Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 1)

nor k»aS Gesanötschaftsgcbäube fahren würde? 
Der Fiaker übersah die Situation sofort. „AS 
schon gut! Ltcigen's nur ein Euer Gnaden!" 
sagte er. J-.-H. stieg ein, der Kutscher schnalzte, 
das Pferd zog an, der Wagen rollte um die 
Ecke, schloß sich der Reife an, hielt elegant und 
feierlich vor dem erleuchteten Portal, F.-H. 
stieg aus, schritt großartig au dem sich tief ver 
beugenden Pförtner und den Lakaien, die tcp- 
pichbclegte Treppe hinauf. 
Er unterhielt sich glänzend und war dop 
pelt vergnügt, da er ein so beträchtliches Ka- 
pital für den nächsten Tag gespart hatte. Um 
ein Uhr war der Empfang zu Ende, und er 
stieg zwischen anderen vornehmen Gästen die 
teppichbelegte Treppe hinab. Zu beiden Sel 
ten unten standen Lakeicn mit silbernen Ta 
bletts, auf die jeder vorbeikommende Gast ei- 
nen SUbergulden als Trinkgeld legte. Nur 
Herr von F.-H. legte, under Willen freigebiger 
als alle andern, einen Doppelsilbergulden 
dem unbeweglichen Lakaien hin. Auch er tat 
es unbewegt, in vollkommener Haltung, wenn 
auch innerlich geknickt, und wanderte ohne ei 
nen Heller in der Tasche aus dem Botschafts 
palais in die Nacht hinaus. 
Die Vorstellung. 
' Unter den europäischen Truppen, die im 
Jahre I960 nach Peking marschierten, um die 
dort eingeschlossenen Gesandtschaften zu ret 
ten, befand sich auch ein kleines österreichisches 
Kontingent von etwa dreihundert Mann. Als 
die Truppen noch in Tientsin lagen, hatte ein 
Leutnant den Austrag zu touragieren. Hin 
ter der Hütte eines Chinesen entdeckten sie 
Hühner, die Körner pickend und glucksend hin 
und her liefen. Aber der Chinese weigerte 
sich, sie zu verkaufen. Darauf singen die Sol 
daten die Hühner, banden die Gackernden mit 
den Beinen zusammen und legten den vorge 
schriebenen Preis in Silber vor dem Chine 
sen nieder, der ein großes Geschrei begann. 
In der Nähe standen zwei fremde Offi 
ziere und ein Herr im Tropenanzug und sa 
hen zu. Jetzt trat der Herr iu Zivil auf den 
Leutnant zu und sagte auf Deutsch: „Herr 
Leutnant, ich sehe mit Befremden, daß öster 
reichische Soldaten plündern!" 
Der Leutnant erwiderte: „Erstens plün 
dern meine Leute nicht, sondern sie souragie- 
ren. Und zweitens, was geht das Sie an?" 
„Ich ersuche Sie. höflicher mit mir zu 
sprechen," sagte daraus der Herr im Trvpen- 
anzug, „Sie scheinen nicht zu wissen, wen Sie 
vor sich haben: mein Name ist Prinz . . . von 
Bourbon, und meine Schwägerin ist die Kö- 
nigin-Regentin von Spanien." 
Der Leutnant verbeugte sich und erwider 
te: „Mein Name ist Leutnant Huber, und 
meine Taut' hat eine Züirdhokzelsabrik in 
Linz." 
— Der Sachkundige 
Daß die entscheidenden Männer in dev 
Aemtern nicht die Minister, nicht einmal rm- 
mer die Referenten, sondern oft tr, end ein 
Rechnungsrat ist, daß weiß mau. Wer der 
klügste im Amt ill. weiß man nicht. Manch 
mal ist es der Pförtner. Wen'gstens schien 
es so in einem JaU. der sich *tt Rom wenige 
Jahre vor dem Kriege zutrug. Eine englische 
Firma wollte Bewässerungsröhren nach Ita 
lien liefern. Es mußte ein glanzendes Ge 
schäft werden, wenn man sie zollfrei oder doch 
zu einem erträglichen Satz einführen konnte 
Ein englischer Journalist in Rom, mit dem 
ich befreundet war, und der mir die Geschichte 
noch am selben Tage erzählte, ging mit dem 
Vertreter der Firma und machte sich als Dol 
metsch. Aus dem Zollamt schlugen die Beam 
ten in allen Verzeichnissen nach und fanden 
nichts über Drainröhren gesagt. Man ver 
wies die Herren ans Finanzministerium. 
Aber auch in der via del Tritone hatte der Re 
ferent keine Ahnung, ob die Nähren als Kera 
miken, als landwirtschaftliche Artikel, als 
Terrakotta oder „Mauersteine" oder zollfrei 
zu behandeln wären. Man redete und riet 
hin und her, man ging zu immer höheren 
Stellen und kam zu keinem sicheren Aus 
schluß. Als die beiden ärgerlich und hoff 
nungslos das Ministerium verließen und im 
Torweg ihrem Unmut Ausdruck gaben, fragte 
der freundliche Portinaio. ob er den Herren 
vielleicht dienen .könne. „Das werden Sie 
wohl nicht," sagte der Journalist. „Chi lo 
sa?" sWer weiß?), entgegnete der Erfahrene. 
„Nun, wenn Sie uns einen Rat wissen, soll 
es Ihr Schade nicht fern", und sie trugen ihm 
den Fall vor. „Aber das ist doch so einfach, 
meine Herren", sagte der Mann, der berufs 
mäßig der klügere war, „Sie schicken ein Pa 
ket mit einer Drainröhre von England nach 
Italien, und dann sehen Sie, ob und wie hoch 
es verzollt wird!" 
Geleitet von Schachmeister Brinckrnann, 
Holtenauer Straße 228. 
(Anschr. an d. Andresse.) 
Nachdruck verboten. 
Aufgabe von A. C. White. 
(Internat. Galerie mod. Problemkompou.) 
1. 1830. 
Bunte Melt. 
abweichend von der bisherigen Meinung. Er 
stellt ihn sich folgendermaßen, vor: Die Drü 
se in der Schwimmblasenwand erzeugt selbst 
kein Gas, sondern ein flüssiges Sekret. Dieses 
wird an die Blutgefäße, von denen die Drüse 
durchsetzt ist, abgegeben und ruft in ihnen 
ein Ansteigen des Kohlensäuredrucks hervor. 
Das hat zur Folge, daß Kohlensäure in die 
Schwimmblase diffundiert. Außerdem wirkt 
die hohe Kohlensäurespannung auf das Oxy- 
hämoglobtn des Blutes in dem Sinne eitler 
Abspaltung von freiem Sauerstoff. Dadurch 
wird auch Hessen Spannung in den Gefäßen 
erhöht, itnd er tritt ebenfalls in die Schwimm 
blase ein. Erreichen in dieser beide Gase ei 
nen bestimmten Druck, so entweicht Kohlen 
dioxyd durch die Blasenwand nach außen, 
während diese für Sauerstoff weniger durch 
lässig ist. Dieser vermag also seinen Anteil 
an der Gassüllung der Schwimmblase- immer 
weiter zu erhöhen, so daß eine nach Vollen 
dung des Füllprozesses ausgeführte Analyse 
den Anschein erweckt, als sei fast ausschließ 
lich Sauerstoff zur Füllung verwandt wor 
den. 
Hundert Jahre „nervös". 
Das Wort „nervös", dieses beliebte mo 
derne Schlagwort, gehört dem deutschen Wort 
schatz in der Bedeutung, die man ihm heute 
beilegt, erst seit hundert Jahren an. Aller 
dings hat es nervöse Menschen früher > auch 
schon gegeben, doch wandte marr das Wort 
„nervös" damals nur danir an, wenn der 
Arzt einen Teil des Körpers als „nerven 
reich", „nervig" oder „nervenvoll" bezeichnen 
wollte, also in rein medizinischer Bedeutung. 
Noch im achtzehnten Jahrhundert gab es da 
her keilte „nervösen" Menschen in heutigem 
Sinn, sondern allenfalls Menschen mit 
„schwachen Nerven" oder mit „reizbaren Ner 
ven", wie man damals sagte. Nach und nach 
entwickelte sich jedoch ein immer stärkeres In 
teresse für die verschiedenen Nervenzustände, 
und schließlich nannte man jeden unruhigen 
oder schlaffen Menschen „nervös", das „Ner- 
vössein" wurde geradezu modern und das 
Wort „nervös" zum echten Modewort. Seit 
dem das Wort, wie die Forschungen Laden- 
dorşss festgestellt haben, im Jahre 1880 auch 
in der Literatur auftauchte, findet man es aus 
Schritt und Tritt als Bezeichnung für alles 
mögliche, sogar aus leblose Gegenstände ange 
wandt. Ebenso hat sich das Wort „Nervosität" 
stark eingebürgert, das als erster der in der 
ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts 
lebende österreichische Dichter und Arzt Ernst 
von Feuchtersleben gebrauchte und damit in 
den allgemeinen Sprachgebrauch einführte. 
Die Gassüllung der Schwimmblase. 
Untersuchungen, die Dr. Werner Jacobs 
in München über den Gasinhalt der 
Schwimmblase der Fische und den Vorgang 
bei ihrer Füllung angestellt hat, führten zu 
Ergebnissen, die z. T. wesentlich zur Aende 
rung der hierüber bisher herrschenden An 
sichten beitragen. Man nahm früher an, daß 
der Schwimmblase fast reiner Sauerstoff zu 
geführt würde, und zwar aus einem in der 
Schwimmblasenwand befindlichen drüsenar 
tigen Gebilde. Dr. Jacobs konnte dagegen 
nachweisen, daß auch große Mengen Kohlen 
säure in die Schwimmblase eintreten. Das 
Kohlendioxyd wird aber wieder ausgeschieden, 
woraus sich das Entstehen d. früheren falschen 
Ansicht erklärt. Auch den Vorgang der Gas 
erzeugung deutet der Münchener Gelehrte 
fc# 
Matt in drei Zügen. 
Weiß: Kfl, Dal, La7 u. s2, Bb2, c3, d4, c5, b6, e6 (10) 
Schwarz: Kh2, Sa4, Ba2, e7, g3. 
Eine schöne Zugzwangsaufgabe des rühmlich be 
kannten Mäcens und Komponisten. 
Partieschach. 
Aus dem Meisterturnier in »am Nenn». 
In der Partie Bogoljubow—Monticelli kam cs zu 
folgender Stellung: 
Weiß (Bogolj.): Kgl, Dc2, Tbl und 62, Lei, Ba4, c4, 
g2 und b3. 
Schwarz (Monde.): KcS, Dc6, Tf8, 867 und k4, Ba5, 
b6, c7, c5, g5, d4. 
Schwarz nutzte seine Angriffsstellung ebenso kraft 
voll wie glänzend aus. Die Armee des Kriegsgewal- 
tigen Vogoljubow wird mit mächtigem Ansturm, von 
Montieelli geradezu vom Erdboden hinweggefegt. Die 
Schlußkombination bleibt denkwürdig. 
!. g5—g4! 
sprengt die letzten Mauern des Gegners. Nimmt Weift 
diecn Bauern (h3Xg4), ?o folds• 2. — h4—h3, 
3. g2—g3 867—es! 4. g3XI4 Se5—f3+ 5. Kgl-kl 
(Kgl—f2, io h3—h2) TfSXf4! und Weift ist verloren, 
denn weder Td2— f2 noch Kfl—e2 reichen zur Verteidigung 
aus, weil auf den ersteren Zug 8k3—64 und auf den 
letzteren h3—h.2 gewinnt. 
2. LelXlvt 
Dieser Läufer war fast die ganze Partie hindurch 
auf ei zu rühmlosem Dasein verurteilt gewesen. Er 
kommt an das Licht der Sonne gerade noch rechtzeitig 
zurück, um den Zusammenbruch des eigenen Heeres zu 
erleben. 
2. — g4xh3 
3. g2—g3 Sd7—e5! 
4. Tbl—b3 — - 
Darauf folgt eine herrliche Mattführung. Doch kann 
Weiß auch anders dem konzentrischen Zusammenwirken 
keinen nennenswerten Widerstand mehr entgegensetzen. 
So z. B. Mt nach 4. g 3Xf4 Se5— f3+ 5. Kgl—f2 
Sf3Xd2 6. Dc2Xd2 Dc6—g2+ 7. Kf2—e3 Tf8~e8-r 
8, Ke3—63 Dg2—e41- der Sieg gleichialls an Schwarz. 
4. Sf4—e2+! 
5. Td2Xe2 Tf8—fl + ü 
6. K°lXfl Dc6—hl-r 
7. Kfl—f2 Se5—g4 Matt. 
Eine Partie, die allen Zweiflern und Nörglern 
ins Stammbuch gehört Noch ist das Schach unerschöpf 
lich und ist farbenprächtig wie am ersten Tag! Wo 
der Wille zur Gestaltung ist, da werden immer noch 
phantasievolle Angriffe und blitzende Kombinationen 
Briefmarkenbörse in Paris. 
Für öie Blüte des Briefmarkenhandels 
zeugt der starke Erfolg, den die erste „Phila 
telistische Börse" zu verzeichnen hatte, die 
kürzlich in der Vorhalle eines großen Pari 
ser Zeitungspalastes eröffnet wurde Dane 
ben findet allwöchentlich in den Champs Ely- 
sees ein freier Handel in Briefmarken statt. 
In dieser ersten Börsenversammlung herrsch 
te ein solches Gedränge, daß man sich kaum 
einen Weg durch die Menge bahnen konnte. 
Die Markenhändler haben sich jetzt auch zu 
einem nationalen Syndikat zusammengeschlos 
sen, und von den 135 Mitgliedern hasten sich 
nicht iveniger als 60 feste Plätze an der Phi 
latelistischen Börse gesichert. Mit peinlichster 
Sorgfalt prüfen die Börsenbesucher mit den 
Vergrößerungsgläsern die seltenen Stücke, die 
zum Verkauf aus den Markt gelangten. Be 
stimmte Briefmarken gewinnen eben, wie Ge 
mälde mit dem Alter an Wert. So wurden 
beispielsweise französische Briefmarken, die 
vor dem deutsch-französischen Krieg von 1870 
in Verkehr waren, und die im Jahre 1900 ei 
nen Wert von 46 Mark darstellten, jetzt mit 
1800 RM. gehandelt. 
ihr belebendes Dasein führen. 
Betty Wehrle-Genhart 
Kreuzwege der Liebe 
Carl Dun cker-Verlag, Berlin W. 62 
4) (Nachdruck verboten.) 
Das Gesicht des kleinen Mädchens leuchtet vor 
Entzücken. Ls nimmt das rechte Händchen vom 
Nucken wllst erst einen scheuen Blick daraus und 
reicht es ihm hin. Der Herr bemerkt den Bl'ck. 
Ra'ch beugt er sich zu der Kleinen hernieder und 
flüstert: 
„Sage mir Suzette — warum walltest du mir 
vorhin die Hand nicht geben?" 
Suzette sieht ihm gerade in die Augen und er 
widert ebenio leii«: 
„Sie war noch rot von Mamas Schlägen. Da 
schämte ich mich . . ." 
Nun trckt Mademoiselle l>eran, nimmt Suzette 
bei der Hand und verabschiedet sich. 
„Warum haben Sie mir auch nie gesagt, daß 
Sie solch ein süßes Ding von Mädelchen haben?" 
lagt der Mann zu «einer Begleiterin, als die beiden 
außer Hörweite waren. 
„Ich dachte mir. die Tatsache, daß ich Mutter 
bin. sei nicht von sonderlichem Interesse für Sie", 
erwiderte sie lässig. 
„Fleure!" Er atmet heftig und zieht di« schlan 
ken Frauenhände an «'eine Brust. „Fleure ... ich 
habe nicht gewußt, daß Sic eine Familie haben. Bei 
Gott nicht — sonst..." 
Sie wendet ihm hos schöne Antlitz zu und ver 
senkt ihren Bl'ck in dem leinen. 
„Bin ich Ihnen nun weniger wert, nun Sie es 
wissen?" 
„Sw mißverstehen mich absichtlich. Fleure". sagt 
er gequält. „Bis anhin sachte ich, nur Ihr Gatte, 
welcher schon vor meiner Bekanntschaft mit Ihnen 
an eine Trennung dachte, stehe noch zwischen uns. 
Uni) jetzt plötzlich — das Kind . . .1" 
„Es ist das Einzige . . erwidert sie müde. Sie 
weP nun kommt eine Frage, die sie fürchtet. Und 
"cht-g — 
„W e alt ist denn die Kleine?" 
„Zehn Jahre." Es hat keinen Zweck, ihn zu be- 
lügen. L'nmal muß er es ja doch erfahren. Sie 
lacht nervös. „Zehn Jahre — ja . . . nun staunen 
Sie. Nun — ich glaube, für mein Alter sehe ich 
trotzdem noch ganz leidlich aus." 
„Warum so bitter, Fleure? Spielen bei einer 
Frau wie Ihnen die Jahre eine Rolle? Habe ich 
Ihnen nicht schon tausendmal gesagt, daß Sie die 
bezauberndste Frau sind, welche mir je in meinem 
Leben begegnet ist?" 
„Dasselbe versichert mir jeder Mann", sagt sie 
finster. Und wie in bitterer Selbftoerhöhnung fügt 
sie hinzu: „Fleure Giravez ist momentan Mode ; n 
unserer Stadt. Die Männer aller Stände glauben, 
es gehöre sich so, daß sie mir zu Füßen liegen." 
Er wirft einen raschen Blick um sich. Keine 
Menschenseele weit und breit. Da umfaßt er mit 
beiden Händen das Haupt der Frau und preßt es 
an seine Brust. 
„Fleure . . . Fleure! flüstert er leidenschaftlich. 
„Don mir weißt du. daß ich in dir nicht die Sänger«» 
liebe. Der Name „Fleure Girodez" ist für mich nur 
Schall und Rauch. Nichts als dein „Ich" liebe ich . . . 
dein ureigenstes Ich . . ." 
„Beweisen Sie es mir", sagt sie mit seltsamem 
Lächeln und tiefgesenkien Wimpern. 
„So erkläre mir doch — wie?" drängt er heftig. 
„Ich kann dich doch nicht entführen . . . dich deinem 
Gatten gewaltsam rauben . . .?" 
„Warum denn nicht?" lächelt sie erstaunt. 
Er ist wie vor den Kopf geschlagen. „Das ist ja 
Wahnsinn. Fleure", stöhnt er. „Kompletter Wahn 
sinn ... Du weißt, ich liebe klare Verhältnisse. Wie 
du mir sagtest, ist die Scheidung zwischen dir und 
deinem Gatten nur noch Formsache. Wenn alles ge 
ordnet ist, heiraten wir. Dos Kind soll meinem 
Herzen teuer sein, wie ein eigenes. Ich sage dir 
dies, damit du keine Sekunde von mir denkst, ich fei 
ein Unmensch, der ein Kind vom Herzen seiner Mut 
ter reißt . . ." 
Ein weiches, melodisches Lachen unterbricht ihn. 
Sie streift mit kniender Hand über seine Wange. 
„Träumer . . ." sagt sie. und wieder zuckt es wie 
verhaltenes Lachen um ihren Mund. Dann wird sie 
plötzlich ernst. 
„Es ist Zeit, heimzukehren. Dort, wo die Allee 
beginnt, trennen wir uns. Sie besorgen die Logen- 
pläck" und erwarten mich um acht Uhr am Walter 
platz. Ich werd« pünktlich zur Stelle sein." 
Es ist längst dunkel geworden. Nur selten er 
hellt der Schein einer Laterne den verschneiten Weg, 
aus dem die beiden schreiten. Es hat wieder zu 
schneien begonnen — wie Brillanten liegen die fer 
nen Schneesternchen auf dem kostbaren Pelzwerk der 
Frau. Der Mann ist bezaubert, hingerissen ... Es 
ist das erste Mal, daß sie ihm eine Zusammenkunft 
in freier Natur gewährt hat und seine Augen trin 
ken . . . 
„Auf Wiedersehen!" raunt er. „O. möchten die 
Stunden des Beisammenseins doch kein Ende 
nehmen." , 
Um den nackten Hals zaubern geübte Zofenhäà 
eine Wolke karmesinroten Tülls. Wie eine zarte, 
fremdländische Blume steigt das Antlitz daraus em 
por. Das blauschwarze, halbkurz geschnittene Haar, 
in der Mitte gescheitelt, läßt die rosigen Ohrmu 
scheln mit den Drillanttropfen frei und bauscht sich 
dicht hinter den Ohren in dichten Locken, die noch 
die königliche Schulterlinie streifen. 
„Hat der Herr Bescheid hinterlassen, ob er zum 
Nachtessen zurück sein wird?" versucht Madame die 
Zofe auszuforschen, welche ihr das Cape aus Maul- 
wurf umhängt. 
„Herr Rettberg hat Gepäck für zwei Tage mit 
genommen. Er hat Weisung gegeben, daß die bei 
den Flügel im Musikzimmer während seiner Ab 
wesenheit gestimmt werden sollen. Dagegen hat er 
dem Stubenmädchen verboten, das Studierzimmer 
aufzuräumen, trotzdem alle Möbelstücke mit Noten 
blättern belegt sind." 
Madame hört schon längst nicht mehr hin. Zwei 
Tage! Sie wirst den Kopf in den Nacken und preßt 
die Hände vor die Augen. Zwei Tage . . . 
„Es ist gleich acht Uhr, Madame. Der Wagen 
wartet." 
„Ja . . . ja." Die junge Frau ergreift den 
Stvaußfederfächer und eilt hinunter. Eine Tür 
klappt. Der Wagen saust davon. 
In ihrem weißen Dettchen liegt die kleine Su 
zette und horcht und horcht . . . Mama hat ver 
sprochen, ihr Adieu zu sagen. Ach, lange ist es her, 
daß sie abends ins trauliche Dunkel des Kinderzim- 
mers trat. 
Aber heute — jetzt .. . 
Flüchtige Schrüte ertönen. Suzette ken'nt ge 
nau der Mutter Gang und richtet sich auf. O, sie 
will einmal io recht lieb «ein, heute. Will fest die 
Arme um ihren Hals schlingen und sagen: 
„Mutti — nicht „Mama" — liebe, süße Muttil 
Ich bin ja noch ein Kleines, ein Dummes, ober —- 
habe mich doch ein wenig lieb " 
(Fortsetzung folgt.) 
„Gute Nacht. Mama", sogt Suzette unter der 
Tür des Ankleidezimmers ihrer Mutter. Sie wagt 
sich einige Schritte hinein und weiß nicht recht, ob 
sie ihr den üblichen Gutenachtkuß geben darf. D'e 
schöne Frwu ist gerade unter den Händen der Zofe. 
„Nicht zu nah, Suzette . . ruft sie aus und 
streckt dem Töchterchen die Hand entgegen. Und die 
Kleine gibt der Mxtter anstatt auf die Wange, auf 
die Hand einen Kuß. 
Dann steht sie sekundenlang still und schaut die 
Mutter an. 
„Was stehst du noch?" bemerkt dieselbe nervös 
und ohne nach dem Kinde hinzuschauen. „Geh! Du 
solltest um diese Zeit längst schlafen." 
„Ich muß dich anschauen, Maina", erwidert Su 
zette tief aufatmend. „Du bist so «schön . . ." 
„Närrchen!" Madame ergreift die Puderquaste. 
Ein zarter Pfirsichhauch, diskret und duftig, liegt 
über ihrem Gesicht. „Wenn du jetzt recht folgsam 
bist, komme ich noch in dein Zimmer und sage dir 
Adieu." 
Die wundervoll geschwungenen Lippen «werden 
mit dem Stift nachgezogen. Die flammenden Augen 
mit den dichten Wimpern und Brauen bedürfen 
keiner Nachhilfe. 
Fertig. Madame wendet sich um. „Suzette . . ." 
Doch diese hat bereits das Zimmer verlassen. 
Die junge Frau stützt ch« nackten, wie mattes 
Elfenbein schimmernden Arm« aus 4>ie Platte des 
Toilettentisches und legt -hr Kinn auf die verschlun 
genen Hände. Sie schaut in den Spiegel, lange un 
verwandt . . . 
„Noch ein paar Jahre . . . ein paar lumpige 
Jahre" murmelt sie vor sich hin. „Doch — ich will 
sie nützen . . ." Nun kann sie sich plötzlich an dem 
strahlenden Bildnis im Spiegel freuen. „Sie sollen 
vorübergehen wie ein Rausch . . ." 
S«e steht auf. Das enge. «m Rücken t«ef dekot- 
lettierte Silberlameeklert umschließt chren knaben 
haft schlanken, biegsamen Körper wie ein Panzer. 
Kfi _ __ 5 _ SU _ Läufer - Gardinen 
I6DDI0Ü6 Dlw «ft'“-" 
' a * M® II® ® Ş ■£« '*» Hst» bis za 6 Monates 
i.agerbesncb «bedingt lohnend. Sie kanten nirgends günstiger 
Geburtstags-Geschenke Hochzeits-Geschenke - Inbiläums-Gabe" 
Spexiai-Tappichhaus &SAkeit«lah! 
KSel. Schioßgarten «MßeÜilClÖP*
	        
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