-ļ> Erscheint täglich.
4 Menösburger V Wochenblaļļ.
BczrigsprŗiS:
Vierteljährlich 2 Jè.—, frei ins Haus geliefert
SPII« 2 Jt, 15 Ķ
' 'W* ™ ■" stir Auswärtige, durch die Post bezogen
2 J(, 25 §>
ine!. Postprovision re-, jedoch ohne Bestellgeld.
Jilkntionsprcis: pro Petitzcilc 15 Ļ
Krlìelîļ-ņ «nd grlrirnstes Klatt im Kreise Rendvbnrg.
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
88stcr Jahrgang, fr-
' /
Bei BrtncbSşiSnmgkn
'rgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung
dieses Blattes vorbehalten.
Als Beilagen
werden dem Blakt „Der Landwirth" sowie das
Blatt „Mode und Heim" gratis beigegeben.
3000 Uborknentcrr.
'310. 143.
Sonncrbenö, öen 22. Juni
1895.
ziigf
e.
en in der Dot
iibeläborfs e«
lbzugeben geg* :
, Neuestraße.^
Muttersch-ķ
n Bocklämmer»
Bünstorfs,
er ist ein
zantes
-PiļtZil»
zu verkauft».
. d. „R W>
enstadtstraK
ohnhaus îşş
listigen M-
Näh.
er, Mühle»'
bttden
aste 11<».
losen
e magelş
nt '
:f (Dorbck)^
Lande, »1
! bat, fin t!
bt. j
Louisenluft
llsļllklht. ,
s Rendsbu>ê
Juli
Morgen-D epeschen.
Itzehoe, 21. Juni. Bestimmt verlautet,
der Kaiser trifft Montag im Lockstcdter
kager ein, wo große Truppenübung statt
findet.
Kiel, 21. Juni. Heute Nachmittag drei
Uhr begann im Kieler Hasen die Flotten
revue. Sämmtliche deutschen Fürsten mit
Gefolge, die regierenden Bürgermeister der
freien und Hansestädte, sowie die fremden
Fürstlichkeiten wohnten auf der „Hohen
zollern" der Flottenrevue bei. Die frem
den Botschafter und fremden Gesandten,
der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, die
Minister, die Präsidien des Reichstags
und des preußischen Landtags hatten sich
auf dem Aviso „Grille" eingeschifft. Die
Flottenparade nahm einen glänzenden Ver
lauf. ^ Die Mannschaften sämmtlicher
Schiffe hatten auf Deck Aufstellung genom
men und erwarteten das Herannahen der
„Hohenzollern", aus welcher der Kaiser
sich befand. Der Kaiser stand auf der
obersten Kommandobrücke und wurde mit
brausenden Hurrahrufen empfangen, als er
sämmtliche Schiffe umfuhr. Auf den
Flaggschiffen spielte die Musik den Prüfen
tirmarsch.
Kiel, 21 Juni. Die „B N. N." mel
den: „Admiral Menard hatte in Hamburg
eine ungefähr zwanzig Minuten währende
Unterredung mit Sr. Majestät, die vom
Kaiser sehr gnädig geführt und beendet
wurde, also wohl befriedigend verlaufen ist."
Kiel. 21. Juni. Bei dem gestrigen
Diner aus dem Dampfer „Kaiser Wilhelm II"
drückte der Reichskanzler seine Freude und
Genugthuung darüber aus, daß der Kaiser
in seiner Kabinettsordre an den Staats
sekretär Dr. v. Bötticher ausgesprochen
habe, was auch sein Herz voll erfülle.
Dr. v. Bötticher erwiderte gerührt, er sei
tief ergriffen von den anerkennenden Worten
seines Chefs,, er werde in treuer Pflicht
erfüllung auf seinem Posten ausharren, so
lange der Kaiser es wünsche. Der Staats-
sekretär schloß, so lange der Kaiser über
treue, uneigennützige Beamte verfüge, sei es
um Deutschland nicht schlecht bestellt.
Holtenau, 21. Juni. Bei der Durch
fahrt der Flotte durch den Canal ereigneten
sich mehrfach Zwischenfälle. Der Schnell
dampfer „Kaiser Wilhelm II." saß ver-
'ichiedene Male fest. Die die ganze Flo-
rille begleiîenden Schlepper mußten schon
bei Kilometer 8 zur Hilfeleistung herbei-
eilen. Der norwegische Aviso „Biking"
log aut dem halben Wege quer im Canal
für zwei Stunden. Ter folgende ameri
konische Aviso „Marblehead" mußte deß
halb vertanen; da kein anderes Objekt
vorhanden war. wurde er an den Tele-
c raphenstangen vertäut, welche durch das
Gewicht umgebogen, theilweise ausgeriffen
wurden. Dem russischen Aviso „Groß-
jaschtschi" brach eine seiner beiden
Schrauben.
Paris, 21. Juni. Die Blätter publi
ciren mit großer Genugthuung ein Tele
gramm aus Petersburg, demzufolge das
Zarenpaar gestern zu derselben Zeit, in
welcher die Eröffnung des Nordostseekanals
stattfand, sich nach dem Palast in Peters-
Hof begaben, wo die Gemälde und sonstige
Kunstwerke ausgestellt sind, welche für
französische Städte bestimmt sind und theil
weise von der russischen Marine den Mili
tärkasino von Paris und Toulon znni Ge
schenk gemacht werden.
Reichenau, 22. Juni. In voriger Nacht
wurden hier und in der Umgegend zwei
heftige Erdstöße verspürt.
Tarnopol, 22. Juni. Die Umgebung
des Städtchens Cuczacz wurde durch einen
furchtbaren Sturm mit Hagel verheert.
Alle Saaten sind vernichtet.
Gotha, 22. Juni. Bei einem furcht
baren Gewitter ist die Billa des jüngst
verstorbenen Gustav Freitag in Siebleben
vom Blitz getroffen und durch das Feuer
vollständig zerstört.
Budapest, 21. Juni. In voriger Nacht
ging hier ein furchtbares Unwetter nieder.
Der Blitz schlug in die Billa des deutschen
Generalkonsuls, Prinzen Ratibor, welche
in wenigen Minuten in hellen Flammen
land. Die Bewohner vermochten sich noch
rechtzeitig zu retten. — In Weitzen wurde
ein Mann voin Blitz erschlagen.
und „Libre Parole" fallen heute mit bei
spielloser Heftigkeit gegen Rußland ans.
Caffagnac rechnet Rußland alle Wohlthaten
vor, die es von Frankreich empfangen
habe, und fährt fort: „Wir sind den
Russen sehr böse, daß sie uns nach Kiel
geschleppt haben. Was haben wir davon,
daß wir alles für Rußland thun, während
Rußland weder unser Geld noch unsern
Stolz noch unsere Ehre schont. Das
russische Bündniß hat nur den Zweck, uns
vor einem Kriege mit Deutschland zu be
wahren. Sobald wir uns mit Deutsch
land versöhnen, brauchen wir Rußlands
Schutz nicht, und da wir in Kiel den
Becher der Schande geleert haben, so könn
ten wir uns ebenso gut mit Deutschland
verbünden und brauchten für Rußlands
gute Dienste keinen übermäßigen Makler
lohn zu zahlen."
Belgien.
Eine seltsame Trauung erregte am Mon
tag in Lüttich Aussehen. Der Bräutigam,
die Braut und alle Zeugen hatten Fahr
räder bestiegen und erschienen in diesem
Aufzuge Ş zur Eheschließung im Rathause
Sämmtliche Männer hatten kurze Bein
kleider angelegt. Ein städtischer Beamter
beaufsichtigte während der feierlichen Hand
lung die Fahrräder.
MMemd,
Oesterreich-Ungarn.
Aus Graz wird berichtet: Infolge eines
Wolkenbruches und Hagelschlages in
Ober-Steiermark fanden Tammbrüche und
Dammrutschungen statt. Stellenweise ist
der Verkehr unterbrochen.
Frankreich.
Wie aus Paris gemeldet wird, war die
gestrige Kundgebung der antisemitischen
Hoch sch üler und Mitglieder der katholi-
chen Clubs lärmender als alle vorhergehen
den. Die Polizei halte häufig einzuschreiten
und mehrere Verhaflungen vorzunehmen
Die Blätter der Gruppe „Autorilö"
ZMsrĶ.
Berlin, 21. Juni. Die „Nat.-Ztg/
bespricht die Auszeichnung des Staatssekre
tärs v. Bötticher durch das kaiserliche
Handschreiben anläßlich der Eröffnungs
eier des Nordostseekanals. Das Blatt
schreibt: „Was der kaiserlichen Danksa-
gung ihr besonderes Gepräge verleiht, ist
der Schlußsatz, worin der Kaiser seinem
warmen Danke sür die hervorragenden
Dienste, die der Staatssekretär ihm und
einem Großvater geleistet habe, sowie dem
Wunsche Ausdruck verleiht, daß diese
Dienste noch lange ihm und dem Vater-
lande erhalten bleiben mögen. Es kann
nicht ausbleiben, daß diese Worte als
eine Antwort auf die Angriffe aufgefaßt
werden, denen Herr von Bötticher schon
oft und noch in den jüngsten Tagen aus-
gesetzt gewesen ist. Herr v. Bötticher wird
die Kundgebung des Kaisers als eine ihm
erwünschte Ergänzung der vom „Reichs-
Anzeiger" kürzlich veröffentlichten kaiser-
lichen Schreiben entgegennehmen. Auch
andere viel erörterte Beziehungen werden
aber dadurch gleichzeitig in eine schärfere
Beleuchtung gerückt."
1!
Ehrenschulden.
Berlin, 19. Juni. Das Alexianer
k lost er in Weißensee ist im Auftrage
de- Regierungspräsidenten durch Geh
Medizinalrath Kanzow-Potsdam und den
zuständigen Kreisphysikus einer Revision
unterzogen worden, die befriedigend ansfiel.
Berlin, 21. Juni. Der socialdemokra
tische Reichstagsabgeordnete Schippet ist
heute vom Landgericht wegen Beleidigung
der Vorgesetzten der deutschen Armee in
einem Artikel feines Blattes „Socialdemo-
krat" zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilt
worden. Der Staatsanwalt hatte sechs
Monate beantragt.
Emmerich, 18. Juni. Eine gute Stunde
unterhalb unserer Stadt, zwischen Sphk
und Lobith, liegen sieben Schiffe mit über
300 000 Pfund Dynamit, die der Einfuhr
nach Holland harren. Warum, so schreibt
das Bürgerblatt f. d. Kreis Rees, Borken-
Cleve, darf denn dort dies unheimliche
Quantum lagern? — Nun, weil da eben
ein „hübscher Lagerplatz" ist. Die Be
wohner Niederrheins verlangen kategorisch
von der Regierung: „Fort mit dem
Dynamit!" Ist es mit dem einen furcht
baren Unglück nicht genug gewesen? Die
Verantwortung trägt die Behörde, die ge
staltet, daß die Explosionsstoffe in unsere
Nähe gebracht werden.
Bamberg, 18. Juni. Ueber den Ihnen
bereits telegraphisch gemeldeten Hau sei n-
turz wird noch berichtet: Vor etwa 6
Wochen machte ein Nachbar den hiesigen
Magistrat in einer Eingabe auf den ge>
ahrdrohenden Zustand dieses Baues aus
merksam. Der Magistrat entsendete eine
Kommission unter Führung des Stadtbau
rathes, die das Gutachten abgab, es sei
Alles in vollkommener Ordnung,
was dem Beschwerdesührer amtlich mib
getheilt wurde. Heute ist der Bau ein
Schutthausen! Baumeister Reuter wurde
sofort verhaftet, soll aber bereits wieder
entlassen worden sein.
Breslau, 2. Juni. Ans dem Kinder
spielplätze an der dortigen Salvaiorkirche
in Schöningen spielten mehrere Kinder im
Alter von sechs bis zehn Jahren und ver
zehrten von dort angepflanzten Goldregen-
träuchern Blüthen in größeren Quanti
täten. Bei drei der Kleinen traten sofort
Vergiftungssymptome ein, und bereits nach
vier Stunden verstarb die sechsjährige
Tochter eines Händlers, während die beiden
anderen Kinder hoffnungslos darniederliegen.
Frankfurt a. M., 19. Juni. Der
Bankräuber Henry Beston, welcher
am 18. April d, I. in der hiesigen Reichs
bank einem Ausläufer 20 000 Mk. aus
der Tasche stahl, wurde von dem Landge
richte heute zu 3 Jahren Gefängniß und
5 Jahren Ehrverlust verurtheilt.
X
. * Hamburg, 20. Juni. Ein schönes
Bild aus dem Familienleben Sr.
Majestät des Kaisers bot sich dem
Publikum gestern an den St. Pauli-
Landungsbrücken. Den getroffenen Dis
positionen gemäß, sollten die kaiserlichen
Prinzen gleich nach der Ankunft in Ham
burg an Bord der „Grille" gehen und
nach Brunshausen weiterfahren. Bevor
sie jedoch von dem „Kaiseradler" nach der
daneben liegenden „Grille" sich begaben,
stellten sie sich sämmtlich vor ihrem Vater
ein und reichten demselben die Hand,
wobei sie sämmtlich, wohl von dem sich
ihnen darbietenden großartigen Hasenbilde
fröhlich erregt, vor Glück strahlten. Nach
dem der Kaiser und auch Prinz Heinrich
jedem die Hand gedrückt hatte, sprangen
die Prinzen die Treppe hinunter und eilten
die Hüte schwenkend an Bord der „Grille". ,
Allgemein fiel die frische Farbe des
Kaisers auf, der in seiner Kürasiieruniform
einen prächtigen Eindruck machie. Als er
den Wagen verlassen hatte, reichte er dem
neben ihm sitzenden Bürgermeister Dr.
Lehmann die Hand und half diesem aus
dem Wagen steigen.
- Eine neue Steuer, eine sogen.
„Reclame-Steuer", deren Erträge zu wohl
thätigem Zwecke verwendet werden sollen,
beabsichtigt der Centralausschuß der
Hamburger G a st Wirthe - Verein e
einzuführen. Wie allgemein bekannt sein
dürfte, werden die Gastwirthschaftsräume
oft mit Assichen aller Art, die für den
Besuch von Theatern, Concerten, Ausstel
lungen :c. oder für irgend ein Handels
geschäft Propaganda machen sollen, ausge
schmückt. Für solche Reclame-Placate, die
in den Gastwirthschaften oft alle Wände
in Anspruch nehmen, soll in Zukunft eine
Quartals- oder Jahresabgabe, deren Höhe
je nach Sachlage zu bemessen wäre, er
hoben werden. Die auf diese Weise ge
sammelten Gelder sollen für hülfsbedürftige
Wittwen und Waisen verstorbener Mit
glieder der drei Gastwirthe-Vereine Ver
wendung finden. Der „Verein Hamburger
Gast- und Schankivirthe von 1888" und
der „Verein Hamburger Schankivirthe von
1892" haben diesem Vorschlage bereits
ihre Zustimmung gegeben.
äsehandlung
in.
ffed, des R
ieiurrg
nd
êgehiìlfe»'
'en Städten
stellen.
Wohnung-;
er. Feuş'
i)nuļfeeJ?Ì
j ueriş
nprinzşş
-rmieķ
1, partes
m Kell^
nmer, j]
ie DaMft,!
frei. şi
chhot!
ber.
Wnigsşi
«ttg
oder tŞ
ce zu eft
Wocheub'
Novellette von Bertha Kätscher.
(Nachdruck verboten.)
„Potztausend! Also da steckst Du?" Mit
diesen Worten stürmte ein schmucker Husaren-
offizier ui das Arbeitskabinett seines Freundes
Baron Bclo v. Szatmary. „Welches Donner
wetter ist in Dich gefahren, mitten in ber
Saison Urlaub zu nehmen und Dich in dies
Eulennest zurückzuziehen? Ist das Frennd-
schaft? Das ganze Regim-m wütet und hat
wich als Abgesandten zu Dir geschickt: ich
habe Ordre, Dich lebend oder todt nach
D - . . . zu bringen. Sag' mal, Junge,
wie kann ein Mensch und noch dazu ein
Husarenrittmeister, der jung, reich und von
sämmtlichen Schönheiten der Stadt angebetet
>st, auf die absurde Idee verfallen, als Ein
siebter in der Pußta zu leben? Und was
für Leichenbittermiene er schneidet! Ist das die
Urt und Weise, wie ein ungarischer Edelmann
kinen Freund empfängt, der gekommen ist,
chni die Grillen zu vertreiben? Servus
yiubei', Meine Gesellschaft scheint Dir nicht
8'srade angenehm zu sein und ich darf wohl
wieder dahin gehen, von wo ich gekommen!"
Aergerlich knallte der Offizier mit feiner
-ttilpeitschc, drehte sich aus den Absätzen
wrum und niachte ernstlich Miene, das
oumner _ zu verlassen. Baron Bela, der
>sher ^ nicht gerade erfreut drein geblickt
şitîe, sah ein, daß er das Gastrecht verletzt
"nd rief, um seinen Fehler gutzumachen:
„Gyula, Du bleibst! Wozu unter Freunden
, "'pşindeleien? Du solltest wissen, daß Du
ur stets willkommen bist. Dein plötzliches
‘ lernen in meiner stillen Klause, wo ich
mich so gut verborgen wähnte, hat mich nur
überrascht. Ich hätte eher den Geist meiner
Ahnfrau erwartet als Dich. Setz' Dich da
an meine Seite, alter Junge und erzähle
mir. was es in der Garnison Neues giebt,
was Dich veranlaßt hat, mich hier zu suchen,
da ich Euch doch sagte, daß ich nach Paris
reise. Was hast Du in all der Zeit ge
trieben, wie viele Herzen gebrochen?"
„Bah, das ist sonst Deine Sache! Der
Teufel hole mich, wenn ich noch ein Wort
spreche, ehe Du Wein hergicbst! Aber einen
vernünftigen, denn die Zunge klebt mir am
Gaumen. Es ist kein Spaß, vier Stunden
im Trab zu reiten und das Alles nur, um
einen langweiligen Maulwurf in seinem Bau
zu überraschen!"
__ Mit diesen Worten warf sich Gyula v.
Srzabo auf die Ottomane, streckte und dehnte
sich behaglich, während Bela hinausging, um
ein Frühstück zu bestellen.
„Du, sei so freundlich und sorge auch
dafür, daß mein „Betzar" untergebracht
werde. Du kannst Dir ihn ansehen, ich
habe das Prachtthier gestern von meinem
Allen geschenkt bekommen!" ries Gyula dem
Hausherrn nach.
Bald saßen die Freunde bei einem guten
Gabelfrühstück und tauschten Frag' und
Antwort. Das Gespräch drehte sich haupt
sächlich um das Garnisonleben.
»Apropos, weißt Du schon, daß die ganze
Garnison in meine Kousine Marcsa verliebt ist?"
„Nein, das weiß ich nicht! Wer ist diese
Marcsa, ein Mädchen oder eine Frau?"
ragte Bela gleichgiltig.
Gyula, der nicht ohne Absicht das Gespräch
auf seine Kousine gelenkt hatte, entgegnele
mit einem lauernden Seitenblick auf seinen
Freund: „Wie Du nur so fragen kannst?
Heutzutage schwärmt man nur für ver-
heirathete Frauen. Marcsa ist ein famoses
Weib, sage ich Dir! Rasse, reine Raffe!
Echtes Ungarblut, schön, stolz, leidenschaftlich.
Alle Männer O. . . .'s schmachten, machen
Gedichte auf die schöne Frau Stulrichter und
vergöttern sie, alle Danien dagegen wüthen,
verlästern sie und erfinden pikante Geschicht-
chen. Darf ich Dir einschänkcn, Bela?"
„Nein, ich danke! Also Marcsa von
Szabo hat ihren Zweck erreicht! Sie ist
nicht nur Frau Stuhlrichter geworden, sie
macht auch Furore!" kam es bitter aus dem
Bkunde Belas, während seine Finger nervös
Brodkügclchen drehten und seine Äugen vor
verhaltenen Zügen blitzten. „Nun ja, jetzt
wird ^ sie wohl glücklich sein. Deine Frau
Kousine. der neuansgehende Stern am Fir
mamente O . . . . s! Was sagt ihr Gatte
dazu, ist er nicht eifersüchtig?"
Gyula war plötzlich ernst geworden, so
ernft, wie man es bei dem stets heiteren
Tollkops gar nicht für möglich gehalten
hätte. Eine peinliche Pause trat ein, beide
blickten nachdenklich in ihre Gläser, endlich
begann, Gyula:
.Eigentlich müßte ich Dich jetzt fordern,
denn Du hast das edelste, opfermüthigste und
elbstloscste Weib beleidigt, ein Weib, das
unglücklich ist, ein Weib, das meine Kousine
ist und das ich - liebe."
„Auch Du?" entschlüpfte cs Bela.
„Ja, auch ich und ich schäme mich nicht,
es Dir zu gestehen, wenn gleich meine Liebe
e ne hoffnungslose war, ist und sein wird.
Ich weiß, was Dich in diese Einöde ge
trieben; ich weiß, daß Du Marcsa liebtest,
noch ehe sie Frau Stuhlrichter geworden,
daß Du gehofft, das schöne Mädchen heim
zuführen auf Dein stolzes Ahnenschloß. Ich
weiß aber noch mehr; ich weiß, daß Marcsa
D i ch geliebt hat und jeden Bluttropfen
freudig für Dich geopfert hätte. Ja und
dieselbe Marcsa, dieses blühende, reizende
Geschöpf, hat dem alternden, einflußreichen
Stuhlrichter Vizes die Hand zum ewigen
Bunde gereicht und Dich mit einigen trockenen
Worten verabschiedet."
„Der arme Baron Szatmary konnte ihr
freilich keine so glänzende Stellung bieten
wie der einflußreiche Stuhlrichter Vizes!"
rief Bela bitter. „Ja, wäre mein Onkel,
der mich zu seinem Erben eingesetzt, um
einige Monate früher gestorben." —
„Wie leicht ist es, einen Menschen an
zuklagen! Glaube mir, Freund, die Dinge
liegen nicht immer so wie sie aussehen!
Marcsa ist unglücklich, sehr unglücklich; und
wie geschickt sie ihr Leid vor der Welt zu
verbergen weiß!"
„Vizes ist ja trotz seiner 60 Jahre noch
ein stattlicher Mann, sie hat sich eine
glänzende Stellung erobert, weshalb also ist
'ie unglücklich?"
„Bela, ich fange an, zu bezweifeln, daß
Du Marcsa wirklich geliebt hast, denn sonst
müßtest Du iviflen, daß sic nicht zu jenen
Weibern gehört, die in einer glänzenden
gesellschaftlichen Stellung ihr Glück suchen.
Sie ist ein tief angelegtes, liebcbedürftigcs
Wesen, ihr Herz hungert an der Seite des
Mannes, de» sic nie geliebt hat und nicht
lieben kann, ihre empfindsame Seele wird
täglich verwundet und ihr Stolz verletzt."
„Sie hat cs ja so gewollt!" brummte Bela.
„Nein, nicht sic hat es so gewollt. Ich
habe zwar versprochen, das Geheimniß zu
hüten, aber ich weiß, Du bist ein Ehrenmann
und so erfahre denn Alles. Nicht aus Ehr
geiz, nicht aus Liebe zum Luxus har Marcsa
Dich ausgegeben, nein, nur um den Namen
ihres Vaters zu retten und ihre Geschwister
vor Elend zu bewahren. Lange, ehe sie D i ch
kannte, hatte Vizes nm ihre Hand angehalten,
aber sie liebte ihn nicht und gab dem mäch
tigen Freier einen Korb, trotzdem ihre Eltern
in sie drangen, das Glück nicht von sich zu
weisen. Inzwischen waltete Onkel Szabo
weiter seines Amtes. Du weißt, wie klein
das Gehalt eines Dorfnotars ist. Mir war
es schon immer ein Räthsel, wie er, bei eincr
so zahlreichen Familie, damit sein Auskommen
finden konnte. Die Lösung sollte bald an
den Tag kommen — er war ein leidenschaft
licher Spieler und da er am „grünen Tisch"
nicht immer Glück hatte, vergriff er sich an
den Amtsgeldcrn. Lange vermochte er die
Geschichte zu vertuschen. Im vergangenen
April jedoch erging an alle Stuhlrichter und
Notare die Weisung, sich zum Empfang des
Obergespans bereit zu halten, der seine Rc-
vistonsrcise in einigen Tagen antreten werde.
Da geb cs kein Vertuschen mehr. Du kannst
Dir die Verzweiflung Szabo's denken. Es
handelte sich für ihn um keine kleine Summe,
— 3000 Gulden fehlten in seiner Kasse und
äst cbcnfo viel aus der Waisenkasse, deren
Verwalter er ist. Was war da zu thun?
Schon sah er sich entehrt, seines Amtes ent
hoben, seine Familie in Not. Konnte er das
überleben? War's da nicht besser, wenn er
'ich eine Kugel vor den Kopf jagte? Würde
aber damit die Sache ans der Welt geschafft
ein? Nein, nein! Wie stets, wenn er sich
in bedrängter Lage befand, nahm er seine
Zuflucht zu Marcsa; das kluge, energische