Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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iftigung ^itrteiiri^rlid) 2 Ji.—, frei ins Haus geliefert 
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ert, Keller^ für Auswärtige, durch die Post bezogen 
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lidjen fowl 1 ■ Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld. 
Stellung zu^ àsertionsprcis: pro Petitzeilc 15 
fferten unm 
). Wochen^ 8 
Arltestes und gelesenstes Klatt im Kreise Uendsdurg. 
Anzeigen für die Tagesnunnner werden dis 12 Uhr Mittags erdeten. 
->> 88ster Jahrgang. 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmästige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie das 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegebeii. 
NÄOO Llüonnentcn. 
mo 20. 
Donnerstag, öen 24 Januar 
1895. 
r Nähe W 
:ger, solider Morņen Depeschen 
rchl. Gute jg tr [i,, ( 23. Jan. In dem Ballspiel 
der Exped hause des Kaisers im Ausstellungspalaste 
L - ^sher unter dem Namen Marinesaal be- 
i zu Oster" ‘Qnnten Saale, hat es heute Vormittag 
'/ 2 Uhr und zwar im Ankleidezimmer 
7S Kaisers gebrannt. Da es sich nur um 
einen in besserer Art aufgeführten Ver 
Wag handelt, ist der Schaden nicht be- 
Nutend. Der Brand wurde von der Feuer 
kehr schnell gelöscht. Ueber die Entstehungs- 
ll «Ri Ursache des Feuers ist nichts bekannt; 
All ''I t>kr,nulhlich ist von noch in dem Gebäude 
J 44 jOttoefeitben Arbeitern unvorsichtig mit 
^icht umgegangen worden. 
Berlin, 24. Jan. Nach der „Börsen 
g." gedenkt der K a i s e r, den Sitzungen 
^es pr eußischen Staat srathes, soweit 
'»ndwirthschaftliche Fragen erörtert werden, 
persönlich zu präsidiren. 
Berlin, 24. Jan. Der „Lokalanzeiger" 
Meldet, dem Grafen Herbert Bismarck sei 
Kreits zur Zeit der Reichskanzlerschaft 
Mprivis ein Botschafterposten angewiesen 
Korden. Gras Herbert Bismarck habe 
^er damals abgelehnt. 
Berlin, 24. Jan. Der neuernannte 
Mische Botschafter am Berliner Hof, 
Mrst Lobanow, begiebt sich demnächst 
"ach Petersburg; seine Ankunft in Berlin 
'"folgt Mitte März 
zan. In der Budget- 
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Berlin, 24. Jan. In der 
.Emission des Reichstages wurden heute 
' e zurückgestellten Positionen des Militär- 
W>s erledigt. 
Berlin, 24. Jan. Die Kommission der 
Ȕlhschaftlichen Vereinigung", welche 
Wern den Antrag Kanitz berieth, hat 
"(schlossen, die Vereinigung solle den An- 
>ag alsbald im Reichstage einbringen. 
,, Berlin, 23. Jan. Unter starker Bethei 
agung der Sozialdemokraten hat gestern 
Mend eine Versammlung stattgefunden 
Ms der Tagesordnung stand ein Referat 
N Abg. Kröber (südd. Volksp.). Der 
Ersitzende des Vereins machte jedoch die 
Mittheilung, daß- Kröber am Sonnabend 
°n Berlin abgereist sei. Infolge dessen 
vierten sich andere Redner sehr abfällig 
r die Haltung des Mitgliedes der frei- 
^nigen Volkspartei Lenzmann, welcher in 
Reichstagskommission zu Gunsten eines 
^chwpromisses betreffend die Umsturzvorlage 
/"getreten war. Im Laufe der Bersamm- 
- bg wurde erklärt, daß man bei einer 
Äschen Haltung der freisinnigen Volkspar- 
'' bei den Wahlen lieber mit den Sozial- 
Miokraten zusammengehen würde. Schließ 
lich wurde eine Resolution angenommen, 
in welcher die Umsturzvorlage entschieden 
verworfen wird. 
Berlin, 24. Jan. Die hiesigen Anar 
chisten hatten auf heute Abend eine Ver 
sammlung einberufen, welche von ca. 600 
Personen besucht war. Schlosser Wiese 
sprach über die Umgestaltung der Gewerk 
schaften zu freien Arbeitergenossenschaften. 
Nach einem historischen Rückblick über die 
Gewerkschaften seit dem Jahre 1855 em 
pfahl Redner die Gründung von Berufs 
genossenschaften. In der Diskussion er- 
klärten sich mehrere Redner gegen diese 
Gründung. Trotzdem kündigte Wiese in 
seinen Schlußworten an, daß er die 
Gründung von Berufsgenossenschaften ein 
leiten werde, um die Gegner durch (gute 
Erfolge überzeugen zu können. 
Schleswig, 23. Jan. In der heutigen 
Sitzung des Provinzial-Landtags wurde 
Herr v. Graba mit 27 Stimmen als 
Landes-Direktor der Provinz Schlcs 
wig-Holstein erwählt. Ober-Consistorial 
Rath Stockmann-Hannover erhielt 16, Land 
rath v. Kozierowski-Lauenburg 9 Stimmen 
Für die neu zu errichtende Stelle eines 
zweiten Landesraths im Landes-Direktorat 
ist Herr Bürgermeister a. D. Schlich- 
ting (Hannover) mitpräsentirt, ebenso die 
Herren Stadtrath Bachmann in Kiel, 
Landgerichtsrath Lembke in Kiel, Re- 
gierungs-Assesior Livonius in Schleswig, 
Amtsrichter Lovenfosse in Neustadt, Amts 
richter Vrützmann in Flensburg. Es scheint 
jedoch, daß der Provinzial-Landtag die 
Neuernchtung dieser Stelle zur Zeit ab- 
lehnen wird. 
Maunhrim, 23. Jan. Der antisemitische 
„Volksböte" wurde hier und in Heidel 
berg konfiszirt wegen eines Artikels „Sang 
an Abram". 
Wien, 23. Jan. Heute Morgen starb 
hier der frühere Eisenhändler Josef Tr ei tl, 
welcher der Akademie für Wissen- 
>chasten für astronomische Zwecke eine 
Million vermachte. Niemand ahnte, 
daß der Verstorbene, der sehr einfach lebte, 
ein solches Vermögen besaß. 
Wien, 23, Jan. Die Tochter des ver- 
torbencn Oberstlieutenants Koehler hat 
ich in einem Anfall von Verfolgungswahn- 
inn mittelst einer scharfen Hacke den 
Kopf zerspaltet Sie wurde noch 
lebend in's Spital geschafft. 
Athen, 23. Jan. Der König hat die 
Demission des Kabinets genehmigt. 
it? WÄWs. 
Ein sensationeller Vorgang spielte sich in einer 
der letzten Sitzungen der Budget-Kommission ab. 
Nachdem bereits "länger als sine Stunde über 
die Frage der Kommandanturen in Al 
tona, Frankfurt a. M. und Hannover diskutirt 
war, gab eine nebensächliche Bemerkung des Abg. 
von Maffow dem Korreferenten Abg. Schädler 
Anlast, an die Kriegsverwaltung die Frage zu 
richten, ob denn die seit Jahren im Etat als 
künftig wegfallend bezeichnete Stelle eines Kom 
mandanten von Altona, nachdem der frühere In. 
Haber derselben durch den Tod abgegangen, in 
zwischen wieder besetzt sei. Oberst Wachs konnte 
nicht umhin, diese Frage mit einem Ja zu be 
antworten. Die Mittheilung regte Vertreter aller 
Parteien zu einem lebhaften Meinungsaustausch 
mit den Vertretern der Kr/egsverwaltung an. 
Abg. Richter beantragte eine Resolution, in 
welcher der Eingriff in das Budgetrecht des 
Reichstages schroff zurückgewieien wurde. Abg. 
Gröber sprach sich in gleichem Sinne aus. So- 
g-r die Abgg. Dr. Hammacher und Dr. Ennec- 
cerus von den Nationalliberalen gaben ihre Ent 
rüstung, wenn auch in abgedämpftem Tone, zu 
erkennen. Oberst Wachs und der Nnterstaats 
sekretär des Reichsschatzamtes, Aschenborn, be 
mühten sich vergeblich, den ungünstigen Eindruck 
zu verwischen, welchen die peinliche Angelegenheit 
hervorgerufen hatte. Der Fall erschien um so 
auffälliger, da selbst ein vorübergehender Miststand 
anders hätte beseitigt werden können als durch 
lebenslängliche Anst- Hung eines Kommandanten. 
Die Erörterung konnte nicht zu Ende geführt 
werden, da die Kommissionssitzung wegen Be 
ginns der Plenarverhandlung abgebrochen werden 
mußte. 
Vorher hatte die Sitzung, nachdem die Misch- 
ehen-Debatte zwischen den Ahgg. Lingens und 
Gröber einerseits, den Abgg. v. Frege und En- 
neeeerus und dem Vertreter der verbündeten Re 
gierungen, General Spitz, andererseits in der üb 
lichen Weife verlaufen war, die Frage der Bu- 
reaugeld-Beihülfen für die Generalkommandos die 
Kommission längere Zeit beschäftigt. Seitens 
des Abg. Richter wurde darauf hingewiesen, daß 
es doch eigenartig berühre, wenn man zu eine: 
Zeit, in der die Mittel fehlen, um die dürftigsten 
Beamtengehälter aufzubessern, den bestdotirten 
von allen, selbst die Minister eingeschlossen, den 
kommandirenden Generalen auf dem Wege der 
Bureaugeld-Beihülfe zu ihrem Einkommen, daß 
sich jetzt schon auf 30,000 Ji beziffert, »och eine 
verhüllte Zuwendung von je 1260 M, insge 
sammt also von 31,260 M. gewähre. Die Mo- 
tivirung dieser Liebesgabe seitens der verbünde 
ten Regierungen, daß die Kaufkraft des Geldes 
sehr vermindert wäre, gab dem Abg. Müller- 
Fulda lZentr.) Anlaß, die Vertreter des Reichs 
schatzamtes zu 'nterpelliren, wie sie sich zu dieser 
neuesten wissenschaftlichen Erkenntniß stellen. Unter- 
staatssekretär Aschenborn deckte sich so gut es 
ging, indem er de» Passus gewissermaßen als 
eine Verlegenheits-Ausrede hinstellte, die nicht als 
Lösung eines wissenschaftlichen Problems zu gelten 
beanspruche. Die Beschlußfassung über diese Po 
sition wurde ausgesetzt, um den verbündeten Re 
gierungen Zeit zu lassen, das Material beizu 
bringen zur Beurthellung der Frage, ob denn 
in der That bei den so reich dotirten Generalen 
ein Nothstand herrsche. 
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß 
die akustischen Verhältnisse in der 
Budgetkommission zu einer Erörterung Anlaß 
gaben, welche bewies, daß in dem ganzen 
großen Reichstagsbau kein Raum 
zu finden ist, in welchem die Mit 
glieder der Budgetkommission so 
mit einander verhandeln können, 
daß sie einander hören. Es wurde 
daher angeregt und von dem Vorsitzenden der 
Kommission übernommen, einen Versuch in der 
Weise zu leiten, durch Drapiruvg und andere 
„Hülfe" wenigstens dem dringendsten Bedürfniß 
der Akustik entgegenzukommen. (K. Z) 
29. MM-dÄtiMtr 
2. Sitzung. 
Schleswig, 21. Januar. 
Der Landtag tritt in die Vorberathung der 
Errichtung einer Landwirlhschastskammcr.' Der 
Ober-Präsident v. St ei n man n führte zunächst 
aus, daß die Absicht der Staaisregierung auf 
Errichtung von Landwirthschaftskammern weit 
gehender Shmpathie begegne. Man erkenne 
an, daß cs wünschenswerth sei, die Vertretung 
der Landwirthschast mit weitgehenderen Be 
fugnissen auszustatten, als tute der landivirih- 
schasttiche Generalverein sie bisher besessen habe. 
Nachdem der landwirihschaftliche Generalverein 
sich für eine sckleswig-holsteinische Landwirih- 
schafiskammer ausgesprochen habe, erhoffe die 
Königliche Regierung von dem Provinzial Land 
tage ein möglichst einstimmiges Ja. Auf die 
einzelnen Bestimmungen wird weniger Gewicht 
gelegt, und läßt sich über einzelne Meinungs 
verschiedenheiten leicht eine Einigung erzielen. 
Der Ueberweisung der Vorlage an eine Kom 
mission stimme er zu. — Abg. Ohrt begrüßt 
die Vorlage auf das Freudigste. Der Plöner 
landwirthschaftliche Verein, dessen Milglied er 
sei, habe eine Petition hier eingebracht, worin 
kleine Abänderungen von der Regierungsvorlage 
beantragt iverden, er empfehle diese Petition 
wohlwollendem Erwägung. Die wesentlichsten 
Punkte der Vorlage scheinen ihm zu sein, daß 
sämmtliche Grundbesitzer zur Leistung von Bei 
trägen herangezogen werden und daß der Kam 
mer gesetzliche Befugnisse zur Erhebung von 
Beiträgen beigelegt werden. — Abg. Christo- 
pher sen meint, daß das Wort von der noth- 
letdenden Landwirthschast Wahrheit geworden 
sei, daß die Landwirthschaft sich thatsächlich im 
Niedergang befinde, die Landwirthe müßten da 
her Alles thun. was in ihren Kräften stehe, um 
die Widerstandsfähigkeit der Landwirthschast zu 
stärken. _ Man müsse Organisationen schaffen, 
um Einfluß auf die Agrargesetzgebung zu be 
kommen und zugleich, um Wünsche an die 
Staatsregierung gelangen zu lassen. Um dieses 
zu erreichen, sei die Kammer ein Mittel. Der 
Generalverein habe gewiß segensreich gewirkt, 
ihm fehle aber die Basis, er bestehe nur aus 
freiwilligen Vereinigungen, die jeden Tag sich 
wieder auflösen könnend Daher sei es ein großer 
Fortschritt, daß der Landtvirthscbaftskammer die 
Befugnis;, Beiträge von allen Landwirthen zu 
erbeben, gegeben sei. Ein Grundsteuer-Rein 
ertrag von 150 Mk. scheine ihm zu hoch, er be- 
anļrage die Wählbarkeit weiter herabzusetzen, 
damit auch die kleinen Bauern und Käthner 
mit herangezogen werden können. - Abg. 
Hölk kennzeichnet in längerer Rede die Stett 
lung des Generalvereins zur Vorlage und giebt 
eine Uebersicht der geschichtlichen Entwickelung 
des landwirthschastlichen Generalvereins von 
den 40er Jahren her. Der landwirthschaftliche 
Generalverein wird gebildet aus 107 Speeia!-- 
Lereinen mit 10 500 Mitgliedern, sowie Pferde- 
und Viehzucht-Vereinen und bergt, mit 8000 
Mitgliedern. Der Generalverein besitzt einen 
Gebäudekomplex mit einem Brandkassenwerth 
von 150 000 Mk. Ferner uniei stehen dem Ge 
neral Verein verschiedene Versuchsstationen un 
ter der Leitung von wissenschaftlich gebildeten 
Männern, eine Maschinenhalle und andere die 
Hebung der Landwirthschast bezweckende Ein 
richtungen. Der Etat des Generalveretns 
schließt ab mit 153 000 Mk. Anfangs begegnete 
der Gesetzentwurf der Landwirthschaftskammer 
nur geringer Sympathie, Man meinte, daß da 
durch den; freien Vereinsleben der Todesstoß 
gegeben werde, auch fürchtete man die Aufer 
legung neuer Steuern. Später hat man sich 
mehr mit der Sache befreundet, besonders da- 
durch, weil der Zug der Zeit nach Bildung von 
Jr teressengruppen gehe. Das Hauptgewicht wird 
aber darauf gelegt, daß der Landwirthschafts 
kammer eine größere finanzielle Selbständigkeit 
in der Vertretung der Landwirlhe gegeben 
werde. Die größte Schwierigkeit liege' in der 
Verschmelzung der landwirthschasttichen Vereine 
mit der Kammer, doch werde es wohl möglich 
sein, diese Schwierigkeit zu beseitigen. Minister 
v Heyden hat die Aeußerung gctban, daß die 
Kammern das sein werden, was die Landwirthe 
daraus machen. Die Hauptversammlung des 
General erems hat am 19. Dezember 1894 be- 
schlnssen, sich für die Errichtung einer Land- 
wirthschastskammer auszusprechen. Ee empfiehlt 
lleberweisung der Vorlage an eine Kommission 
von 7 Mitgliedern. — Die Abg. Dohrn und- 
Wi eck Horst sind mit den Ausführungen des 
Vorredners einverstanden und empfiehlt der 
letztere die Wahl einer Kommission von 9 Mit 
gliedern. - Es wuide eine halbstündige Pause 
gemacht, in welcher der Senivren-Convenk sich 
zurückzieht, um über die dem Hause zu machen 
den Voi schlüge für die Kommission zu t erathen. 
Vorgeschlagen werden, nachdem vie Sitzung 
wieder eröffnet ist, vom Grafen Rantzau folgende 
Herren: Feddern, Hölk, Henningsen, Kahlke, 
Kühl, v. Rumohr, Graf Schimmelmann, Thom 
sen und Wieckhorst. Die genannten Herren wer 
den durcr, Zuruf gewählt und nehmen die Wahl 
an, daß sie Oberbürgermeister Fuß zum Vor- 
sitzenden und Landrail, Schelfs zum Schrift 
führer erwählt habe. 
Die nächste Sitzung findet statt am Dienstag, 
den 22. Januar, Vorm. 11 Uhr. 
Nach Schluß der öffentlichen Sitzung sand 
eine vertrauliche Besprechung der Abgeordneten 
statt, in welcher die Kandidaten für das Amt 
eines L a nd es d ire kt ors designin wurden.— 
Abg. Christophersen fragte Bürgermeister 
Heiberg, ob er geneigt sei, eine etwa auf ihn 
fallende Wahl als Landesdireklor anzun.ehmen. 
— Abg. Helberg erklärte, eine solche Wahl 
nicht annehmen zu können. Nach gewissenhafter 
Prüfung sei er zu dieser ablehnenden Erklärung 
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preisgekrönte Erzählung von Conrad Telmann. 
Tie nächsten Tage verliefen in einer Regel 
mäßigkeit, die für Georg, seiner ganzen Natur 
sprechend, etwas Erbauliches halte. Ruhig 
stetig fortarbciten, das war für ihn der 
sechste Lebensgenuß. Und wenn er daneben 
("ch heimlich seine verschwiegenen Träume 
ìl'nnn, so kümmerte das Niemanden etwas 
>»d that seiner Arbeit keinen Eintrag. Er 
Me kaum jemals so viel vor sich gebracht, 
le in diesen Tagen. Die innere Ruhe 
lagerte seine Leistungsfähigkeit noch, und er 
ş 8te sich übcrdtes, daß er vieles nachzuholen 
i. olles das Imei-cr einzubringen habe, was 
veränderten Umstände vo;r ihm eingefordert 
?%n. Er wußte ja, weshalb er als ein 
und sicher auf sich selbst stehender Mann 
scheinen niußtc 
Hubert schien sich ganz in seine Thäiig- 
, c ! 1 gefunden zu haben. Sein rasches und 
^chtlcbioes Temperament hatte ihm offenbar 
ere Dimste dabei geleistet. Er sprach immer 
ee einer gewissen Ironie von seinem Thun 
ş Treiben, aber er war immer guter 
I 'Hge dabei und seine liebenswürdige Frische 
(I "e etwas Ansteckendes für Georg. Offenbar 
WNi Hubert den Zwang der Verhältnisse 
U leidlicher Fassung hin, und die Hoffnung 
ļj„ «ne bessere Zukunft tröstete ihn schnell 
so, ber luc 9- Ambergs persönliche Znvor- 
à Renhcit mochten gleichfalls das ihrige zur 
stauchen Umschiffung aller Klippen bci- 
u ycii 
eslau. ‘Mt 
ê"nn die _ Brüder sich Mittags im 
^tz^vrant Rieben trafen, war Hubert ge 
ch voll sprudelnder Laune und fast 
niemals stahl sich ein Mißton in ihre Unter 
haltung, Auch von Anibera selbst hörte 
Georg Gutes über Hubert. Er hatte sich 
vor seinem ersten Besuche dort seit Huberts 
Eintritt gefürchtet und den Besuch deshalb 
ungewöhnlich lange hinausgeschoben. Nun 
erlebte er eine angenehme Enttäuschung. 
Amberg war des Lobes voll über Huberts 
Pflichttreue und seinen regen Eifer. Es 
unterlag für ihn kaum mehr einen Zweifel, 
daß man ihn dauernd int Geschäft würde 
brauchen können und daß Huberts Zukunft 
sich bei anhaltendem guten Willen seinerseits 
als gesichert betrachten lasse. Amberg hatte 
Hubert auch - gesellschaftlich an sich fesseln 
wollen, war aber hier auf einen entschiedenen, 
wenn auch höflich dankbar kundgegebenen 
Widerstand gestoßen; Hubert hatte es ab 
gelehnt, in seiner jetzigen Stellung in Verkehr 
mit seinem Vorgesetzten zu treten. Dennoch 
war das Verhältniß der beiden Männer zu 
einander ein freundliches, und die Angestellten 
des Geschäftes, mit denen Hubert in Be 
rührung kani, konnten seine humorvolle Leut 
seligkeit nicht genug rühmen. Auch hier 
wieder wie überall, hatte er sich die Herzen 
im Sturm erobett. 
So ging alles vortrefflich, und wenn 
Hubert mit seinem kleinen Gehalt, trotzdem 
er scene Ansprüche an das Leben inimer 
weiter herabzuschrauben bereit war, nicht aus- 
konimcn konnte, ließ sich ihm kein Vorwurf 
daraus machen, und Georg gab ihm hin, 
was^ er brauchte. Nur über seine Abende 
verfügte Hubert gern, cs war ihm sichtlich 
einen Zwang, wenn Gevrg ein abendliches 
Zusammensein vorschlug, und da Gevrg 
selber mit Arbeiten überhäuft war und das 
Kneipcnlebcn nicht liebte, ließ er Hubert 
seine Freiheit. Wahrscheinlich nutzte dieser 
sic, um durch irgend eine Privatthätigkeil 
sich neue Einnahmen zu verschaffen, war 
aber zu stolz, um das einzugestehen oder gar 
die Art desselben zu verrathen. Ein paar 
mal war er freilich auch im Theater gesehen 
worden, wie Georg wieder erfuhr, aber das 
erklärte sich leicht, durch seine Bekanntschaft 
mit dcr jungen Sängerin, die noch immer 
sortwahrte und ihm hin und wieder ein Freibillet 
für die Opern eintrug, in welche jene in 
kleinen Rollen auftrat. Lieb war Georg 
diese Bekanntschaft nicht, aber er sah ein, 
daß Hubert kein Grund hatte, sic brüsk zu 
Zerreißen, und er fühlte sich ihm gegenüber 
um so weniger als Mentor und Moral- 
wächter, als Huberts Benehmen und sein 
ganzes Leben auch zu keinerlei Ausstellungen 
oder Bo,würfen Anlaß gab. Nur dadurch 
daß man ihm Vertrauen erwies, war Hubert 
bei seinem stark ausgebildeten Ehrgefühl zu 
packen, und gerade wenn er sich unbeobachtet 
sah, würde er seinem Wesen noch am ehesten 
vor allen Ausschreitungen zmückschrccken. 
Ein umfangreicher Kriminalprozeß, in 
dem Georg von mehreren der Angeklagten 
zum Vertheidiger gewählt worden war, nahm 
gerade seine Zeit mehr als je in Anspruch. 
Er ging dabei mit seiner gewohnten Ge 
wissenhaftigkeit zu Werke. Es handelte sich 
um eine Reihe von Bankerottfällcn, die in 
auffallend rascher Folge sich in dcr Stadt 
ereignet hatten und der Staatsanwaltschaft 
Gelegenheit boten, die Anklage wegen belrügcri- 
chen Manipulationen dcr Betheiligten zu 
erheben. Die Aufgabe der Vertheidigung 
war es, nachzuweisen, daß die Fallissements 
nur ans Veranlassung von verunglückten kauf 
männischen Spekulationen erlaubter Art ein 
getreten waren und ein Verschulden der 
Angeklagten nicht vorlag. Tics gestaltete 
sich nun um so schwieriger, als unter den 
letzteren sich nach Georgs fteberzeugnng in 
der That solche befanden, die betrügerisch 
opcrirt hatten und durch deren gesetzwidrige 
Handlungsweise die übrigen mit ins Verderben 
gerissen worden waren, ohne selbst daran 
bethciligt gewesen zu sein oder auch nur 
darum gewußt zu haben. Diese letzteren 
waren allein seine Mandanten und diese galt 
es, der entehrenden Strafe, welche ihnen 
drohte, zu entziehen. 
Die Arbeitslast, die sich für Georg hier 
durch auflhürmtc, war selbst für seine Rast 
losigkeit fast erdrückend. Je weiter er sich 
in die verwickelten kaufniännischen Rechts 
verhältnisse hineinvertiefte, die hier in Frage 
kamen, um so riesiger wuchs sie vor ihm. 
Dazu wurden ihm von den Kollegen, welche 
die Vertheidigung der anderen, von Georg 
für schllldig gehalten Angeklagten übernommen 
hatten, tausend Schwierigkeiten bei seinen 
Nachforschungen und Feststellungen in den 
Weg gelegt. 
Dennoch ging er unbeirrt und stetig seiimn 
Weg weiter: die Wahrheit mußte ja an den 
lag kommen und das Recht mußte ja 
trinmphiren. Georg war guter Dinge mitten 
in dem Wust von aufrcibenderArbcit, die ihn 
kaum niehr zu sich selber kommen ließ. Wenn 
es ihm wirklich gelang, seinen Mandanten 
unter so erschwerenden Unmständen zur Frei 
sprechung zu verhelfen, konnte es nicht aus 
bleiben, daß er sich dadurch einen stkamen 
machte. Mit einem Schlage würde seine 
Zukunft dann gesichert sein. Er würde aus 
der bisherigen Dunkelheit hervortreten, ntan 
würde ihm andere, wichtige Mandate an 
vertrauen, man würde — besonders in den 
Kreisen der reichen Kaufniannschaft in der 
Stadt — an seinen juristischen Beistand in 
allen bedeutenden Fragen appellircn. Dann 
war er ein gemachter Mann, seine Praxis 
würde immer cinttäglicher werden und dann 
— so oft Georg in seinen schweifenden 
Gedanken, denen er sich manchmal, wenn er 
zur Ruhe gegangen war, zwischen Wachen 
und Träumen überließ, bis hierher gekommen 
war, flammte ihm eine glühende Röthc an 
den Schläfen auf und sein Herz hämmerte 
unruhig. 
Aber er dachte den Gedanken niemals zu 
Ende. Nur ein Lächeln spielte auf seinen 
Lippen, wenn er dann einschlief. Reich werden! 
Berühmt werden! Uni seiner selbst willen 
wäre es nicht nöthig gewesen. Aber als 
armer, unbekannter Advokat, als einer von 
den vielen, die heute das geistige Proletariat 
dcr großen Städte bilden helfen, konnte er 
nicht vor das Mächen, nicht vor dem Vater 
des Dlädchens hintreten, das er liebte. Ob 
sic ihn dann erhören würde, wenn seines 
Schicksals Weg ihn aufwärts führe — wer 
konnt' cs ihm sagen? Vorher aber durfte er 
nicht einmal eine Frage an sic wagen. Und 
so war's eine wichtige, war's vielleicht die 
größte Entscheidung seines Lebens, in die er 
jctzt eintrat und kein Wunder, daß er alle 
eine Kräfte bis . zur völligen Erschöpfung 
daran setzte, in ihr zum Siege zu gelangen. 
Zeit zu anderen Dingen blieb ihni so 
neben seinen Bcrufsgeschüftcn nicht mehr. 
Hubert sah er Mittags bei der gemeinsame» 
Mahlzeit im Restaurant und ganz konnte er 
ich auch dann innerlich von dem nicht los 
lösen, was alle seine seelischen Fähigkeiten in 
Anspruch nahm, so daß er gegen seine
	        
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