Boctticher Bezug nehmend, das; auch für die Mi
niste--Ernennungen und -Entlassungen, die aller
dings im Kronrecht seien, die Minister verant
wortlich seien.
Das Laus vertagt sich aus morgen II Uhr:
Fortsetzung der 1. Etatbernthung.
MrMand.
'Außereuropäische Gebiete
Newyork, 21. Jan. Die durch den
Streik der Straßenbahnbeamten
in Brooklyn geschaffene Lage wird immer
ernster. Die Streikenden zertrümmerten
einige Wagen und es kam mehrfach zu
Zusammenstößen zwischen ihnen und der
bewaffneten Macht; dabei wurde eine große
Anzahl Männer, Frauen und Kinder zu
Boden geritten; einige wurden durch
Bajoucttstiche verwundet, auch mehrere
Soldaten erlitten Verletzungen. Vor dem
Zugänge zu den Stallungen wurden Ka
nonen aufgefahren. Die Bevölkerung
unterstützt die Streikenden und liefert ihnen
Geld und Lebensmittel. Gegen Abend
ivandte sich die Menge wieder gegen einen
Wagen. Die Truppenabtheilung gab Feuer.
Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht
bekannt.
Newyork, 18. Jan. Heute wurde hier
der Makler Edwin Quigley verhaftet.
Er hat falsche Schuldscheine der Städte
Cleveland, Zanesville. Springfield (Ohio)
und Harrisburg im Betrage von 166 000
Doll, angefertigt. Auf solche falsche
Scheine hatte er von der Mercantile
National Bank in Newyork einen Vorschuß
von 144 000 Doll, erhoben. Da Quigley
ein wohlhabender Mann ist, so hat die
Bank sofort sein Vermögen mit Beschlag
belegen lassen. Quigley gestand seine Schuld
sofort bei seiner Verhaftung ein.
Italien.
Rom, 22. Jan. Der erste Staats-
anwalt in Sassart erhielt einen län
geren eingeschriebenen Brief von dem be-
rüchtigten Briganten Sedda, der noch
immer nicht gefaßt ist und die Berge
durchstreift, worin er ihn ersuchte, sofort
seine in Untersuchungshaft genommene
Frau frei zu lassen. Andernfalls drohte
er damit, binnen zehn Tagen ebenso viele
Carabinieri zu ermorden! In der That
sind bereits tags darauf aus dem Hinter-
yalt zwei auf einer Streife befindliche
Beamte angegriffen und einer davon er-
schossen worden. Der Brigantaccio wächst
sich in Sardinien leider immer mehr zu
einer politischen Institution aus, und die
Regierung ist anscheinend nicht in der
Lage, endlich damit reinen Tisch zu machen.
Der Brigant Sedda wird seine Drohung
tvahrscheinlich ausführen.
Neapel, 22. Jan. Gestern früh fanden
von Seiten der Studenten der hiesigen
Universität lärmende Kundgebungen
statt, weil die Studenten einen außer-
ordentlichen Prüfungstermin verlangten,
den der Unterrichtsminister nicht bewilligen
konnte. Wenn die Unruhen fortdauern
sollten, dürfte die Universität geschlossen
werden.
Griechenland.
Athen, 22. Jan. Dreihundet Studenten
wollten vor dem Palast des Königs
verschwenderischen Leben und leichtfertigen
Streichen nachzugeben. Die anfänglich _ vcr-
zwciflungsvollc Bitterkeit, die ihn befallen
hatte, war rasch wieder in die überschäumende
Genußsucht umgeschlagen u»d über die nächste
Stunde hinaus mochte er offenbar nicht
denken. Selbst die Scheu, gerade von Georg
sich helfen zu lassen, schien völlig von ihm
gewichen und er nur noch froh darüber zu
sein, daß er dort einen Rückhalt besaß.
Wann und wie würde das alles sich zum
Besseren wenden? Und wo war der Halt zu
finden, an dem dieser schwache, schwankende
Charakter sich ausrichten, erstarken und sich
zu seinem besseren Selbst zurückrctten würde
für immer? Sa, wer ihn gewußt und gefunden
hätte!
Der größere Theil des 'Nachmittags ging
darüber hin, daß beide in den Läden die
Cinkäufe machten, welche für Huberts Aus
stattung unumgänglich erschienen und ein
Zimmer in der Nähe der Geschäftslokalitäten
des „Phönix" mietheten, das er sofort beziehen
konnte. Hubert machte bei alledem so gar
nicht übertriebene Ansprüche, daß Georg er
staunte; jener mochte sich noch seines leicht
sinnigen Streiches vom Mittag her schämen
und das Edle in seiner Natur kam wieder
deutlicher zum Vorschein. Georg, der ihn
zuletzt bis zu dem Sprechzimmer Ambergs
begleiret hatte, wo Hubert sich vorstellen sollte,
verließ ihn in beruhigterer Stimmung. Wenn
Hubert nur in das rechte Fahrwasser kam,
konnte alles noch gut werden. Und vielleicht
war für ihn Anibergs Einfluß von unbe
rechenbarer Tragweite.
Die Brüder trennten sich mit warmem
Händedruck und.einem: Auf Wiedersehen!,
das dem folgendem Tage galt. Fast verschämt
hatte Georg noch zuletzt Hubert heimlich eine
in Papier gewickelte Geldsumme zugesteckt,
mit der dieser in den ersten Tagen seine
kleinen Ausgaben bestreiten sollte. Dann
stürmte er nach Hause, um sich nun endlich
seinen Arbeiten zu widmen, die er sehr wider-
feinen Willen so lange vernachlässigt hatte
und die ihn nun bis tief in die Nacht hinein
beschäftigten.
(Fortsetzung folgt.)
eine Kundgebung veranstalten, zogen
sich aber ohne Zwischenfall zurück. Trotz
der Erregung herrscht vollständige Ruhe.
England.
Der Herzog v. Argyll ist am Dienstag,
abend in Glasgow während einer Rede in
einer Versammlung plötzlich zusammenge-
brachen. Der Herzog sprach gerade über
Lord Roseberry und war am interessan
testen Punkte seiner Ausführungen ange
langt. „Ich will noch ein Wort mehr
über Lord Roseberry persönlich sagen.
Ueber seine Stellung als Premierminister.
Es gibt drei Arten Premierminister in
England. Die einen haben originelles
Genie. Sie machen sich Bahn durch ihre
Originalität. Solch einer war Pitt. Dann
kommen diejenigen, welche allmählich durch
das öffentliche Leben gehen und schließlich
auf die Spitze der Leiter kommen. So
einer war Sir Robert Peel. Dann kommt
die dritte Art. Sie werden Premiermini
ster, weil andere Leute sich um sie scharen."
Damit brach der Satz ab. Vielleicht war
auch nicht mehr nöthig.
Rutzrund.
Aus Warschau meldet der „Loc.Anz." :
Mehrere katholische Geistliche wurden vor-
gestern Nacht verhaftet. Der Erzbischof
Popiel beabsichtigt, seine Stellung nieder
zulegen.
Schweiz.
Den größten Springbrunnen der
Welt zu besitzen, kann sich die schweizerische
Stadt G»nf rühmen. Derselbe ist, wie
das internotionale Patentbureau von Hei
mann & Co. in Oppeln schreibt, erst vor
Kurzem am Ufer des Sees errichtet worden,
und wird der Wasserstrahl bis zu einer
Höhe von 90 Meter geworfen. Für ge
wöhnlich wird der Springbrunnen nur
Sonntags in Thätigkeit gesetzt. Abends
erfolgt elektrische Beleuchtung des Wassers
und zwar werden dann anstatt eines großen
Strahls mehrere von geringerer Höhe ge
worsen. Der Anblick des in verschiedenen
Farben leuchtenden Wassers soll großartig
sein.
Bern, 22. Jan. Gestern wurden zwei
Frauen und ein junger Mann aus dem
Dorfe Pontirone, Bezirk Biasca (Tessin)
auf einem benachbrten Berge von einer
Lawine überrascht und getödtet.
Oesterreich-Ungarn.
Ueber ein S ä b e l d u e l l iu Wien, in
welchem ein früherer preußischer Offizier
eine schwere Verwundung erlitten hat, ist
einem Berliner Journal folgende Meldung
zugegangen: Am Sonnabend hat hier ein
Säbelduell zwischen einem jetzt hier leben
den früheren preußischen Offizier, Herrn
v. K., und einem aktiven österreichischen
Offizier stattgefunden. Ersterer erhielt eine
schwere Kopfwunde. Den Anlaß zu dem
Duell gab eine peinliche Scene in einem
Restaurant, wo der Ncrddeutsche sich weg
werfend äußerte über die Haltung des
Hoch- und Deutschmeister-Regiments in der
Schlacht bei Königgrätz. Beide Herren waren
bei diesem Vorfall in Civil.
Durch die Explosion eines mit Benzin
gefüllten Fasses im Keller eines Kaufmanns
in Scmliii wurde das Haus stark beschädigt
und drohte einzustürzen. Von den Markt
frauen, welche vor dem Hause ihren Ver
kaufsstand haben, wurden zwei getödtet
und eine schwer verwundet.
Frankreich.
0ü est la femme? So kann man mit
Recht zu dem neuesten Pariser Stadt-
klatsch wieder einmal fragen. Diesmal
handelt es sich darum, dem Rücktritt
Casimir-Periers ein pikantes Re
lief zu verleihen. Da es in Paris be
reits die Spatzen von den Dächern pfeifen,
und die Angelegenheit immer mehr auch
einen politischen Charakter anzunehmen
droht, so glauben wir sie unseren Lesern
nicht länger vorenthalten zu dürfen. Ohne
uns für die Wahrheit des Gerüchts irgend
wie zu verbürgen, registriren wir als ge
treue Chronisten einfach, was Frau Fama
schon vor einigen Tagen meldete:
„Verschiedene Pariser Blätter bringen
ferner unverhüllte Andeutungen über Frauen
geschichten, die der eigentliche Grund zu
Periers Rücktritt gewesen sein sollen. Ge
meint ist damit, daß er mit Frau Bur-
deau, einer schönen Kreolin, ein
Verhältniß habe, daß diese Frau aber nach
den Anseindungen Angst gehabt habe, es
im Etysee fortzusetzen, und das Casimir
deshalb, in totaler Nerven zerrüttung
zurückgetreten sei. Er soll auch mit seiner
grau unglücklich leben. Wie weit das
Alles Geschwätz ist, ist schwer zu sagen.
Aber Sie können es in jedem Cafeehaus,
in den Couloirs der Kammer, kurz, über
all hören."
Einen politischen Charakter hat die
Affaire angenommen, nachdem sie von der
französischen Skandalpresse gierig aufge
griffen und in ihren Spalten mundgerecht
verarbeitet ist.
Eine Anzahl Blätter deuten heute intime
Vorgänge im Hause Casimir-Periers an.
Der Jntransigeant, die antisemitsche Libre
Parole und andere kündigen unverhüllt die
bevorstehende Sch ei vung zwischen dem
Ehepaar Perier an. Damit treten die
mehr oder minder glaubwürdigen Gerüchte,
die man sich vor und nach dem Rücktritt
des Präsidenten in Paris zuraunte, «n die
Oefientlichkeit.
Sollte grau Fama diesmal ausnahms
weise die Wahrheit gesprochen haben, so
würde 'die letzte Präsidentschaftskrise und
die Persönlichkeit Casimir-Periers allerdings
in einem ganz neuen Lichte erscheinen.
Jedenfalls hat Frankreich wieder einmal
seinen neuesten Skandal tin cke siöele.
Inland.
— Das Krönungs- und Ordens
fest hat am Sonntag in hergebrachter
Form im Schlosse stattgefunden. Das
Wetter stimmte durchaus nicht zu dem
Glanze, der im Schlosse entfaltet wurde.
Das äußerliche Zeichen der prunkenden
Vorgänge im Schloß war das Hissen der
deutschen Kaiserstandarte, der rothen Kö
nigsflagge und des kurbrandenburgischen
Adlers auf demselben; auch die königlichen
und prinzlichen Palais und die Staats
gebäude soivie einzelne Privathäuser hatten
Flaggenschmuck angelegt. Bon der Pracht
der farbenstrotzenden Galawagen, in denen
die fürstlichen Gäste zum Schloß fuhren,
stach das einfache zweispännige Kupee ab,
in dem die Kaiserin Friedrich die Fahrt
ins Schloß zurücklegte. Um halb 12 Uhr
begannen die Glocken der Schloßkapelle
zum Gottesdienst zu läuten, nachdem das
Kaiserpaar im Rittersaal die Defilircour
abgehalten hatte. Der Kaiser führte die
Kaiserin Friedrich, dann folgten Prinz
Heinrich mit der Kaiserin, Prinz Leopold
mit der Prinzessin Heinrich, Prinz Albrecht
mit der Prinzessin Leopold. Die Predigt
hielt Hofprediger Faber. Beim Verlassen
des Gotteshauses legte der Kaiser die so
genannte Opferspende der Ritter in Gold
in die silberne Kirchenbüchse; ein gleiches
thaten die Prinzen, die Botschafter, Gesand
ten und Ritter. Eine gute halbe Stunde
später fand die Tafel im Weißen Saale statt.
Ein Hofberichterstatter beschreibt die Pracht
bei dem Festmahl wie folgt: Aus dem Blumen
flor erglänzten die kostbaren Silbergefäße und
auf dem Damastleincn der Tafel schimmerte
das neue Porzellanservice, welches vor
mehreren Jahren in der königlichen Por
zellan-Manufaktur hergestellt worden ist —
weiß mit Ziegelroth und Gold nach einem
älteren Muster aus der Zeit des Großen
Königs. Bei Tafel saß der Kaiser zwischen
Gemahlin und Mutter. Er hatte gestickte
Generalsuniform angelegt; dazu trug der
Großmeister sämmtlicher preußischer Orden
auch deren Dekoration Die Kaiserin war
im vollen königlichen Schmucke. Ueber
einer Robe von Silberstoff breitete sich eine
Schleppe von dunkelbraunem, goldegesticktem
und mit Zobel verbrämtem Sammet. Ein
königliches Diadem von Brillanten schmückte
das Haupt. Dazu hatte sie Band und
Stern des Rothen Adlerordens angelegt.
Kaiserin Friedrich war ganz in Schwarz
gekleidet und hatte als einzigen Schmuck
die Kette des Schwarzen Adlerordens an
gelegt. Die Schleppe der Prinzessin Hein
rich bestand aus weißer Seide mit kostbarer
Silberstickerei. Die Prinzessin Friedrich
Leopold erschien mit einer hellblauen
Sammetschleppe und ebensolchem Ueber-
kleide mit Silberstickerei, Prinzessin Albrecht
hatte eine tiefrothe mit Goldenborden be
stickte Sammetschleppe angelegt, Prinzessin
Friedrich Karl eine Schleppe von hoch
rother Farbe gewählt. Während der Tafel
brachte der Kaiser das Hoch auf die neuen
Ritter aus.
Berlin, 22. Jan. Ueber das Duell
zwischen dem Rittmeister a. T. (nicht dem
Ceremonienmeister) Friedrich v. Kotze
und Frhrn. o. Schrader bringt die
„Kreuzztg." folgende Angaben: Dem
Letzteren haben die Kammerherrn v. Rei
schach und v. Blumenthal secundirt; die
Sccundantcn des Herrn v. Kotze waren der
Oberpräsidialrath von Brandenstein und
der Reichstagsabgcordnete Freiherr von
Hammerstein, während Herr von Tschirschky-
Renard das Amt des Unparteiischen über
nommen hatte. Die Forderung lautete
auf 15 Schritte Distanz, gezogene Pistolen
und dreimaligen Kugelwechsel. Trotzdem
hat eine Verwundung nicht stattgefunden
— Der Commission zur Borbe
rathung der sogen. U m st u r z - V o r l a g e
ist heute von den verbündeten Regierungen
ein Theil des verlangten Materials über
die Strafrechtspflege in andern Staaten
zugegangen.
— In der gestrigen K o m m i s s i o n s
berathung der Umsturzvorlage sind
von den Lippen des Ministers des Innern,
Herrn v. Koller, merkwürdige Aeußer
ungen über das Spitzelthum geflossen.
Einem ausführlichen Bericht entnehmen
wir über den Hergang Folgendes: Als zur
Rechtfertigung der Vorlage immer wieder
neue Schriftstücke anarchistischen Inhaltes
verlesen wurden, da rief das Kommissions
mitglied Bebel entrüstet dazwischen: Das
sind Polizeispitzel, die diese Dinge liefern,
und vor Allem rühren diese Sachen von
dem berüchtigten Reuß her. Worauf
Herr v. Köller gelassen entgegnete: „Wir
wissen, was wir von dem Reuß zu
halten haben, wir wissen, daß er Mitglied
des Authonomy-Clubs in London gewesen.
Er hat dort lange genug im warmen Neste
gesessen und er hat uns wesentliche
Dienste geleistet." Damit wäre ja
die erwünschte Klarheit über diese Persön
lichkeit erbracht. Bebel hat diese Aeußer
ung des Ministers sofort niedergeschrieben.
Es wird also Lärm genug noch geben in
der Plenarsitzung. Der „Vorwärts" er
klärt dazu, daß Reuß nicht nur preußischer
Spitzel, sondern auch Führer des Anar-
chistenklubs Autonomie gewesen ist, und
daß er als Spitzel ein monatliches Gehalt
von 450 Mk. erhalten habe. Abg. Frhr.
v. Stumm theilte in der Kommission
noch mit, daß Reuß, als er von den So
zialdemokraten gebrandmarkt worden war,
auch seinen Schutz nachgesucht habe. Bebel
erklärte, wenn der Minister es als „Treu
bruch" bezeichnete, wenn er Mittheilungen,
die ihm aus den Reihen der Anarchisten
zugehen, veröffentlichen würde, so lasse das
doch den Schluß zu, daß nähere Beziehun
gen zu den Anarchisten bestehen. Die Auf
forderung des Ministers, ihn im Kampfe
gegen die Anarchisten zu unterstützen, müssen
die Sozialdemokraten ablehnen: sie hätten
von jeher die Anarchisten selbständig be
kämpft, während diese gerade durch die
offiziöse Presse Unterstützung gefunden
habe. Ueber die Anarchisten a. D.,
Journalisten und Polizeispitzel Reuß be
merkte Abgeordneter Bebel in der Umsturz-
Kommission, daß derselbe heute noch einer
der begünstigten Journalisten einiger Reichs
ämter sei und offiziell zur Ein
weihung des Reichstagsgebäudes
zugelassen worden ist, obgleich jer
notorisch seiner Zeit Mitglied des Anar
chistenklubs Autonomie in London gewesen
— Zum Zusammentritt des preußischen
Staatsraths schreibt das „Volk": Wie
wir hören, ist die Berufung der Grafen
Kanitz und Mirbach in den Staats
rath eine beschlossene Sache; diese Be
rufung soll aber keineswegs zu der Er
wartung berechtigen, daß die Regierung
nunmehr auch allen von den genannten
Herren vertretenen Forderungen entgegen
kommen werde. Insbesondere ist ganz aus
geschlossen ein Eingehen der Regierung auf
den Antrag Kanitz betreffend die M o -
nopolisirung des Handels mit aus-
wärtigem Getreide.
— Auf Antrag eines Vertreters der
Centrumspartei ist in der Reichtags
baukommission beschlossen worden, die
(nackte) Figur der Justitia auf dem Stuhl
des Präsidenten kurzer Hand entfernen zu
lassen. Es wird dieser Justicia außer
ihrer absoluten Nacktheit noch besonders
zum Vorwurf gemacht, daß sie auf zwei
Schultern trägt.
Einen interessanten Beitrag zu der
jetzt so lebhaft erörterten Frage ärztlicher
Einkommens-Verhältnisse und deren theil-
weise traurigen Beschäftigungslosigkeit in
folge übergroßer Concurrenz bietet ein
der „Dtsch. Warte" im Original vor-
gelegter Brief, welchen ein aus einer
kleinen Nordbahnstadt nach Berlin überge
siedelter praktischer Arzt seinen hiesigen
Garderobenlieferanten, einer Compagnie-
Firma, übersandt hat. Unter Hinweis auf
die durch die Niederlassung in Berlin ver
ursachten Kosten und den noch geringen
Verdienst bittet er um Zahlungsstundung
und fährt dann wörtlich wie folgt fort:
„Am liebsten wäre es mir, wir glichen
die Sache in der Weise aus, daß ich mich
verpflichte, für die gelieferten Anzüge jeden
der beiden Herren Compagnons in je zwei
Krankheiten zu behandeln. Sollte einer
von Ihnen gleich bei der ersten Behänd-
lung sterben, würde natürlich der Ueber-
lebende das Recht auf freie Behandlung
in einer dritten Krankheit haben. Ich
bemerke dabei, daß ich als Krankheit nicht
eine vorübergehende Indisposition, wie
Husten, Schnupfen u. dgl. auffasse, sondern
nur ein reelles Leiden, wie Lungenent
zündung, Typhus, Wassersucht, Krebs usw.
darunter verstehe. In der Hoffnung, daß
Ihnen diese Vorschläge acceptabel erscheinen,
daß Sie sich aber jedenfalls noch etwas
gedulden, bin ich Ihr usw."
Beuchen (Oberschl.), 21. Jan. In Two-
rog erschoß ein steckbrieflich verfolgter Wild
dieb einen Gensdarm und einen Förster.
Der Mörder entfloh.
Ter sozialdeniokratische Vertrauensmann
für Ilmenau in Thüringen, Expedient
Evuard Münch, ist nach Unterschlagung
einer größeren Summe flüchtig geworden.
Gleich dem Leib-Regiment in München
sind jetzt auch das dortige 1. Jnf.-Regt
und das 1. Train-Bataillon von der Schar
lach-Epidemie ergriffen worden.
In Münden klagten beim Biere zwei
Bürger, der eine Besitzer einer Wäscherei
der andere ein Fabrikant, über die schlechte
Lage der Geschäfte. Dabei glaubte Jeder
von dem Andern, daß er ohne Grund
klage, bis schließlich der Eine dem Andern
einen Tausch der Geschäfte anbot. Vor
Zeugen wurde schriftlich abgemacht, daß
Beide auf diesen Vorschlag eingingen
Am folgenden Tage aber hatte sich oer
Fabrikant die Sache überlegt. Sein Ge
schäft ist 100 000 Mk. werth, das des
andern Kontrahenten -die Hälfte. So kam
er denn darum ein, den Tausch für un
gültig zu erklären. Der Wäschereibesitzer
ging auch darauf ein, bedang sich aber ein
Reugeld von 10 000 Mk. aus, die der
Fabrikant, um sich vor größerem Schaden
zu bewahren, denn auch zahlte. Das Geld
war jedenfalls schnell verdient.
Aus Bruchsal meldet der „L. A ": Man
versuchte, die Stadt an vier Stellen
zugleich in Brand zu stecken. Der
Versuch wurde rechtzeitig bemerkt. Die
Polizei ist den Thätern auf der Spur.
Oldenburg, 15. Jan. In allen Kreisen
ist die Empörung über die Betrügereien
des angeblichen Pastor Dr. Partisch groß-
Schon seit Langem hatte man P. verdäch
tigt, dann ließ er die Polizei einschreiten
und die „Verleumder" wurden verurtheilt.
Dabei log er rund um sich herum. Als
Partisch vor zehn Jahren an der hiesigen
St. Lambertikirche angestellt wurde, hatte
er sich durch sein frommes Gebühren und
durch seine herrlichen Zeugnisse das Ver
trauen des Oberkirchenraths zu erwerben
verstanden. Uebrigens versuchte ein ähn
licher Schwindler vor einigen Jahren in
einer Nachbargemeinde sein Glück, er mußte
aber Fersengeld geben. Partisch hatte an
sein Haus schreiben lassen: „Ich und mein
Haus wollen dem Herrn dienen." In der
Diakonissen-Anstalt, in der Jdiotenanstalt
u. s. w. war er thätig, sogar aushülfs-
weise als Religionslehrer am Schullehrer-
seminar, wo die Schüler ihn auslachten-
Auch als Schulinspektor wirkte er, vielen
Lehrern zum Verdruß, mußte doch sogar
ein jüngerer Lehrer seinetwegen fortgchen-
Man denke sich ferner diesen famosen Herrn
als Vorsteher eines „Damenhcims", eines
Diaconissenhauses. Man hat darüber im
mer im Stillen gemurrt, aber er verstand
die Kirchenbehörden zu täuschen.
Der „Hamb. Corr." theilt mit, daß das
Handelshaus, dem der neue Präsident Frank
reichs vorsteht, in Hamburg durch die in den
betheiligten Kreisen sehr bekannte und ge
achtete Firma Michelsen & Carstens ver
treten ist. Vor etwa drei Jahren hat
Herr Präsident Felix Faure in Hamburg
geweilt, um in Begleitung seiner Vertreter
den dortigen Freunden seiner Firma einen
Besuch abzustatten. Weiter wird mitge
theilt, daß er schon seit dem Jahre 1870
durch den inzwischen verstorbenen Fc-
Ehlers vertreten war und zu jener Zeit
mehrmals jährlich nach Hamburg kam-
Er war einer der ersten Franzosen, welche
nach dem Kriege wieder mit Deutschland
in kommerzielle Verbindung traten. Faure
benutzte seine häufige Anwesenheit, um sich
nicht allein über Hamburger, sondern auch
über sonstige deutsche Verhältnisse zu unter
richten, und erklärte oft, wie sehr er es
bedaure, nicht längere Zeit in Deutschland
verweilen zu können.
Durch den Konkurs einer Ludwigs
luster Viehvers icheruugsgese l l-
schaft sind zahlreiche kleinere Händler in
Hamburg-Altona schwer geschädigt worden-
Die entstandenen Verbindlichkeiten sollen
sich auf 100 000 Mk. beziffern, von ,& CIt
200' Mitgliedern dürfte die Hälfte e.0»»
hier und in Altona ansässig sein.
Hamburg, 21. Jan. Eine längst ge
suchte internationale Hochstaplerin, welche
unter dem Namen einer Gräfin Albedyll
die deutschen Hotels beschwindelt, wurde
hier endlich verhaftet. Das stattliche
Frauenzimmer ist aus Celle gebürtig und
heißt Louise Amelung. Sie wurde ohne
alle Mittel in einem Hamburger Hotel
verhaftet.
BroviriLietles
Auf die Provinz Schleswig-Holstein ent
fallen im neuen preußischen Etat folgende
einmalige und außerordentliche Ausgabe >0
Etat der Domänenverwallung: Zur SoM-
merbedeichung von Theilen des Osterhever
und des Tctenbüller Vorlandes im Kreise
Eiderstedt 268,500 Mk. Etat der Eisen
bahnverwaltung: Zur Erweiterung der
Gleisanlagen auf dem Bahnhöfe Nord-
schleswigsche Weiche erste Rate 100,000
Mark. Etat des Ministeriums der geist
lichen Unterrichts- und McdizinalangelegeN-
heiten: Zum Neubau eines evangelischen
Predigerseminars in Preetz erste Rate
50.000 Mark. — Zur Herstellung einet
Luftheizungsanlage im Hörsaale der Frauen
klinik in der Universität Kiel 2260 Mark-
— Zur Ergänzung der Ausstattung des
chemischen Instituts mit Instrumenten und
Apparaten. — Zum Neubau des Schul
lehrer-Seminars in Ratzeburg zweite und
letzte Rate 104,500 Mk. — Etat der Ju
stizverwaltung: Zum Erweiterungsbau des
Gerichts-Gefängnisses in Kiel, Ergänzungs
rate 9500 Mk. Etat der Bauverwaltung-
Zum weiteren Ausbau des Buhuensysteins
auf der Westküste der Insel Sylt, erste
Rate 100,000 Mk. — Zur Verbesserung
der Befeuerung der Flensburger Föhrve,
erste Rate 100,000 Mk. — Zum Neuba»
einer 123 Meter langen Kaistrecke ai"
Glückstädter Außerhafen, sowie zur Be
schaffung und Aufstellung eines feststehende»
DrehkrahnS für Handbetrieb, 133,500 A
— Zum Bau voii^ Steindecken und Busch.'
lahnungen zum Schutze der Deiche anl
Pellworm als verzinsliches Darlehn uN°
staatliche Beihülfe, erste Rate 125,000 A
Der Händler Blank in Altona, welches
wegen Ermordung seiner früheren
liebten zum Tode verurtheilt Ivar, ist vo»'
Könige zu lebenslänglicher Zuchthausstra^
begnadigt worden.
In Altona ist Frau Obcrbürgerineist^
Giese im blühenden Alter von 34 Jahr»"
verstorben.
X Itzehoe, 22 Jan. Bei der Hohe'^
Hörner Fäyre über den 'Nordostsecļaw'
ereignete sich em Uuglücksfall. Mehre»
Italiener benutzten die Fähre. Bel de
8n l
"richtet
"len u
*tttn e
feiten
feibtüe:
tat« G
fit wer
-s Ent
werden
ich
"tie
drin
dlai