estr. 97
-j Erscheint tägLich. -Z-
to sin 28-
8888mal
: Sandknöll
und Föß
wull mal
^riin«
erdurch z»
H meine
»ge,
in gütige
Bezugspreis:
vierteljährlich 2 frei ins Hans geliefert
2 . f( 15 k»
für Auswärtige, durch die Post bezogen
' 2 Jt 25 c)
Blei. Postprovision ;c., jedoch ohne Bestellgeld.
Jiiscrtionsprcis: pro Petitzcile 15 -L
Aeltrstes und geleftnstes Klatt im Kreise Rendsburg.
Anzeigen fiir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
->> 88ster Jahrgang.
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelinüsstge Liefenuig
dieses Blattes vorbehalten.
Als Beilagen
werden dem Blatt „Der Landwirth" soivie das
Blatt „Mode u. Heini" gratis bcigegcbcn.
3200 Abonnenten.
Wo. 10.
Sonnabend, öen 19 Januar
1895.
!9-,
agni,
npcrt.
)er gegen-
ale führt,
Stellung
fferten an
örde.
tilde.
öburg.
-it kleinen
n
iheres in
ib(."
lstr. 3.
g
Eiienftr. ^
n finden
swerft.
ueister.
önfeld.
inegehabte
I 147.
unter
sie 61.
micthen-
Hitlcl.
cthcn
13,
hen
enthaltend
aum nebst
dstr. 88-
Morgen-Depeschen.
Paris, 18. Ian. Der neue Präsident
Faure empfing heute Vormittag im Mi
nisterium zahlreiche Offiziere und die Be
amten der Marinedepartements. Später
derfammelten sich die Minister im Elysee,
»m ihre Demission einzureichen.
London, 18. Jan. „Standard" hält
die Wahl Faures für eine glückliche und
weint, der neue Präsident müsse vor Allem
das thun, was Perier unterlassen habe,
uämlich, die Kammer auflösen. „Daily
Telegraph" bezeichnet die Wahl ebenfalls
als günstig.
London, 19. Jan. Gestern Abend 6
Ühr entstand im Gebäude des Unterrichts
»tinisteriums Feuer; es wurde bedeutender
Materialschaden verursacht. Viele Scrip-
turen sind verbrannt. Die Feuerwehr
konnte nur das Auswärtige Amt schützen.
Der Grand wüthet noch fort.
Graz, 18. Jan. Gestern wurden hier
zwei angeblich russische Edelleute, sowie
«n hier wohnhafter Kaufmann Otto Hilde
brandt verhaftet. Die Ersteren bezeich
neten den Letzteren als einen aus Ruß-
land geflüchteten Wechselfälscher, der gar
uicht Hildebrandt heiße.
, Rom, 18. Jan. General Baratieri
iandte ein Telegramm, worin er mittheilt,
daß er den Rath der Mangassen gefangen
Uehmen wolle; er sei demselben schon scharf
Bus der Ferse. Die Italiener erbeuteten
Bitt 15. Januar 800 Pfeide, 4000 Ge
wehre, bedeutende Munitionsvorräthe vnd
"iele Fahnen.
Athen, 19. Jan. Bor den Gebäuden
bkr Kammern, die von Truppen bewacht
werden, fand am Donnerstag eine Protest
Undgebung gegen die neuen
Steuern statt. Es kam zu einem
Handgemenge, 4 Personen ivurden
verhaftet.
^ Wien, 19. Jan. Unweit der Station
Simmering erfolgte heute Morgen ein
Zusammenstoß zwischen der Maschine des
^rient-Expreßzuges und einer Güterzug-
Mkomotive. Beide Maschinen wurden
hark beschädigt. Verletzungen von Per-
ş°nen kamen nicht vor.
Budapest, 19. Jan. Ein Rechnungs-
Beamter, Namens Cziko, wurde verhaftet,
weil er auf ein gefälschtes Post-Sparkassen-
vuch 800 Gulden erhoben hatte. Das-
wlbe Betrugsmanöver soll er bereits mehrere
Male ausgeführt haben.
Berlin, 19. Jan. Eine gestern Abend
vom Deutschen Antisemitenbund ein-
berufene Volksversammlung beschäftigte sich
mit der Umsturzvorlage. Referent Dr
Böckel sprach sein Bedauern aus, daß Ab-
geordneter Liebermann v. Sonnenberg sich
im Reichstage nicht strikte gegen die Um
sturzvorlage erklärt habe; desgleichen be
dauere er, daß Abgeordneter Liebermann
v. Sonnenberg in die Kommission zur Be
rathung der Vorlage gewählt worden sei.
Die Vorlage sei ein Attentat des Groß-
kapitalismus auf die Freiheit des deutschen
Volkes, sie sei geschaffen zum Schutze des
Geldsackes. Schließlich wurde eine Reso
lution angenommen, in welcher sich die
Versammlung mit aller Entschiedenheit
gegen die Umsturzvorlage ausspricht.
Berlin, 19. Jan. Heute Mittag hat
in der Brauerei Friedrichshain eine etwa
von 2000 Personen besuchte Versammlung
von Arbeitslosen stattgefunden. In den
naheliegenden Straßen waren zahlreiche
Schutzleute anwesend, um etwaige Aus
schreitungen sofort zu unterdrücken. Reichs
lagsabgeordneter Förster-Hamburg sprach
über Ursachen und Wirkungen der Ar-
beitslosigkeit und führte aus, es liege im
Interesse der Gesellschaft, Abhilfe zu schaffen,
da sonst die Massen nicht gutwillig ver
hungern würden. Redner empfahl, an den
Magistrat eine Deputation zu senden,
welche um Angriffnahme von Nothstands-
arbeiu-n bitten solle. Einige Redner wider
sprachen dem. Hierauf ergriff das Wort
der Anarchist Pezypille. Derselbe schlug
vor, einen Aufzug durch die Stadt zu
machen, damit der Bourgeoisie das Elend
vor Augen geführt werde. Redner betonte,
er werde gewiß nicht verhunzen, denn er
werde nehmen, wo er etwas finde! Hier
auf wurde aus der Versammlung gerufen,
Redner sei .ein Spitzel. Große Unruhe
enlstanv. Von dem Absenden einer Depu
tation an den Magistrat wurde Abstand
genommen. Eine Resolution, daß die Ar
beitslosigkeit die natürliche Folge der
kapitalistischen Gesellschaftsordnung sei, die
nur durch eine sozialistische Gesellschafts-
Ordnung beseitigt werden könne, gelangte
zur Annahme. Die Versammlung ging
sodann ruhig auseinander. — In Kellers
Festsälen fand ebenfalls eine zahlreich be-
suchte Arbeitslosenversammlung statt, in
welcher der Abgeordnete Vogtherr sprach.
Berlin, 19. Jan. Das Staatsministeri-
nm trat heute Nachmittag zwei Uhr im
Reichstage zu einer Sitzung zusammen.
Feìiŗ Faure.
Versailles, 17. Jan. Der neue Prä
sident der französischen Republik, Felix
Faure, feiert in den letzten Tagen dieses
Monats seinen vierundfünfzigsten Geburts
tag. Er ist ein Selfmademan und hat
als junger Mann lange in den Gerbe
reien der Touraine gearbeitet. Heute
ist er ein sehr reicher Mann, Chef eines
großen Handlungshauses und einer Schiffs
rhederei in Havre. In Havre war er
während des deutsch-französischen Krieges
Kommandant der Mobilgarde. Damals
ward ihm das Kreuz der Ehrenlegion zu
getheilt.
Unter dem reaktionären Ministerium
Broglie wurde er von seinem Posten als
Maire-Adjunkt in Havre, den er inne
hatte, abgerufen. Er widmete sich nun der
Politik. 1876 kandidirte er zum ersten
Mal. Aber erst im Jahre 1881 wählten
ihn die Republikaner. Seither gehörte er
ohne Unterlaß dem Parlament an und
hatte einen großen Einfluß auf die Reform
des Eisenbahntarifs. Er arbeitete viel in
Kommissionen, war mehrmals Untersekretär
der Kolonien, im Käbinet Dupuy ward
ihm das Portefeuille der Marine zu Theil.
Man erinnert sich, daß er am 8. Januar
noch als Mitglied des Kabinets den Re
publikanern als der einzige Mann erschien,
der in der Wahl um das Kammerpräsidium
Brisson entgegenzustellen wäre. Damals
refüsirte er und heute hat er im Ringen
um den höchsten Staatskosten Brisson ge
schlagen.
Felix Faure ist eine hohe, magere Er-
scheinung, schon lveißhaarig, mit einem
kleinen weißen Schnurrbart. Er kleidet sich
inodern, und man sah ihn in der Kammer
stets in elegantem Rock und Gamaschen.
Er ist nahe verwandt mit dem höchsten
Beamten des Kongostaates, und diese Ver
wandtschaft soll der französischen Republik
wie dem Kongostaat schon über manche
Schwierigkeit hinweggeholfen haben. Einen
hervorragenden Ruf als Redner hatte er
in der Kammer nicht und zählte üben aupt
bisher nicht zu den markanteren Politischen
Persönlichkeiten der dritten Republik. Er
ist verheirathet, hat Kinder und macht in
Paris ein schönes Haus.
Faure wurde mit 435 Stimmen, also
niit einer Mehrheit von 72 Stimmen ge
wählt. Aber die Frage drängt sich auf;
Wie lange wird er sich vor der stetig wach
senden Hochfluth der mit dem Radikalis
mus verbündeten Sozialdemokratie zu halten
vermögen?
Jedenfalls ist die Wahl Faure's weit
glücklicher als es die von Brisson gewesen
wäre, dem, wenn man auch gänzlich von
seiner politischen Haltung absieht, die
Eigenschaften zur Ausfüllung des höchsten
Staatsamtes bei der Unduldsamkeit seines
Charakters durchaus fehlen. Daß auch in
Frankreich der Eindruck des Wahlergeb-
nisfes, abgesehen von den extremen Kreisen
sich als ein günstiger erweisen wird, dafür
bürgt am meisten die unbezweifelte Ehren
haftigkeit des Charakters von Felix Faure,
ein Moment, daß j« auch bei der Wahl
Sadi Carnots ausschlaggebend war. Einen
guten Eindruck dürften auch die Worte
machen, welche der neue Präsident auf die
Glückwünsche der Präsidenten der De-
putirtenkammer und des Senats erwiderte.
Er bezeichnete darin als sein Hauptbe
streben die Wahrung der Unparteilichkeit
und richtete in dieser Hinsicht einen Appell
an die Mitwirkung aller Vertreter der re
publikanischen Ansichten. Diese Worte
haben allerdings kaum die Bedeutung eines
Programms, zeigen aber doch, daß der
neue Präsident gewillt ist, jedem sein Recht
zukommen zu lassen.
Felix Faure galt auch bisher stets als
ein gegen andere Meinungen sehr rücksichts
voller Politiker und war deshalb im
Ministerium Dupuy am wenigsten ange
feindet. Auch ein ernsthaftes Eingehen
auf Forderungen von sozialistischer Seite
hat er in einer Programmrede von 1893
ausgesprochen, sofern es sich um wirklich
ernsthafte Verbesserungen handle; jedoch
ebenso entschieden wies er damals ver
brecherische Hetzereien, Unterdrückung und
Gewalt zurück.
Außereuropäische Gebiete
Shanghai, 18. Januar. Die „Central
News" melden: General Nodzu und
Marschall Ojama befinden sich in H a i t-
ş ch i n g. Dort findet K r i e g s r a t h
über die vorzunehmenden Operationen statt.
Die Chinesen haben um Nütschwang herum
eine derartige Streitkraft gesammelt, daß
eine unverzügliche Bewegung gegen sie ge-
beten erscheint. Die Chinesen verfügen
über 34 Bataillone mit 28 Feldgesck ützen
und Gatlingkanonen bei Aen-Kow. Diese
Streitmacht steht unter dem Commando
von vier Generalen, nämlich Shi, Schang,
Tso und Ko. 6000 Chinesen rücken süd
westlich von To-Long-Sai heran. Ein
ferneres chinesisches Corps von 2000 Mann
mit 5 Geschützen marschirt auf Hu-Jo-
Schang. In der Nähe dieses Ortes be
findet sich außerdem eine chinesische Brigade
von 4000 Mann. Die Chinesen sind ver
muthlich gegen die Schwierigkeiten geschützt,
die die rauhe Witterung den Bewegungen
der Japaner bereitet.
Auckland, 18. Januar. Die Fidschi-
Inseln wurden von einem furchtbaren
Orkan heimgesucht, durch den großer
Schaden zu Lande und zur See angerichtet
wurde. Die Schiffe haben schwer gelitten.
Man glaubt, daß viele Menschen umge
kommen sind. Das Schiff „Ophir" ist
mit 700 Tonnen Copra auf einem Riff
bei Leonka gescheitert. Ein unbekannter
Schooner ist bei der Insel Taviuni ge
scheitert. Man befürchtet, daß alle Per
sonen, die sich an Bord befanden, ertrun
ken sind.
Frankreich.
Versailles, 17. Jan. Als der Präsi
dent die Wahlziffer Faure's proklamirte,
sprangen die Sozialisten wüthend auf,
ballten die Fäuste und schrieen minutenlang:
„Nieder mit Faure!" Die Stimme des
Präsidenten, der Faure zum Präsidenten
der Republik proklamirt, wird vom Tu
mult übertönt. Das Centeum beantwortet
das Geschrei der Sozialisten durch Beifall
klatschen. Die Sozialisten geberden sich
Ivie rasend und schreien; „Nieder e
Reaktion;" Einer ruft: „Es lebe Brisson",
ivas das Signal wird zu einer stürmischen
Ovation der Sozialisten und Radikalen für
Brisson, der, vom Beifall umtost, still
sitzen bleibt. Bau dry d'Asson besteigt
die Tribüne, parlamentirt mit dem Prä
sidenten und hält eine kurze Rede, in dev
er beantragt, die Präsidentschaft der Re
publik aufzuheben. Die Sozialisten applau-
diren und rufen; „Es lebe der König
von Belgien!" Der Sozialist Viviani
bringt Namens der Wähler Mirmans uno
Gerault-Richards einen Protest dagegen
ein, daß man sie an der Ausübung ihres
Wahlrechts verhindert habe. Er protestirt
Namens seiner sozialistischen Freunde gegen
die Manöver, welche die Wahl Faure's
herbeigeführt haben. (Tumult im Centrum;
Beifall der Sozialisten) Die Sozialisten
Toussaint und Michelin verlangen die
Verfassungsrevision. Michelin protestirt
gegen das herrschende politische Bastard-
system. Der Präsident Challemel-
tileus.,
! Stube»,
t einzeln^
. 281.^,
Zubehöc-
tr. 18.^
iliie
teil 61Ş;
lzüge.
klaffe).
Mti Herzt».
Preisgekrönte Erzählung von Conrad Telmann.
. Der Direktor hatte seine Privatwohnnng
Hintcrhausc des mächtigen Gebüude-
^niplcxcs, welcher durch die ausgedehnten
^eschöftslokalitätcn der Gesellschaft in Anspruch
genommen wurde. An die Rückseite derselben
Moß sich ein Garten, welcher sich bis zu
städtischen Anlagen hinzog, die jetzt ms
"ein Platze der ehemaligen Fcstungswälle und
Gräben den Ort wie ein grüner, blühender
'aasen umschlossen.
Als Georg den Thorweg des Vordcr-
^bäudcs durchschritt, strömten gerade die
.^chaaren der Arbeiter und Arbeiterinnen aus
Druckerei und Buchbinderei ins Freie,
war Mittagspause. _ Lauteres, munteres
^triebe erfüllten die Korridore; die Maschinen
Mn rastloses Geklapper und Gcschnurre
Mt bis hierher herausscholl, waren in
Stillstand versetzt. Als Georg in den Hof
?Bbog, hörte er sich angerufen und erblickte,
umwendend, den ihm bekannten Leiter
^ Druckerei, einen alten, jovialen Weißbart,
11 ihn mit freundlicher Vertraulichkeit begrüßte,
k „Gewiß zum Herrn Direktor?" fragte er,
Hut in der Hand. „Nun, der wird in
%i Minuten zur Stelle sein. Schließt
^lade nur noch oben die Korrespondenz ab.
L .fl' einstweilen treffen sic das gnädige
Mulen im Garten. Darf ich Sie führen.
M Rechtsanwalt?"
, Georg hatte, gleichfalls den Hut ziehend,
.Ņîanne die Hand geschüttelt, machte
W letzt eine Bewegung, als ob er zurück
tu wollte.
"^ch weiß nicht," sagte er unsicher, „ich
möchte nicht das gnädige Fräulein — es ist
diesmal eine rein geschäftliche, vertrauliche
Angelegenheit, die mich herführt."
Der Alte hatte ein etwas ungläubiges
Lächeln auf den Lippen, als er erwiderte:
„Außerhalb der Gcschäftsstunden finden
Sic den Herrn Direktor niemals besser gelaunt,
als in Gegenwart des gnädigen Fräuleins,
Herr Rechtsanwalt. Das könnten Sie auch
schon wissen. Im Interesse Ihrer Sache ist
cs also dringend zu empfehlen, ihn dort zu
erwarten. Da sagt er zu allem Ja und
Amen."
Der Sprecher lachte behaglich hinterdrein.
Georg war ihm halb wieder seinen Willen
gefolgt, und sie betraten nun Beide den weit-
gedehnten Garten, der sich an das Rnckgcbäude
anschloß und dessen Wipfelmeer eben jetzt
von einem zarten lichten Schimmer über
spannen war. Ilcbcrall sproßten die Frühlings
blumen auf den Rasenplätzen und an den
Wegrändern, die Sonne wob ein gleißendes
Strahlennetz über der blühenden Wildniß, die
hier wie von der Welt abgeschieden dalag,
und nur jubilirende Vogelstimmen im Gezweige
durchbrachen die anmuthige Stille.
Der Alte hatte Georg auf einem der mit
Kies bestreuten Schlängelwegc bis zu einem
von einer mächtigen Eiche beschatteten Ruhe-
. tz geführt, der, etwas erhöht gelegen,
elnen freien Blick auf die Bastcianlagen ge
währte, hinter deren Bäumen die Thürme
der Stadt und die Masten der Schiffe sicht
bar wurden, die den Strom hinauf- und
hinabzogen. Es war ein reizvoller Platz,
der in seiner versteckten Einsamkeit doch wie
im engen Zusammenhang mit dem regen
Getriebe des Lebens stand, ohne daß es
hierauf brandete oder lärmte. In den alten
Fcstungsgräben blühten die Kirschbäume,
man blickte wie über ein weißes, leise im
Wind wogendes Meer darüber hin.
Von der Bank unter der Linde hatte sich
ein junges Mädchen erhoben, als die beiden
Männer zwischen den Bäumen hervortraten.
Sic war in Heller Kleidung und ihr gold
braunes, welliges Haar wurde von einem
brcitkrämpigen Strohhut überdeckt, unter dem
das feine Oval ihres blaffen, stillen Gesichtes
hervortrat, in welchem die dunklen, sinnenden
Augen fast zu groß erschienen. Ueber ihrer
eher zierlich und biegsam, als schlank zu
nennenden Gestalt lag etwas Fremdartiges,
das man nicht leicht hätte in Worte fassen
können, das aber unverkennbar sofort hervor
trat und dem eigenartigen Zauber, den
dieie zarte mädchenhafte Erscheinung ausübte,
noch erhöhte. Sie kam mit raschen, leichten
Schritten den Männern entgegen, von denen
der Alte mit einer halb ehrerbietigen, halb
vertraulichen Verbeugung eben wieder zurück
trat.
„Ich habe den Herrn Rechtsanwalt nur
den Weg gewiesen," sagte er, drückte Georg
die Hand und ging.
„Herr Winkler sagte mir, daß ich Ihren
Herrn Vater in wenigen Minuten hier würde
prechen können, gnädiges Fräulein," sagt
Georg befangen.
„Das ist auch wirklich so," sagte sie
reundlich, ihm die kleine schmale Hand
reichend, „ich erwarte ihn jeden Augenblick.
Gilt Ihr Besuch nur ihm?"
„Ich hätte sonst wohl nicht gewagt, heute
chon wieder —" brachte er verlegen hervor,
nachdem ich erst gestern —
,.Oh," machte sie, verwundert den Kopf
chüttelnd, während ihre großen, fragenden
Augen auf ihm hafteten, „können denn
Freunde zu oft oder auch nur oft genug
kommen? Setzen Sie sich wenigstens so lange
bis mein Vater da ist, zu mir! Es ist ein
hübscher Platz, nicht wahr? Man kann da
allerlei denken und träumen. Es ist, als ob
man das Leben aus einer gewissen Ferne
vor sich hätte, und da erscheints uns ge
wöhnlich reizvoller, als wenn mau so mitten
drinnen ist i» seinem Staub und Brodcm."
„Das sollte es aber nicht," sagte er, ohne
noch ganz seiner Befangenheit Herr werden
zu können. „Ich meine, wenn man ihm so
recht ehrlich grad in die Augen sieht, dann
erfährt man erst, wie schön und wie reich
es doch im Grunde ist. Blos wenn man
oberflächlich hinsieht, stößt es uns manchmal ab."
Er hatte neben ihr, ihrer Einladung folgend,
Platz genommmen und blickte, den Hut auf
seinen Knieen, über das schimmernde Blüthen-
meer in die duftumsponnene Weite hinaus.
„Sic meinen," fiel sic ein, die beiden
Hände lässig im Schooß gefaltet und die
Stirn leicht darauf herabgcbcugt, „das
Träumen sei müssig und gefährlich, nicht
wahr? Weil man nachher an das wirkliche
Leben mit solchen „geträumten" Ansprüchen
herantritt, die es dann nicht erfüllt und nicht
erfüllen kann, und deren Nichterfüllung uns
doch schmerzt und wohl gar bitter macht und
ungerecht. Habe ichs errathen?"
Sie hob die lang bewimperten, glanzvollen
Augen auf und sah ihn nachdenklich von der
Seite an. Georg >var unruhig auf seinem
Platze hin- und hergerückt.
„Ich finde," sagte er jetzt mit einer gewissen
Hast, „daß das Leben uns doch recht viele
und recht schöne Träume erfüllen kann,
Fräulein Petra."
Darauf schwieg sie und blickte nur traum
verloren in die grüne Wildniß hinaus,
während ihnen zu Häupten jetzt ein Buchfink
zu schmettern begonnen hatte.
„Wir müssen nur Geduld haben und
hoffen, setzte Georg nach einer kleinen Weile
hinzu. „Und dafür ist der Frühling ja recht
geeignet, daß er uns hoffen lehrt. Wenn
man sieht, wie alles rundum auf Erden dem
neuen Leben entgegenblüht und entgcgen-
jubilirt, schämt man sich ja seines Klcin-
muihs und wird muthig und freudig, daß
man sich gar nicht mehr wundern würde,
wenn uns ein großes Glück plötzlich in den
Schooß fiele. Freilich sollte es uns auch
wieder eine zudringliche Mahnung sein, uns
dessen würdig zu zeigen, damit cs uns nach
her nicht gar zu unverdient trifft und gar
zu beschämt macht."
Er hielt, über sich selbst erstaunt, inne
und sah sie an. Da gewahrte er, daß ihr
ein seltsam müdes Lächeln um die Lippen
ging. „Was Sic für ein Optimist sind,
Herr Hcrbing!" sagte Petra mit aufrichtiger
Verwunderung. „Solche Leute, wie Sic,
ind heutzutage selten geworden. Freilich,'
das ist ja ein Kompliment, wenn man
Jemandem sagen darf, daß er nicht so ist,
wie alle Welt. And im Grunde haben Sie
ja auch wohl recht. Nur ist das alles
Temperamentssache, glaube ich, denn man
kann sich zum Hoffen doch nicht zwingen,
das muß von selber kommen, wie alle
himmlische Gnadcngüter sonst und wie das
Glück auch. Und dann Übersicht cs eben der
eine leichter als der andere, wenn seine
Träume und Hoffnungen sich nicht erfüllen.
Aber es giebt Menschen — und ich glaube,
man darf sic nicht anklagen oder verdammen