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Schuhchen einer jungen Schwedin zu bearbeiten, die
eben den Stuhl bestiegen hatte.
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Die Schicksale feiner königlichen Hoheit von Kamerun.
Vulkanausbruch ohne
Nach den vielen Umwälzungen der letzten Jahre
wimmelt es in der Welt von abgesetzten Königen,
landflüchtigen Prinzen, verarmten Großfürsten usw.
Wenige unter diesen gestürzten Größen dürsten
■ aber auf so abenteuerliche Schicksale zurückblicken
können wie Mr. Bell, ehemals Prinz Jim-Jim aus
Kamerun. Der Lebensroman dieses Enkels des be
rühmten Königs Bell und treuen Vasallen des deut
schen Kaisers wäre der Allgemeinheit auch weiter
verborgen geblieben, wenn nicht der bekannte schwe
dische Kamerunreisende Knutson ihn in dem größ
ten Stockholmer Warenhaus entdeckt hätte, wo die
„Königliche Hoheit" jetzt täglich den eleganten Da
men und Herren des Kaufhauses die Schuhe putzt.
Mr. Bell ist nämlich für Rechnung einer Hamburger
Firma im hohen Norden tätig, um dort für deren
Schuhpußcrems als lebendige Reklame zu dienen.
Um den Kontrast zwischen einst und jetzt zu be
leuchten, genügt es, darauf hinzuweisen, daß der
Großvater des Schuhputzers vor der Annektierung
Kameruns durch Deutschland der mächtigste Herr
scher in ganz Kamerun war, über Zehntausende von
Negern das Zepter führte, über dreitausend Skla
ven die Peitsche schwang und nicht weniger als hun
dert Frauen in seinem Harem hatte.
„Das mit den vielen Frauen", so erzählt Mr.
Dell lachend seinem Ausfrager, „hat auch zur Folge,
daß ich sehr häufig unerwartet Mitglieder meiner
Familie antrefft' von denen ich bisher keine Ahnung
hatte. Mein eigener Vater hatte allerdings nur
fünfzig Frauen, trotzdem bin ich in mehreren euro
päischen Städten auf Brüder gestoßen, die ich nie
zuvor gesehen hatte.
Der Grund, weshalb ich die ganze Herrlichkeit
in Kamerun hinter mir ließ", so versicherte Mr. Bell
weiter, „ist der, daß ich mir selbst mein Brot verdie
nen wollte. Meine Mutter war eine Prinzessin vom
Stamme der Malimba, mein Vater war aber euro
päisch gebild-et, hatte fünf Jahre in England studiert,
von ihm erbte ich die Wanderlust und machte mich
auf den Weg nach Deutschland, als ich vierzehn
Jahre alt war. Einer meiner zwölf Brüder beglei-
ü re mich und ist jetzt Arzt in Frankfurt, ein anderer
ist Rechtsanwalt in Danzig und ein dritter, der
älteste, hat in unserer Heimat die Königswürde
auf sich genommen,"
Mr. Bell, der sich selbst als Geschäftsmann, Mu
siker und Vertreter sonstiger Gelegenheitsberufe be
zeichnet, erinnert sich noch an viele Einzelheiten aus
seinen prinzlichen" Jugendjahren. Er war zuge
gen, als im Jahr 1884 die deutsche Flagge in Ka
merun gehißt wurde. Der Großvater King Bell I.
war vom ersten Tage an treuer Untertan des Kai
sers, aber einige andere Stämme waren feindlich
gesinnt und griffen den König in seiner eigenen
Hauptstadt an. Er mußte Hals über Kopf in sei
nem kleinen Kanu flüchten und sich bei einigen
Freunden am Mungofluß verborgen halten. Die
feindlichen „Könige" von Iofttown und Hikorytown
verwüsteten die Hauptstadt und ließen nur die „kö
niglichen" Gebäude stehen. Der Handel mit den
Faktoreien war gänzlich eingestellt und der prinz-
liche Schuhputzer erinnert sich noch daran, daß die
große Woermannsche Faktorei täglich sieben Pfund
an die Neger bezahlen mußte, damit ihre Magazine
nicht in Brand gesteckt wurden Erst als ein deut
sches Geschwader eintraf, wurden die Feinde zer-
Dir StimpM Krs
Roman von Otfrid von Haustein.
Vertrieb: Literatur-Derlag Gloria. Berl'n-Steglitz.
13) (Nachdruck verboten).
Fügt es das Schicksal von selbst anders, so kann
ich nicht dafür. Auch danke ich dir herzlich für dein
reiches Geschenk. Nur eine Bitte habe ich. Ich
möchte Ilse gern noch einmal sehen. Ich verspreche
dir, paß ich es so einrichte, daß sie mich nicht sieht.
Ich werde den Tag über in meinem Zimmer bleiben,
bis sich eine Gelegenheit findet, sie nur einmal unbe
merkt zu sehen. Daun reise ich ab. Verlaß dich auf
mein Wort."
Sie drückten sich die Hände. Obwohl Graf
Mexander nicht so recht Gefallen an dem Vorschlag
fand, willigte er ein.
Konrad war mit seinen Gedanken allein. Es
war eigentlich Torheit, sie durchaus wiedersehen zu
wollen. Warum nur wollte er sie sehen? Würde es
nicht seinen Schmerz vergrößern? Rein, vielleicht
im Gegenteil. Er wollte ihr Gesicht heute noch ein
mal prüfen. Vielleicht coar er dann ernüchtert,
vielleicht war es nur der erste Augenblick, der sein
Herz hatte pochen lassen.
Ilse war mit etwas schwerem Kops aufgestan
den. Hieronymus war nach dem Frühstück herüber
gekommen und hatte nach ihrem Befinden gefragt,
immer in seiner ruhigen, gütigen, leidenschafts
losen, zarten Weise und hatte überrascht aufgeschaut,
als sie ihm von selbst die Lippen zum Kuß bot. Ihr
war, als ob sie ihm den Traum der Nacht abbitten
müsse. Dann war er gegangen, weil er mit dem
Geheimrat aus Berlin, der heute abreisen wollte,
noch eine wichtige Besprechung hatte.
Ilse war nervös. Wie kam es nur, daß sie heute
den Gedanken an Konrad nicht abschütteln konnte.
Immer stand er vor ihren geistigen Augen. Sie
mochte tun, was sie wollte. Immer dachte sie an
den Traum und fühlte seine brennenden Lippen aus
den ihren. Sie versuchte an ihrer Aussteuer zu
arbeiten, war es doch ihr Stolz, allerhand zart«
Handarbeiten selbst zu machen, aber ungeduldig
warf sie die Stickerei aus der Hand.
Sie wollte lesen, aber sie ertappte sich dabei, daß
ihre Augen mechanisch über die Zeilen glitten, ohne
sprengt und König Bell wieder in alle Würden ein
gesetzt.
Der Königssohn war als siebenjähriger Junge
zugegen, als der erste weiße Missionar nach Bell-
town kam und das Volk aus Angst vor dem weißen
Manne Hals über Kopf flüchtete. Der Einkömmling
wurde aber vom König freundlich empfangen und
bald begann er die königlichen Hoheiten im Lesen
und Schreiben sowie in anderen Fächern der Wis
senschaft zu unterrichten. Großpapa und Papa
Bell wurden eifrige Förderer der Mission; sie legten
auch einen heiligen Eid ab, daß sie Uünen Alkohol
— ausgenommen Bier und Sekt — zu sich nehmen
würden. Moinnungsverschiedenheiten wegen der
Missionstätigkeit führten zu einem neuen Bürger
krieg. König Bell mußte wieder flüchten, diesmal
auf ein englisches Fahrzeug. Die Unruhen dauer
ten acht Tage, und nach der Rückkehr des Königs
wurde das große Parlament einberufen. Dieses
beschloß, den Missionaren keine Hindernisse in den
Weg zu legen.
Der König bewohnte übrigens, wie wir von
seinem Sohne erfahren, einen stattlichen Residenz-
palast, der vollständig mit kostbaren deutschen Mö
beln eingerichtet war. Diese hatte der Vater des
jetzigen Schuhputzers selbst in Berlin eingekauft,
als er seinem kaiserlichen Schirmherrn einen Besuch
abstattete. Zwei große Schiffe, die ausschließlich mit
den vielen Kostbarkeiten für das „Schloß" beladen
waren, trafen damals in Kamerun ein. Zwanzig
Paradepferde waren auch dabei.
„Ach ja, dos waren andere Zeiten!" seufzt Mr.
Bell und macht sich daran, die eleganten Pariser
Vulkan?
GeheimnisvolleNaturerschemungeninden
Auden. — Abergläubische Furcht der
Bevölkerung.
Da Los Andes (Chile), 11. Januar. Die Be
wohner des Vorgeländes der Anden werden feit
einiger Zeit durch geheimnisvolle feurige Garben
am nächtlichen Himmel beunruhigt. Es hat den
Anschein, als ob hoch oben in den Kordilleren ein
ungeheurer Vulkanausbruch stattfindet, dessen
Feuerschein weithin leuchtet. Auch die Tiere, die
Naturkatastrophen bekanntlich weit besser wahrneh
men als Menschen, zeigen ein besonders scheues
Wesen, so daß allgemein, zumal der Feuerschein
schon seit über zehn Tagen mit unverminderter In
tensität zu sehen ist, mit einem elementaren kata
strophalen Naturereignis gerechnet wird.
Vulkanausbrüche pflegen nun aber von Evd-
erschütterungen begleitet zu sein, die, wenn auch
nicht von Menschen unmittelbar, so doch von Erd
bebenmessern wahrgenommen werden. Nun re
gistrierte jedoch keine einzige südamerikanische Erd
bebenwarte in dieser Zeit ein Beben, dessen Herd
in den Anden zu suchen ist, so daß die Wissenschaft
vor einem Rätsel steht. Die Behörden haben zu
nächst durch Radio und andere Verbreitungsmittel
die Bevölkerung davon in Kenntnis gesetzt, daß kein
Grund zur Beunruhigung vorliege. Der Feuer
schein könne von keinem Vulkanausbruch stammen,
es müsse sich um irgendein noch unbekanntes, aber
offenbar ungefährliches Naturereignis handeln.
Mittlerweile hat die chilenische Regierung mit
Eine Gedenkmünze zur Reichsgründungsfeier.
Dis Münze zeigt auf der Rückseite den alten deut-
schen Reichsadler, umrahmt von den Wappen der
25 Bundesstaaten. Die Ausprägung erfolgt in
Bronze, Silber und Gold.
Keme F.UZZeuLNLLlanLung — smLdsru Fèlm-RêkķamK.
Eingang eines Berliner Kinos,
in dem gegenwärtig der Film „Mit Byrd zum Südpol" läuft.
Ein Flugzeugmodell in natürlicher Größe hängt guer über dem Eingang in einer Stellung,
daß jeder Vorübergehende den Eindruck hat, daß das Flugzeug eben notlandete.
Flugzeugen eine Expedition ausgerüstet, um festzu-
stellen, worauf der nächtliche Feuerschein zurückzu,
sichren ist. Meteorologen neigen zu der Ansicht,
daß es sich um irgendwelche Erscheinungen im Zu
sammenhang mit den Wetterverhältnissen handelt,
doch können auch sie den ungeheuer intensiven
Feuerschein, der den ganzen Horizont über dem An-
demnassiv erhellt, nicht erklären.- Be: Tag ausge-
führte Erkundigungsflüge von Militärfliegern ha
ben bisher zu keinem Ergebnis geführt.
Unter der abergläubischen Bevölkerung entste
hen die unsinnigsten Gerüchte über das nächtliche
Toben teuflischer Mächte, die auf dem Wege seien,
von den Anden herabzusteigen und alles Menschen
werk zu vernichten. Tausende halten sich während
der ganzen Nacht im Freien auf und beobachten
angstvoll den östlichen Horizont. In den Kirchen
werden nächtliche Gottesdienste abgehalten.
Der derpLLWstts ķhsgaLLe.
Originelle Einweihung
der Polizei-Meldeautomaten in Paris.
-daß sie verstand, was sie las. So legte sie auch das
Buch beiseiie.
Zu Mittag neckte sie der Vater und behauptete
scherzend, sie habe einen kleinen Kater vom Berlo-
bungsfest.
Endlich sank der frühe Abend nieder und die
Stunde nahte, wo ihr Verlobter zurückkommen sollte.
Sie hoffte, ein ruhiges Gespräch mit ihm würde ihr
ihre Ruhe wiedergeben.
Sie setzte sich an den Flügel und begann zu
spielen. Es war ein großes, vornehmes Musikzim
mer, in dem das herrliche Instrument stand. Halb
seitwärts verband eine offene Tür, die nur durch
einen Perlenvorhang abgeschlossen wurde, den Raum
mit dem Speisesaal. Während es im Musikzimmer
schon fast ganz dunkel war. sandte die untergehende
Sonne ihre Strahlen noch in die Fenster des Speise-
saales, so daß das Perlengehänge in zarter Beleuch
tung wie aus unzähligen Brillanten zusammengesetzt
erschien.
Ilse sah es nicht, ihre Finger glitten phantasie
rend über die Tasten und ließen die Saiten in vol
len, weichen, warmen, schwermütigen Akkorden er
klingen.
Ihre Gedanken weilten in weiter Ferne und
immer wieder sah sie ein hohes Schiff und an Bord
einen blühenden Jüngling. Sie wollte abbrechen
nnd ihre Gedanken durch andere Melodien ablenken,
da war es ihr, als würde sie beobachtet, als ruhten
zwei forschende klugen auf ihr, wie ein Alp, der ihr
Herz stocken machte.
Unwillkürlich schaute sie aus und wie von ma
gischer Gewalt gezogen, richteten sich ihre Augen
der Türe zu.
Ein jäher Aufschrei entrang sich ihrer Kehle.
Da, hinter den Perlen — war es nicht ein blei
ches, schmerzentstelltes Gesicht, das zu ihr herüber
schaute, so zauberhaft von dem letzten Sonnenstrahl
beleuchtet — das war ja Konrad — aber nein, er
war es auch nicht — Konrad, aber männlich und
schön. Die alten Augen, aber voll Trauer und
Schmerz.
„Konrad!"
Sie sprang auf und eilte zu jener Tür. Sie
schlug die Perlen auseinander. Niemand war dort.
Alles leer und stumm.
Ilse stand wie gelähmt. Soweit war es also
schon mit ihren überreizten Nerven, daß sie am hell
lichten Tage Erscheinungen sah, die nicht vorhanden
waren. Sie zitterte in jähem Schreck und schaltete
das elektrische Licht ein. Als volle Helligkeit den
weiten Raum durchflutete, aimeft sie auf. Sie ging
in das Speisezimmer und trank hastig ein Glas kal
tes Wasser. Dann zwang sie sich, über sich selbst zu
lachen, aber es klang hohl und gekünstelt.
Da öffnete sich die Tür und der Professor trat
herein. Ilse flog ihm entgegen.
„Gott sei Dank, daß du da bist. Ich bin so ner
vös, so töricht nervös. Komm, bleibe bei mir, sprich
zu mir und beruhige mich."
Hieronymus schaute sie vermi ndert an. Was
war nur geschehen? Sie war schon den ganzen Tag
co seltsam erregt. Liebevoll strich er ihr über die
heiße Stirn. Es war wohl gestern ein wenig zu
viel gewesen.
Er sprach in seiner beruhigenden Art und er
zählte ihr, der Geheimrat habe ihn gebeten, im Auf
träge der deutschen Regierung aus einige Wochen
nochmals ins Ausland zu reisen, und es sei viel
leicht ganz gut, wenn er zusage, weil Ilse dann Ruhe
habe, sich selbst zu prüfen, und kehre er dann heim,
wolle er sie fragen, ob und wann er die Hochzeit
rüsten dürfe.
Angstvoll hatte Ilse sich an ihn geklammert.
„Geh nicht, ich bitte dich, wenn du mich liebst,
geh nicht! Laß mich nicht allein! Ich flehe dich an,
laß mich jetzt nicht allein!"
Er verstand den Aufruhr in ihrer Seele nicht
und schob alles auf den gestrigen Festabend.
„Also gut. mein L'cb, sprechen wir heute nicht
mehr davon. Wenn du nicht willst, bleibe ich natür
lich hier. Ich werde nie etwas tun, was dich
schmerzt, aber wir werden beide nur das wollen,
was vernünftig und richtig ist."
Dann begann er von anderen Dingen zu reden
und es gelang ihm, Ilses Interesse auf seine Arbei
ten zu lenken.
Ihre Nerven beruhigten sich und als die Eltern
eintraten und die Familie sich zur Wendtafel nie
dersetzte, war sie Äneder die alte, und ein fteundliches
Lächeln lag auf ihren beruhigten Zügen, so daß ihr
Vater augenzwinkernd sagte:
„Na, ist der Kater vorbei?"
Und Ilse konnte scherzend antworten:
„Ja, der große Brummbär hat ihn verjagt." —
Während der Professor seine Bmut beruhigte.
Paris, 9. Jan. Zwecks Verstärkung der Sicher
heitspolizei hat der Pariser Polizeipräsident in der
Hauptstadt nach dem Muster der Feuermelder sechs
hundert Polizei-Meldecmtomaten einführen lassen.
Diese neue Einrichtung erhielt nun eine überaus
originelle und zugleich komische „Feuertaufe". Die
Polizeiwache des Börsenmertels wurde durch einen
Hilferuf alarmiert und vorschriftsmäßig stürzten sich
fünfunddreißig Polizisten in drei Automobile und
rasten nach dem Unglücksort. Dort fanden sie einen
Mann in Tränen aufgelöst, der den Polizisten er
zählte, ldoß er von seiner Fran windelweich verprü-
gelt worden sei und sich nicht mehr anders zu helfen
wußte, als die Polizei um Intervention anzurufen.
Der Betreffende erhielt wegen Mißbrauchs der
Sichecheitsemrichtungen ein Straflnandat, die Frau
wegen Ruhestörung das zweite.
Hustenbonbons gratis.
Berlin, 11. Januar. Die Verwaltung des
Potsdamer Schauspielhauses will die unangeneh
men Folgen der Erkältungen im Theater abschaffen.
Es wird kundgemacht, daß man am Büfett gratîs
Mittel gegen Husten auf Wunsch erhalten kann. In
den Programmheften wird daraus hingewiesen und
die Verwendung der Hustenmittel empfohlen.
war der junge Leutnant in eiligen Schritten burt*
das Schneegestöber zum Bahnhof geeilt.
Ko-nrad hatte den ganzen Tag auf eine Gele
genheit gewartet, Ilse zu sehen. Als er sie spielen
hörte, war er leise in das Speisezimmer getreten,
hatte sich, während Ilse am Flügel saß und phanta
sierte, vorsichtig genähert. Ihre Züge, die er kaum
zu erkennen vermochte, erschienen ihm bleich, und
was sie spielte, klang so schwermütig. Da über
kam es auch ihn wieder mit Allgewalt, und er
glaubte deutlich aus ihrem Weien entnehmen zu
können, daß sie unglücklich sei. -im liebsten wore er
vorgestürzt und hätte sie in seine Arme geschlossen.
In diesem Augenblick schaute sie auf. Sie schrie sei
nen Namen — sie kam auf ihn zu — aber da dachte
er an sein verpfändetes Ehrenwort und eilte hinaus.
Sein Gepäck war schon auf der Bahn und kurz-
darauf ging ein Zug nach Berlin. Er stieg ein.
Erst in der Bahn begann er ruhiger nachzudenken.
Sie liebte ihn noch. Das war ihm gewiß. So also
war noch nichts verloren. Und langsam begann der
frohe Iugendmut wieder zum Durchbruch zu kommen.
Er war abgereist, ohne sie gesprochen zu haben,
also hatte er sein Wort gehalten. Trotzdem aber
hatte er sie an ihn erinnert. Nun mochte die Zu
kunft sprechen. Er war ja den ganzen Winter in
Kiel und bis zur Hochzeit war noch Zeit. Der Bräu
tigam wollte ja selbst ein Jahr warten und Ilse
würde sicherlich nicht drängen. Wer weiß, wie da
der Zufall noch spielte. ,
Er dehnte sich auf den weichen Polstern. Eigent
lich war es doch gar nicht so übel. Vierzehn Tage
in Berlin und eine wohlgefüllte Geldtasche! Nein,
das mußte man dem Onkel lassen, wenn gegen seine
Handlungsweise auch vieles einzuwenden war, in
Geldsachen war er nicht kleinlich.
Gut. daß er den Tausender aus dem Bahnhof
in der Wechselstube in kleinere Scheine ümgewech
seit hatte. Jetzt ging er auf die Toilette und ver
steckte die Scheine bis auf hundert Mark, die er bei
sich behielt, sorgfältig in der inneren Tasche seiner
Uniform. Er hatte doch einigen Respekt vor Berlin
und seinen Taschendieben.
Er nahm sich vor, nobel zu leben und sich nichts
entgehen zu lassen, aber auch möglichst viel von sei
nem Gelde zu haben. Keine sinnlose Verschwen-
vung!
(Fortsetzung folgt.»