Full text: Newspaper volume (1914, Bd. 1)

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107. Jahrgang. 
AmMchs WeLan«lm«chungen fämMchsr Hiesiger und vieLer auswärtiger WeHörden. 
Dienstag, öen L7» Januar 
H-r. fers GrvwtstKg. 
Der Geist der Eintracht rauscht wieder über 
die deutschen Gauen. Noch rechtzeitig vor dem 
Geburtstage des Kaisers legte sich der rauhe 
Wintersturm, der fast zwei Monate hindurch an 
dem deutschen Reichsgebäude rüttelte. Aber es 
ist fest gefügt. Die Bauleute, die das herrliche 
Werk schufen, waren Meister der Staatskunst, 
und alle Polierer und Arbeiter, die an der Er 
richtung der Grundmauern und an dem Hoch 
bau teilnahmen, . gaben .vor mehr denn vier 
zig Jahren E u t und BIut d ah in, um ein e 
ragende Burg zu schaffen, unter deren 
Schutz und Trutz das Deutsche Kulturvolk seinem 
friedlichen Tun nachgehen kann. Doch erst in 
Wettern kann erprobt werden, ob ein Gebäude 
fest begrundlägt und mit widerstandsfähigem 
Mörtel ausgefugt ist. Der Beweis ist aber 
mals vor aller Welt geliefert, daß eine Winds 
braut dem Bau nichts anhaben kann, selbst wenn 
das Ecbälk in seinen Zusammensetzungen knarrt 
und ächzt. 
Die unruhige Stimmung über das Reichs 
land hinaus, die in den letzten Wochen durch 
die Nation gegangen ist — so sagte der Kanz 
ler im Reichstage — ist in hem Versuch! zum 
Ausdruck gekommen, einen partikularen Gegen 
satz zwischen Nord und Süd zu schaffen. Dieser 
Versuch muß im Keime erstickt werden. Der 
Bayer, der Schwabe, der Badenser sieht mit 
anderen "Augen Dinge und Mensäten .rote der 
Preuße und der Norddeutsche, und jeder Stamm 
ist eifersüchtig darauf bedacht, seine Stannnes- 
eigenart mit allen ihren Vorzügen, aber auch 
mit allen ihren Schwächen zu verteidigen, die 
Süddeutschen, wie die Norddeutschen. Mit ei 
ner glänzenden Ehrenerklärung für das bayrische 
Heer verband der Kanzler die allseitig gewür 
digte Mahnung, nunmehr die trüben Fluten, die 
eine ganze Nation ertränken können, zu verlassen 
und sich wieder in ein reines Element zu be 
geben. Schlimme Zeiten wecken aber immer ihr 
Gutes, und init wahrer Herzensfreude haben 
wir die süddeutschen Bekenntnisse zum ReichZge- 
danken vernommen. Der Kaiser ist, wie wir 
wissen, namentlich von den bayrischen 
Kundgebungen der Treue tief ergrif 
fen worden, und an seinem Geburtstage 
wird er Gelegenheit nehmen, dies dem Ver 
treter des Königs von Bayern zu be 
sonderem Ausdrucke zu bringen. 
In den Höhen und in den Niederungen 
unserer Volksgemeinschaft wird gleichmästig und 
gern anerkannt, wie vieles uns im Reiche ge 
worden und gewachsen ist unter des Kaisers 
Führung. Eine reiche Blüte in der wirtschaft 
lichen und kulturellen Betätigung war unserem' 
Lande beschieden. Nur unter dem Schutze des 
Friedens vermochte sich die Aussaat zu entfal 
ten und hundertfältige Frucht zu tragen. Daß 
der Kaiser mit festem Willen und klaren ''Zielen 
ein .Regiment des Friedens geführt hat und 
führt, ziehen auch diejenigen nicht mehr in Zwei 
fel,^ die ihm bei seinem Regierungsantritte vor 
fünfundzwanzig Jahren kriegerische Gelüste nach 
sagten. In den Orientwirren der beiden ver 
flossenen Jahre aber sind wir hauptsächlich durch 
des Kaisers energische Friedensbetätigung vor 
Verwicklungen behütet worden. Und doch hat der 
Kaiser, Niemanden zu Leide, unsere Land 
macht ausgebaut und für unsere See 
macht bahnbrechend gewirkt. Daß die 
deutsche Wehr nur dem Frieden dienen soll, be 
ginnt^ man mehr und mehr anzuerkennen. Ganz 
Deutschland aber vereinigt sich anläßlich des 
Geburtstages des Kaisers in dem Wunsche, daß 
dem Oberhaupte des Reiches auch während des 
neuen Lebensjahres vergönnt fein möge, in Ge 
sundheit und _ Schaffensfreude für des Reiches 
äußere und innere Wohlfahrt zu wirken. 
sind vollständig durchgeführt. Dieļ 
Truppen stehen zur Abfahrt bereit im Hafen von 
Brindisi, ivo sich mehrere Transportdampfer befin 
den, die in Begleitung von Kriegsschiffen jeden 
Augenblick nach den albanischen Häfen abgehen kön 
nen. Es handelt sich hierbei keineswegs run eine 
militärische Expedition nach Albanien, sondern viel 
mehr um die von Italien im Einvernehmen tut! 
Oesterreich-Ungarn und den übrigen Großmächten 
zu ergreifenden politischen Maßnahmen, die even 
tuell bei der Ankunft des Prinzen 
zu Wied i n Albanien s i ch als not- 
notwendig h e raus stellen k ö n n t e n. 
isksl 
Die Ortsklasse »Zuteilung der Beamten, welche 
bekanntlich für die Höhe des Beaintenwohnungs- 
geldzufchuffes ausschlaggebend ist, hat infolge der 
Veränderung der Wohnungsverhältnisse in ein 
zelnen Städten Anlast zu zahlreichen Petitionen 
an den Reichstag gegeben, welche dort auch seiner 
zeit behandelt wurden. Es besteht jetzt die be 
gründete Ansicht, datz eine Aenderung in dieser 
Ortskrankenkassenzuteilung in nächster Zeit er 
folgen wird. Die Erhebungen der Regierung 
haben nämlich den Beweis erbracht, dag die Wün 
sche der Beamten in einer Anzahl von Orten be 
rechtigt sind. Da der Bundesrat das Recht hat, 
nchh vor der im Jahre 1918 ablaufenden Revi- 
sionsfrift des Ortsklassenverzeichnisses ausnahms 
weise Aenderungen vorzunehmen, so dürfte eine 
solche Aenderung in Bälde zu erwarten sein, zu- 
mal die Ergebnisse der amtlichen Erhebung tat 
sächlich diese gerechtfertigt erscheinen lassen. 
Die Ahlöecker Kinder beim Kaiser. Die 120 
Volksschulkinder, die in diesem Sommer als Eäste 
des Kaisers im Ahlbecker Erholungsheim waren, 
sind zu morgen vormittag bei Exzellenz Herz, dem 
Ehrenpräsidenten geladen. Nach der festlichen 
Bewirtung werden — nach den vorläufigen Dis 
positionen — die Kinder in Reih und Glied nach 
dem Schloß gehen, um dem Kaiser zu gratulieren. 
Um y 2 ll Uhr sollen die Kinder im Schloß sein. 
Ob die Gratulation vor oder nach der Cour statt 
findet, ist noch nicht festgesetzt. 
Königsberg, 27. Jan. Ei» Wagen mit vier 
Personen in das Eis eingebrochen. Ein mit vier 
Personen besetzter Wagen brach beim Befahren 
des Karkelflustes bei Labiaü ein. Alle Insassen 
fielen ins Wasser. Drei konnten gerettet werden. 
Der Besitzer Cchories ist ertrunken. 
Stuttgart, 20. Jan. Die Voruntersuchung ge 
gen den Lehrer Wagner aus Degerloch ist abge 
schlossen. Die Anklage lautet auf 5 vollendete 
Morde in Degerloch, 10 vollendete Morde in 
Mühlhausen, 10 versuchte Morde daselbst und 9 
Verbrechen der vorsätzlichen Brandstiftung. 
Hamburg, 27. Jan. Eine schwere Bluttat er 
eignete sich in der letzten Nacht in dem Hause 
Eiinsbüttelerstraße 41. Dort wohnt die von ihrem 
Mann getrennt lebende Frau Christoph. Diese 
kam Sonntag abend in Begleitung des Feuerungs- 
Händlers Gause nach Hause. Kurze Zeit danach 
drang der Ehemann Christoph in die Wohnung 
ein. Es kam zu Streitigkeiten, bei denen der 
Christoph den Ganse mehrere Messerstiche bei 
brachte, sodaß Gause blutüberströmt zusammen 
brach. Frau Christoph schoß ihrem Alaun mit 
einem Revolver eine Kugel in die Brust. Frau 
Christoph wurde verhaftet. 
Hamburg. 27. Jan. Mord und Selbstmord. 
In der letzten Nacht hat der pensionierte Zollaus- 
seher Eroth in seiner Wohnung in der Spalding- 
ftratze seine Ehefrau durch Beilhiebe lebensge 
fährlich verletzt. Groth sprang danach nue einem 
Fenster seiner im 5. Stock belegenen Wohnung aus 
die Straße hinab und war sofort tot. 
Groß-Flottbek, 27. Jan. Ein Erohfeuer ver 
nichtete am Sonntag das Strohdachhaus der 
Witwe Klüß Hierselbst in der Milcherstraße. An 
scheinend ist die Ursache des Brandes auf Schad 
haftigkeit des Mittelschornsteins zurückzuführen. 
Das Haus enthielt vier Wohnungen und die 
Abgebrannten befinden sich in bedauernswerter 
Lage. Zur Hilfe waren erschienen die freiwilli 
gen Feuerwehren von Osdorf und Lurup. 
Lübeck. 27. Jan. 500 000 Mark Stiftung für 
die deutsche Marine. Der Kunstmaler Vahldick 
in Eutin vermachte letztwillig dem Kaiser sein 
Vermögen in Höhe von 500 000 Mark zum Ausbau 
der deutschen Seemacht. Als Maler ist Vahldick 
nicht hervorgetreten. 
Die übrigen Dalkanangeiegenheiten 
stehen vor der Entscheidung. Man hofft, die In 
sel s r a g e mit einigem energischen Wollen im 
Sinne der Großmächte lösen zu können. Von der 
Türkei hört man im Gegensatz zu den letzten 
Meldungen Friedensschalmeien blasen. Dazu wird 
gemeldet: 
Um einem dritten Balkankricg vorzubeugen, 
hat Greh bei den Kabinetten der Großmächte ei 
nen gemeinsamen Schritt i n A 1 h e n 
und K o n st a n t i n o p e l angeregt, um die noch 
schwebenden Balkanfragen zu regeln. Auf die Tür 
kei soll ein Druck ausgeübt werden, damit diese 
sich dem Beschluß der Mächte in Sachen der ägäi- 
schen Inseln fügt und die K r i e g s v o r he 
re i t u n g e n gegen Griechenland ein 
stelle. Griechenland soll veranlaßt werden, Süd- 
albanien sofort zu räumen und Garantien zu ge 
ben, daß die i h m zugesprochenen Inseln u i ch t 
befestigt werden. Man zweifelt hier nur, 
ob die Macht des griechischen Ministerpräsidenten 
Benizelos ausreichen ivird, um die militärisch gut 
organisierten Einwohner des Epiräus zu veranlas 
sen, sich dem Beschluß der Mächte zu fügen. Sollte 
Benizelos in dieser Hinsicht nichts erreichen, so 
dürfte eine K a t a st r o p h e in Albanien 
u n v c r m e i d l i ch sein. Griechenland wird auf 
den Druck der Mächte hin seine 20 000 Mann Trup 
pen aus Südalbanien zurückziehen, aber die Ein 
wohner des Epiräus könnten von sich aus Feind 
seligkeiten gegen Albanien eröffnen. 
Seit Jahren wogt der Kampf um die christ 
lichen interkonfessionellen Gcwerkschaf- 
ten in der katholischen Kirche. Die führenden Stim 
men für die interkonfessionellen Gewerkschaften sitzen 
im Westen, ihr Hauptorgan ist die „Köln. Volks 
zeitung", die Gegenpartei sitzt im Osten, ihr Organ 
ist die „Germania". Kardinal K o p p und Graf 
Oppersdorf nennen sich die geistigen Leiter. 
Durch die bekannte päpstliche Enzyklika hat man sich 
in Rom auf die Seite der konfessionell gerichteten 
Gewerkschaftsbewegung gestellt. Seit diesem Ein 
griff von höchster Stelle ging der Kampf im Stil 
len weiter. Nun scheint man wieder einen stärke 
ren Ton geben zu wollen. In einer großen Kund 
gebung gegen die christlichen Gewerkschaften tritt 
Kardinal Kopp auf den Plan in einem soeben der 
Oeffentlichkeit übergebenen Bries dieses Kirchcnsür- 
sten an den Grafen Oppersdorf. Interessant aus 
dem Schreiben für Fernstehende ist nur die T e n- 
d e n z dieses Brieses, ihre scharfe Form gegen die 
andere Gruppe. Darauf kommt nun eine Antwort 
aus dem Westen. Es heißt: „Durch die Darlegung 
tritt der Dissens unter den Bischö 
fen, der in dem Wort vom „verseuchten 
W e st e n" seinen drastischsten Ausdruck fand, ganz 
augenfällig in die Erscheinung. Die 
se ernste Tatsache ist sür unser gesamtes öffentli 
ches Leben von Bedeutung. Die Kundgebung des 
Kardinals v. Kopp dürste für die nächste Zeit 
Stoff zu zahllosen Betrachtungen abgeben, wofür 
die liberale und sozialistische Presse überreichlich 
sorgen werden." Also auch dort Unstimmigkeiten. 
Natzeburg, 27. Jan. Eingebrochen und er 
trunken ist beim Schlittschuhlaufen auf dem gro 
ßen Ratzeburger See der aus Hamburg gebürtige 
bei den Siemens-Schuckert-Werken in Ratzeburg 
beschäftigte 21jährige Maschinenschreiber Wider- 
meyer. Auch eilt Leutnant vom Ratzeburger 
Jägerbataillon war eingebrochen. Erst nach 
längerer Zeit gelang es ihm, sich allein zu retten, 
obwohl etwa 50 Meter um ihn herum das Eis 
wsggàochen war. 
Ausltmd. 
Rußland. 
Petersburg, 20. Jan. Die Auszeichnung Dcl- 
caffes. Die sonst nur für Staatsoberhäupter be 
stimmte Verleihung des Andreasordens an Del- 
easse erregt hier großes Aufsehen. Augenblicklich 
besitzen diesen Orden nur Loubet, Fallieres und 
Poincare. Die „Nowoje Wremja" erblickt in die 
ser völlig ungewöhnlichen Ehrung Delcasses eine 
offene Kundgebung für den Dreiverband, 
steht jetzt vor der Entscheidung. Anfang nächsten 
Monats wird der neue Fürst in D u r a z z o an 
kommen, um sein dornenreiches Amt zu überneh 
men. Dann wird die Frage entschieden werden, 
ob ein Albanien bleiben wird. Von den nächstbe- 
ieiligtcn Mächten, Italien und Oesterreich, werden, 
wie wir berichieten, militärische Vorbereitungen ge 
troffen, um auf alle Fälle bereit zu sein. Es wird 
heute unsere gestrige Nachricht ergänzend berichtet: 
Rom, 27. Jan. Die von der italienischen 
! Negierung angeordneten militärischen Maßnahmen 
WGWW
	        
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