Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 1)

Zweites Blatt 
Dienstag, 
§L. Sürnm 
Rendsburg, den 28. Januar 1930. 
Nur Verufņņsdverhari-ļung wegr» 
MW SLêîrcêftrêik. 
Dir Berufung von Bestmann-Hshr» von der Großen Strafkammer verworfen. 
Eine Sitzung der Großen Strafkammer!' I 
Landgerichts Kiel fand am Montag im 
jtzungssaale des hiesigen Amtsgerichts unter 
fnn Vorsitz des Landgerichtsdirektors Baseler 
Ua *t- Vertreter der Anklage war Staatsan- 
waltschsiftsrat Dr. Bohmeyer-Kiel. Die Ber- 
O'digàg des Angeklagten lag in den Händen 
Rechtsanwalts Weber-Rendsburg. Der 
''"geklagte, Dentist Max Bestmann in Hohn, 
*'"r vom Großen Schöffengericht Kiel am 80. 
, ^ept. ». Is. zu 2 Monaten Gefängnis und 200 
şşi Geldstrafe evtl. 2 weitere Wochen Ge- 
àgnis verurteilt worden wegen fortgesetzten 
Ergehen gegen 8 1 der Verordnung des 
Reichspräsidenten vom 13. 9. 23 in Tateinheit 
"'ìî 8 111 St. G. B. Der Angeklagte hatte ge- 
Ķsn das Urteil Berufung eingelegt. Der 
Staatsanwalt hatte seine Berufung zurückge 
hen. 
. Sn der zunächst verlesenen Begründung des 
'"Maligen Urteils heißt es u. et., daß in 4 Ein- 
eit nachgewiesen sei, daß der Angeklagte 
j der Anklage schuldig gemacht habe. , Im 
d'alle Bargstall sei die Aussage des Zeugen 
Zehrer Möller klar und überzeugend gerve- 
Für Christianshvlm komme die Aussage 
Gemeindevorstehers Knutzen in Betracht, 
(cr sich der Aussage des Zeugen Claus Groth 
""schloß. Im Falle Königshügel seien die 
lossagen des Zeugen Claus Groth sehr vor- 
?Şig und zurückhaltend gewesen. Der Zeuge 
hgģ Empfinden gehabt, daß eine ver- 
"eckte Aufforderung vorlag, Bietzpfänöungen 
ia verhindern. Der Zeuge Jakob Storm habe 
fundet, daß der Angeklagte vom Feuer ge- 
îs'ì'echen habe und das mal ein Stück Geschirr 
"usrutschen könne. An der Glaubwürdigkeit 
Zeugen Strey im Falle Lohe sei nicht zu 
Geiseln. Er habe im wesentlichen wie Lehrer 
-Möller ausgesagt. Die übrigen Zeugen seien 
îtsr den Angeklagten nicht belastend gewesen, 
är das Strafmaß käme in Betracht: Plan 
mäßige Aufpntschung der Landwirte in äußerst 
jährlicher Zeit. Wenn dieser Zündstoff zur 
^Plosion gebracht wäre, wären die Bauern 
*hen Ausruhr vor Gericht gekommen und 
jt mindestens 6 Monaten Gefängnis be- 
jaft worden. Eine engergische und abschrek- 
'""de Strafe sei daher für den Angeklagten 
forderlich und deshalb sei das Gericht über 
j gesetzliche Mindeststrafe von 1 Monat hin- 
fsgegangen und habe aus 2 Monate Gefäng- 
f erkannt. Dazu komme dann eine Geld- 
näfe von 200 RM. und die Veröffentlichung 
< e§ Urteils. Strafmildernd komme in Frage, 
'"ß der Angeklagte aus innerer Ueberzeugung 
^handelt habe und keine Vorteile für sich er 
lügen wollte. 
. Der Angeklagte erhielt zunächst das Wort und 
frie u. a. aus, er stehe seit 3 Jahren int Kampfe 
et völkischen Freiheitsbewegung. Der Kamps 
^"rde auch darum geführt, daß Steuern nur vom 
Zîrnge, nicht von der Substanz zu zahlen seien, 
f den Versammlungen habe er über die politische 
J O tlogô und über die Freimaurerfrage gesprochen. 
dig Versammlung in Bargstall erklärte er 
' noch folgendes: lieber die Steuerfrage habe 
^gesagt, daß keine Steuern aus der Substanz zu 
flea seien. In Bezug auf Veidenfleth habe er 
n'Z dig dortigen Vorgänge geschildert. Er habe 
Iļļ gesagt, daß ein Stück Geschirr ausrutschen 
Er habe sogar auf die Strafbarkeit der 
fdlung hingewiesen. Die Mistgabeln sollten nur 
Auseinanderbringen des brennenden Heus ge- 
^ "uchi werden, nicht gegen die Vollziehungsbe- 
^îen. Zu dem Worte „Spitzbuben" erklärte er: 
ņ? habe hingewiesen auf die Zeit der Kommu- 
PUiî n= un ^ Spartakusunruhen und des Kapp- 
zf'heg. Wenn die Stadtbevölkerung jetzt in ihrer 
(° "nfs Land käme, um zu plündern und zu steh- 
dann müßten sich die Bauern dagegen wehren. 
Leute seien mit dem Lstorte „Spitzbuben" 
stifint. Im Falle der Versammlung in Chri- 
lsih fholm erklärte der Angeklagte, daß der Zeuge 
. indevorsteher Knutzen-Christiansholm seine 
^fagen dem Landjäger gegenüber mehr aus 
vor der Autorität des Beamten zu Proto- 
f gegeben Hube, diese aber vor Gericht zurück- 
Ijjj °' ntlt ett habe. In der Versammlung in Königs- 
habe er ebenfalls erklärt, daß die Dauern sich 
iw* dig Steuerzahlung aus der Substanz ausleh- 
baz wußten, aber nur mit gesetzlichen Mitteln. Er 
"icht in versteckter Weise darauf hingewiesen, 
!e Deidenflether Vorgänge auch anoerswo 
könnten. In der Versammlung in Lohe 
von bett Bauernkriegen und den Kämpfen 
tiu?"" Eeyers gesprochen. Aber heute könne man 
ì'iiri ņņl dem Dreschflegel losschlagen, sondern 
dsf legale Mittel anwenden. Diesen Ein- 
ö 0r y t " Us seinen Worten habe auch der Eemeinde- 
"iästs fs Broderius gewonnen. Die Leute hätten 
etļļ o Ģeņaues aussagen können, denn sie seien ja 
^^sra Ņîvnate später vernommen worden. Auf 
gen des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte, 
die Zeugen Lehrer Möller, Klempner Strey, Leh 
rer Thomsen-Lohs und vor allem Oberlandjäger 
LLitthlnrich-Hohn feien feine politischen Gegner. 
Darauf wurden die Zeugen — im ganzen 24 
— einzeln vernommen. Es handelt sich bei fast 
sämtlichen Zeugen um Zuhörer in den Landvolk- 
versammlungen in Lohe, Königshügel, Bargstall 
und Christiansholm. Die Aussagen der Zeugen 
ergeben nichts neues. Die meisten Zeugen können 
sich der Vorgänge, weil es 1 Jahr her ist, nicht 
mehr genau erinnern. Sie wissen nur, daß Best 
mann erklärt habe, Steuern müssen bezahlt wer 
den, aber nicht von der Substanz. Zeuge Klemp- 
ner Strey-Lohe bemerkte, der Angeklagte Habs zu 
erst von Freimaurerei und Judentum gesprochen. 
Dann wurde das eigentliche Thema behandelt. 
Wenn die Beamten kämen, sollten ein Paar Fuder 
Stroh auf den Weg geworfen werden, angezündet 
und mit Mistgabeln ausgestreut werden. Dann 
könne mal eine Mistforke ausrutschen. Er habe 
nicht Veidenfleth als warnendes Beispiel hinge 
stellt. Der Zeuge Lehrer Möller-Vargstall war bei 
der Landvolkoersammlung in Bargstall zugegen. Er 
erklärte u. a., es fei davon gesprochen worden, daß 
Notzeiten Notmaßnahmen erforderten. Als Bei 
spiel habe er Veidenfleth angeführt. Aus dem 
Geschilderten empfand er, daß das Beidenflether 
Beispiel in Bargstall Nachahmung finden solle. 
Bei dem Worts „Spitzbuben" habe er nicht die 
Beamten genannt, aber unmißverständlich sei der 
Ausdruck auf die Vollziehungsbeamten gemünzt 
gewesen. 
Nach Schluß frer Beweisaufnahme erhielt zu 
nächst der Verteidiger Rechtsanwalt Weber das 
Wort und stellte den Antrag, das Urteil der 1. In 
stanz aufzugeben und' den Angeklagten freizuspre 
chen. Er führte sodann u. a. aus, daß in Neumün 
ster zur Sprache gekommen sei, daß die Regierung 
die Landvolkbewegung gefährlicher bezeichnet habe 
als die Kommunisten. Die Landvolkbewegung be 
trachte sich als staatserhaltend. Die Landvotkbewe- 
gung sei der ernsthafteste Bekämpfer oller Verfalls 
erscheinungen des heutigen.Systems. Es werde von 
den Zeugen in diesem Prozeß verlangt, daß sie 
Angaben machen sollten über den Inhalt einer 
Rede, die in einer politischen Versammlung vor 
einem Jahr stattgefunden hat. Die Zeugen seien in 
zwei Parteien gespalten, die einen, die politische 
Gegner des Angeklagten seien, die anderen, die es 
nicht feien. Es wird dem Angeklagten vorgeworfen, 
'daß er sich gegen die Verordnung von 15. 9. 23 ver 
gangen haben solle. Es solle der Angeklagte an 
gereizt haben auf irgend sine Weiss zur gesetzwidri 
gen Nichterfüllung der Steuerpslicht. Die heutige 
Verhandlung habe gezeigt, daß gerade diejenigen, 
auf die die Rede gemünzt war, sich nicht angereizt 
gefühlt hätten. Im Gegenteil, daß der Angeklagte 
vor solchen Gesetzwidrigkeiten ausdrücklich gewarnt 
habe. Denn selbst der Zeuge Möller habe ausge 
führt, daß der Angeklagte auf seine bestimmten 
Fragen ihm ausdrücklich bestätigt habe, daß eine 
solche Anreizung von ihm (Bestmann) nicht ge 
macht sei. In Neumünster wurde dem Angeklagten 
vorgeworfen, nach der Versammlung aufgereizt zu' 
haben, der Polizei Widerstand zu leisten. Gerade 
der Angeklagte habe der Versammlung vorgeschla 
gen, eine Kommission zu bilden, utn mit der Stadt 
über die Herausgabe der Fahne zu verhandeln. 
Es entspreche nicht dem Sinne der Landvokkbewe- 
gung und ihrer Führer, zu irgendwelchen Gesetz 
widrigkeiten aufzufordern. Es lag auch nicht im 
Sinne der völkischen Freiheitsbewegung, aus der 
der Angeklagte hervorgegangen ist. Nach dem, was 
die heutige Verhandlung gebracht habe, sei nicht 
bewiesen, daß der Angeklagte eine Anregung zum 
gesetzwidrigen Handeln in ernsthafter Werse seinen 
Zuhörern vorgetragen habe, noch weniger, daß er 
eine direkte Aufforderung zu gesetzwidrigen An 
ordnungen gegeben habe. Ebensowenig sei heute 
mit Sicherheit festgestellt worden, daß er wirklich 
das Wort „Spitzbuben" auf die Beamten gemünzt 
habe bzw. dazu aufgereizt habe, die Beamten mit 
Mistgabeln zu bedrohen. 
T>er SLaatsartwalt betonte, daß er den 
Angeklagten nach dem Ergebnis der heutigen 
Verhandlung im Sinne der Anklage für 
schuldig halte. Seines Erachtens sei in der 
heuttgeu Verhandlung im wesentlichen das 
selbe festgestellt, was in der Verhandlung vor 
dem Schöffengericht festgestellt sei. Es bestän 
den daher keine Bedenken, den Angeklagten 
zu verurteilen. Er beantragte, die Berufung 
des Angeklagten zu verwerfen. 
Sodann nahm der Verteidiger nochmals 
das Wort und betonte, er möchte nochmals 
darauf hinweisen, daß diejenigen Zeugen, die 
sich heute ans ihre erste polizeiliche Verneh- 
mung berufen, ausdrücklich gesagt hätten, so 
ungefähr möchte es sich zugetragen haben. 
Es habe auch keiner dieser Zeugen mit Aus 
nahme des Zeugen Möller, der ja auch heute 
noch der einzelnen Vorgänge sich genau erin 
nern wolle, bestimmte Erinnerungen der Bor 
gänge mehr gehabt. 
Zum Schluß erhielt der Angeklagte Best 
mann das Wort. Da er trotz mehrfacher Mah 
nung des Vorsitzenden von der BerhaudlungS- 
sache abschweifte und ihm mit Wortentziehung 
gedroht wurde, erklärte er: Ich danke dann. 
Nach kurzer Beratung verkündet der Vor 
sitzende 
das Urteil: 
Die Bernsnng des Angeklagte» wird auf 
seine Kosten verworfen mit der Maßgabe, daß 
die Verurteilung rvege« öffentlicher Beleidi 
gung wegfällt. 
Der Angeklagte hat verstoßen gegen §1 der 
Verordnung des Reichspräsidenten vom 15. 9. 
23, ebenso gegen § 111 St. G. B. „Anreizung 
zu Gewalttätigkeiten". Er solle auch gegen 
8 285 St. G. B. wegen Beleidigung verstoßen 
haben. Es bestehe die Möglichkeit, daß das 
Wort „Spitzbuben" auf wirkliche Spitzbuben 
gemünzt sei. 
Die Mindeststrafe sei 1 Monat Gefängnis 
und eine Geldstrafe. Auf die Mindeststrafe 
habe nicht erkannt werden können. Es handle 
sich um einen Mann, der mit der Landwirt 
schaft nichts zu tun habe. Eine Strafe von 2 
Monaten sei daher für angemessen gehalten 
worden. Strafen bis zu 3 Monaten könnten 
in Geldstrafen umgewandelt werden. Das Ge 
richt habe davon nicht Gebrauch gemacht, um 
den Angeklagten abzuschrecken, sich auf dieser 
Bahn weiter zu betätigen. Außerdem sei auf 
200 RM. Geldstrafe bezw. 2 Wochen Gefäng 
nis und Veröffentlichung erkannt. Strafmil 
dernd, war, daß der Angeklagte aus politischer 
Ueberzeugung gehandelt habe. Um y 2 7 Uhr 
war die Gerichtsverhandlung beendet." 
* Die Liederstunde der katholischen Volks 
schule am Sonntagnachmittag in der Aula des 
Lyzeums war recht gut besucht. Hauptlehrer 
H u ck e ging in seinen Eingangsworten auf 
die Bedeutung der Liedpflege ein, die nicht 
nur in der Schule, sondern auch im Hause Er 
folgen müsse. Eingangs sang der kleine Chor 
Duette von Franz Abt unter Klavierbeglei 
tung. Vor allem „Surre, surre, Käferlein" 
erfreute die Zuhörer in ganz besonderem 
Matze. Vom zweiten Teil des Programms 
klangen die Volkslieder am frischesten. Man 
sah es den Kindern an, wie sehr sie sich selbst 
an diesen schönen Weisen begeisterten. Haupt- 
lehrer Hucke erbrachte durch die Liederstnnde 
den Beweis, daß man auch tnit geringen Mit 
teln und mit einem kleinen Kreis Freude um 
sich bereiten kann. Rektor Reinke sprach im 
Namen aller Zuhörer den Dank für die frohe 
Stunde aus. 
* Das Postamt teilt uns uiit, daß es aus Si 
cherheitsgründen während des Umbaues der Schal 
teranlagen notwendig ist, daß die Eingangstüren 
zum Postamt gegen 7 Ikhr geschlossen werden. Das 
Postamt bittet die Schließsachinhaber, ihre Post 
sendungen während der Umbquzeit bis 7.15 Uhr 
abzuholen. 
* Behandlung aufgefundener Luftballons 
mit Wissenschaftlichen Apparaten. Zur Siche- 
rmng der Luftfahrt und zu wissenschaftlichen 
Zwecken werden von verschiedenen metereolo- 
gischen Instituten im Deutschen Reich mittels 
Ballons und Drachen Instrumente aufgelas 
sen, die die Temperaturen und andere Wet 
terelemente sebsttätig aufzeichnen. Die Fin 
der solcher Ballons oder Drachen mit Regi- 
strierapparaten werden ersucht, die an densel 
ben befindlichen Anweisungen genau zu be 
folgen. In diesen Anweisungen ist stets die 
Drahtanschrift oder der Fernruf des in Frage 
kommenden Instituts enthalten. Dem Fin 
der werden die Unkosten für die Benachrichti 
gung erstattet. Bei richtiger Behandlung der 
Instrumente, die genau angegeben wird, er 
hält der Finder außerdem eine Belohnung. 
Die Ballons, Drachen sowie die mitgeführten 
Apparate sind Staatseigentum. Böswillige 
Beschädigung oder Entwendung wird straf 
rechtlich verfolgt. 
Verehrte Frau. 
# Letzthin, Bei der Ausführung des Kriegs 
stücks „Dis andere Seite", fühlten Sie sich ein 
wenig inkommodiert durch dis Nachahmung des 
Trommelfeuers am Schluß. Ja ja, dis Nerven! 
Und dabei wußten Sie sich zeitlich und räumlich 
doch so weit vom Schuß. 
Ein ähnlicher Schreck — ich nehme an, daß der 
harmlose Unfall des Kamin-Umfalls im ersten 
Akt, den die Schauspieler durch Weiterspiel ein 
schlössen paralysierten, nicht auf Ihre Gesundheit 
geschlagen ist — blieb Ihnen diesmal, bei der 
Aufführung des Lustspiels „Am T e e t i s cf)‘§ er 
spart. 
Statt dessen erlebten Sie und wir alle einen 
reizenden Sturm im Glas Wasser, als welches in 
diesem Fall das Haus Hugos und Leas anzusehen 
ist, während die Erregung des Sturmes von Abel, 
dem Dritten im Trifolium am Teetisch, her 
kommt. Letzten Endes nur der inneren Ursache 
nach, nur bedingt gewollt und insoweit, als er 
das Recht zu haben glaubte, Hugo eine Lektion-zu 
erteilen. Weit mehr sichtbare Aktivität in der 
Sturmerregung entfaltet Hugo, der eifersüchtige 
Hausherr. 
Zugegeben, daß dieser Junggeselle Abel von 
der Harmlosigkeit seines biblischen Namensvetters 
nicht viel besitzt und nicht gerade von alttestament- 
licher Hirteneinfalt ist, sondern ein geistreichelnder 
Flaneur, der Frauen die Köpfe verdreht. Im 
Falle Leas aber, dis beider Männer gemeinsam 
hofierte filia hospitalis in rosiger Studentenzeit 
gewesen, bescheidet er sich mit angängigen 
Formen der Verehrung. 
Der lustige, von Karl Sloboda stammende 
Quirl, in dem es vor allem nicht an der Politur 
des Wortes fehlt und in dem die Lust am luftigen 
Spiel bis zu einer, wenn ich so sagen darf, gewissen 
graziösen Unwirklichkeit gesteigert ist, findet nun 
wohl schon an die zehn Jahrs seinen Beifall. Nicht 
alle Lustspiele, besonders nicht die vermeintlichen, 
entwickeln sich zu zehnjähriger literarischer Dauer 
ware. 
Sie werden, verehrt« Frau, gewiß darin mir 
mir einig fein, daß auch der den Hamburg-Alto- 
naer Gästen ob ihres Teetisch-Spiels in unserer 
Stadthalls zuteil gewordene Beisall wohlverdient 
war. Eine Kabinettleistung der Hugo des Kurt 
Geldes. Nicht wahr? Diese Palette von Cha 
rakterisierungskunst an dem hypernervösen „Ren- 
tabilitäts-Menschen", den er darzustellen hatte! 
Wie köstlich der Umschwung seiner Stimmungen 
in das Gefühl der Freude darüber, daß Abel lebt 
und an seinem Donnerstag wieder zum Tee kom 
men wird! Karl W ü st e n h a g s n s breite 
Akännlichkeit, feine sympathische Stimme mit dem 
metallisch klingenden Untertan, seine. Kunst des 
Sprechens, überhaupt seine ganze Künstlerschaft 
waren an die Rolle des Abel verwandt, dieser 
Existenz, die eine Luftspiegelung scheint, und die 
ses Bruders Leichtfuß, der aber doch die Erkennt 
nis des verpfuschten Lebens hat. Eine kleine Stil- 
widrigkeit nur: ein arbiter elegantiarum wird ein 
zig und allein im Hausrock auf dem Ruhesofa aus 
gestreckt liegen, und nicht im Straßenrock. Und Lea, 
der, verglichen nrit den beiden Männern, eins mehr 
passive Rolle zufällt? Je nun, sie wurde mit An 
stand und Geschmack durch Lotte Klein vom 
Altonaer Stadttheater dargestellt. Doch möchte 
ich wetten, daß Sie, Geschätzte, zum Vergleich auch 
gern einmal die Hertha Windschild aus Hamburg, 
die vor einiger Zeit hier eine Probe der Salon- 
dame gab, in dieser Rolle sehen, möchten. 
Der Theaterzug, der bereitgehaster' war, wird 
diesmal wohl nicht allzusehr besetzt gewesen sein, 
nach den Lücken im Theater zu schließen. 
Sie haben recht, — es 'floß das kürzlich in 
unsere Unterhaltung ein — es ist verdrießlich, daß 
man über Fußspitzen balancieren muß, um an 
seinen Platz in der Stuhlreihe zu gelangen. Beide 
Teile führen besser, wenn man sich bemüßigt sehen 
wollte, aufzustehen, um Platz zu machen. 
Vis zum Wiedertreffen einen schönen Gruß? 
- Ihr ergebener 
* d 3. 
Schleswig-Holstein. 
3« h§m nationalsozialistischen 
Einspruch gegen die SLaaLsratswahl. 
Altona, 27. Jan. Der Vorsitzende des Schles 
wig-Holsteinischen Provinziallandtages, der Alto 
naer Oberbürgermeister Brauer, gibt, nach Rück 
sprache mit dem Landeshauptmann Pahlk«, zu dem 
nationalsozialistischen Wahleinspruch folgende Er 
klärung ab: Die Nichtbeachtung der Verspätung 
des Wahlvorschlages der Kommunisten erklärt sich 
daraus, daß eine Vorprüfung durch die Provinzial- 
verwaltung die Ordnungsmäßigkeit der Vorschläge 
ergeben habe, während die Provinzialverwaltung 
erwartet hatte, daß der Wahlvorstand bei der ihm 
obliegenden Prüfung die auf dem Wahlvorschlag 
vermerkte verspätete Einreichung ohne weiteres er 
kennen würde. Es liegt daher weder ein Versehen, 
noch eine falsche Bestätigung seitens der Provin 
zialverwaltung, sondern ein Mißverständnis vor. 
Mm ösm fsmfe timtebutg. 
rp. Hoheuwestedt, 24. Jan. Immerwähren 
der Kalender! Der interessante Artikel „Eisenbahn 
und Kalenderreform" in Nr. 20 dieser Zeitung 
wies von neuem auf die jo viesseitig gewünschte 
Lösung des Problems des „ewigen Kalenders" hin. 
Ein Gegenstand in unserem Heimatmuseum, näm 
lich eine „holländische Dose" aus dem Iah« 1482, 
zeigt einen geradezu geistreich und dabei verblüf- 
feitd eiufach angeordneten immerwährenden Ka 
lender mit julianischer und gregorianischer Da 
tierung,. Also das Streben, den Kalender ein 
facher zu gestalten, ist alt. Die Dose ist aus Alcf- 
iing gearbeitet und die Darstellungen getriebeit. 
Da andere Dosen dieser Art Szenen aus dem täg 
lichen Leben zeigen, auch biblische Darstellungen 
bringen, so muß man ihnen einen kulturgeschichi- 
lichen oder künstlerüchen Wert zumessen. Als 
„Iserlohner Dosen" treten sie erst mit der zweiten 
Hälfte des 18. Jahrhunderts auf. verberrlichen in 
ihren Darstellungen Friedrich den Großen und 
seine Taten, namentlich die des siebenjährigen 
Krieges. Später treten andere Darstellungen auf, 
Allegorien auf Gewerbe und Handel, Jagdszenen 
usw. Ob nun ein Meister aus Holland ausge 
wandert ist nach Iserlohn, oder ob deutsche Gelb 
gießer und Graveure in Holland die Kunst der 
Stichelführung erlernt baden und als tüchtige 
Handwerksmeister in die Heimat zurückgekehrt sind, 
ist nicht klar nachzuweisen, wenn auch feststeht, 
daß die mit Iserlohn bezeichneten Dosen holländisch 
sind. Das Verbreiiungsgebiet der Iserlohner 
Dosen war Mittel- und Norddeutschland, Däne 
mark, Norwegen und Schweden und zwar i» aus 
giebigem Maße. Tie größte Länge der Dosen
	        
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