Full text: Newspaper volume (1899, Bd. 1)

Oesterreich-Ungarn. 
Ein schrecklicher Zwischenfall ereignete 
sich, wie aus Prag berichtet wird, in dem 
Ausflugsorte Podhos. Daselbst fand eine 
Tanzunterhaltung statt. Im Zimmer 
neben dem Tanzlokal saßen zwei Gen 
darmen mitMannlicherGewehren 
bewaffnet. Aus bisher unbekannter 
Ursache ging plötzlich das eine Gewehr 
los und der Schuß streifte eine ganze 
Reihe von Musikanten, von denen einer 
getödtet und fünf andere ver 
letzt wurden. Von der Kraft des 
Projektils vermag man sich eine Vor 
stellung zu machen, wenn man hört, daß 
dasselbe zunächst die geschlossene Thüre 
durchbohrte. — Weiter wird aus Prag 
vom 20. ds. gemeldet: Der Professor an 
der deutschen chiurgischen Klinik, Dr. 
Wölfler führte heute die Verletzten seinen 
Hörern vor und hielt einen instruktiven 
Vortrag über die furchtbareDurch 
chlagskraft des Mannlicher-Projektils 
, In Tirol wird folgender tragische Fall 
viel besprochen: Frau Pfeifer, die Gattin 
eines Südbahnbeamten in Kufstein, und 
ihr Vater Dr. Reinholz, nahmen schon 
seit geraumer Zeit am Abend Morphium. 
Vor einigen Tagen benutzten sie jedoch 
eine so starke Dosis, daß sich ernste Ver 
giftungssymptome zeigten. Die rasch her 
beigeeilten Aerzte wendeten alles Mögliche 
auf, konnten aber die Beiden nicht mehr 
aus dem Schlafe erwecken. Frau Pfeifer 
verschied nach 24, ihr Vater Dr. Reinholz 
nach 40 Stunden. Letzterer war etwa 80 
Jahre alt. 
Holland. 
Aus dem Haag erzählt der „B. L.-A." 
eine sonderbare Geschichte: Der türki 
sche Delegirte der Friedenskonferenz 
forderte den Führer der Jungtürken, 
Achmed Riza, zum Duell wegen 
Beleidigung der Türkei durch einen jüngst 
gehaltenen Vortrag. Achmed Riza lehnte 
ab, da fein Leben der Reformsache gehöre 
und ein Duell in den mohammedanischen 
Ländern gegen die Sitte verstoße, er auch 
nicht die holländische Gastfreundschaft miß 
brauchen wolle. Achmed Riza reiste nach 
Paris ab. Das würde also heißen, daß 
die türkischen Delcgirten ihren Zweck, den 
Agitator aus dem Haag zu entfernen, er 
reicht hätten, wenn auch durch ein recht 
drastisches Mittel. 
Jràmd. 
— Der deutsche Fleischerverband 
hielt seinen diesjährigen 22. Verbandstag 
amj,21. und 22. Juni in Posen ab. Im 
Laufe des letzten Geschäftsjahres sind dem 
Verbände 1117 Mitglieder neu beigetreten, 
sodaß er zur Zeit 28 174 Mitglieder um- 
faßt. Ans den zahlreichen und wichtigen 
Gegenständen der diesmaligen Verhandlung 
ist, wie die „Allgemeine Fleischer-Zeitung" 
berichtet, zunächst zu erwähnen, die Kaiser« 
liche Verordnung über die Hauptmängel 
beim Vieh und die G e w ä h r f r i st 
Lebhafte Klage wurde darüber geführt, 
daß die Zahl der Hauptfehler, für die 
der Verkäufer dem Käufer haftbar sei, 
unbegreiflich knapp bemessen sei. Die 
Eiche. Ein schweres Nervenfieber brachte 
ihn an den Rand des Grabes. Der Senator 
sowohl wie seine Gattin waren außer sich 
vor Zorn und Erbitterung, sie sagten sich 
gänzlich los von der unwürdigen Nichte, 
sandten ihr aber die nöthigen Papiere zu 
ihrer Trauung nach Helgoland, die einem 
dortigen Privilegium zufolge von dem Geist 
lichen ohne das übliche Aufgebot gesetzlich 
vollzogen werden darf. Der Onkel gab dem 
dänischen Marine-Lieutenant zugleich anheim, 
den Heiraths-Consens von seiner vorgesetzten 
Behörde in Kopenhagen zu erwirken. Ein 
kleines Vermögen, das sie von ihren ver 
storbenen Eltern besaß, sandte der reiche 
Senator ihr ebenfalls mit diesem Schreiben, 
während er in derselben Stunde durch den 
dänischen Consul in Hamburg einen Bericht 
an das Admiralitäts-Amt in Kopenhagen 
abgehen ließ. 
Hätte Baron Justus eine Ahnung von 
dem rachsüchtigen Vorgehen des Senators 
haben können, dann wäre es sicherlich nicht 
ausgeführt worden und Alles anders go 
kommen. Aber er lag bereits in Fieber 
banden und sollte auch, wie der Senator 
erklärte, mit dem schändlicken Verrath der 
beiden ihm am nächsten stehenden Personen 
nicht weiter behelligt werden. 
Als seine kräftige Natur sich endlich nach 
monatelanger Krankheit zur Genesung durch 
drang, erfuhr er nach und nach, was sich 
während der Zeit zugetragen hatte, obwohl 
die Frau Senator, deren verhätschelter Lieb 
ling er blieb, ihm vorsichtiger Weise Vieles 
verschwieg, was seine völlige Genesung in 
Frage hätte stellen können. Er erfuhr nur, 
daß die Trauung in Helgoland stattgefunden, 
Hans Joachim seinen Abschied genommen 
habe und mit der Gattin über's Weltmeer, 
wahrscheinlich nach Amerika gegangen sei. 
Was sie ihm verschwieg, das war der Umstand, 
daß sein Bruder vom Kriegsgericht zu einem 
Jahr Festung verurtheilt, dann aber, nach 
dem seine junge Frau sich an die damalige 
Gemahlin des Königs gewandt, schon nach 
zwei Monaten begnadigt und hierauf kassirt 
worden war. 
(Fortsetzung folgt.) 
Versammlung beschloß, durch ein Jmmediat 
gesuch beim Kaiser wegen Ergänzung der 
Hauptmängel für Schlachtvieh vorstellig 
zu werden, andererseits aber aus alle 
Fälle auf dem Wege der Selbsthülfe durch 
Errichtung von eigenen Viehversicherungs- 
kassen den Versuch machen, die Fleischer 
vor den schwersten Schäden, die ihnen aus 
der Verordnung erwachsen können, zu be. 
wahren. Zu einer sehr lebhaften und 
lehrreichen Erörterung gab natürlich das 
Fleischbeschaugesetz Veranlassung. 
Der Reichstagsabgeordnete Dr. Viel- 
Haben hielt hierzu den einleitenden 
Vortrag. Er suchte die Nothwendigkeit 
des Zusammengehens der Fleischer 'mit 
den Landwirthen nachzuweisen, da die 
Fleischer allein zu schwach seien, ein Ge 
setz nach ihren Wünschen durchzusetzen 
Vor allem komme cs daraus an, der Ueber 
schwemmung Deutschlands mit ausländi 
schen, insbesondere amerikanischen Fleisch 
waaren ein Ende zu machen, die das 
Fleischergewerbe zu erdrücken drohe. In 
diesem wichtigsten Punkte hätten Fleischer 
und Landwirthe das gleiche Interesse 
Deshalb müßten sie sich in minder wich 
tigen Streitfragen gegenseitig Zugeständ 
nisse machen. Die Fleischer hätten bei 
ihrer Vereinbarung mit Vertretern der 
sämmtlichen deutschen Bauernveine in 
Frankfurt a. M. den Landwirthen in der 
Befreiung der Hausschlachtungen von der 
Fleischbeschau nachgegeben; dafür seien die 
Landwirthe bereit, künftighin der Wieder 
einfuhr lebenden Viehes, soweit sie ohne 
Ge fahr der Seucheneinschleppung geschehen 
könne, keinen Widerstand entgegenzusetzen. 
Mit diesem Erfolge solle auch der Fleischer- 
verband sich zufrieden erklären. Zum 
Fleischbeschaugesetz selbst wurden nament- 
lich gegen zwei Bestimmungen schwere 
Bedenken geltend gemacht: einmal gegen 
die erst von der Reichstagskommission in 
das Gesetz hineingebrachte Vorschrift des 
14, wonach geschlachtetes Vieh nur in 
ungetheiltem Zustande eingeführt werden 
dürfe. Dies werde zur Errichtung von 
Schlachthäusern an der Grenze führen, 
aus denen dann das Fleisch im Gefrier 
wagen durch das ganze Reich vertrieben 
werden würde. Hierin liegt die große 
Gefahr, daß nach amerikanischem Muster 
der deutsche Fleischhandel in wenigen 
Händen sich konzentrire und der kleine und 
mittlere Fleischer um seine Existenz ge> 
wacht werde. Ebenso war man der An- 
icht, daß der § 19, wonach Fleisch, das 
einmal untersucht sei, im deutschen Reiche 
nicht mehr untersucht werden dürse, dem 
Großbetrieb Vorschub leiste und bekämpft 
werden müsse. 
— In einer Versammlung des sozial 
demokratischen Wahlvereins für 
den fünften Berliner Wahlkreis wurde 
am Freitag darüber Beschwerde geführt, 
daß ^ einige sozialdemokratische 
Delegirte des Tuberkulosekongresses 
beim Reichskanzler Kuchen ge 
gessen haben. Daraus wurde dem 
Beschwerdeführer geantwortet: Es sei 
doch mehr als kleinlich, zu glauben, daß 
ozialdemokratische Gesinnungstüchtigkeit 
durch ein Stückchen Kuchen erschüttert 
werden könne. Auch auf dem Kongreß 
ei der Standpunkt der Arbeiterklasse 
nicht preisgegeben worden. Die Be 
h auptung, daß die Vertreter der Arbeiter 
chaft auf dem Kongreß die Meinung des 
Proletariats verleugnet hätten, wäre eine 
Verleumdung. Das erlösende Wort sprach 
endlich Robert Schmidt, indem er nach 
dem „Vor wärts" erklärte, der „Verrath" 
der Genossen voichden Krankenkassen, die 
beim Onkel Chlodwig waren, sei noch 
gar nicht mal ins rechte Licht gerückt 
worden; wie er höre, hätten die Be- 
treffenden dort sogar Königskuchen 
g e g e s s e n. (Allgemeine Heiterkeit.) 
Allerdings wurde ^darauf noch erwidert, 
Schmidt's Aeußerungen könne man nicht 
vlgen, ohne in Mpportunitäts 
d u s e l e i zu verfallen. 
- Gegen dasWerfenderThüren 
an den Eisenbahnwagen richtet 
ich folgende Verfügung der Eisenbahn- 
Verwaltung an die sämmtlichen Stationen 
des Direktivnsbezirks Berlin: Es ist in 
letzter Zeit wiederholt vorgekommen, daß 
Fahrgäste durch das Zuwerfen von Wagen 
thüren, namentlich seitens der Thür 
schließer, zum Theil nicht unerhebliche 
Fingerquetschungen erlitten haben. Unter 
Bezug auf die Verfügungen vom rc. weise 
ich hierdurch die Stationsvorstände an, 
das gesammte Fahr- und StationsPersonal 
nochmals auf das eindringlichste zu er 
mahnen, unter allen Umständen vorsichtig 
beim Schließen der Wagenthüren zu ver- 
ühren. Das Personal hat, wenn er- 
widerlich, mit lautem Ausruf: „Vorsicht!" 
thunlichst langsam die Thüren zu schließen. 
Sollte hierbei einem Bediensteten ein 
Verschulden nachgewiesen werden, oder 
wllte er auch nur belastet erscheinen (!), 
o hat der Betreffende unnachsichtlich eine 
lrenge Bestrafung zu erwarten." 
Eine eigenartige Wette wurde 
in Berlin in einer Gastwirthschaft der 
Brunneiistraße zum Austrag gebracht. Der 
Wirth unterhielt sich mit einigen Gästen 
über die Ehrlichkeit im Allgemeinen und 
die der Finder im besonderen und be 
hauptete, daß gefundenes Baargeld so gutlbei dieser Gelegenheit die schon stark er- 
wie nie abgegeben würde. Da dieser graute Rechnung noch einmal vorzuzeigen 
Behauptung widersprochen wurde, kam es 
schließlich zur Wette, und der Wirth 
nagelte ein durchbohrtes Markstück mittels 
eines feinen Stiftes auf den Fußboden 
der Nähe des Abortes. Der Wirth 
in , I 
war der Ansicht, daß mindestens 90 Prozenk 
aller Personen, die das Markstück „fänden", 
durch ihr Benehmen verrathen würden, 
daß sie nicht die Absicht hätten, das 
Geldstück abzugeben, während der Wett- 
gegner nur 50 Prozent gab. Da die 
Gastwirthschast eine flotte Laufkundschaft 
hat, war es ein leichtes, 100 Personen 
durch einen Spiegel unauffällig zu be 
obachten, und das Resultat folgendes: 
Bon 100 Personen sahen sich 94 beim 
Erblicken des ominösen Marktstückes scheu 
um, ob sie etwa beobachtet würden, und 
bückten sich erst dann, den vergeblichen 
Versuch machend, das Geldstück aufzu 
nehmen; 4 Personen bückten sich ohne 
weiteres, es war bei ihnen also nicht zu 
entscheiden, ob sie den Fund behalten oder 
abgegeben hätten, und nur 2 Personen 
riefen, als sie das Geldstück sahen: „Herr 
Wirth, hier liegt ja 'ne Mark!" Die 
Wette war also vom Wirth gewonnen 
worden, und der Glaube des Wettgegners 
an die Ehrlichkeit der Menschheit halte 
einen starken Stoß bekommen. 
— D i e Radfahrer hoch! So 
scheint die Parole bei den B e r - 
sichern ngs - Gesellschaften zu 
lauten, wenn es sich um die Unfallver 
sicherung eines radelnden Individuums 
handelt. Selbst die Sonntagsradler 
werden in eine höhere Gefahrenklasse ge- 
steckt. „Wenn Sie Rad fahren wollen", 
sagte der Generalagent einer solchen 
Gesellschaft unserm Gewährsmann, „dann 
kostet's eine Kleinigkeit mehr!" Der Fall 
trat ein, und wieviel betrug die „Kleinig- 
keit"? Genau die Hälfte mehr! Damit 
dieser Betrag aber auch unverkürzt und 
möglichst ergiebig in die Kasse der palast 
bauenden Gesellschaft fließe, ist unter den 
99 Berklausulirungs - Paragraphen auch 
noch die Bestimmung enthalten, daß die 
Erweiterung der Police aus Radfahr- 
Unfälle mindestens ein Jahr lang 
aufrecht erhalten werden muß. 
Bekanntlich kann man das Rad ungefähr 
dreiviertel des Jahres nicht benutzen. 
Thut nichts; dafür radelt die Prämien 
zahlung ruhig weiter. 
Ein städtischer Steuererheber in Berlin 
sand, von einem Ausflug zurückkehrend, 
seine Wohnung erbrochen. Etwa 9000 Mk. 
sind gestohlen worden. 
Bei dem letzten Königschießen der 
Schützengilde zu Friedheim in der Pro- 
vinz Posen fiel die Schützenkönigswürde 
auf unsere Kaiserin. Die hohe 
Frau hat die ihr angetragene Würde jetzt 
auch angenommen und der Gilde als 
Zeichen der Erinnerung ein seidenes Fahnen 
band und einen mit dem preußischen Adler 
gekrönten goldenen Nagel verliehen. 
Bon unbegreiflichem Aber- 
glauben zeugt eine That, die in einer 
Ortschaft bei Rosenberg in Westpreußen 
vorgekommen ist. Eine dort wohnende 
Jnstmannsf rau war lange Zeit sehr nerven 
krank. Vergeblich hatte man bereits aller 
lei Mittel angewandt. Auch eine soge 
nannte Wunderdoktorin, die man zu Rathe 
zog und die sich dafür gut bezahlen ließ, 
brachte keine Hilfe. Endlich gab eine kluge 
Frau vor, die Ursache des Leidens und 
gleichzeitig auch die Mittel zur Heilung 
entdeckt zu haben. Die Kranke war nach 
ihrer Meinung von einer genau bezeichne 
ten Nachbarin „behext" worden. Um 
gesund zu werden, sollte sie sich das Ge 
sicht mit dem Blute der Hexe ein 
reiben, ferner ein Stück von deren Unter 
rock verbrennen und die Asche in einer 
Flüssigkeit trinken. Die Kranke war sehr 
bald davon überzeugt, daß diese Kur die 
allein richtige sei. Unter einem Vorwände 
wurde die nichts böses ahnende Fran von 
der Tochter der Kranken festgehalten, wäh 
rend diese selbst ihr unter Aufbietung ihrer 
schwachen Kräfte das Gesicht zerkratzte. 
Auch wurde ihr ein Stück vom Rocke ab 
gerissen. Diese That hat insofern einen 
Erfolg für die Kranke gehabt, als sie später, 
nachdem sie durch ärztliche Hilfe hergestellt 
war, die Frau reichlich entschädigen mußte 
Io Bochum, 23. Juni. Ein entmenschter 
Vater. Das hiesige Schwurgericht ver- 
urtheilte gestern den Bergmann Tüllmann 
aus Herten, der sein zweijähriges Sties- 
kind durch wiederholte Fußtritte derartig 
mißhandelt hatte, daß es gestorben war, 
wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit 
tödtlichem Ausgange zu 6 Jahren Zucht 
haus und sechs Jahren Ehrverlust 
Lehe, 23. Juni. Wie ein pfiffiger 
Weinhändler zu seinem Gelde kam, er 
zählt das „Cuxh. Tgbl." folgendermaßen: 
Siedelte sich da vor einiger Zeit in 
hiesiger Gegend ein Wirth an, der bereits 
mehrfach anderswo Pech mit seinen 
Unternehmungen gehabt hatte. Unter 
anderem stand er bei einem Weinhändler 
noch sehr stark in der Kreide. Nachdem 
er nun das neue Etablissement über 
nommen hatte, kam auf die Kunde davon 
dieser Tage der betreffende Weinhändler 
zu ihm, um ihm zu gratuliren und ihm 
Geld erhielt er nun zwar wieder nicht, 
dafür aber bedeutende neue Aufträge und 
das Versprechen, daß nach Effeciuirung 
die alte Rechnung beglichen werden solle. 
Nachdenklich zog der Weinhändler mit 
diesem Erfolg von dannen. Nach einigen 
Tagen jedoch kam bei dem Wirth ein 
Wagen vorgesahren und brachte den be- 
stellten Wein, und als der Kutscher ihn 
im Keller des Wirths verstaut hatte und 
nun die alte Rechnung vorzeigte, erhielt 
er sie auch wirklich bezahlt. Der 
Kutscher fuhr nun mit dem Gelde und 
seinem leeren Wagen nach Hause, kehrte 
aber am Nachmittage eilends zurück und 
meldete dem Wirth mit bestürzter Miene, 
daß er sich am Morgen arg versehen 
und statt der bestellten Anzahl Flaschen 
Weines lauter mit Wasser gefüllte Schau 
fensterflaschen aufgeladen habe. Der 
Wirth starrte den Kutscher zunächst un 
gläubig an, fand aber, nachdem er von 
der Sendung einige Flaschen geöffnet 
hatte, seine Angabe bestätigt. Er ließ 
nun den Kutscher das Wasser mit den 
Wein-Etiquettes wieder mitnehmen, wartet 
aber noch immer auf den wirklichen Wein 
Io Hannover, 24. Juni. Das hiesige 
Schwurgericht verurtheilte heute die 19 
jährige Dienstmagd Zeikowaska aus 
Lupinen, die am 26. Mai d. Js. ihr 
uneheliches Kind gleich nach der Geburt 
getödtet hatte, wegen Kindesmords zu 
2'/« Jahren Gefängniß. Die Verhandlung 
fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit 
statt. 
Io. Berden a. d. Aller, 23. Juni Ein 
curioser Handel, ein H u n d e v e r k a u f 
nach Lebendgewicht, ist dieser Tage 
in der Ortschaft Barnstorf abgeschlossen 
worden. Ein Hundeliebhaber bot dem 
Besitzer eines Wachtelhundes pro 100 Pfd 
Lebendgewicht 35 Mk. und der Handel 
wurde perfekt. Das niedliche Hündchen, 
dessen Mutter schon zwei Mal mit ersten 
Preisen auf Ausstellungen prämiirt worden 
ist, wurde gewogen und hatte ein Gewicht 
von — 8V 2 Pfund. Der Käufer zahlte 
zahlte rund einen Thaler und hatte den 
Hund weg; er soll kein schlechtes Geschäft 
gemacht haben. 
Io. Friedrkchsrnh, 24. Juni. Etwa 150 
Delegirte sämmtlicher deutscher Hochschulen 
mit Ausnahme Würzburgs trafen heute 
Mittag 11 >4 I-lhr in einem Sonderzug 
aus Hamburg hier ein, um den Manen 
des Altreichskanzlers ihre Ehrenbezeugung 
darzubringen. Die Studenten in vollem 
Wichs nahmen am Bahnhof, Berlin voran, 
Aufstellung und begaben sich sodann, — 
die Banner umflort und flankirt von den 
Chargirten mit gezogenen Schlägern — 
langsamen Schritten zu der Grabkapelle, 
vor der die Corona in weitem Halbkreis 
Aufstellung nahm. Der Vorsitzende des 
Berliner Bismarck-Ausschusses, onnct. jur. 
Paul Bredeneck, hielt eine zu Herzen ge 
hende Ansprache, in der'ec der hohen 
Verdienste des großen Todten gedachte. 
Hierauf wurde das Bismarcklied: „Horch, 
Sturmesflügel rauschen", gesungen, bei 
dessen „Hurrah" die Schläger' gekreuzt 
wurden. Sodann betrat jede einzelne 
Abordnung die Grabcapelle, um einen 
Kranz am Sarge des entschlafenen Für 
sten niederzulegen. Gleichzeitig sprach der 
betreffende Kranzträger ein passendes Leit 
wort. Auch ein Siebenbürger Sachse 
brachte einen Kranz und Gruß von seinen 
Landsleuten. Nach Schluß dieser Feier 
sprach Fürst Herbert Bismarck, der mit 
seiner Gemahlin und seinem Schwieger 
vater, dem Grafen Hoyos, erschienen war, 
der Studentenschaft in einer längeren An 
sprache für die seinem Vater bewiesene 
Anhänglichkeit seinen Dank aus. Mit 
dem Gesänge „Deutschland, Deutschland 
über Alles" schloß die erhebende Feier und 
die Studenten begaben sich in den Wald 
Später erfolgte die Rückfahrt nachHamburg 
Hamburg, 24. Juni. Der aus dem 
Bismarck -Prozeß bekannte Photo 
graph Priester, welcher wegen un 
berechtigten Eindringens in das Sterbe 
zimmer zu 3 Monaten Gefängniß ver 
urtheilt wurde, ist nach Amerika entflohen: 
Io. Hamburg, 23. Juni. Der gestern 
im hiesigen Hafen eingetroffene Rostocker 
Dampfer „Friedrich Fischer" hat auf seiner 
Reise hierher in der Nähe von Wismar 
ein treibendes Boot mit zwei 
Insassen, Malergesellen aus Wustrow, 
geborgen, die durch widrige Winde 
auf ihrer Bootsfahrt in die^ hohe See 
hinausgetrieben waren, und seit 27 Stunden 
ohne jegliche Nahrung dem Spiel her 
Wellen preisgegeben waren Sie waren 
beide bereits v ö l l i g e r s ch tz p f l. 
Holtenau setzte der Kapitän des Dampfers 
„Friedrich Fischer" die beiden wieder an 
Land. 
drsÄMZiekeZ. 
In Oldesloe macht man Versuche zur 
Auffindung der von Heinrich dem Löwen 
verschütteten Salzquelle nnd hofft auf Er 
folg, weil eine vorhandene alte Karte genau 
den Punkt angiebt, wo vor langen Jahren 
beim Fortreißen eines Stauwerkes im 
Bestefluffe starke Soolquellen hervorge 
brochen sind. 
Der 12jährige Schulknabe Pöhls aus 
Hinscheufeide, der während des Ausbruches 
des Feuers, das in voriger Woche das 
Gewese des Landmannes Schultz in Neu- 
Rahlstedt zerstörte, allein im Hause weilte, 
hat eingestanden, dasFeuer absicht- 
lich angelegtzuhaben. Er har 
einfach die aus dem Boden lagernden 
Stroh- und Heuvorräthe mit einem 
Streichholz angezündet. Er war bei dem 
Dchnltz als Hütejunge thätig. Nach seinem 
Geständniß ist dies sogar schon der 
zweite Fall, in dem er zum Brand 
stifter geworden ist. Bereits vor 3 Jahren 
hat er in Hinschenfelde das Haus des 
Maurers Poggensee, in vein seine Eltern 
wohnten, in Brand gesteckt. 
Der Landraih des Kreises Plön hat in 
Anlaß der zahlreichen nächtlichen Einbruchs 
diebstähle, welche in den letzten Monaten 
in der Kirche zu Propsteierhagen, in So 
phienhof, Ascheberg, sowie in den Amts 
bezirken Rastorf und Dobersdorf ausgeführt 
worden sind und bei welchen den Dieben 
vier messingene Armleuchter, Geld, Klei 
dungsstücke,, Geflügel und Eßwaaren in 
die Hände fielen, demjenigen 300 Mk. 
zugesichert, welcher den Dieb oder die 
Diebe so nachweist, daß gerichtliche Be- 
strafung erfolgen kann. Die gleiche Art 
der Ausführung läßt die Thäterschaft der 
selben Personen vermuthen. 
Krempe, 21. Juni. Die Musiker der 
Vereinskapelle hatten den letzten Sonntag 
in Neuendorf zu spielen und verlangten 
pro Tanz 10 Pf., ven die Knechte nicht 
zahlen wollten. Die Mägde tanzten 
paarweise, die Knechte tranken Bier und 
Kümmel. Die Intervention des Wirthes 
war vergebens. Die Musiker hielten 
ihm eütgegen, was er thun würde, salls 
man ihm die Hälfte sür sein Getränk 
biete. Sie hätten vier Jahre gelernt, 
könnten von der Musik allein nicht 
leben und hätten 10 Pf. pro Tanz 
sauer verdient. Die Knechte rückten 
einen Tisch in den Saal, ließen Bier 
auffahren, setzten sich um den Tisch und 
sangen Lieder. Als gegen 11 Uhr keine 
Einigung erzielt war, ließen die Musiker 
anspannen und fuhren ab. 
Die in der großen Lederfabrik von 
Falk & Schütt in Wilşier erfolgte gänz 
liche Arbeitseinstellung und die 
für morgen bevorstehende Entlassung der 
sämmtlichen Arbeiter in der zweiten 
dortigen großen Lederfabrik der Gebrüder 
Böhme beginnt allmählich eine bedenkliche 
Lähmung in dem ganzen Erwerbsleben 
der Stadt hervorzurufen, eine Erscheinung, 
die sich wohl begreifen läßt, wenn man 
erwägt, daß die Löhne, die jährlich die 
Fabriken an ihre Arbeiter zahlen, die 
stattliche Summe von einer Million Mark 
repräsentiren. Der Wunsch nach einer 
Ausgleichung und Beilegung der Diffe 
renzen zwischen Arbeitgebern und Arbeit 
nehmern wird in den weitesten Kreisen 
ver Bevölkerung rege, und doch sind die 
Aussichten hierauf nur sehr gering. Die 
Firma Böhme wird unter allem Umständen 
ihre Fabrik morgen schließen, da sie 
glaubt, die augenblickliche flaue Geschäfts 
lage zu einer Lohnreduction benutzen zu 
müssen, während die Arbeiter nach ihrem 
neuerdings ausgearbeiteten Lohntarjse so 
gar eine Erhöhung der Löhne um zehn 
Procent verlangen. Diese Verhältnisse, 
die eine allgemeine Kalamitäi zu werden 
droht, bei denen aber die ruhige Haltung der 
Arbeiterschaft, die sich jeder Ausschreitung 
streng enthält, anerkannt werden muß, 
werden auf die Dauer unerträglich und 
lassen ein Nachgeben auf beiden Seiten 
als dringend wünschenswerth erscheinen. 
— Der kürzlich drohende Streik der 
Tischler ist durch die Nachgiebigkeit der 
Arbeitgeber, die die geforderte zehnstündige 
Arbeitszeit bewilligten, beigelegt worden. 
Ic Itzehoe, 24. Juni. Der 7jährige 
Sohn des Mühenbesitzers o. Pein in 
Neuenkirchen (Kreis Steinburg) wurde 
beim Verlassen der Mühle von einem 
Mühlenflügel erfaßt und ihm der Schädel 
zertrümmert. Der Tod trat auf der 
Stelle ein. 
Die Torpedobootsflolille ist nach sehr 
beschwerlicher Reise, die sich aus 500 See 
meilen erstreckte, nach Kiel zurückgekehrt. 
Zwei Torpedobooten wurde der Kessel leck 
geschlagen. Das Torpedoboot 8 60 mußte 
vom Divisionsboot D 7 nach Kiel geschleppt 
werden. Ein Matrose hat den Arm ge 
brochen, zwei Matrosen find leicht verletzt. 
Io Kiel, 24. Juni. Der Fürst von 
Monaco ist henke Nachmittag mit seiner 
Jacht „Alice" durch den Kaiser Wilhelm- 
Kanal kommend, hier eingetroffen. 
Bei dem Gewitter am Montag-Abend 
traf ein Blitzstrahl den Mast des auf 
der Eider bei Tönning liegenden neuen 
Dampfers „Herzog Johann Albrecht", 
ohne jedoch Schaden anzurichlen. An 
vier Telephonleitungen in Tönning sind 
die Blitzableiter geschmolzen. Ein so- 
genannter kalter Schlag traf das Gewese 
des Herrn Peter Jebe-Rothenspieker. Ein 
Ochse des Herrn Landmanns Stier in 
Oldenswort wurde auf der Weide er 
schlagen. 
a*o Owschlag, 24. Juni. Einen recht 
guten Fang hat in dieser Woche der 
Pächter des Owschlager Sees, Herr
	        
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