Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 1)

Zur Unterhaltung 
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Londeszeitung (Rendsbnrger Tageblatt) 
von Peter Dörfler / Peter Harde şindet eine )mel. 
% 
Peter Farbe aus Gent ist durchaus keine 
■ oentenerernatur. Er sucht nur den Frieden 
ņ sich und unter den Menschen. Aber das 
Abenteuer ergreift ihn und wirbelt ihn her- 
3 in aller Welt. Ein Abenteuer des Schick- 
Tiefe Figur steht im Mittelpunkt von 
*tter Dörflers neuem Roman „Abenteuer 
3 Peter Farbe" (Verlag Herder, Freiburg 
3 Breisgau). Wir bringen hier das 236. 
' ftpitei. — Peter Farde hat Schiffbruch cr- 
3en und treibt halb bewußtlos auf einem 
im Meere: 
s Er erwachte an einem heftigen Stoß und 
. vr ln freudigem Schreck empor. Tein Fahr 
ig hielt vor einer Klippe, die als ein Zahn 
z. einem riesigen Gebiß stand. In einem 
33 funkelnder Sterne lag ein schwarz anf 
ügender Wall, eine Insel, die einer von 
p^scheu gebauten Festung glich. Er ächzte 
3 r Freude und unfähig, sogar diese Bewe- 
^ . g zu ertragen. Aber er neigte das Haupt 
wie vor einem erhabenen Herrn. 
Ter dunkle Wall war bewehrt. Ter erste 
3"Ģer hatte das Floß angehalten: Halt, 
t Cr da? Die anderen Wächter waren schwarz- 
.^ttde Klippen, wüstgeformte Unholde, ge 
cutterte Steinschwerter, plumpe Stcinkeu- 
JV Zackige Rachen. Aufspritzender Gischt im 
3"en Umkreis, soweit das Auge im Zwie- 
3 ... trug, zeigte an, daß überall unter dem 
şherspiegel verborgene Felsen lauerten. 
3t der nördlichen Seite kam der dumpfe 
j.° tt einer starken Brandung. Sie war un 
ähnlich wie das Getümmel einer nächtlich 
^ Nllenden Schlacht. Aber sie hatte ebenso 
- e,t Atem des Lockenden und Hoffnungsvol 
lst . Peter suchte seine fast entfremdeten 
‘ļļj 
ueomatzen zusammen, verkniff die Schmer 
Sen 
und setzte sich lauernd zurecht, um das 
-» mit Wucht auf eine hellgraue Sandbank, 
e unter einem überhängenden Felsen vor- 
338, aufstoßen zu lassen. Als es Tag 
de, machte er sich von der Klippe los, eine 
3öe packte das Floß und schob seinen 
3^erteil hoch aufs Trockene. Er kroch auf dürren 
auf glitschigen Fels und dann auf ausge- 
jj^ten, von scharfem Geäder und spitzem Grieß 
zogenen Basalt und erreichte, aufwärts klstn- 
mend, eine Mulde, die über einem Morast von zer 
setzten Muscheln einen dünnen, trübäugigen Wasser 
spiegel zeigte. Er wazU sich hin. schlürfte und trank. 
Es war Regenwasser ohne Salz — ah, Wasser, Was 
ser ,alle Zellen mines Leibes saugten mit. Aber als 
der brennendste Durst gelöscht war, klagten Gau 
men. Nase und Augen. — Abscheulich, welcher Ge 
schmack. welch Gestank! Aber was trinkt man in 
diesem Afrika nicht! 
Als er sich eben erheben wollte, sah er an dem 
Ballen des linken Fußes eine Mukspur. Er hatle 
sich an den Fetzen geschnitten. Eilig beugte er sich 
nieder, um dieses Blut zu schlürfen. Dann schlief 
er ein. träumte aber, zu wandern. Cine Oase er 
schien am Südhimmel. Dann glänzte Waster in den 
Kübeln. Die Kamele tranken, der Schöpflöffel quoll 
Uber von köstlicher Fura. Dann reichte eine braune 
Hand Datteln. Plötzlich aber war die Heinmt da, 
frische Brotdünste lockten aus dampfenden Türen 
und schwere Würste hingen an rußigen Ketten. 
Er bedurfte seiner ganzen Willenskraft, uni sich 
aus diesem beglückenden Hindösen zu reißen und auf 
die zitternden Beine zu heben. „Auf. Peter, wan 
dere ins Innere der Intel — Träume sättigen nicht!" 
Sein Innerstes widerstritt. Nein — nicht wan 
dern! Er schauerte bei dem Gedanken, wiederum 
tagelang suchen und irren zu sollen. 
Nein — nicht, ich kann nicht mehr! 
Aber dennoch, auf, vielleicht um die Ecke herum 
findest du 
„Vielleicht, nein, ich mag diese Vielleicht nicht 
mehr!" 
Er war trotz aller hoffenden Erregung gereizt 
und wappnete sich gegen Enttäuschungen. 
„Nein!" murmelte er und tastete und tastete 
und klomm doch nach den: Felsen, der zehn, zwan 
zig Stufen oberhalb lag. Er erreichte ihn, neigte 
sich vor und tat wie ein Tier, das den Gnadenstoß 
erhalten hat. Dann schlug er auf den Felsen be 
sinnungslos nieder. Noch in keiner Krisis seines 
Lebens hatte er sich so vollkommen aufgegeben wie 
nach diesem Kundschaften um den wie ein Grabstein 
ragenden Fels, an dem er jetzt lag. Dennoch mußte 
er wohl mitten im Schwinden der Sinne den Vor 
satz gemacht haben: „Zurück nach dem Floß!" 
Denn als er sich wiederfand, kroch er nach der 
Platte nieder, die sein Fahrzeug aufgefangen hatte. 
Freilich, er schob es dann nicht in die lockende 
Flut zurück. Dazu hätten ihm wohl die Kräfte ge 
fehlt. Und wozu neue Pein? Lieber doch auf die 
sen Fellen sterben als im Waster verwesen müssen! 
Auf einmal klopfte er sich auf die Stirn:'„Du 
bist ein Narr!" und klomm und kroch hin und her 
nach Nahrung. Auch diele neue Hoffnung war ein 
Wahn: nirgendwo fand er auch nur ein zähes Gläs 
chen. 
„Hier müßte sogar ein Esel sterben", meldete 
sich wieder Daniel. „Du hast das Paradies gefun 
den, denn dieses Stück hat die Verwünschung, Dor 
nen und Disteln tragen zu müssen, nicht getroffen." 
Peter aber stand, ohne es zu wollen, wieder an 
der Stätte seiner erschütternden Enttäuschung. Was 
so kühn wie eine wohlbewehrte Insel in das Wasser 
getrotzt hatte, war nur der König all der Klippen 
ringsum, war die Zauberin Circe, die sich, kaum be 
rührt, selbst in ein Steingerippe verwandelt hatte. 
Zwanzig, dreißig Schritte konnte er oben auf dieser 
Felsenburg abmessen — das war aber auch das 
ganze Innere dieser Insel, die einzig mögliche Wan 
derung, und sie konnte ein Sterbender noch wagen. 
Der Blick seines Auges, das ihm zusammenge 
schrumpft dünkte, suchte wieder den makellosen Ho 
rizont ab. 
Seine Insel lag wie ein versteinertes Schiff, von 
Klippen eingekränzt, als ein Gespenst der Seeleute, 
von aller Ferne gemieden, inmitten einer blauen 
Meeresglocke. 
Als er sich wieder unter den überhängenden 
Felsen vor seinem Floße geflüchtet hatte, wo er sich 
für seinen lebenden und toten Leib am besten ge 
sichert dünkte, begann er zu zählen: „Vier Tage, 
fünf Nächte ... vier ... fünf Nächte ..." 
Da er zu beten suchte, fiel ihm eine Geschichte 
von seinem heiligen Vater Franz ein. Hatte der 
Selige nicht vierzig Tage lang von einem halben 
Brot gelebt und auch dieses nur aus Demut genos 
sen, um nicht in Wetteifer mit seinem Herrn zu kom- 
men? 
Aber Peter seufzte: „Ein halbes Brot, warum 
gibst du mir nicht die andere Hälfte, Vater?" Warum 
nicht die zwei überflüssigen, die die Brüder dir da 
mals mitgaben? Ein halbes Brot, fünf Tage... 
Ein halbes Brot, sei doch barmherzig, Vater!" Seine 
Gedanken verwirrten sich. „Warum soll ich das 
halbe Brot nicht haben? Laß mir, oder...!" 
Er kauerte sich unter seinen Felsen und starrte 
böse und gereizt vor sich hin. Es war, als hätte 
sich seine Seele fortgeschwungen und wäre nur 
noch das Tierische in ihm, all die entzündeten und 
Mittwoch, den 26. Februar 
fiebernden Adern und Nervenstränge zurück 
geblieben. 
Wie ein Tier kroch er von Zeit zu Zeit an die 
schmutzige, von winzigen Tierchen wimmelnde 
Lache und schlürfte, dann legte er sich, grimmige, 
rotunterlaufenö Augen rollend, nieder. Manchmal 
knurrte er und fletschte die Zähne, als drohe er 
einem angreifenden Gegner. Es geschah auch, daß 
er rauh auflachte oder vor sich hinweinte. Meist 
aber saß er zurückgelehnt, die Arme auf einer Fel 
senwanne gestützt, mit dem Ausdruck tiefster Trau 
rigkeit und bitterster Schwermut da. Seine Glie 
der erstarrten, aber in seinem Kopfe wehten 8e- 
spenster. 
Wären Vogel auf der Insel gewesen, sie 
wären vor Peters gräßlichen Kampfschreien hoch 
in die Lüste geflogen: hätten Löwen und Leopar 
den in diesen Klüften gehaust, sie wären davon 
geschlichen. Seltsam, wie grausig der zum Tod 
Erschöpfte brüllen konnte! 
Peter war in einem Gewimmel von Teufeln 
und Gespenstern, und er sah all die wüsten und 
üppigen Fratzen der Legenden, die er îchaudernd 
gelesen hatte. 
Wieder erwachte er aus dem blinden Wahn 
sinn, fünf Tage . . . vier Nächte! Die Zahlen hat 
ten. ihm keine Begriffe mehr, sie waren nur da, 
um ihn zu quälen und mit ihren Rätseln zu 
foltern. 
^ Der Kleinwagen. 
„Ich habe meinen Kleinwagen hier stehen las 
sen", sagte der junge Mann zu dem Wärter der 
Straußenfarm. „Wo kann der hingekommen sein?" 
„Da hätten Sie vorsichtiger sein müssen", er 
widerte dieser. „Sie wissen doch, was Strauße für 
Magen haben." 
Klara Hofer, Rückzug von Moskau. Ein osteuro 
päisches Schicksal. Die Geschichte des Artillerie-leut 
nants L. N. Tolstoi. Eanzleinn M 7,50. Rainer Wun 
derlich Verlag in Tübingen. Klara Hofer hat in ihrem 
wundervollen Buche über Sonja Kowalewsky den Ty 
pus der russischen Frau gestaltet. Ihr neuestes Werk, 
das alle Vorzüge ihrer großen und reifen Kunst auf 
weist. zeichnet, gleichsam als Gegenstück zur „Sonja" 
das Urbild dec russischen Mannes in seiner edelsten 
Gestalt, in Leo Tolstoi. In einprägsamen Bildern von 
leuchtender Farbigkeit gibt sie das Rußland seiner 
Jugend wieder. Sie zeigt aus, wie ihn die Wider 
sprüche seiner Natur, die ihn selbst bis zur Verzweif 
lung peinigen, zum Propheten des uralten Evange 
liums der Menschenliebe und zu dem großen Dichter 
gemacht haben, als der er bis Welt erschüttert hat. 
dviil Frau?: 
«igeborg und Dagmar 
Verlag Alfred Bedithold 
(Nachdruck verboten.) 
ŗ.Ņit fliegenden Pulsen hatte Erik diese Briefe 
Hastig strich er über seine Stirn, die wie 
ckitzber glühte. Das war nun dis zweite Anklage, 
<3 3 e gcn Bengt Sjöberg erhoben wurde: er hatte 
3 Feines Mädchen betört, hatte ihr Vertrauen er- 
i$o'? en Unö şiâ> kalt von ihr gewandt, als Ulla jene 
y^^eung stellte, die ihrer ganzen Veranlagung 
test, und allein in Frage kam: daß er sie her- 
^ Aber eines verstand Erik nicht: Was hatte Lars 
j Q mit seinem Vater zu tun gehabt? Der hatte 
zz3şk durch die Mutter erfahren, was Ulla ihr :r- 
hatte. Dieses stolze Mädchen, das um einer 
l^^l>ildeten Schuld willen das Vaterhaus verlassen 
4 und bis zu ihrem Tode nie wieder heimgekehrt 
3tte sicher zu keinem anderen Menschen — am 
j c , Sften zu einem Manne — von diesen Erlebms- 
Lîsprochen. 
Vo, Erik grübelte und sonn unausgesetzt. Was wäre 
3, geschehen, hätte Larffon erfahren, daß seine 
flthstîr Fur Bengt Sjöbergs wegen sich nicht würdig 
à fn seinem Hause zu bleiben? 
hä A>ürdo er zwanzig Jahre sein Kind betrauert 
Ehrend der Mann, der einst ihre Ehre an- 
il»y dl,hatte, ruhig und behaglich lebte? Würde er 
Uyd ^schrieben haben, daß er seine Enkelin suchen 
^ 'hm führen sollte, hätte er auch nur die ler- 
Ahnung, was dieser Bengt Sjöberg seiner 
re* îinst getan? 
war undenkbar, paßte ganz und gar nicht 
dem 3 
Wesen des alten Mannes, 
aber folgte daraus? 
tb^ er den wahren Schuldigen nicht kannte, 
i^ņ'şldstoerftändlich. Weiter? Daß er einen Fal- 
<%, , Kchtigt — und sich vielleicht auch an ihm ge- 
hatte? 
SßliÄug nicht dieser Gedanke wie ein zündender 
3 Eriks Seele? Er sprang aus keinem Sessel 
3 ?, s hätte eine Giqantensaust ihn gepackt und 
3em Sitz geschleudert. 
hatte Lars Larsson für den Schuldigen ge- 
Olaf Dahlgren! Kein Zweifel! So erklärte sich 
alles Seltsame im Wesen des Alten, seine wunder 
lichen Reden auf die denkbar einfachste Weise. 
Wie aber war Lars Larsson zu solchem Glauben 
gekommen? Aus sich selbst? Rein! Dafür :var er 
wohl zu gerecht. Der Glaube war ihm von einem 
anderen beigebracht worden, von einem Menschen, 
der diesen Lars Larffon kannte und wohl wußte, 
was er von ihm zu erwarten hatte, kam die Wahr 
heit an den Tag. 
Und weir war dieser eine, der ganz allein in 
Frage kam? 
Niemand anders als Bengt Sjöberg! 
Da ballte Erik Dahlgren seine Hände zu eisen 
harten Fäusten. Der Zorn fuhr wie eine Flammen 
fackel durch ein Blut. Zorn und Verachtung. Die 
Dritte Anklage gegen Bengt Sjöberg! Die dritte 
und schwerste! Den Mann, dem er so vieles ver 
dankte, der ihm: ohne Widerspruch den schönen Platz 
an seiner Seite eingeräumt, hatte er der Rache eines 
Fanatikers preisgegeben; er trug wahrscheinlich die 
Schuld an: Tode dieses Mannes, der ihn stets wie 
einen leiblichen Bruder behandelt hatte. 
Zähneknirschend stieß Erik Dahlgren hervor: 
„Beugt Sjöberg hüte dich! So viel und so schwer 
hast du an den Dahlgrens gefrevelt, daß ich mit dir 
abrechnen muß! Ich werde dich nach Dingen fragen 
die ich weiß! Und du sollst mir Antwort geben! O, 
ich werde dich schon zum Sprechen zwingen! Ich 
bin ja stärker als du! Denn auf n:e!ner Seite steh: 
das Recht! Wie oft hast du es gebrochen? Jetzt aber 
sollst du büßen, damit du nicht länger als lebender 
Hohn auf das geheiligte Recht unter den Menschen 
wandelst!" 
Hoch aufgereckt wie ein Wiking inmitten bran 
dender MeereswogPN stand Erik Dahlgren vor dem 
Schreibtische seines Vaters. Seine Blick« blitzten wie 
stählerne Klingen. Kalte Entschlossenheit war sei 
nem ganzen Wesen eingeprägt. 
„Hüte dich, Beugt Sjöberg! Ich verlange Re 
chenschaft vor dir! Genugtuung! Du Dieb an un 
terem Eigen! Lüsterner Schürzenjäger, dem eines 
reinen Mädchens Ehre nichts galt! Mörder meines 
Vaters, Mörder mejryer Mutter! Mörder unseres 
Iugendglückes!" 
Und wie er das Wort „Iugendglück" aussprach, 
zuckte er zusammen. Aber diesmal in einem Er 
schrecken, das seine MHne entsetzt aneinander schla 
gen ließ: 
War nicht dieser Bengt Sjöberg, den er hassen 
mußte, Ingeborgs Vater? 
Gewann er nun endlich die volle Klqrheit, wa 
rum er sich geweigert hotte, zu einer Verbindung 
zwischen den Häusern Dahlgren und Sjöberg seine 
Zustimmung zu geben? 
Ja, furchtbare Klarheit! Ein blutiger Schat 
ten trennte für immer die Kinder dieser Familien! 
Wso war Bengt Sjöberg doch noch nicht bar jedes 
besseren Fühlens, weil er bei dem Gedanken er 
schauerte, seine geliebte Tochter könnte den Mann 
heiraten, dessen àter durch seine Schuld ums Leben 
gekommen war! 
Vergebens suchte er einen Aufschrei zu unter 
drücken. Schrill durchdrang er den stillen Raum, «n 
dem sein Pater so viel gearbeitet hatte: Jngeborg! 
Sie war für ihn verloren! Alle seine Liebe änderte 
daran nichts! Und ob auch ihre Herzen in unge 
stillter Sehnsucht sich verzehren und verbluten wür 
den, es gab dock) keinen Weg, der zueinander führte. 
Bengt Sjöbergs Schuld trennte sie für immer! 
In bitterstem Schmerz warf Erik sich über den 
Schreibtisch, auf dem all die Schriftstücke logen, aus 
denen ihm so furchtbare Kunde gekommen war. 
Konnte er Bengt Sjöberg zur Rechenschaft zie 
hen? Hatte dieser Mensch nicht auch ihm den größ 
ten Schmerz bereitet, den er sich denken tonnte? Er 
trennte ihn von Jngeborg! 
Jngeborg! Immer wieder werde ich deinen Na 
men rufen, dein süßes Bild mir vor die Seele stel 
len müssen, damit ich nicht die Herrschaft über nnch 
selbst verliere und den Mann nicht so züchtige, wie 
er es verdient hat! Es ist dein Vater, Jngeborg! 
Und jeder Streich, den ich ihm versetze, er trifft auch 
dein unschuldiges Haupt, durchbohrt dein reines 
Herz, das nichts von Schuld weiß. 
Erik Dahlgren war so sehr zum Spielball kei 
ner widerstreitenden Gedanken und Gefühle ge 
worden, war so sehr seiner Umwelt entrückt, daß er 
gar nicht hörte, wie die Tür seines Zimmers lene 
geöffnet wurde, daß er die hohe Gestalt des alten 
Mannes nicht sah, die langsam und feierlich auf ihn 
zuschritt. Zwei große Hände legten sich auf seine 
Schultern, und eine tiefe Stimme fragte ihn: „Was 
haben Sie, Herr Dahlgren? Ich hörte Sie rufen." 
Erik sprang beim Klange dieser Stimme nicht 
auf. Es gelüstete ihn nicht, noch mehr von jenen 
furchtbaren Dingen zu hören, die ihm durch dime 
Schriftstücke bereits enthüllt morden waren. Was 
nützte cs ihm, wenn er auch den letzten Beweis von 
Bengt Sjöbergs Schuld am Tode seines Vaters er 
hielt? Er durfte sich ja doch nicht an ihm rächen. 
Das Verbrechen mußte ungeiühnt bleiben. 
Doch Lars Larffon ließ sich durch das Schweigen 
Eriks nicht beirren. Er hotte das Warten gelernt, 
wußte, daß Erik doch einmal reden würde, mochte er 
sich jetzt auch noch jo sehr scheuen, einem fremden 
Menschen Einblick in sein Inneres zu gestatten. 
Wie ein Vater sein verschüchtertes Kind lieb 
kost, so streichelte Lars Larffon Eriks fieberglühendes 
Haupt. Die Blicke seiner blauen Augen ruhten auf 
dem Stapel von Schriftstücken, und er nickte immer 
wieder, als erriete er ohne weiteres die Herkunft 
und die Bedeutung dieser Papiere. 
Der Alte dämpfte seine Stin:me zu geheimnis 
vollem Raunen: „Herr Dahlgren, hallen Sie mich 
nicht für aufdringlich! Nie war ich es, möchte es 
am wenigsten in dieter Stunde sein. Aber die Zeit 
scheint mir gekommen, wo ich Ihnen Antwort geben 
muß, soweit ich dazu imstande bin. Und dann sol- 
lcn Sie mich richten! Und ich werde Sie segnen, 
mag Ihr Sprucb lauten wie er will! Ich bin der 
Mörder Ihres 'Taters!" 
Wie, der junge Mensch hörte ein solches Be 
kenntnis und er fuhr nicht wild auf? Er stürzte sich 
nicht auf den Mann, der sich so schwer bezichtig! 
hatte? Er weinte? 
Langiam erhob sich Erik In seinem Gesicht 
wechselte glühende Röte mit schnee'gem Weiß. Das 
Licht «einer Augen Assen erloschen zu 'ein. Mit 
tonloker Stimme murmelte er: „Ich sehe ein, daß 
ntf d ese Aussprache nicht vermeiden läßt. Setzen 
Sie sich, Vater Larsson! Ich weiß von den Dingen, 
über d'e Sie zu mir reden wollen, umhrscheinlich 
mehr aA Sie 'elbst!" 
„Aus den Pap'ercn da?" 
„Ja, aus dielen Papieren!" 
„Aber Ihr Vater war doch unschuldig!" schrie 
Larffon auf. 
„Ich weiß es! Alles weiß ich!" 
„Und Sie wenden sich *> Jit voll Abscheu von 
mir ab?' Von dem Mörder Ihres schuldlosci: 
Vaters? 
„Das Schicksal und eines anderen Schuld hat 
Sie dazu werden lassen. Sie haben meinen Vater 
nicht feige aus dem Hinterhalte ermordet! Das hat 
der andere getan, der meinem Vater so vieles zu 
danken hatte." (Fortsetzung folgt.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.