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MâM
Der Fall Lchridemann—
--O Lsttnenfelö. Ş'
Der Vorwärts hatte.am Mittwoch mitgeteilt, ra.
Herr Scheidemann Lei der Staatsanwaltschaft in Bcr
?lin den Älntrag gestellt hat, ein Verfahren gegen sich
stlber wegen Ser' Beschuldigung einzuleiten, dag er
Scheidemann — eiste Belohnung aus de» Tod Lieb
knechts und Rosa Luxemburgs ausgesetzt habe. Sofort,
als die Beschuldigung gegen Scheidemanir, deren Ar
Heber Sonnenfeld-Vater sei. in der Oeffentlichkeit auf
tauchte, habe es Genosse Scheidemann für feine Pflicht
gehalten, dcr Partei gegenüber alles in feinen Kräften
Liegende zur Klärung der Angelegenheit zu tun. Oh
wohl ScheiDcmann an der geistigen Zurechnungsfähig
keit des Sonnenfeld sen. zweifelte und obwohl er selbst
verständlich b;e Wahrheit der Beschuldigung auf das
entschiedenste in Abrede stellte, stellte er aus dem ge
nannten Grunde den Antrag, beim Staatsanwalt,
co der Vorwärts am sonnabeird. In feiner gestrigen
Nummer aber teilt dasselbe Blatt mit, dag Scheide
mann nicht ein Verfahren gegen sich, sondern gegen
Sonnenfeld beantragt habe, um diesem Gelegenheit zu
geben, feine Behauptungen über die angebliche Aus
setzung einer Belohnung zur Ermordung Liebknechts
und der Luxemburg vor Gericht zu beweisen.
Aut die Angriffe Scheidemanns, der Sonnenfeld
als den Urheber der Behauptung hinzustellen sucht,
dag Sklarz und Scheidemann aus die Ermordung Lieb
knechts und Luxemburgs einen Kopfpreis ausgesetzt
hätten, erwidert Sonnenfeld jetzt mit folgender Erklä
rung:
„Gegenüber der bemüht wahrheitswidrigen Behaup
tung des „Vorwärts" und des Genossen Scheidemann,
daß ich^im Fall Liebknecht-Luxemburg der Urheber der
gegen Scheidemanir ausgesprochenen Beschuldigung sei,
verweise ich auf die von mir der Oeffentlichkeit über-
geoene Erklärung, daß auch mir gegenüber seinerzeit
rm Reichstag von einer dem damaligen Volksbeanf-
t ragten bezw. Ministerpräsidenten Echeidemann sehr
nahestehenden Seite erklärt wurde, daß für den Tod
von Liebknecht und Luxemburg Igo GfiO bereitgestellt
feie«, und juror von Scheidemann und Sklarz. Genosse
Scheidemann! Dem Staatsanwalt, der mich darüber
verhören will, werde ich den Namen dessen nennen,
der seinerseits diese Beschuldigung gegen Sie erhoben
hät. Aber meines Erachtens für die Oeffentlichkeit
wichtiger und namentlich das Ansehen der Stadt Kassel
hinsichtlich Ihrer Oberbürgermeisterstellung mehr ange
hend wäre doch, turnn. Sie den Mut hätten, ein Ermit
telungsoerfahren gegen sich selbst zu beantragen, irrn
festzustellen, auf Grund welchen gesetzlichen Rechtes
Sie Ihrem Intimus Sklarz, dessen Spitzel- und Schie
bertätigkeit Sie doch kannten, die diversen Voll,nachten
erteilt hoben, auf Grund deren er ja erst in die Lage
kam, seine unheilbringende Tätigkeit auszuüben. Und
ferner, ob und in welcher Art er sich Ihnen gegenüber
dafür erkenntlich gezeigt hat. Weiter! Dem Ange
klagten ist es bekanntlich erlaubt, zu schweigen oder
die Wahrheit ins Gegenteil zu kehren. Es ist durch-
sichrig genug, daß Sie, in Wesensgemeinjchaft mit dem
„Vorwärts , der doch bekanntlich von Sklarz gestützt
wird, an meiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Damit
glauben Sie wahrscheinlich mein Zeugnis aus der Welt
schaffen zu können. Aber mir besagen Sie damit nichts
Neues! Meinem Sohn in Haarlem ist ja von Heinrich
Sklarz schon vor Wachen persönlich nahegelegt worden,
ihm zu bestätigen, daß ich unzurechnungsfähig sei, und
zwar angeblich sogar int Aufträge des Verteidige:?
metnes Sohnes, des Rechtsanwalts Grünsprach.. In
Verbindung damit, daß Heinrich Sklarz meinem Sohn
einen falschen Paß nach Argentinien und 2ll 000 Jl Bar-
ļ geld anbot, wenn er schweige, wollte tzemrUch
der Bruder Ihres Intimus, den „FallSklarz" aus der
Welt schaffen. Für heute dainit genügend, Genosse
Scheidemann.!"
™ü5ir
— Glückbringende Geburt «ruf hoher Sec. Ka
pitän Arthur Nostron von der „Mauretania" hatte
seinen Passagieren bei der Weihnackstsüberfahrt des
Schiffes nach Amerika das feste Versprechen gege-
ļ^en, daß sie pünktlich am Heiligabend in Nervyork
eintreffen sollten. Dieses Versprechen hielt er nicht
nur, sondern es gelang ihm sogar, ungeachtet der
schwierigen Wetieroerhältnisse noch 24 Stunden
früher^ im Hasen von Newyork einzulaufen,' als
er versprochen hatte- Dort erklärte er dann. daß
«r.in seiner ganzen dreißigjährigen Dienstzeit noch
keine derart stürmische Uetzersahrt wie die soeben
zurückgelegte, erlebt hätte. Er habe es aber als
gutes Outen betrachtet, daß in eben dem Augen
blick, in dem der Orkan feinen Höhepunkt erreicht
hatte! einem im Zwischendeck reisenden Ehepaar
ein TvHtcrchrn geboren wäre, das sofort nach der
Geburt als Glücksbringer des Schiffes von den
Passagieren adoptiert wurde. Als Patengeschenk
erhielt das Sturmbaby eine Börse mit 760 Dol
lars, und der an Lord befindliche europäische Agent
der Firma Ford fügte als Taufgabe noch ein Auto
mobil hinzu, 'das sofort an Bord zu Gunsten des
Kindes für 1300 Dollars verkauft wurde
Snļaà
Hamburg, 2. Jan. Easfegen dcr Natur,zur rechten
Zelt. Di- Wi-dererschließung der Neuengammrr Gas
quelle. die gerade zur Zeit der höchsten Kohlen- und
Lichinat beschert wurde, macht sich bereits glücklich be
merkbar. Seit der Nacht auf Mittwoch, in der der
Anschluß an das Hamburger Gaswerk hergestellt wurde,
»st eine merkbare Verbesserung in der Leucht- und Heiz
kraft der Brennkörper eingetreten. Die Ergebnisse der
wieder, zum neuen Leben erwachten Gasquelle sind
derartig zufriedenstellend, daß schon in den nächsten Ta-
gen mit einer Wiederaügabe von Mittagsgas zu rech
nen ist. Die Gaswerke, sind aber nach wie vor auf
Kohlenzufuhren angewiesen, da die Leucht- und. Heiz
kraft des Naturgases ungenügend ist und es erst mit
Kehl-ngas gemischt werden muß. Der Prozentsatz des
Naturgas, das dem Kohlengas zugesetzt werden kann,
beträgt etwa 25 vom Hundert.
n HadersleZen, 1. Jan. Sie Pflege des Platt
deutschen. Hier wurde ein plattdeutscher Verein
unter dem Namen „Eekboom" gegründet, der be-
rerts gegen 100 Mitglieder zählt und eine Stütze
des Deutschtums in der Nordmark bilden wird.
Dem Vorstand gehören an die Herren A. Oiewald.
Dr./KrögerpDr. Schnack, Ahrens und Danielsen.
„ Weldon, 2. Jan. Wegen Mordes verhaftet.
Ende-November fand man auf dem EifenLàaļeis
•tn: dsr.Mhs von Rathens«
Malinswsri st
verhaftet, sow
terin Äinanda
diese nach dem Ze
Hainburg ko arme
die Leiche.einer Frau
ser Ehemann Malinowski wurde
dessen Wirisch as
Poller aus Meldn
Prsorazielles.
stf Der Schleswig-Holsteinische Volksliedausschuß
dankt für alle Einsendungen und bittet um Wort und
Weise zu 13. Ik bün de ol Vadder Vrüchmann sin
Söhn, 14. Abraham bat Christus, 18. Linksum
(Tanz). Vor allem vergesse man' nicht, anzugeben,
wann, wo und wie die Lieder usw. gesungen und ge
braucht wurden. Einsendungen erbeten an. Max
Kucket, Suxdorf (Post Cismar).
1- Vreklum, 1. Jan. Wiedereröffnung des
Misstousftw.inars. Der Vorstand der Schleswig-
Holsielnischen ev.-luth. Missionsgefellschaft hat die
Wiedereröffnung des hiesigen Missionsseminüks zu-
Ostern 1920 beschlosten. Zunächst wird man Mis
sionare ausbilden, von denen man hofft, daß sie
nach dem alten Arbeitsfeld der Mission in Indien
gesandt werden können. Geplant ist ferner die Er
weiterung des Seminars zur Ausbildung von Re-
ligconslehrern und Auslandspastoren. Ebenfalls
erwägt man die Gründung einer christlichen Volks
hochschule.
rin, die Arbci-
.* M. hatte sich
würfnis mit seiner Ehefrau aus
lassen und lebte mit ihr' zu
sammen. Bei den Vernehmungen im Amtsgericht
'zu Rathenow hat nunmehr die Weller ein Geständ
nis abgelegt, worauf sich auch M. zu einem solchen
chrquemtp. Danach ist die Frau am 28. November
Mit -der-.Bahn eingetroffen und von Malinowski
und der Weller in Empfang genommen worden.
Auf deut Wege zur Wohnung hat M/feine-'Frau
Ş^tzinem eifengefüllten GunttniWauch erfchlaaen.
Ş- und.dfe W. haben sodann die Leim: auf das
Dahngleis- geschleppt, um den Tod>îàch Leber-
fohren -vorzutäuschen.
- ' MsŞļsog. 2. Jan. Wirtschaftliche Beŗeinî-
guîîg. In unserem Orte wurde am 27. Dezember
lichs Vereinigung gegründet. Sie verfolgt den
Zwecks zur Erörterung und Durchsetzung- rvi'rt-
schaftllcher prägen und Forderungen, welche be
sonders den Klembauernstand, die Kleinbürger
und die Arbeiterschaft in Stadt und Land betref-
.fen, -sich zusammenzuschließen. Es soll vor allen
Dingen dahin gestrebt werden, daß die großen j
MiMinde, welche sich in der Ernährungswirtschast
besonders zur Zeit zeigen und welche das Volk
ganze in immer -stärkerem Matze treffen, nach
Möglichkeit aufgeklärt und durch Weitergabe an
maßgebenden Stellen Abhilfe geschaffen wird. Vor
allen Dingen soll verlangt werden, daß in den
Derwaltungsinstanzen der - Ernährungswirtschast
überall auch Leute der Praxis ihre Vertretung
finden. Männer, die zugleich bereit sind. rücksichts
los-und ohne FuE namentlich, den Kampf ge
gen. die künstliche Preisverteuerung aufzunehmen.
Der Vereinigung sind in. unserem Ort«'sofort 100
Mitglioder beigetreten. In den Vorstand wurden
gewählt die Herren Johann'' Thomsen, Peter
Persson. Jürgen Frahm, Hans Mahrt und'Pe
ter I. Peters. ' - .
' - Das bedrohte GfLprsNtzsK»..
WTB. Berlin, 3. Jan. (Eig. DrahtberichL.)
Von der Grenze wird gemeldet, dȧ revolntioniire
littauifchs Truppen die Grenze besetzten. Die Ļit-
taner stehen zumeist unter L-r Führung englischer
Offiziere. Ihr Verhalten ist im allgemeinen kor
rekt. '.
/ Die öeNLMen GsêsLLş-cheK bei--
WTB. StratzLurg, 3. Ian. (Sig. DrahLLer.)
Infolge des drohenden Ar,sSrmhs des General
streiks stehen sämtliche Truppen in ihren Garni
sonen seit Montag in Alarmbereitschaft. Die
Straßenbahner in StratzSurg beschlossen den,Sym
pathiestreik mit den MühlhLuser Straßenbahnern.
Die Mission Greys în Amerika.
WTB. Newyork, 3. Jim. (Eig. Drahtbericht.)
Lortz Erey hatte in Amerika keine politische, son
dern eine finanzielle Mission zu erfüllen: Zs ist
ihm gegluckt, eine Anleihe von 13 Milliarden Dsl,
ļņ auf 58 Jahre zum Wschluß zu bringen.
De NņMrsârŞtzr öerrtsHä
GsfsKgiSRers' in SMirķen.
Haag. 3. Jan. (Eig. Drahtb-Ächt.)
/L-aîry.Herald meldet, dstz dis deutschen -Kriegsge-
faMenen'in.'Sibirien nicht eher heimkehà diir-
fench bevor nicht die Polen und Tschechen'heià-
fördert siitd.. Man hat aber keine Erke Mit i»en»
TeMsport. Es befind:;, sich in Wladiwostok oc-
senwartsg etwa 30 W9 Angehörige dieser Länder
und da keine Transportmittel verfügbar sind, ļà-
mr«D Nicht weiter. - s ';
Şņo HsHsAorļiHs ķVP§osioN.'
WTZ. Wunstorf. 3. Jan. (Erg. Drahtber.)
Bei einer Spielerei mit einer Handgranate, die
KiĢ in einer noch unauifgeklärten W'eîsè-ķìņrdeņ.
ereiM'êtelsich- 'eine Explosion. % ^Kinder wurden
zerrissen.
D§.L Hŗoh'DķLZ ŞissNHê.tzNsŞŗsrk»
T.M-. Berlin, 3. Jan. (Erg. DrahLÜericht.)
Dich- rlnvSMgigcn soziàmoļrMĢ» 'MZeàrd-
«rien der /prentzischen Landesversamtnlung à-lán-
gen meģèlr des. drohenden Eifeàhnerşireiks die
sofsetigch/ Şîàrufung. der preußischen Landesser-
sammluttg. ' - - '. V' °- sch -----
DM' AMeheuLà Vertzssàrrsgsn
îv. HochWÄssers. ;
Heà, 2. Jan. Nachdem das Hochwässer zu-
rpckch?ht/läZt si.ch-erkennen, welche ungeheuren Vcr-
heeànzêņ- bîe; Hochflut in den, davon betroffenen
'rheinischen Bdbieten angerichtet.hat. In den «kn-
zelnen SîWà. sin'd großzügige Rettungswerke im
Gange. durch das Hochwasser die Versorgung
.v.on .Familien, bedroht, ist. deren Häuser/ umspült
'würden, sind überall Volksküchen, errichtet. Auster
der tzmmunalen Wohlfahrt wird aber auch eine
große staatliche Hilfe einsetzen müssen. Leider hat
die Hochflut auch zahlreiche Menschenleben ver
nichtet. r .- ■/
D ß<§. ŞŗH sŗschÄ ttsstNUgSN im -
-'Aheņàà.- -
-WTBi 'Köln;-3. Jan. (Eig. Drahtber.) Ge
stern wurden in mehreren rheinischen Orten
şekuànllmge ErLerschütterungen 'wahrgenommen.
Briefe Raiser Wilhelms
an Äen Zaren von Rußland.
Dor einigen Tagen konnten wir melden, daß die
Veröffentlichung von Privatbriefe» des Kaisers an den
Zaren bevorstände, die ersterer m Verkauf von Jahren
an den letzteren gerichtet hatte. Nach der Ermordung
des Zaren sind sie angeblich dessen Gepäck entnommen
und kopiert worden. Die Originale befinden sich
wahrscheinlich im Besitz der Sowjet-Negierung in
Moskau. Im Ausland sind die Kopien durch Kauf, an
ein amerikanisch-englisches Konsortiunr gelangt und
werden demnächst auch im Auslande veröffentlicht. Es
ist nun dem Ullstein-Verlag gelungen, die Kopien zu
erhalten mck» dieser Verlag wird sie demnächst in Buch
form herausgeben. Die Bost Ztg. ist in der Lage,
schon jetzt einige der Briefe im Wortlaut wiàzu-
Mben und zwar behandeln die ersten Briefe, die ver
öffentlicht werden, politische Vorgänge aus der Mitte
der neunziger Jahre des. vorigen Jahrhunderts. Ob
bei der ^Herausgabe dieser Briefe ein« Tendenz vor
liegt, läßt sich nicht feststellen. Immerhin entbehren
die Briefe nicht eines sehr Ledeuienden politischen Ju
tereffes, weil sie einen Einblick in die politischen An
sichten des Kaisers und die damalige politische Lage
bieten. Bei der Beurteilung des Inhalts der Briefe,
in denen sich der Kaiser mitunter sehr temperamentvoll
und politisch vielfach sehr .wenig überlegt über inner
politische Verhältnisse in Deutschland aus läßt, muß
beachtet werden, daß es sich um Privatbriefe ha,ü>«lt.
die ein Monarch an eine ihm vertraute Persönlichkeit
gleichen Banges gerichtet hat. Die Briefe lauten:
: ' _ Rendsburg, den 3. Januar.
"Ok Äein Fkeifch.. Da, wie bekanntgegeben
wird,.die Landleute schlechten Wetters wegen nicht
in der Lage waren, für.diese Woche Vieh abzn-
lieftrn. Mt.eS' leider auf. den kaufenden Wochen-'
abschnitt-der'Reichsfleischkarte nicht das gewohnte
Häppchen-Fleisch. i < : ‘
Versetzung. Der. Militär-Bauregrstrator
Suhr '(früher^Feldwebel der 3. Kamp: des ^Jrrf.-
Regts. 85): vom Militür-Vauamt Rendsburg ist
zum Reichsvermögensamt Minden a. d. Weser
versetzt worden. - ' .-/-- O ..Ü ;
-Ņ Ģkehr im Nord-Ostsee-Kanak. Im Mo
nat Dezember, h-ätts der Kanal'eine erfreuliche Zu
nahme des Dampferverkehrs.' zu verzeichnen. Ins
gesamt haben den Kanal in beiden Richtungen
rund.950 Dampfer und Motorfahrzeuge passiert,
gegen.den Monat November ein Mehr von 250
Dampşern, nicht mitgerechnet die .zahlreichen
Küstenfahrzeuge. Der Schiffsverkehr in Friedcns-
zeiten überstieg..täglich manchmal 159 Dampfer.
. . .. Jagdhaus Rominten, 26. Sept. 18M.
Lieber Nicky! > ' ^ '
Die Entwicklung im fernen Osten, besonders die
von dort kommende Gefahr für Europa und unseren
christlichem Glauben, ist eine Angelegenheit, die mir
stets sehr am Herzen gelegen hat, seitdem wir unseren
ersten Schritt im Frühjahr gemeinschaftlich uniernom-
men haben. Meine Gedanken verdichteten sich sthlietz-
ckich zu einer bcsrimmren Form, und ich habe diese zu
,Papi er gebracht. Ich habe die Skizze mit einem Künst
ler — einem Zeichner ersten Ranges — ausgearbeitet
«ad, nachdem sie fertig war, für die Oeffentlichkeit eine
Radierung Herstellen lassen. Sie zeigt die europäischen
WWte, jede durch i'.ren Genius vertreten, zusammen
gerufen durch den vom Himmel gesandten Erzengel
Michael, wie sie sich im Widerstände gegen das Ein
dringe,, des Buddhismus, des Heidentums und der
Barbarei zur Verteidigung oereimgen. Besonderer
Nachdruck ist auf den vereinigten Widerstand aller eu
ropäischen Mächte gelegt, der ebenso notwendig ist ge
gen unsere gemeinsamen inneren Feinde: Anarchis
mus Republikanismus, Nihilismus. Ich bin so stet.
Dir ein Blatt zu schicken mit der Bitte, es als à
Zeichen meiner warmen, 'aufrichtige,i Freundschaft sük
Dich und Rußland entgegenzunehmen.
Mitten in diese friedliche Tätigkeit und das rchige
Iagdvergnügen fiel, die erstaunliche Nachricht, die ich
aus Paris erhielt, daß das Budgetkomitse der fran-
zLfischen, Deputatiertenkammer bei der Debatte über
das Militärbudget beantragt hat, das XIX. Korps
(Algier und Tunis) heimzu berufen und ein neues kon-
tinenialcs Korps an meiner Westgrenze zu bilden.
Diese Abberufung ist nur einmal zuvor erfolgt, im
.Jahre 187«, als Frankreich mit uns Krieg führte. 'Ein
solches Projekt im tiefsten Frieden hat Deutschland wie
ein Don „erschlag getroffen und ein tiefes Gefichl der
Beunruhigung hervorgerufen. Dieses ist noch mehr
vertieft worden durch die Tatsache, daß dieser Antrag
öffentlich bekannt wurde im Augenblick, als Fürst Lo-
banow und General Dragomirow offiziell der Revue
der französischen „Erenzarmee" an der lothringischen
Grenze unter dem frenetischen Jubel der Grenzbevölke-
xung beigewohnt hatten. Dies« Armee ist, wie die
französischen Zeitungen uns feit Wochen erzählen, für
den ersten Vorstoß auf unser „Grenzland" im Re
vanchekriege bestimmt. Es ist schon vier Korps stark
gegen meine Me! (XV., XVI.). Das in Aussicht ge
nommene neue Korps würde die ohnehin übe: starken
französischen Streitkräste auf fünf Korps erhöhe,, und
bildet eine Bedrohung, sowie eine ernstliche C str-hr
für mein Land.
Natürlich mutz ich' daraufhin jetzt anfange», die
Sache ernst zu nehmen. Denn dieses Ereignis, das sich
in dem Augenblick vollzieht, da Deine Offiziere deko-
ttert werden und Lobanow gefeiert wird, während
me.„am Attache« nicht übermäßig freundliche Bem/r-
kungeu zu Ohren konr.nen, hat hier dem Volk Unruhe
, verursacht und den Dingen ein häßliches Aussehen ver
liehen, als ob es Rußland lieb wäre, wenn Frankreich
offensiv gegen Deutschland vorginge, mit der Hoffnung
auf Hilfe von erstgenanntem. Eine so ernste Gefahr
wird «ich vexanlassM, meine Armee stark zu vermeh
ren, damit sch in der Lage bin, es mit einem so schreck
lichen Aebcrgewicht aufzunehmen. So schwer uns auch
die finanzielle Last bedrücken würde, mein Volk würde
nicht einen Augenblick zögern, Gewähr für seine Si
cherheit, zu leisten, falls dies nötwendig werden sollie.
Ich weiß genau, daß Du persönlich nicht im Traume
dar« denkst, uns anzugreifen, Du darfft Dich aber
nicht wundern, wenn die europäischen Mächte darüber
beunruhigt sind, daß die Anwesenheit Deiner O.ff-
ziere und hohen Beamten in amtlicher Eigenschaft in
Frankreich die leicht entzündlichen Franzosen zur Weiß-
glühhitze entfacht und die Sache des Ehauvinismus
und der Revanche kräftigt-
Gott weiß, daß ich alles, was fn meiner Macht
liegt, getan habe, um den europäischen. Fri'eden auf
recht- zu erhalten; aber wenn Frankreich, offen oder
heimlich auf diese Art ermutigt, weiter mitten im
Frieden alle Regeln internationaler Höflichkeit und
des Friedens verletzt, dann wirst Du Dich, mein liebster
Nicky, eines schönen Tages nolens volens plötzlich in
den schrecklichsten Krieg verwickelt sehen, den Europa
je -erlebt hat, — einen Krieg, für den die Massen und
die Geschichte vielleicht Dich als den Urheber verant
wortlich machen werden. Bitte, sei nicht ärgerlich,
wenn ich Dich vielleicht ganz unabsichtlich verletze, aber
ich halte es für meine Pflicht gegenüber unseren bei- '
den Ländern und gegenüber. Dir als meinem Freunde,
offen zu schreiben, da die Abgeschlossenheit und Zu
rückgezogenheit, welch« Dir durch die tiefe Trauer auf
erlegt sind, es Dir unmöglich machen, unter Menschen
zu gehen und im einzelnen dem zu folge», was sich^ —
tziiiter den Kulissen — abspielt.
Ich habe einige Erfahrung in der Politik und
sehe gewiffe unverkennbare Anzeichen, deshalb eile ich
zu .Dir, mein Freund, um im Namen des europäischen
Friedens ernstlich zu mahnen; wenn Du auf Gedeih
und Verderb mit den Franzosen verbündet bist, gut,
da-ml ruf« diese verdammten Schufte zur Ochnmig und
.heiß,'-' wenn nicht, dann lasse Deine Leute,
'N« -eich gehen, den Franzosen nicht den
şilst. . ...ingen, Du seist,ihr Verbündeter, lasse sie
nicht I.Mos' werden und ihnen die Köpfe ver
drehen,, bis sie sie verlieren und wir dann in Europa,
anstatt für Europa gegen den Osten, kämpfen müssen!
Denke an die furchtbare Verantwortung für. das ent
setzliche Blutvergießen! Nun lebe wohl, liebster Nicky,
MLiae Lssteu Grütze an die liebe Alix. Ich bin wie
immer Dein ergebenster und aufrichtiger
-Freund und Vetter -? . / .
, . Willy I. R.
* '5'-"' Berlin, 7. 2. 1895.
Liebster Nickn! . ' , ‘ .*
- Ģofssttin wird, wie ich hoffe, Dir den -ganzen
Haufen Porzellan ohne Schaden überbringen können.
Er ist angewiesen, den Tisch so zu decken, wie er aus
sähe, wo Du ein Diner für fünfzig gäbest, sodaß Du
das Ganze in Augenschein nehmen kannst. Ich hoffe,
daß meine Manufaktur alles getan hat, um Deine
Wünsche zu erfüllen, und daß das Geschenk für Euch
beide nützlich sein wird.
Seitdem -di« traurigen Wochen, die Du znz durch
leben hat'test, verflossen sind, hat sich in Europa viel
ereignet. Du. hast einen trefflichen alten Diener Dei
ner Vorgänger, den alten Giers, verlören; er war sin
sehr guter Mensch, für den ich viel Achtung empfand.
Frankreich hat überraschenderweise, sein Staatsober
haupt und seine Negierung gewechselt und durch eine
Amnestie die Türen allen den schlimmsten Uebeltätern'
geöffnet, die die früheren Leute unter großer Schwie
rigkeit haben einsperren baffen. Der' Impuls, der da
durch den Demokraten und der revolutionären Partei-
gegeben wuche, -ist auch hier fühlbar. Mein Reichs
tag »führt sich so schlecht wie nur möglich auf; er
schwingt vorwärts und iückwärts zwif.zÄ'den Sozia
listen, die von den Juden angetrieben werden, und
den ultramontanen Katholiken; Heide Parteien sind
soweit ich sehen kann, bald reif, samt und sonders' ge-'
henkt zu werde». ° Z 'H-
Jn. England wankt das Ministerium, unter/ allge
meinem .Hohngelächter seinem Sturze zu! Ä^o» über
all wird das „principe de la Monarchie" sich stark zei
gen muflem Ich freue mich deshalb über die ausge-
,zeichn etc Rede, die Du neulich vor den Deputationen
in Beailtwortung einiger Reformwünsche gehalten
hast. Sie-war/sehr treffsicher 'und hat überall einen
gröfstri Eindruck gemacht. ' : -
Zur Eröffnung meines Kanals Ende ^unî habe
ich alle europäischen Regierungen eingeladen, Kriegs
schiffe nach Kiel zu senden. Ich hoffe, auch Deine
Flotte Wird durch ein oder zwei Schiffe vertreten sein?
Mit ehrerbietigem Gruß an Deine Mamy und^
oie-len Grüßen an Alix verbleibe ich
Dein Dich herzlich liebender Freund
WM. ;\,,j