repräsentati 
ven Gründen. 
Herr von Lenner ging dem Eintretenden ge 
messen einige Schritte entgegen und lnd Erich ein. 
m einem der schweren Klubsessel Platz zu nehmen, 
die unter einer Krone mit gedämpftem Licht in einer 
traulichen Nische standen. 
Türkische Schals drapierten in malerischer Form 
ein Ruheiofa mit bunter Decke. 
Süßlicher Zigarettendunst log in der Luft, und 
Münster konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, 
daß ihm die alte Menge Schlichtheit Veltheims mehr 
zugesagt habe. 
Der Generaldirektor bot dem Ingenieur eine 
Zigarette an. 
„Sie werden sich vielleicht wundern, daß ich Sie 
zu so ungewohnter Stunde noch zu mir bitten ließ. 
— jedoch " er schlug lässig die Beine über 
einander — „es ist da ein wichtiger Punkt zu be 
sprechen, über den wir uns klar werden müssen!" 
Er blätterte in einem Aktenstück, das Erich 
nicht unbekannt war. Es trug die Chiffre „R" und 
enthielt die Porverhaudlungen mit der Sowjetunion 
über die Anlage dreier großer Elektrizitätswerke. 
„Wir hoben gestern im engeren Aufsichtsvat 
eine Sitzung gehabt, in der wichtige Beschlüsse ge 
faßt wären, wenn nicht unvermutet Hindernisse 
auftauchten, die uns eine neue Verzögerung brach 
ten." 
Die Stimme wurde ein wenig schärfer, als Len 
ner fortfuhr: „Organisatorisch scheint in unserem 
Konzern noch nicht alles in Ordnung zu sein. Ich 
werde mich bemühen, für baldige Abhilfe zu sorgen." 
Der Generaldirektor lächelte leicht malitiös: 
„Es gibt verdienstvolle Herren, d-ie in ihrem Ueber 
eifer die Grenze ihrer Kompetenzen überschreite». 
Ungewollt natürlich und vielleicht auch unbewußt. 
Alan hat Ihnen, Herr Doktor Münster, die Per- 
suchsabteilung überiragen, und ich weiß, daß sie in 
guten Händen ist. Ich möchte Sie aber bitten, sich 
auch wirklich auf diesen Wirkungskreis zu be 
schränken!" 
Es trat eine Pause ein. 
Der Ingenieur beugt« sich ein wenig vor und 
sagte mit leichtem Kopsneigen bestimmt: „Selbst 
verständlich! Ich habe wahrlich Arbeit genug imit 
denke nicht daran, andere zu stören. In Ihren 
Worten aber. Herr Generaldirektor, liegt ein Bor- 
wurf! — Ich wüßte nicht daß ich mich unberufen 
in fremde Dinge gemischt hätte * 
Lenner blickte zur Zimmerdecke. 
„Sehen Sie, das ist ein Fall, nämlich der 
Ihrige, wo Sie sich der Tragweite Ihres Eingrei 
fens scheinbar nicht bewußt gewesen sind!" 
Münster richtete sich auf. 
„Eingreifen, Herr von Lenner?! Das habe ich 
niemals getan —" 
„Indirekt doch — Herr Doktor!" 
Er blätterte in dem Aktenband. 
„Hier ist ein Gutachten von Ihnen, in dem Sie 
sich scharf gegen die russischen Projekte wenden und 
die Angebote aus Südamerika als die einzig rich 
tigen empfehlen " 
Erich räusperte sich. 
„Herr Geheimrat Osterwald hat mich um Ab 
gabe dieses Gutachtens ersucht! Ich habe nur meine 
Pflicht getan, als ich vor Engagements, warnte, die 
vielleicht verlockend erscheinen, aber auch Fußangeln 
genug enthalten!" 
Der Generaldirektor warf die Zigarette nervös 
in den Aschbecher. 
„Ich bin weit entfernt davon. Ihnen einen 
Vorwurf zu machen, Nur möchte ich Sie bitten, 
Ihren Widerstand gegen das russische Unternehmen 
aufzugeben. Ich wäre bereit. Sie nach der Krim zu 
'enden — mit hohem Gehalt —, um dort untere 
Arbeiten, falls die Aufträge perfekt werden, unmit 
telbar unter dem leitenden Ingenieur zu fördern 
und durchzuführen " 
Mit eleganter Geste füllte Lenner die Likör 
gläser. 
„Eine große Aufgabe harrt Ihrer. Geben Sie 
uns keine Ablage!" 
Wie betäubt saß Erich Münster. 
Was bedeutete dieses Anerbieten? 
Er steckte mitten drin in 'einen Neuschaffungen. 
Der Oelschalter modernster Konstruktion stand vor 
der Vollendung. Ein neuer Röhrenapparat für Ra 
dio wurde gebrauchsfertig. Man war auf dem be 
sten Weg, der Konkurrenz wichttgen Boden abzuge- 
wtnnen, und nun plötzlich vieles Angebot? 
„Wir schätzen Ihre Dienste. Herr Doktor Min 
ster, aber wir glauben, daß Sie drüben einen noch 
besseren Wirkungskreis finden. Das Vertrauen der 
Firma steht hinter Ihnen " 
„Und — die argentinischen Aussichten V 
Lenner zuckte die Achseln. 
„Wir werden sie tm Auge behalten! Das 
andere aber geht vor. Wir dürfen uns nicht zer 
splittern. Das Geld ist knapp!" 
„Weiß Herr Geheimrat Osterwald darum, daß 
ich hinübergehen soll, sprechen Sie in seinem Na 
men? 
Der Generaldirektor zog -e Augenbrauen zu 
sammen. 
„Lieber Herr Doktor! Seien Sie mir nicht 
böse, wenn Ich Ihnen sage, daß diese Frage über 
Ihre Befugnisse hinausgeht. Sie sind Angestellter 
des Konzerns, dessen geschäftlicher Leiter ich bin. 
Die Porarbeiten ruhen in meiner Hand. Es ist 
selbstverständlich, daß der Herr Geheimrat seine Ein 
willigung geben muß, ehe alles perfekt ist. Sich 
darüber den Kopf zu zerbrechen, ist nicht Ihre 
Sache!" 
Erich empfand, daß er eine Zurechtweisung er 
fahren habe, die nicht am Platze war. 
Schon wollte er aufbahren, da fielen ihm die 
Seinen ein. 
Warum in diesem Augenblick einen Konflikt 
heraufbeschwören? 
Wen man ihn aus dem Konzern entließ, war 
er zwar gewiß, sofort eine neue Stellung zu finden, 
aber — wo? 
(Korttetzuno folctll 
VON RUDOLF MOSSE 
Mark 90,- frei überallhin, Berlin SWF Postscheckkonto 265*7 
Zur Unterhaltung 
Beilage der Schleswig.Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburg« Tageblatt) 
Dienstag, den 3. Februar 1931
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.