Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 1)

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Nr. 42 
Zur Unterhaltung 
Mittwoch, den 19. Februar 
Beilage der Schleswrg-Holsternlschen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
®. Lange. Hamburg. \ Bismņeck-ļnnncrunyen. 
Jugend ist cs mir vergönnt gewesen, 
als Freund der fürstlichen Enkel, der Grafen 
Rantzau, Jahre lang im Schloß zu Friedrichsruh in 
nächster Umgebung des Altreichskanzlers Fürsten 
Otto von Bismarck weilen zu dürfen. 
Nachstehend feien einige Erinnerungen mit 
geteilt: 
1. 
Das Schluß zu Friedrichsruh hatte eigentlich 
gar nicht die Berechtigung, sich „Schloß" zu nennen. 
Es war ein einfaches, einstöckiges Herrenhaus, das 
ehemals als Gasthaus gedient hatte. Ebenso schlicht 
wie das Aeußere war auch die Innen-Einrichtung. 
Der Fürst hotte einst den Entschluß gefaßt, das 
Schloß durch einen Anbau zu vergrößern. Er be 
auftragte einen Baumeister mit der Ausarbeitung 
der Baupläne, und eines Tages erschien dieser mit 
einigen Arbeitern im Schloßhof zu Fricdrichsruh. 
Im Beisein des Fürsten wurde der geplante Anbau 
durch Pfähle markiert. Da öffnete sich im ersten 
Stock ein Fenster und die Fürstin fragte herunter: 
„Du. Otto, was bedeuten eigentlich die Pfähle?" — 
„Ach. liebes Kind," erwiderte der Fürst, „soweit soll 
der Neubau gehen!" — „O. wie schade! Dann ver 
liere ich aus meinen Fenstern ganz den ' schönen 
Sonnen-Untergong!" Da schaute der Fürst 
den Baumeister mit vielsagendem Lächeln an und 
fragte: „Meister, sind Sic verheiratet?" — „Ja 
wohl, Durchlaucht!" entgeg riete dieser. — „Na, denn 
wissen Sie ja, daß jetzt aus unseren Bauplänen 
nichts mehr werden kann!" — 
Tatsächlich blieb denn auch alles beim alten, 
und der Umbau erfolgte erst nach dem Tode des 
Altreichskanzlers. 
An den Abenden, wenn die Familie um den 
Tisch im Salon beim traulichen Schein der Petro 
leumlampe beisammen saß, dann liebte es der Fürst, 
wenn musiziert oder vorgelesen wurde. Sehr häufig 
wurden deutsche Klassiker mit verteilten Rollen ge 
lesen, und dabei mußten wir vier Jünglinge kräftig' 
mitwirken. — Ich erinnere, daß wir eines Tages das 
Drama „Maria Magdalena" von Hebbel gelesen 
hatten. Als wir geendet hatten, sagte der Fürst: 
„Ja, ja. der Hebbel ist unzweifelhaft einer unserer 
größten deutschen Dichter, aber kürzlich habe ich 
etwas von ihm gelesen, das hat mir gar nicht ge 
fallen!" 
Und dann zitierte der Fürst folgende Worte 
Hebbels (aus dessen „Tagebuchblättern"): „Es ist 
leicht möglich, daß der Deutsche noch einmal von der 
LSeltbühne verschwinden muß! Denn er hat wohl 
alle Eigenschaften, sich den Himmel zu erwerben, 
aber keine einzige, sich auf Erden zu behaupten! Alle 
Nationen hassen den Dcuftchen. wie der Böse den 
Guten haßt! Sollte cs ihm aber gelingen, den Deut 
schen zu verdrängen, so wird einst die Stunde kom 
men, wo sie froh'sein werden, wenn sic ihn mit 
ihren Fingernägeln aus dem Grabe kratzen könn 
ten!" 
Der Fürst führ dann fort: „Ist der Hebbel nicht 
ein alter Unglücksrabe und Schwarzseher? So weit 
sind wir denn. Gott sei Dank! doch noch nicht! Für 
die nächsten 50 Jahre werde ich doch wohl vorge 
sorgt haben, wenn auch bös an meinem Lebenswerk 
herumgefuscht w'rd!" 
Leider hat ja seine Vorsorge kaum 50 Jahre 
vorgehalten! — 
3. 
Einstmals fragte ein Besucher den Fürsten: 
„Was war in Eurer Durchlaucht bisherigem Leben 
die schwerste und welches die glücklichste Stunde?" 
Lange saß der Fürst in Gedanken versunken in 
seinem Sessel. Schwere Rauchwolken entströmten 
seiner langen Pfeife. Dann sagte er: „Meine schwer 
sten Stunden tzabè ich wohl durchgemacht am Abend 
der Schlacht von Köuiggrütz! — Preußens Ruhm 
und Zukunft standen auf dem Sp:cle und Deutsch 
lands Größe und Einheit. Ich hatte einen schweren 
Kampf durchgefochten mit König Wilhelm. Dieter, 
vom Siegestaumel aufs äußerste erregt, verlangte 
die weitere Verfolgung des Feindes, ja deffen De- 
niütigung bis zum Sieger-Einzug in Wien. — Ich 
stellte ihm das Unmögliche solchen Handelns vor. 
Die Armee war schwer mitgenommen, sie hatte 
Großes an Tapferkeit geleistet, sie war am Rande 
ihrer Kraft! — Man mußte dem Feinde goldene 
Brücken bauen, um die eigene Schwäche zu mas 
kieren! 
Der König wollte das nicht.wahr haben. Wei 
nend wie ein Kind warf er sich in die Sofaecke, mit 
geballten Fäusten bedeckte er seine tränenden Augen 
und rief immer wieder: „Ich bin von Staotsver- 
rütern umgeben! Man will mir den Siegesruhm 
nicht gönnen!" 
Der Alaun, der da vor mir lag, den ich ver 
götterte. für den ich mich hätte in Stücke hauen las 
sen, verlangte Unmögliches von mir! 
Die Pflicht gegen mein Vaterland gebot mir, 
ihm energisch entgegen zu treten. — Ich verlangte 
meine sofortige Entlassung als Preußischer Pre 
mier-Minister, Ich wollte nur noch als Major in 
der nächsten Feldschlacht den Tod suchen. — 
Der Vermittlung des damaligen Kronprinzen 
gelang es dann, den König zu überzeugen. 
Das war wohl meine schwerste Stunde! — Und 
die glücklichste? Ja, das ist viel schwerer zu beant 
worten! — Ich glaube, es war die, als meine Frau 
— (und dabei ergriff er die Hände seiner neben ihm 
sitzenden Gattin und küßte sic!) — mir unseren 
ersten In st gen schenkte!" 
Am 1. April d. I. werden 115 Jahre verflossen 
sein, seitdem Otto v. Bismarck das Licht der Welt 
erblickte. Seit 31 Jahren ruht er unter den Eichen 
seines Sachsenwaldes, der ihm seine letzten Lcbens- 
jahreso sehr verschönt hat. — 11. i. p.! 
Bunte Well. 
Der Riesentempel von Uüirajaro. 
Ueber ein Wunderwerk indischer Baukunst, das 
zwar schon seit einiger Zeit bekannt, aber erst in 
jüngster Zeit genauer erforscht ist, erführt man jetzt 
nähere Einzelheiten. Es handelt sich um die soge 
nannte Grotte von Ubirajara im brasilianischen Be 
zirk Ciara, die, wie sich jetzt ergeben hat, nichts an 
deres als einen Riesentempel der alten Tupy-India- 
ner darstellt, der wohl ohne Uebertreibung als der 
größte seiner Art bezeichnet werden kann. Ist er 
doch bei über 1000 Meter Länge mehr als 30 Me- 
tcr breit und besitzt eine Kuppel von 20 Meter lich 
ter Höhe! Das Innere, in 12 große und zahlre'che 
kleine Säle unterteilt, enthält unter anderem einen 
Teich, den ein Gewölbe von 100 Meter Höhe über 
dacht. An dem Riesenbau müssen viele-Tausende 
von Arbeitern Jahrhunderte hindurch gewirkt ha 
ben. In seiner Bedeutung noch ungeklärt ist ein 
nahe dem Eingang auf zwei Feldblöcken ruhender 
großer Stein, der beim Anschlagen einen weithin 
vernehmbaren, glockcnähnlichen Klang von. sich gibt. 
Der Millionär-Schutzmann. 
Der alte Mark Jones hielt es wohl für ganz 
selbstverständlich, daß sein einziger Sohn sein Nach 
folger in der von ihm gegründeten großen Bank in 
Los Angeles wurde. Doch Deighton Jones bewies 
wSnig Verständnis für die Tätigkeit und für den 
Wunsch des Vaters. Er wollte lieber Abenteuer er 
leben und wurde Schutzmann. „Laß ihn laufen!" 
dachte der enttäuschte Vater und war doch zu ver 
nünftig dazu, um den Jungen seines ungcwöhn- 
liclzen Schrittes wegen zu enterben. Ein Jahrzehnt 
lang verrichtete Deighton Jones treu und brav sei 
nen Schutzmanndienst, bis er eines Tages die Freude 
erlebte, zun: Detektiv-Leutnant befördert zu wer 
den. Sein Lebenswunsch schien damit erfüllt, denn 
jetzt fehlte cs ihm nicht an Abenteuern aller Art. 
Dann aber starb sein Vater und hinterließ ihm sein 
Millionenvermögen. Deighton Jones gab seinen 
Dienst auf. Zwei Jahre lang hielt er cs als reicher 
Privatmann aus. Dann packte ihn die Verzweif 
lung. Er sehnte sich nach einer geregelten Tätigkeit, 
nach den Abenteuern seiner Schutzmannslaufbahn 
zurück. Eines Tages erschien er tut Polizeipräsidi 
um und bat höflich, seinen alten Dienst wieder an 
treten zu dürfen. Der Präsident hatte nichts da 
gegen einzuwenden, und heute spürt der Millionär 
wieder hinter den Verbrechern von Los Angeles her. 
Humor des Auslandes. 
Sparmcthode. „Vater, ich habe heute 25 Pfen 
nige gespart, indem ich hinter der Straßenbahn her 
gelaufen bin." — „Du Dummkopf, warum bist du 
tricht hinter einem Taxameter hergelaufen, da hättest 
du doch mindestens 2 Mark gespart!" 
(Berlin gske Tidendc.) 
Der Ģerrchlsdsllpchêê $$ 
öem MsZsksMä 
Einen nicht programmäßig vorgest^ l 
Verlauf nahm, laut Meldung einer 
Zeitung, für den Ingenieur Sch. ein p 
fest, das dieser in einem vornehmen Kl» 
sucht hatte. , 
Der Herr Ingenieur, der gute g 
quellen hat, findet, daß man mit dem Bez ^ 
seiner Schulden nur sein Geld verlepp^ ^ 
aus diesem Grunde bezahlte er niemandeib ° 
für aber muß er überall dabei sein, wo o 
los ist und dann ist für ihn, wie man All ' l 
pflegt, keine „Wurst" zu teuer. g|. 
Ein Schneidermeister, welchen m 
mit seiner Kundschaft beehrt hatte, liefer" ^ 
für 1600 JL Anzüge, Paletots usw. î 
Meister ans Bezahlung pochte, wurde der ^ 
genienr grob und ließ nichts mehr von 
hören. Ans die Klage erhielt der Şchsi^ ^ 
meister wohl ein Urteil, jedoch verftel > 
Pfändung in der „Gerichtsvollzieherwhhn ^ 
des Sch. fruchtlos, und der Gläubiger ha" ^ 
nicht unbedeutenden Kosten hinterher 
worsen, m :p 
Es wurde nun öcur biedern £ .„( 
terbracht, daß Sch. vor mehreren Tagen 
' dab, P 
größere Summe erhalten hatte und 
Schuldner am Montag den Maskenball 
suchen werde. Schleunigst erwirkte der 
der einen offenen Pfändungsbefehl 
Ingenieur und gemeinsam mit dem ® eI j 
Vollzieher begab er sich auch maskiert^ 
ijicDCL wüuu er 
Ball. Bald hatte er Sch. in der Maske^A 
indischen Nabobs entdeckt, getreu seiner 
i»’ 1 
ließ der Ingenieur sich nicht lmnpen lZ 
tierte die „Schönen" mit Wein usw. ‘ w< ’' 0 ■' 
angetan hatte es dem Ingenieur die 
eines Industriellen, es glückte ihm, dir ^ 
mit in eine verschwiegene Nische zu 
um mit ihr bei einer Flasche Sekt zu plüv^-i 
Gerade als das Pärchen die Maske" ^ 
Gesicht genommen hatte und mit den 
anstieß, erschien der Schneidermeister " T “ fl È p 
Gerichtsvollzieher) der Ingenieur war 1 
sch rocke n, als ihn der Mann des GeftG^ch 
seiner Mission bekanntmachte, daß er ôasPş 
glas fallen ließ. Während die schöne " ş< 
fluchtartig das Feld räumte, waltete 
richtsvollzieher seines Amtes und erlemw 
den Ingenieur um 1000 JL seiner Barşş^. 
Die Maskenfrcuöe mar für den 
ten „Nabob" dahin, bei Freunden und je 
ten blamiert, verließ er sofort, ohne £||: 
Maskierung abzuwarten, den so fröhlich " - 
neuen Maskenball. 
AMOL 
- 
erfrischt - 
bei Ohnmachten, 
pazen. Nerven- und şş 
_ _ schmerzen, ^Verstauchung 
- M-liss... 8 Musk.-.i N-lk 6 Zttr.-. Senkungen. Gegen O 6 
6 Zimt- und Roêmarin-Oel, i8,i4 şilche. Wîlind» u. Gurg- ° 
Menthol, 600 Spirit., 400 Weiss. — Apotheken u Droaec'.en ^ 
Emil Frank 
Ingeborg und Dagmar 
Verlag Alired Bedühold 
(Nachdruck verboten.) 
Das Mädchen, mit dem er verkehrt — und wenn es 
sich schließlich auch nur um eine Tändelei gehandelt 
hätte — kann nicht so verdorben sein, daß sie sich be 
wußt als Hehlerin mißbrauchen läßt. So groß war 
ja der Wert der Juwelen, die sie ihm zum Verkaufe 
anbot, gar nicht! Wenn cs ihr darum zu tun ge 
wesen wäre, sich Geld zu verschaffen, hätte sic sich 
ruhig am Axel Dahlgren wenden können-. Dessen 
Name ist so gut wie bares Geld. Aber gerade der 
Umstand, daß sie aus der Bekanntschaft mit diesem 
reichen Industriellen keinerlei Vorteile ziehen wollte, 
scheint mir für die Schuldlosigkeit des Mädchens zu 
sprechen." 
Gladjen pflichtete eifrig bei: „Es scheint mir 
wirklich sehr zweifelhaft zu sein, ob wir einen Be 
weis für die Schuld des Alädchens beibringen kön 
nen. Im Prozeß müßte sic — wie die Dinge jetzt 
liegen — wegen mangelnder Beweise freigesprochen 
werden. Selbstverständlich könnte man Dagmar 
Hjelmar weiter beobachten. Das müßte schon aus 
dem Grunde geschehen, um sestzustellen, ob sie mit 
ihrer Tante in Verbindung bleibt. Und auch Frau 
Gyllenborg müßte meines' Erachtens überwacht 
werden." 
„Run, dann wäre es verhältnismäßig am ein- 
fochsten, wenn n/an das Mädchen frei ließe. Ich 
werde also wegen Mangels, an jeglichen Beweisen 
llc Freilassung des Mädchens verfügen." 
Dagmar Hjelmar stand vor der Pforte des 
Untersuchungsgefängnisses, in dem sie vierzehn Tage 
verbracht hatte. . , 
Rur vierzehn Tage. 
Ihr erschienen sie als die grauenvollste Zeit 
ihres Lebens. Rur eines hatte sic in dièsen qual 
vollen Tagen aufrecht erhalten: das Bewußtsein 
ihrer Unschuld. Aber das harmlose Mädchen, das 
nie im Leben etwas mit dent Gericht zu tun gehabt 
hatte, war durch die häufigen Vernehmungen, durch 
das eisige Mißtrauen, daß ihr allenthalben entgegen 
gebracht worden war, so zermürbt worden, daß sie 
möglicherweise an sich selbst irre geworden wäre. 
Und nun kam der erschütternde Schluß dieses 
Lcbensdramas: Die Entlassung, weil die Beweise 
mangelten!. 
Konnte sie denn noch einem Menschen frei tu 
die Augen schauen? Klebte ihr nicht der Makel, der 
ihr durch die Schuld der Tante angeheftet worden 
war. für die Dauer ihres Lebens an? Frei hatte 
sie bisher ihr Haupt erheben können. Gewiß, sie 
war arm. Ihr makelloser Raute war ihr einziges 
Permögen, llnd irun hatte matt ihr auch das ge 
nommen! 
O, nur nicht daran denken, daß sic Axel Dahl- 
gren irgeiidwo begegnen könnte! Wie ein gehetztes 
Tier mußte sie sich verkriechen. Unter keinen Um 
ständen durste sie die Wohnung der Tante wieder 
betreten. Oll nun diese Tante schuldig war oder 
nicht: an ihr war sie schuldig geworden! Sie, die 
Diebin, hatte sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht, 
hatte den'besten Teil ihres Raubes gerettet und sie 
in unverantwortlicher Weise zur Mitschuldigen ge 
macht. Das schied sie für immer von dieser Frau, 
die als Schwester ihres Vaters sich ihrer hätte an 
nehmen müssen. , 
* . Mit wankenden Schritten ging sie durch die be 
lebten Straßen. Wie eine Derbrecherin. schlug sie 
die Augen,zu Boden. Wüßte sie doch einen Weg. 
um in den Besitz ihrer bescheidenen Habe: ihrer 
Kleider, Wäsche und der paar Kronen zu kommen, 
die ihr geblieben waren, ohne die Wohnung der 
Tante zu betreten! 
Aber an weit sollte sie sich wenden? 
Als sie sich darüber das Hirn zermarterte, kam 
ihr Frau Gyllenborg mit strahlendem Lächeln ent 
gegen. Dagmar erstarrte in eisiger Ablehnung. 
Diese Frau war zweifellos die Mitschuldige ihrer 
Tante. An sie Hätte sich Dagmar wohl an letzter 
Stelle mit der Bitte um Hilfe gewandt. Und auch 
jetzt — beim ersten Sehen des aalglatten Weibes, 
das seine ganze Beredsamkeit verschwendete, um das 
harmlose. Mädchen von seiner herzlichen Teilnahme 
und ernsten Hilfsbereitschaft zu überzeugen, lehnte 
sich in Dagmar alles auf. Sie meinte gebieterische 
Stimmen in ihrer Brust zu vernehmen, die laut 
und eindringlich tvarnten. 
Frau Karla Gyllenborg schien von alledem 
nichts zu merken. Vertraulich schob sie ihren Arm 
unter den Dagmars und meinte zärtlich: „S'e 
armes, liebes Kind! Hatte ich doch auch nur :m 
cntferittesten geahnt, welche Folgen es für Sie ha 
ben würde, wenn ich Ihnen den Wunsch Ihrer 
Tante — psni über dieses schlechte Wesen! — über 
mittelte. niemals wäre ich zu Ihnen gekommen! 
Aber es ist nun einmal geschehen. Alles Zetern 
und Klagen ätrdert nichts mehr an der Sache, die 
mir auch selbst Unannehmlichkeiten gentig bereitet 
hat. Man sah ntich ja halberlei als Mitschuldige 
ait: Mich, eine angesehene Frau, die es wahrhaftig 
nicht nötig hat, auf krummen Wegen zu gehen. Be 
sitze ich nicht ritcut sicheres, auskömmliches Brot? 
Wir wollen nicht länger darüber reden. Aber eines 
muß ich unbedingt wissen: Was fangen Sie jetzt 
an? Ich fühle mich hakberlei für Sie verantmort- 
lich! Ohne «s zu wollen, habe ich Sic in das 
Furchtbare. Unfaßbare hineingehetzt. Wenn ich 
Ihnen doch helfen könnte! Unmöglich können Sie 
jemals die Wohnung Ihrer Tante wieder betreten. 
Das Band zwischen ihr und Ihnen muß ein für alle 
mal zerrissen sein. Wo aber sollen Sie bleiben, 
bis Sie eine Versorgung gefunden haben, die sich 
für Sic schickt! Sie dürfen eines nicht vergessen: 
m den Augen der Welt haftet Ihnen ein Makel an. 
Es wird außerordentlich schwer sein, für Sie ein 
passendes Unterkommen zu finden. Wie denken 
Sie sich denn Ihre Zukunft?" 
Dagmar litt körperliche Qualen — von der 
seelischen Pein gar nicht zu reden — bei dem Rede 
schwall dieser Frau. Uttd doch war sic in diesen 
vierzehn Tagen so entsetzlich hellhörig geworden! 
Das war ja das Schreckliche, daß sie sich gegen alles 
das, was Frau Gyllenborg anführte, nicht im min 
desten zur Wehr setzen konnte, daß sie das alles als 
richtig anerkennen mußte. 
Wie ein weidwundes Tier schaute sie zu ihrer 
Peinigerin auf: „Ich weiß nur soviel, daß ich ein 
unglückliches Mädchen bin" sagte sie leise. 
„Du lieber Gott, mit dieser Einsicht ist Ihnen 
aber nicht geholfen, liebes Kind! Halt, da fällt nur 
etwas, ein, was wenigstens für den Augenblick ein 
Ausweg sein könnte: Ich stelle Sie als Hilfskraft in 
meiner Wirtschaft ein. bis Sie etwas anderes, pas 
sendes, gefunden haben. Daß ich es an Bemühun 
gen nicht fehlen lassen will, um Ihnen eine geeignete 
Stellung zu beschaffen, brauche ich Ihnen wohl nicht 
erst lange zu versichern, Aber durch den Aufenthalt 
in meinem Hanse kämen Sie am ehesten über die Er 
innerungen an die letzten 
Sie also mit mir kommen?" 
age hinweg. 
Dagmar wait'd sich unter unsäglichen ~*5 jjf 
Sie sollte Kellnerin werden? Sie empfand 
sein Gedanken ein Grauen, als sollte sie in 
sten Höllenpfuhl gezerrt werden. Vielleicht 
die unbewußte Abneigung, die sie gegen 
lenbovg empfand, die Angst, daß sie wirklmft 
lenbovg empfand, die Angst, daß sie wirtt'"-^ ^ r 
schiefe Ebene geschoben werden könnte, ķ ^ 
erschauern ließ. Aber sie war sich ja auch 1 # 
>6 
Uber, daß sie keine große Wahl hatte. 
ohl überhaupt noch Stickereien llnvertraue^ş,tşş' 
von îxyen Ertrag sie bisher ih 
hatte? Viellcicht hatte ihr Ram» 
gestanden! Das Geschäftspersonal könn" ft 
in der o\ c (d> 
H-.-JLr könn" S, / 
haben, unter welch schimpflichem Derdcşş ş' 
haftet worden war. Mußte man sich niĢ^kķ 
der Hehlerin, die nur wegen Mangel an _ jt" 
ans der Untersuchungshaft entlassen woşi■ # 
in acht nehmen? Wie sollte sie ein Vertrauest 
der erobern, das sie ohne ihre Schuld 
hatte? ^ 
Rein, vor der Rot hätte sie sich nickst |ic A 
Irgendwo müßh sie doch Llrbeit finden, Q 
dem Verhungern schützte. Aber bei dem 
daß sie nach ihrer Vergangenheit gefrn6^ £ lft^ 
könnte, graute cs ihr. Wäre es da 
doch besser, Frau Karlas Angebot anl U sen 
Mochte es doch zehnmal unehrlich Ü^tt" ķ, 
Sie würde schon dafür sorgen, daß ^ r, 
ihrer Ehre zu nahe treten durfte, daß r« ^ ^ 
als möglich aus der Nähe der Frau, ! 
einmal nicht traute, in eine reinere 
langte. 
iIortjetzung folgt.) 
Bei 
MAMàģZH 
Vßrcfauungs-* 0 
ist seit 100 Jahreo '’ļCģģty 
fir. sr 
250 - 0.60, Tabletten 0.25 u. 1.50. *ur echt in b‘ a . u f 
dem Bilde des Bründera. A. W. k C. W. Bullr^
	        
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