Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

-ļ> Erscheint täglich. 
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3000 Uborknentcrr. 
'310. 143. 
Sonncrbenö, öen 22. Juni 
1895. 
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Morgen-D epeschen. 
Itzehoe, 21. Juni. Bestimmt verlautet, 
der Kaiser trifft Montag im Lockstcdter 
kager ein, wo große Truppenübung statt 
findet. 
Kiel, 21. Juni. Heute Nachmittag drei 
Uhr begann im Kieler Hasen die Flotten 
revue. Sämmtliche deutschen Fürsten mit 
Gefolge, die regierenden Bürgermeister der 
freien und Hansestädte, sowie die fremden 
Fürstlichkeiten wohnten auf der „Hohen 
zollern" der Flottenrevue bei. Die frem 
den Botschafter und fremden Gesandten, 
der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, die 
Minister, die Präsidien des Reichstags 
und des preußischen Landtags hatten sich 
auf dem Aviso „Grille" eingeschifft. Die 
Flottenparade nahm einen glänzenden Ver 
lauf. ^ Die Mannschaften sämmtlicher 
Schiffe hatten auf Deck Aufstellung genom 
men und erwarteten das Herannahen der 
„Hohenzollern", aus welcher der Kaiser 
sich befand. Der Kaiser stand auf der 
obersten Kommandobrücke und wurde mit 
brausenden Hurrahrufen empfangen, als er 
sämmtliche Schiffe umfuhr. Auf den 
Flaggschiffen spielte die Musik den Prüfen 
tirmarsch. 
Kiel, 21 Juni. Die „B N. N." mel 
den: „Admiral Menard hatte in Hamburg 
eine ungefähr zwanzig Minuten währende 
Unterredung mit Sr. Majestät, die vom 
Kaiser sehr gnädig geführt und beendet 
wurde, also wohl befriedigend verlaufen ist." 
Kiel. 21. Juni. Bei dem gestrigen 
Diner aus dem Dampfer „Kaiser Wilhelm II" 
drückte der Reichskanzler seine Freude und 
Genugthuung darüber aus, daß der Kaiser 
in seiner Kabinettsordre an den Staats 
sekretär Dr. v. Bötticher ausgesprochen 
habe, was auch sein Herz voll erfülle. 
Dr. v. Bötticher erwiderte gerührt, er sei 
tief ergriffen von den anerkennenden Worten 
seines Chefs,, er werde in treuer Pflicht 
erfüllung auf seinem Posten ausharren, so 
lange der Kaiser es wünsche. Der Staats- 
sekretär schloß, so lange der Kaiser über 
treue, uneigennützige Beamte verfüge, sei es 
um Deutschland nicht schlecht bestellt. 
Holtenau, 21. Juni. Bei der Durch 
fahrt der Flotte durch den Canal ereigneten 
sich mehrfach Zwischenfälle. Der Schnell 
dampfer „Kaiser Wilhelm II." saß ver- 
'ichiedene Male fest. Die die ganze Flo- 
rille begleiîenden Schlepper mußten schon 
bei Kilometer 8 zur Hilfeleistung herbei- 
eilen. Der norwegische Aviso „Biking" 
log aut dem halben Wege quer im Canal 
für zwei Stunden. Ter folgende ameri 
konische Aviso „Marblehead" mußte deß 
halb vertanen; da kein anderes Objekt 
vorhanden war. wurde er an den Tele- 
c raphenstangen vertäut, welche durch das 
Gewicht umgebogen, theilweise ausgeriffen 
wurden. Dem russischen Aviso „Groß- 
jaschtschi" brach eine seiner beiden 
Schrauben. 
Paris, 21. Juni. Die Blätter publi 
ciren mit großer Genugthuung ein Tele 
gramm aus Petersburg, demzufolge das 
Zarenpaar gestern zu derselben Zeit, in 
welcher die Eröffnung des Nordostseekanals 
stattfand, sich nach dem Palast in Peters- 
Hof begaben, wo die Gemälde und sonstige 
Kunstwerke ausgestellt sind, welche für 
französische Städte bestimmt sind und theil 
weise von der russischen Marine den Mili 
tärkasino von Paris und Toulon znni Ge 
schenk gemacht werden. 
Reichenau, 22. Juni. In voriger Nacht 
wurden hier und in der Umgegend zwei 
heftige Erdstöße verspürt. 
Tarnopol, 22. Juni. Die Umgebung 
des Städtchens Cuczacz wurde durch einen 
furchtbaren Sturm mit Hagel verheert. 
Alle Saaten sind vernichtet. 
Gotha, 22. Juni. Bei einem furcht 
baren Gewitter ist die Billa des jüngst 
verstorbenen Gustav Freitag in Siebleben 
vom Blitz getroffen und durch das Feuer 
vollständig zerstört. 
Budapest, 21. Juni. In voriger Nacht 
ging hier ein furchtbares Unwetter nieder. 
Der Blitz schlug in die Billa des deutschen 
Generalkonsuls, Prinzen Ratibor, welche 
in wenigen Minuten in hellen Flammen 
land. Die Bewohner vermochten sich noch 
rechtzeitig zu retten. — In Weitzen wurde 
ein Mann voin Blitz erschlagen. 
und „Libre Parole" fallen heute mit bei 
spielloser Heftigkeit gegen Rußland ans. 
Caffagnac rechnet Rußland alle Wohlthaten 
vor, die es von Frankreich empfangen 
habe, und fährt fort: „Wir sind den 
Russen sehr böse, daß sie uns nach Kiel 
geschleppt haben. Was haben wir davon, 
daß wir alles für Rußland thun, während 
Rußland weder unser Geld noch unsern 
Stolz noch unsere Ehre schont. Das 
russische Bündniß hat nur den Zweck, uns 
vor einem Kriege mit Deutschland zu be 
wahren. Sobald wir uns mit Deutsch 
land versöhnen, brauchen wir Rußlands 
Schutz nicht, und da wir in Kiel den 
Becher der Schande geleert haben, so könn 
ten wir uns ebenso gut mit Deutschland 
verbünden und brauchten für Rußlands 
gute Dienste keinen übermäßigen Makler 
lohn zu zahlen." 
Belgien. 
Eine seltsame Trauung erregte am Mon 
tag in Lüttich Aussehen. Der Bräutigam, 
die Braut und alle Zeugen hatten Fahr 
räder bestiegen und erschienen in diesem 
Aufzuge Ş zur Eheschließung im Rathause 
Sämmtliche Männer hatten kurze Bein 
kleider angelegt. Ein städtischer Beamter 
beaufsichtigte während der feierlichen Hand 
lung die Fahrräder. 
MMemd, 
Oesterreich-Ungarn. 
Aus Graz wird berichtet: Infolge eines 
Wolkenbruches und Hagelschlages in 
Ober-Steiermark fanden Tammbrüche und 
Dammrutschungen statt. Stellenweise ist 
der Verkehr unterbrochen. 
Frankreich. 
Wie aus Paris gemeldet wird, war die 
gestrige Kundgebung der antisemitischen 
Hoch sch üler und Mitglieder der katholi- 
chen Clubs lärmender als alle vorhergehen 
den. Die Polizei halte häufig einzuschreiten 
und mehrere Verhaflungen vorzunehmen 
Die Blätter der Gruppe „Autorilö" 
ZMsrĶ. 
Berlin, 21. Juni. Die „Nat.-Ztg/ 
bespricht die Auszeichnung des Staatssekre 
tärs v. Bötticher durch das kaiserliche 
Handschreiben anläßlich der Eröffnungs 
eier des Nordostseekanals. Das Blatt 
schreibt: „Was der kaiserlichen Danksa- 
gung ihr besonderes Gepräge verleiht, ist 
der Schlußsatz, worin der Kaiser seinem 
warmen Danke sür die hervorragenden 
Dienste, die der Staatssekretär ihm und 
einem Großvater geleistet habe, sowie dem 
Wunsche Ausdruck verleiht, daß diese 
Dienste noch lange ihm und dem Vater- 
lande erhalten bleiben mögen. Es kann 
nicht ausbleiben, daß diese Worte als 
eine Antwort auf die Angriffe aufgefaßt 
werden, denen Herr von Bötticher schon 
oft und noch in den jüngsten Tagen aus- 
gesetzt gewesen ist. Herr v. Bötticher wird 
die Kundgebung des Kaisers als eine ihm 
erwünschte Ergänzung der vom „Reichs- 
Anzeiger" kürzlich veröffentlichten kaiser- 
lichen Schreiben entgegennehmen. Auch 
andere viel erörterte Beziehungen werden 
aber dadurch gleichzeitig in eine schärfere 
Beleuchtung gerückt." 
1! 
Ehrenschulden. 
Berlin, 19. Juni. Das Alexianer 
k lost er in Weißensee ist im Auftrage 
de- Regierungspräsidenten durch Geh 
Medizinalrath Kanzow-Potsdam und den 
zuständigen Kreisphysikus einer Revision 
unterzogen worden, die befriedigend ansfiel. 
Berlin, 21. Juni. Der socialdemokra 
tische Reichstagsabgeordnete Schippet ist 
heute vom Landgericht wegen Beleidigung 
der Vorgesetzten der deutschen Armee in 
einem Artikel feines Blattes „Socialdemo- 
krat" zu 2 Monaten Gefängniß verurtheilt 
worden. Der Staatsanwalt hatte sechs 
Monate beantragt. 
Emmerich, 18. Juni. Eine gute Stunde 
unterhalb unserer Stadt, zwischen Sphk 
und Lobith, liegen sieben Schiffe mit über 
300 000 Pfund Dynamit, die der Einfuhr 
nach Holland harren. Warum, so schreibt 
das Bürgerblatt f. d. Kreis Rees, Borken- 
Cleve, darf denn dort dies unheimliche 
Quantum lagern? — Nun, weil da eben 
ein „hübscher Lagerplatz" ist. Die Be 
wohner Niederrheins verlangen kategorisch 
von der Regierung: „Fort mit dem 
Dynamit!" Ist es mit dem einen furcht 
baren Unglück nicht genug gewesen? Die 
Verantwortung trägt die Behörde, die ge 
staltet, daß die Explosionsstoffe in unsere 
Nähe gebracht werden. 
Bamberg, 18. Juni. Ueber den Ihnen 
bereits telegraphisch gemeldeten Hau sei n- 
turz wird noch berichtet: Vor etwa 6 
Wochen machte ein Nachbar den hiesigen 
Magistrat in einer Eingabe auf den ge> 
ahrdrohenden Zustand dieses Baues aus 
merksam. Der Magistrat entsendete eine 
Kommission unter Führung des Stadtbau 
rathes, die das Gutachten abgab, es sei 
Alles in vollkommener Ordnung, 
was dem Beschwerdesührer amtlich mib 
getheilt wurde. Heute ist der Bau ein 
Schutthausen! Baumeister Reuter wurde 
sofort verhaftet, soll aber bereits wieder 
entlassen worden sein. 
Breslau, 2. Juni. Ans dem Kinder 
spielplätze an der dortigen Salvaiorkirche 
in Schöningen spielten mehrere Kinder im 
Alter von sechs bis zehn Jahren und ver 
zehrten von dort angepflanzten Goldregen- 
träuchern Blüthen in größeren Quanti 
täten. Bei drei der Kleinen traten sofort 
Vergiftungssymptome ein, und bereits nach 
vier Stunden verstarb die sechsjährige 
Tochter eines Händlers, während die beiden 
anderen Kinder hoffnungslos darniederliegen. 
Frankfurt a. M., 19. Juni. Der 
Bankräuber Henry Beston, welcher 
am 18. April d, I. in der hiesigen Reichs 
bank einem Ausläufer 20 000 Mk. aus 
der Tasche stahl, wurde von dem Landge 
richte heute zu 3 Jahren Gefängniß und 
5 Jahren Ehrverlust verurtheilt. 
X 
. * Hamburg, 20. Juni. Ein schönes 
Bild aus dem Familienleben Sr. 
Majestät des Kaisers bot sich dem 
Publikum gestern an den St. Pauli- 
Landungsbrücken. Den getroffenen Dis 
positionen gemäß, sollten die kaiserlichen 
Prinzen gleich nach der Ankunft in Ham 
burg an Bord der „Grille" gehen und 
nach Brunshausen weiterfahren. Bevor 
sie jedoch von dem „Kaiseradler" nach der 
daneben liegenden „Grille" sich begaben, 
stellten sie sich sämmtlich vor ihrem Vater 
ein und reichten demselben die Hand, 
wobei sie sämmtlich, wohl von dem sich 
ihnen darbietenden großartigen Hasenbilde 
fröhlich erregt, vor Glück strahlten. Nach 
dem der Kaiser und auch Prinz Heinrich 
jedem die Hand gedrückt hatte, sprangen 
die Prinzen die Treppe hinunter und eilten 
die Hüte schwenkend an Bord der „Grille". , 
Allgemein fiel die frische Farbe des 
Kaisers auf, der in seiner Kürasiieruniform 
einen prächtigen Eindruck machie. Als er 
den Wagen verlassen hatte, reichte er dem 
neben ihm sitzenden Bürgermeister Dr. 
Lehmann die Hand und half diesem aus 
dem Wagen steigen. 
- Eine neue Steuer, eine sogen. 
„Reclame-Steuer", deren Erträge zu wohl 
thätigem Zwecke verwendet werden sollen, 
beabsichtigt der Centralausschuß der 
Hamburger G a st Wirthe - Verein e 
einzuführen. Wie allgemein bekannt sein 
dürfte, werden die Gastwirthschaftsräume 
oft mit Assichen aller Art, die für den 
Besuch von Theatern, Concerten, Ausstel 
lungen :c. oder für irgend ein Handels 
geschäft Propaganda machen sollen, ausge 
schmückt. Für solche Reclame-Placate, die 
in den Gastwirthschaften oft alle Wände 
in Anspruch nehmen, soll in Zukunft eine 
Quartals- oder Jahresabgabe, deren Höhe 
je nach Sachlage zu bemessen wäre, er 
hoben werden. Die auf diese Weise ge 
sammelten Gelder sollen für hülfsbedürftige 
Wittwen und Waisen verstorbener Mit 
glieder der drei Gastwirthe-Vereine Ver 
wendung finden. Der „Verein Hamburger 
Gast- und Schankivirthe von 1888" und 
der „Verein Hamburger Schankivirthe von 
1892" haben diesem Vorschlage bereits 
ihre Zustimmung gegeben. 
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ce zu eft 
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Novellette von Bertha Kätscher. 
(Nachdruck verboten.) 
„Potztausend! Also da steckst Du?" Mit 
diesen Worten stürmte ein schmucker Husaren- 
offizier ui das Arbeitskabinett seines Freundes 
Baron Bclo v. Szatmary. „Welches Donner 
wetter ist in Dich gefahren, mitten in ber 
Saison Urlaub zu nehmen und Dich in dies 
Eulennest zurückzuziehen? Ist das Frennd- 
schaft? Das ganze Regim-m wütet und hat 
wich als Abgesandten zu Dir geschickt: ich 
habe Ordre, Dich lebend oder todt nach 
D - . . . zu bringen. Sag' mal, Junge, 
wie kann ein Mensch und noch dazu ein 
Husarenrittmeister, der jung, reich und von 
sämmtlichen Schönheiten der Stadt angebetet 
>st, auf die absurde Idee verfallen, als Ein 
siebter in der Pußta zu leben? Und was 
für Leichenbittermiene er schneidet! Ist das die 
Urt und Weise, wie ein ungarischer Edelmann 
kinen Freund empfängt, der gekommen ist, 
chni die Grillen zu vertreiben? Servus 
yiubei', Meine Gesellschaft scheint Dir nicht 
8'srade angenehm zu sein und ich darf wohl 
wieder dahin gehen, von wo ich gekommen!" 
Aergerlich knallte der Offizier mit feiner 
-ttilpeitschc, drehte sich aus den Absätzen 
wrum und niachte ernstlich Miene, das 
oumner _ zu verlassen. Baron Bela, der 
>sher ^ nicht gerade erfreut drein geblickt 
şitîe, sah ein, daß er das Gastrecht verletzt 
"nd rief, um seinen Fehler gutzumachen: 
„Gyula, Du bleibst! Wozu unter Freunden 
, "'pşindeleien? Du solltest wissen, daß Du 
ur stets willkommen bist. Dein plötzliches 
‘ lernen in meiner stillen Klause, wo ich 
mich so gut verborgen wähnte, hat mich nur 
überrascht. Ich hätte eher den Geist meiner 
Ahnfrau erwartet als Dich. Setz' Dich da 
an meine Seite, alter Junge und erzähle 
mir. was es in der Garnison Neues giebt, 
was Dich veranlaßt hat, mich hier zu suchen, 
da ich Euch doch sagte, daß ich nach Paris 
reise. Was hast Du in all der Zeit ge 
trieben, wie viele Herzen gebrochen?" 
„Bah, das ist sonst Deine Sache! Der 
Teufel hole mich, wenn ich noch ein Wort 
spreche, ehe Du Wein hergicbst! Aber einen 
vernünftigen, denn die Zunge klebt mir am 
Gaumen. Es ist kein Spaß, vier Stunden 
im Trab zu reiten und das Alles nur, um 
einen langweiligen Maulwurf in seinem Bau 
zu überraschen!" 
__ Mit diesen Worten warf sich Gyula v. 
Srzabo auf die Ottomane, streckte und dehnte 
sich behaglich, während Bela hinausging, um 
ein Frühstück zu bestellen. 
„Du, sei so freundlich und sorge auch 
dafür, daß mein „Betzar" untergebracht 
werde. Du kannst Dir ihn ansehen, ich 
habe das Prachtthier gestern von meinem 
Allen geschenkt bekommen!" ries Gyula dem 
Hausherrn nach. 
Bald saßen die Freunde bei einem guten 
Gabelfrühstück und tauschten Frag' und 
Antwort. Das Gespräch drehte sich haupt 
sächlich um das Garnisonleben. 
»Apropos, weißt Du schon, daß die ganze 
Garnison in meine Kousine Marcsa verliebt ist?" 
„Nein, das weiß ich nicht! Wer ist diese 
Marcsa, ein Mädchen oder eine Frau?" 
ragte Bela gleichgiltig. 
Gyula, der nicht ohne Absicht das Gespräch 
auf seine Kousine gelenkt hatte, entgegnele 
mit einem lauernden Seitenblick auf seinen 
Freund: „Wie Du nur so fragen kannst? 
Heutzutage schwärmt man nur für ver- 
heirathete Frauen. Marcsa ist ein famoses 
Weib, sage ich Dir! Rasse, reine Raffe! 
Echtes Ungarblut, schön, stolz, leidenschaftlich. 
Alle Männer O. . . .'s schmachten, machen 
Gedichte auf die schöne Frau Stulrichter und 
vergöttern sie, alle Danien dagegen wüthen, 
verlästern sie und erfinden pikante Geschicht- 
chen. Darf ich Dir einschänkcn, Bela?" 
„Nein, ich danke! Also Marcsa von 
Szabo hat ihren Zweck erreicht! Sie ist 
nicht nur Frau Stuhlrichter geworden, sie 
macht auch Furore!" kam es bitter aus dem 
Bkunde Belas, während seine Finger nervös 
Brodkügclchen drehten und seine Äugen vor 
verhaltenen Zügen blitzten. „Nun ja, jetzt 
wird ^ sie wohl glücklich sein. Deine Frau 
Kousine. der neuansgehende Stern am Fir 
mamente O . . . . s! Was sagt ihr Gatte 
dazu, ist er nicht eifersüchtig?" 
Gyula war plötzlich ernst geworden, so 
ernft, wie man es bei dem stets heiteren 
Tollkops gar nicht für möglich gehalten 
hätte. Eine peinliche Pause trat ein, beide 
blickten nachdenklich in ihre Gläser, endlich 
begann, Gyula: 
.Eigentlich müßte ich Dich jetzt fordern, 
denn Du hast das edelste, opfermüthigste und 
elbstloscste Weib beleidigt, ein Weib, das 
unglücklich ist, ein Weib, das meine Kousine 
ist und das ich - liebe." 
„Auch Du?" entschlüpfte cs Bela. 
„Ja, auch ich und ich schäme mich nicht, 
es Dir zu gestehen, wenn gleich meine Liebe 
e ne hoffnungslose war, ist und sein wird. 
Ich weiß, was Dich in diese Einöde ge 
trieben; ich weiß, daß Du Marcsa liebtest, 
noch ehe sie Frau Stuhlrichter geworden, 
daß Du gehofft, das schöne Mädchen heim 
zuführen auf Dein stolzes Ahnenschloß. Ich 
weiß aber noch mehr; ich weiß, daß Marcsa 
D i ch geliebt hat und jeden Bluttropfen 
freudig für Dich geopfert hätte. Ja und 
dieselbe Marcsa, dieses blühende, reizende 
Geschöpf, hat dem alternden, einflußreichen 
Stuhlrichter Vizes die Hand zum ewigen 
Bunde gereicht und Dich mit einigen trockenen 
Worten verabschiedet." 
„Der arme Baron Szatmary konnte ihr 
freilich keine so glänzende Stellung bieten 
wie der einflußreiche Stuhlrichter Vizes!" 
rief Bela bitter. „Ja, wäre mein Onkel, 
der mich zu seinem Erben eingesetzt, um 
einige Monate früher gestorben." — 
„Wie leicht ist es, einen Menschen an 
zuklagen! Glaube mir, Freund, die Dinge 
liegen nicht immer so wie sie aussehen! 
Marcsa ist unglücklich, sehr unglücklich; und 
wie geschickt sie ihr Leid vor der Welt zu 
verbergen weiß!" 
„Vizes ist ja trotz seiner 60 Jahre noch 
ein stattlicher Mann, sie hat sich eine 
glänzende Stellung erobert, weshalb also ist 
'ie unglücklich?" 
„Bela, ich fange an, zu bezweifeln, daß 
Du Marcsa wirklich geliebt hast, denn sonst 
müßtest Du iviflen, daß sic nicht zu jenen 
Weibern gehört, die in einer glänzenden 
gesellschaftlichen Stellung ihr Glück suchen. 
Sie ist ein tief angelegtes, liebcbedürftigcs 
Wesen, ihr Herz hungert an der Seite des 
Mannes, de» sic nie geliebt hat und nicht 
lieben kann, ihre empfindsame Seele wird 
täglich verwundet und ihr Stolz verletzt." 
„Sie hat cs ja so gewollt!" brummte Bela. 
„Nein, nicht sic hat es so gewollt. Ich 
habe zwar versprochen, das Geheimniß zu 
hüten, aber ich weiß, Du bist ein Ehrenmann 
und so erfahre denn Alles. Nicht aus Ehr 
geiz, nicht aus Liebe zum Luxus har Marcsa 
Dich ausgegeben, nein, nur um den Namen 
ihres Vaters zu retten und ihre Geschwister 
vor Elend zu bewahren. Lange, ehe sie D i ch 
kannte, hatte Vizes nm ihre Hand angehalten, 
aber sie liebte ihn nicht und gab dem mäch 
tigen Freier einen Korb, trotzdem ihre Eltern 
in sie drangen, das Glück nicht von sich zu 
weisen. Inzwischen waltete Onkel Szabo 
weiter seines Amtes. Du weißt, wie klein 
das Gehalt eines Dorfnotars ist. Mir war 
es schon immer ein Räthsel, wie er, bei eincr 
so zahlreichen Familie, damit sein Auskommen 
finden konnte. Die Lösung sollte bald an 
den Tag kommen — er war ein leidenschaft 
licher Spieler und da er am „grünen Tisch" 
nicht immer Glück hatte, vergriff er sich an 
den Amtsgeldcrn. Lange vermochte er die 
Geschichte zu vertuschen. Im vergangenen 
April jedoch erging an alle Stuhlrichter und 
Notare die Weisung, sich zum Empfang des 
Obergespans bereit zu halten, der seine Rc- 
vistonsrcise in einigen Tagen antreten werde. 
Da geb cs kein Vertuschen mehr. Du kannst 
Dir die Verzweiflung Szabo's denken. Es 
handelte sich für ihn um keine kleine Summe, 
— 3000 Gulden fehlten in seiner Kasse und 
äst cbcnfo viel aus der Waisenkasse, deren 
Verwalter er ist. Was war da zu thun? 
Schon sah er sich entehrt, seines Amtes ent 
hoben, seine Familie in Not. Konnte er das 
überleben? War's da nicht besser, wenn er 
'ich eine Kugel vor den Kopf jagte? Würde 
aber damit die Sache ans der Welt geschafft 
ein? Nein, nein! Wie stets, wenn er sich 
in bedrängter Lage befand, nahm er seine 
Zuflucht zu Marcsa; das kluge, energische
	        
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