Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 1)

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Die Sxpļosio» von Ahlhorn. 
Am 5. Januar 1918 erlebte die deutsche Ma 
rinc-Luftschiffahrt ihren schwärzesten Tag. Im 
Luftschiffhafen Ahlhorn kam es zu einer Explosion, 
der sämtliche Hallen des Platzes und mehrere Luft 
schiffe zum Opfer fielen. 
Man vermutete damals ein Attentat feindli 
cher Spione — aber diese Vermutung hielt einer 
genaueren Prüfung nicht stand. Man hat die Ur- 
'oche der Katastrophe nie restlos aufklären können. 
Damals hielt man alle Meldungen über die Ex 
plosion streng geheim. Die deutsche Oeffentlichkeit 
erfuhr kaum etwas von diesem vulkanischen Schlag 
des Schicksals, der Ahlhorn zerschmetterte. 
Der Unglückstag mar ein Sonnabend. Ern 
trüber, gefpenftifch-grauer Tag. Es war kein 
Fahrtwetter — die Luftschiffe lagen in ihren Hal 
len. Am Nachmittag, gegen 8 Uhr 80, als es schon 
dunkel war. ertönte der erste Knall der Explosion. 
Aus den Ģeheimaàten. 
In den Geheimakten des Archivs der Marine 
finden sich u. a. folgende Zeugen-Aussagen über 
die Katastrophe: 
Es erscheint Kapitänlcutnant D. —: 
„Das Schiff „L. 81" lag am Albend des 8. Ja 
nuar in Halle 1 an der der Halle 2 zugekehrten 
Seite auf Süöwestkurs. Neben „L. 81" lag in der 
selben Halle „L. 47", Führer Kapitänleutnant von 
Freudenreich, auf Norömestkurs. Die Entfernun 
gen der beiden Schiffe voneinander in der Halle 
sind festgelegt.... Tie Schiffe „L. 47" und „2. 81" 
sind. wie aus den Fahrtenbüchern ersichtlich ist. 
etwa seit dem 24. Dezember nicht mehr gefahren. 
Jedenfalls find sie nach dem Feite nicht mehr aus 
der Halle gewesen. „L. 81" ist am 8. Januar in der 
Zeit von 8 bis 19 Uhr vormittags gefüllt wor 
den. Ich bin vormittags noch in der Halle gewe 
sen und habe darauf geachtet, dass die Gondeln und 
der Laufgang gereinigt wurden. Ich bin etwa ge 
gen 19 Uhr 15 aus der Halle hinausgegangen und 
habe sie seitdem nicht wieder betreten. Am Nach 
mittag hatte der Matrose R. als Posten am Schiff 
Dienst in der Halle. In der hinteren Gondel des 
Schiffes waren die Matrosen Bl. und L. mit Gon- 
delrcinigcn beschäftigt. Das Gondelreinigen be 
stand in dem Entfernen der Feuchtigkeit unter den 
Motoren. 
Ich sah um etwa 8 Uhr 39 in meinem Wohn 
zimmer, das neben der Halle 1 liegt, und las. Ich 
entsinn« mich der Zeit 5 Uhr 89 noch genau, weil 
ich um diese Zeit einen telephonisches Anruf er 
wartete bezw. erledigt hatte und gerade nach der 
Uhr geschen hatte, als der Obermatrose der Hallei 
bei mi, anklopfte und die Tür aufriß und in mein 
Zimmer hineinrief: „Die Schiffe brennen!" Ich 
stand sofort auf, wollte zur Tür hinausgehen, 
wurde aber durch den mir entgegenströmenden 
Luftdruck daran gehindert und sprang deshalb 
durch wein Zimmer zurück und durch das Stuben- 
senster nach draußen. Im Augenblick des Durch- 
springens durch das Fenster erfolgte eine Explo 
sion. Ich lief weiter ins Feld von der Halle weg. 
Nach einer Entfernung von etwa 29 Metern er 
folgte eine zweite Explosion. Ich wandte mich um 
und sich einen zweiten Schein hochkommen. Woher 
der Schein kam, ob von Halle 1 oder 2 oder von 
Halle 3 oder 4, weiß ich nicht. Ich habe nur zwei 
Explosionen gehört, die in ganz kurzen Interval 
len, meines Erachtens 29 Sekunden, nacheinander 
folgten. Als ich mich umgedreht hatte, ging ich auf 
das Wohnhaus der Halle zurück und wollte die 
notwendigen Anordnungen treffen, insbeson 
dere die Leute zählen und die übrigen militäri 
schen Maßnahmen anordnen. Die ganze Angele 
genheit spielte sich so rasch ab, daß an eine Ret- 
kung gar nicht zu denken war, es brannte nur noch 
die Maschinengewehr-Munition und das Benzin. 
Meine Feststellungen bezüglich des Brandher 
des haben folgendes ergeben: Der Matrose R. 
hatte Wache an „L. 51". In der Hintergonöel von 
„L. 51' hatten Bl. und L. Reinigungsdienft. Die 
Leute haben mir die Begebenheit erzählt. Es 
dürfte aber praktisch sein, sie in Ruhe zu verneh 
men. Aus eigener Wahrnehmung kann ich nichts 
aussagen." 
Es erscheint der Matrose Bl., Matrose bei der 
Schiffspflegegruppe L 51, und erklärt: „Am ge- 
stri ren Tage war ich an „L. 51" von 8 Uhr 39 bis 
19 Uhr vormittags mit Gasfüllen beschäftigt. Nach 
19 Uhr habe ich mit L. zusammen die Streben an 
der hinteren Gondel arau gestrichen. Ich hatte 
Bestschuhc an und den blauen Arbeitsan.zug. 
Nachmittags bin ich etwa 1 Uhr 39 mit der Arbeit 
angefangen. L. hatte sein Licht und ich hatte mein 
Licht brennen. Beide hingen unter der Gondel 
decke. Es mag etwas nach 5 Uhr gewesen sein, je 
denfalls war es schon dunkel geworden, und ich 
hatte so das Gefühl, als wenn es gegen 5 Uhr 
nachmittags sei, als ich aus der Gondel schaute und 
bemerkte, daß keine Arbeiter mehr in der Halle 
waren. Ich sagte darauf zu L., der das Oel unten 
in- der Gondel aufwischte: „Es ist Zeit zum Aus 
scheiden." Damit setzte ich mich auf das Gondel- 
fenster und ließ meine Beine aus der Gondel her 
aus auf die St.-B. stehende Treppe hängen. Ich 
saß mit dem Rücken nach der Gondel hin und mit 
dem Gesicht nach „L. 47" hin. Ich kann nur einen 
Augenblick gesessen haben, als ich plötzlich eine 
Art elektrischen Schlag kriegte. Jedenfalls habe ich 
jetzt das Gefühl, als wenn ich einen elektrischen 
Schlag bekam. Ob ich dann gefallen bin, weiß ich 
nicht. Ich weiß auch gar nicht, wie ich aus der 
Halle herausgekommen bin. Ich weiß nur, daß 
draußen vor der Halle hinter unserem Wohnge 
bäude der Matrose St. mich ausfing, da ich weg 
laufen wollte. St. brachte mich zum Revier." (Bl. 
hat Brandwunden an der rechten und an der lin 
ken Hand, eine kleine Brandwunde am linken 
Mundwinkel, über dem linken Auge und am lin 
ken oberen Ohr. ferner an den Haarteilen des 
Seiten- und Hinterkopfes, man kann deutlich se 
hen, wie weit die Mütze bei ihm auf dem Kopfe 
gesessen hat. Ueber den Mützenrand hinaus ist das 
Haar nicht verbrannt.) 
Der Matrose'Bl. erklärt weiter: 
"Tie vordere Kabellampe hängt an der Vor 
derkante des Motors 2 unter der Decke. Das Ka 
bel führt von der Lampe direkt durch das an der 
B.-B.-Seite befindliche Gondelsenster in die Halle 
hinein und läuft dort am Erdboden längs zu dem 
an der Hallenwand befindlichen Schalter. Die hin 
tere Kabellampe hängt zwischen Motor 1 und 2 
ebenfalls unter der Decke. Das Kabel läuft von 
der Lampe ebenfalls durch das an der B.-V.-Seite 
befindliche hintere Gondelfenster. Die Treppe stand 
an St.-B.-Seite so, daß sich die Plattform in der 
Höhe des vorderen Gondelfensters befand. Die 
Stufen führten von achtern nach der Plattform." 
Und ein anderer Bericht, aus der Erinne 
rung. Der damalige Obermatrose und Hilfsmon 
teur Christian Schult hat ihn heute, nach drei 
zehn Jahren, gegeben: 
„Jede der vier Hallen in Ahlhorn hatten in 
etwa 39 Meter Entfernung ein kleines einstöckiges 
Gebäude für die Schiffsmannschaften. 
Wir waren an dem Unglücksnachmittag dabei, 
die Schiffe klarzumachen. War man mit seiner 
Arbeit fertig, dann kam ein Posten von der eige 
nen Besatzung des Schiffes, wog das Luftschiff ab 
und sah nach dem Rechten. Es ist gut 5 Uhr nach 
mittags geworden bei unserer Arbeit. Der Maschi 
nist hat kontrolliert, ob alles sauber und in Ord 
nung ist. Wir sind froh, dgß wir endlich aus der 
Kälte kommen. Ich gehe in den Waschraum und 
mache dann, daß ich ins warme Zimmer zu den 
Kameraden hinüberkomme. 
Da stürmt plötzlich im Laufschritt der Posten 
den Korridor entlang. Er schreit mit einer ganz 
heiseren Stimme: „Feuer!" Andere rufen: „Feuer 
in der Halle!" Ich denke, das kann doch nicht sein! 
Ich komme eben erst von drüben, die Hallen sind 
doch aus Stein und Eisen. 
Aber man wird doch unruhig und läuft mit 
hinaus. 
Das Chaos. 
Ich bin vielleicht 5 Meter von unserem Häus 
chen ab, da sehe ich die erste Halle hell erleuchtet, 
in gelbrotem flackernden Licht. Ein Gedanke: Hier 
kommst du nicht mehr fort, jede Sekunde muß die 
Explosion kommen. 59 999 Kubikmeter Gas pro 
Schiff —, wer weiß, ob wir mit dem Leben davon 
kommen. 
Ich springe an das Haus heran und ducke mich 
neben dem offenen Fenster. Im nächsten Augen 
blick müssen die großen eisernen Träger auf unser 
Haus nieöersausen und uns zerschmettern. 
Ich höre einen fürchterlichen Knall. Aus mei 
ner gebückten Stellung werde ich der Länge nach 
zu Boden gerissen. Eine glühende Hitzewelle schlägt 
auf mich. Dann sehe ich. wie die Flammen hoch 
gehen. Ich springe auf und sehe um die Mauerecke 
die Wände der Hallen stürzen und zusammenbre 
chen. Die Hallen sind ein Feuermcer. Man hört 
die Explosionen der Bcnzinbehältcr, das Prasseln 
der Flammen, bas Brechen und Platzen von Trä 
gern und Glas. 
Da. eine gewaltige zweite Detonation! Ein 
anderes Schiff ist explodiert, in Halle 2. Ich starre 
in ein feuriges Grauen hinein. Der Winterhimmel 
flammt taghell. Mechanisch will ich mir den 
Schweiß von der Stirn wischen. Das Taschentuch 
wird blutig. Ein Stein der Hallentrümmer hat 
mich am Kopf getroffen. Ich merke es jetzt erst. 
Herrgott, was ist das? Ein ungeheurer Dop 
pelschlag. Ein Knall, ein entfesseltes Brüllen, wie 
ich es nie in meinem Leben wieder gehört habe. 
Die Hallen 3 und 4 sind explodiert. Die ungeheu 
ren Träger knicken wie Streichhölzer zusammen. 
Reihenweise bersten die Benzinfäffer. Kein Stein 
bleibt auf dem andern. Die Maschincngewehrmu- 
nition entzündet sich und knattert sinnlos in dieses 
Chaos hinein. 
Wir alle wachen aus unserer Erstarrung, aus 
unserer Schrecklähmung auf. Kameraden lausen 
über bas Feld. Wir sehen Verletzte, Blutüber 
strömte, Verbrannte. Auch Tote. > 
Einer hat Glück gehabt. Er. saß oben auf einem 
Schiff. Er wurde von der Explosion mit dem 
Hallendach in die Luft geschleudert uird kam Mit 
ein paar geringen Verletzungen davon. Ein ande 
rer hat Unglück gehabt. Er rennt wie ein Besesse 
ner von dem Flammenmeer davon, ein Stein 
trifft ihn auf der Flucht im Genick. Tot. 
Es ist ein wüstes Durcheinander auf dem 
Platz. In unheimlich dicken Flocken beginnt es zu 
schneien. Allmählich, nach Stunden, versickert das 
Flammenmeer. 
Der Schauplatz einer Derķîwerks-Kaķrop'-e in England. 
war die Haig-Grube bei Whitehaven, wo bei einer Gasexplosion am Abend des 
29. Januar 20 Bergleute den Tod fanden. — Die Haig-Grube, die unmittelbar an 
der Küste liegt und den größten Teil ihrer Stollen unter das Meer vorgetrieben 
hat, gilt als eins der ertragsreichsten und modernsten Bergwerke Englands. 
Entfettungs-Kuren im Winter 
Md dor besonderem Wert, da der Körner im Winter à besond« 
Ueigung mm Ansät, ,cigt. Nehmen Sie früh. mittags und abends, 
Tolnda-Kerne, die Sic ,n Apotheken erhalten, sicher: Garnison-Apotheke 
Am anderen Morgen stehen die dürren Eisen- 
gerippe einiger Hallen wie kahle Bäume im blas 
sen Himmel. Ahlhorn war ausgelöscht vom Boden. 
Ich weiß heute noch nicht, wie nach diesem Schlage 
der Führer der Luftschisfe die Kraft behalten hat, 
sein Werk weiterzuführen. Straffer hatte mehr 
Energien als tausend Menschen zusammen: die 
Marincluftschiffahrt wurde nicht eine Sekunde von 
ihm aufgegeben. 
* . î , 
Der M im Mzers LuMorg. 
Stockholm, 30. Jan. Der Tod des schwe 
dischen Fliegers Lundborg, des Retters Nobi 
les, hat ein nachhaltiges Echo in der ganzen 
Welt erweckt. Sein treuer Kamerad in Spitz 
bergen und im täglichen Leben, der Flieger 
leutnant Schyberg, widmet dem Kameraden 
einen Nachruf. Er erinnert darin an die ge 
meinsamen Erlebnisse über der polaren Eis- 
wüste und weist darauf hin, daß Lundborg 
den primitiven Landeplatz auf Spitzbergen auf 
den Namen des schwedischen Flugplatzes 
Malmslätt taufte, wo ihn nun sein tragisches 
Schicksal erreichte. 
Lundborg ist nur 34 Jahre alt geworden. 
Er wird nicht nur von seiner Gattin, sondern 
auch von seinem 80jährigen Vater, dem Pastor 
Lundborg, betrauert. Auch als Flieger war 
Lundborg überraschend jung. Erst 1926 trat 
er in das Fliegerkorps ein. 
Das Unglück hat bereits zu einer genauen 
Untersuchung in Malmslätt geführt, um so 
mehr, als bekannt geworden ist. daß sich Lund- 
borg schon seit einiger Zeit über das starke 
Vibrieren der Maschine beklagt hat. Das Be 
gräbnis des großen schwedischen Fliegers 
wird auf Staatskosten stattfinden. 
Wie der schwedische Ministerpräsident mit 
teilt, wird die Regierung eine besondere Kom 
mission einsetzen zur Untersuchung des Todes- 
stnrzes von Hauptmann Lundborg, der nach 
wie vor die schwedische Presse und Oeffentlich 
keit außerordentlich beschäftigt. Außerdem 
wird die technische Untersuchung durch eine 
Kommission der schwedischen Flugwarte fort 
gesetzt. Das endgültige Ergebnis liegt noch 
nicht vor, doch gilt als sicher, daß ein Motor- 
fehler den Sturz des Flugzeuges verschuldet 
hat. Wie nachträglich festgestellt worden ist, 
wollte anfänglich niemand den Probeflug mit 
der Unglücksmaschine ausführen, worauf 
Hauptmann Lundborg sich freiwillig dazu 
erbot. 
Wetterbericht des öffentlichen Wetterdienstes 
Hamburg. 
.Ueber ganz Europa mit Ausnahme vom 
Westen Irlands steigt jetzt der Druck an. Das 
Hochdruckgebiet über Skandinavien, das im Nor- 
den auf über 775 Mm. angewachsen ist, dringt nach 
Süden vor und erhält die östliche Strömung. 
Wahrend am Freitag Deutschland noch von Misch 
luft überdeckt und wesentlich frostfrei war. muß 
mit dem hereinkommen der reinen östlichen Strö 
mung ein Tempcraturrückgang erfolgen. Die 
zyklonalcn ^srungcn werden schnell ganz ver- 
chwinöen. Das Jslandtief ist zunächst noch be- 
oeutungsros.
	        
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