123. Jahrgang
123. Jahrgang
Sonntag- dsn 30. LMäLz
unser Leiden geehrt werden; vielleicht geht der
Aufstieg unseres Volkes nur durch schmerzliches
Opfern, vielleicht ist da z. B. der Sinn der Chri
stennöte, die wir jetzt so erschütternd in Rußland
erleben. Da dürfen wir nicht Gott den Gehorsam
weigern, dürfen nicht nach tändelndem Glück uno
gefälligem Behagen für uns greifen wollen. Da
gilt es vielmehr still Ja zu sagen auch zu schweren
Wegen, die Gott uns bereitet. Aber hinter der
schwärzesten Wolke bleibt doch die Sonne stehen.
Der Ausgang gehört Gott und darum ist er licht
So zeigt es uns das Vaterunser, das wohl das'
schwerste Opfer fordert: „Dein Wille geschehe!",
das von Kampf und Versuchung, von Nöten Lei
bes und der Seele redet, aber doch am Ende den
Triumphboden ausspannt: „Dein ist das Reich und
zwischen sausenden Autobussen, auf deren Verdeck
Klumpen von Arabern hocken.
Am stärksten steigert sich die merkwürdige
Mischung von Abendland und Morgenland Alge
riens, das unter seinen fünfeinhalb Millionen Ein
wohnern 830 000 Europäer beherbergt, in seiner
Hauptstadt Algier, von deren 270 000 Bewohner»
170 000 Europäer sind. Die krassen Gegensätze die
ses europäisierten Afrikas wirken nicht unharmo
nisch. nicht als Dissonanz, sondern lösen einen
außerordentlich malerischen Reiz aus. In der
Küstenstadt Oran, dem Ausgangspunkt der nach
Süden gerichteten Bahn, sind gar 123 000 der
150 000 starken Einwohnerzahl Europäer.
Der Franzose leistete ganze Arbeit, als er Al
gier als starke Festung, Kriegshafen und Kohlen
station ausbaute und neben Oran zum wichtigsten
Handelsplatz machte. Am Küstenrand legte er
rücksichtslos den ganzen tiefliegenden Teil der
alten Stadf mit Ausnahme der Mosgue de !a
Pecherie restlos nieder, brach gradlinig großzügige
Boulevards durch das unentwirrbare Chaos des
engen Gassenwinkels und baute eine kolonnaden-
getragens Prachtuferstraße mit Freitreppen. Auf
fahrten und Elevatoren. Er verpflanzte den Occi
dent in den Orient und gründete ein Klein-Paris
in der Maurenstadt, die doch ihr morgenländischss
Gepräge behielt.
Turkos, Spahis und Senegalneaer mischen
ihre Uniformen mit den Röcken der Bauern aus
der Normandie oder dem Languedoc und mit den
Anzügen französischer Bürger zu lärmender Bunt
heit von Formen und Farben, wie sie die
Fellachenmädchen in den Teppichwebereien wirken.
Fez. Turban und Tarbusch der Araber und Ka
balen schwimmen über der Flut der Hüte von
Maltesern. Marseillern. Spaniern und Italienern.
Zwischen Lippenstift und Puderquaste mondän ge
malter Modepuppen bewegen sich Pumphose und
Eesichtsschleier der Mohammedanerin über den
alten Sklavenmarkt, die Place de Gouvernement,
lebt. Kommt dann Trübsal, so wird man sie nicht
verwünschen und auf alle Fälle wegzubeten ver
suchen, sondern man nimmt auch Leid aus Gottes
Hand und weiß, daß es irgendwie zum Besten die
nen muß. So empfundene Trübsal wirkt Geduld.
Und wer dann nur einige Lebenserfahrung ge
macht hat, der weiß auch, eben aus Erfahrung,
daß letzlich uns doch alles, aber auch alles einen
Segen birgt und bringt. Da leuchtet dann wirk
lich begründete Hoffnung, christliche Hoffnung, die
Recht hat und Recht behält, die Hoffnung, die
nicht zu Schanden werden läßt.
Algerische Streiflichter. / von Major H. yeise.
c alle Zonenringe brachen vernichtender tel von Orangen und Limonen. Tabak. Kork und
die Winterstürme dieser Jahreswende. Baumwolle gebirt der Boden, der im Innern
Hoffnung hinein. Ja, hier spielt sie um so leichter
ems Rolle, weil sie ja durch den Glauben Gottes
Wunderallmacht mit in ihre Rechnung hinein
ziehen kann und somit erst recht allen Schranken
nüchterner Vernunft überhoben scheint. Tatsäch
lich hat solche Gotteshoffnung oft genug eine fa
belhafte Höhe und glühende Siedehitze erlangt.
Aber ebenso ist Tatsache, daß mancher von der
Höhe größter Hoffnung in den Abgrund der Ver
zweiflung gestürzt ist und dann mit allem Eottes-
glauben gebrochen hat. Die Schuld hatte na
türlich nicht Gott, als hätte er mit seinen Ver
heißungen getäuscht, sondern der Mensch, per in
seinen Hoffnungen uferlos wurde.
Aber wie weit können wlr denn mit unsern
Glaubenshoffnungen gehen? Man zieht die Grenz
linie falsch, wenn man meint, ein Christ dürfte
zwar für den Himmel alles, aber für die Erd"
nichts Außergewöhnliches hoffen. Das klingt geist'-
lich und ist doch unfromm. Der Gott der Ewig
keit ist auch der Herr der Welt. Wir dürfen da-
des französischen Kolonialreichs über dis Sahara
hinweg. Von den Endpunkten seiner Eisenbahnen
erstreckt sich der Autoverkehr durch das Land der
Tuaregs bis zum nördlichen Knie des schiffbaren
Niger. Die Wüstenweite der Sahara hat ihre
Schrecken verloren. Sie ist durch das Auto be
siegt, seit sie'Prinz Sixtus von Bourbon-Parma,
der Bruder der Kaiserin Zita, auf den breiten
Ballonreifen seiner Kraftwagen überwand. Der
französische Luftdienst, der 270 Flugzeugs in Nord
afrika stationierte, hat die einst unendlich dünkende
Oeds topographisch aufgenommen. Nun ist der
Bau der Trans-Sahara-Vahn Regierungsbeschluß
geworden, aus der entscheidenden strategischen Er
wägung heraus, die Frankreich — das in seiner
etatsmäßigen Heeresstärke von über einer halben
Million über 100 000 eingeborene Soldaten führt
— die schnellste Beförderung starker Truppen
massen aus dem innerafrikanischen Reich nach
Europa ermöglicht.
Das reiche Gebiet Algeriens ist ein seltsames
Land der Gegensätze. Im Innern, wo aus dem
Grün die weißen Würfel der Marabus, der Hei
ligengräber, ragen, herrscht noch unverfälscht die
Welt des Islam. Ueber die Märkte von Vou-
farik und Blidah reiten auf prachtvollen Pfer
den malerischen Spahis durch feilschende Fellachen.
Dort verhüllen die Frauen von ihren beiden
Augen, die sonst als einziger Ausschnitt aus dem
morgenländischen
„ Wir dürfen da
her die Hoffnung nicht so beschneiden, daß der
Gegenwartsglaube dabei klein wird. Es bleibt bei
dem Wort von dem „Berge-Verfetzen". Was un
serm Hoffen Schranken setzt, daß es nicht ein phan
tastisches Wünschen uns wildes Begehren wird ist
der Geist innerer Zucht, ein Geist, der sich von
,zefus sagen läßt. Bei Jesus scheidet alles aus
was nur der Selbstsucht, dem eigenen Ruhm der
persönlichen Bequemlichkeit .dein irdischen Wobll
behagen und Genuß dient. Da leuchtet nur ein
Ziel, die Sache des himmlischen Vaters. Dient
zu Seiner Ehre das Leid, das Opfer des eigenen
Lebens, ja selbst der Tod am Kreuz, so wird das
Opfer zwar nicht leichthin, aber selbstverständlich
gebracht. Aber auch vor der schwärzesten Nacht
leuchtet ihm der Hoffnung Stern. Wo Jesus vom
Sterben redet, spricht er zugleich auch vom Auf
erstehen. Die Hoffnung sieht schon den errungenen
Sieg, und diese Hoffnung hat Recht behalten.
Nun wissen wir, was wir als Christen hoffen
dürfen. Nicht, daß es uns immer nur wohl gehe
auf Erden! Nicht, daß uns kein Unfall und Ee-
rahr träfe! Nicht, daß wir alle Widersacher nie
dre des Herzogs von Orleans Denkmal schmückt.
^ Droben in der Kasba, die sich in steilen Gassen
zur alten Burg der türkischen "Herrscher
^ “ ' ber Eingeborene ungestört nach
Das Araberviertel ist ein nnent-
Durchgängen, Stufenschroffen und Sackgassen. Die
meist fensterlosen Hochhäuser recken sich eng zu-
und Treppenstiegen an den Hängen der Hügelkette
~ " ; ; , : empor-
ichwlngt. lebt
altem Brauch.
wirrbares Labyrinth von Winkeln, überwölbten
berührend oder durch Bogen verbunden.
Bisweilen gewähren maurische Torportale,
durch das Symbol der fünffingrigen Hand gegen
den „Böfen Blick" geschützt. Einblick in Hoffchächte,
hufeisenförmig überkrönten Säulen. Gekachelte
Steilstiegen verlieren sich im Dunkel des Innern.
verschleierten Antlitz grüßen,
noch das eine und schreiten einäugig über die Gas
sen. Auf den Feldern sind neben neuzeitlichsten
Kultivierungsmaschinen noch die primitivsten
Ackergeräte aus Urzeit in Gebrauch: und auf den
gepflegten Chausseen, die von Eisenbahnen über
kreuzt sind, trotten Viehherden und Packesel neben
burnusumflatterten Radlern und Reitern und
m- « — .7. 7- . ' . 0 -tcuuuus». onHiojen ^eoernyainen uno
der,chmetttrii- Vielleicht will Gott gerade durch hannisbrotbäumen grüßen in (5oID und Gelb Eür
der Wüste und die zahlreichen Juden. Hier klingt
I taug ŗcļt in oie 'saugen geieyen. oann Die Papiere
geprüft und schließlich dem Lakaien befohlen, ihn
hierher zu führen. Hier sollte er nun schlafen? Zn
dem duftenden Bett? In diesem Zimmer mit den
weiß gestrichenen Doppeltüren und der warmen
Zentralheizung? Und Essen und Trinken würde
man ihm auch noch bringen? Ihr Sterne, ich danke
Euch! Nun sehe ich Euch wieder von drinnen.
Weiter kam Franz mit seinem Gebet nicht, denn ein
sauberes Mädchen trat ein. stellte einen gehäuften
Teller mit Brötchen und eine dampfende Teekanne
auf den Tijch und wünschte danach artig eine ge-
ruhiame Pacht. Er sah dem Mädchen mißtrauisch
nach, schlich an die Tür, horchte und riegelte sick)
ein. Dann stürzte er sich über den Tisch. Zehn Mi
nuten später war die Kanne geleert und der Teller
auch. —
Ņeoor er seine zerschlissenen Sachen vom Leibe
zog, warf er nochmals einen Blick auf die funkelnde,
nächtliche Pracht. Ich danke Euch! Dann konnte er
nicht schnell genug aus den Kleidern kommen. Doch
die Ordnungsliebe — der Rest einer verklungenen
besseren Zeit — gebot ihm. die Kleider in den
Schrank zu hängen, der blitzsauber in der Ecke stand.
Als er ihn öffnete, stutzte er: In ihm hingen ein
pelzgefütterter Mantel und zwei Anzüge; auf dem
Er trat in dos Zimnier, in dem neben v. Einem der
Gutsnochbar Eggers hinter einem dampfenden
Gloie Grog ioß. Es fei ein Landstreicher draußen,
sagte der Lakai, und bitte um eine Nachtbleibe. Ob
ihm diese gewährt werden solle. Statt v. Einem
antwortete Gutsbesitzer Eggers: „Für diese Penn
brüder hätte ich nichts übrig. Nicht einmal in ei
nem meiner Ställe dürfte ein solcher übernachten.
Frech, faul und diebisch, das sind ihre hervorstechend
sten Eigenschaften. Meinen Sie nicht auch?" Wie
wenn er eine geistreiche Aeußerung getan hätte, so
befriedigt sog er an seiner Zigarre. Dabei strich
er über seine pralle Weste, wie Menschen zu tun
pflegen, die mit sich und der Welt zufrieden sind.
„Lassen Sie ihn warten", sagte v. Einem zu
dem Diener und wandte sich dann dem Nachbarn zu.
„Ich habe bislang noch keine trüben Erfahrungen
gemacht. Nicht jeder ist an feiner mißlichen Lage
Sockel standen ein Paar juchtenlederne Stiefel.
Mochte Franz die Ätttdeckc noch so hoch über
'die Ohren ziehen und noch so oft bis hundert und
wieder nach eins zurück zählen, dennoch sah er im
mer wieder den Mantel, die Anzüge und die Stiefel
sich in den Arm, daß es schmerzte. Nein, ein Traum
war es n'cht. Er stand wirklich in emem Zimmer.
Die denn bloß? Ja jo, so war's gewesen: Ein gro-