vorgegangen und habe sogar, wenn nöthig, ein
Geschwader abgesandt, um seinen Forderungen
Nachdruck zu geben. Caprivi dagegen habe über
all ausgleichend zu wirken gesucht und Vergleiche
einem kräftigen Vorgehen vorgezogen. Seit 1890
habe die Vertretung der Deutschen im Auslande
an Kraft nachgelassen und die Deutschen hätten
nicht mehr an Rückhalt wie früher bei ihrer Re
gierung gefunden.
Der Redner geht sodann die einzelnen Fülle,
die ihm zu Ausstellungen Anlaß geben, durch
und erwähnt auch die Affäre Prohwe, Muhnke rc
Die Thätigkeit des Gesandten Peyer wird dabei
einer scharfen Kritik unterzogen. Der Haupttheil
der Ausführungen des Abgeordneten Hasse be
zieht sich auf die in letzter Zeit durch die Presse
eingehend besprochenen Vorkommnisse.
Dadurch, daß unsere Landsleute bei so mangel
haster Vertretung im Auslande von Unterneh-
mungen in überseeischen Ländern zurückhielten,
würde das Nationalvermögen geschädigt. Es
müsse eine Neuorganisation unserer überseeischen
Vertretung vorgenommen werden. Außerdem
beklage man sich überall über einen zu häufigen
Wechsel unserer diplomatischen und konsularen
Vertreter. Die Vertreter des Reiches müßten
dahin instruirt werden, daß sie nicht die Richter,
sondern die Anwälte der Deutschen im Auslande
seien. Die deutsche Flagge müsse häufiger im
Auslande gezeigt werden. Mehr als 50 Schiffe
seien voriges Jahr in der Ostsee versammelt ge
wesen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn
einige derselben im Auslande verwandt worden
wären. Graf Caprivi habe sich gegen die Ent
sendung von Schiffen nach Chile ausgesprochen;
sie sei erst nach dem Auftreten des Abg. Jebsen
im Reichstage erfolgt. Die Erklärung des Fürsten
Hohenlohe bei seinem ersten Erscheinen im Reichs
tage sage eigentlich schon zu, was die Inter
pellation fordere. Es sei die höchste Zeit, daß
aus den Worten Thaten würden. Das nationale
Selbstbewußtsein im deutschen Reiche müsse ge-
stürkl werden, wenn wir muthvoll in die Zukunft
blicken sollen.
Staatssekretär des Auswärtigen Freiherr von
Mar sch all: Als der Vorredner dem Grafen
Eaprivi Vorwürfe machte, habe er dafür, daß
seine Thätigkeit „fortwährendes Zurückweichen
gewesen wäre, keinen Beweis erbracht. Solche
Vorwürfe seien eine Ungerechtigkeit gegen
den vorigen Reichskanzler, der ein schwieriges
Amt übernommen und mit vollerHingebung
und Aufopferung geführt habe. (Leb
hafter Beifall.) Die Instruktionen, auf die sich
die Vertreter im Auslande stützten, stammten aus
der Zeit des Fürsten Bismarck her. Freilich
iei der Gesandte in Central-Amerika nicht dahin
instruirt, die Staaten als nicht ebenbürtig zu be
trachten nach dem Grundsätze „Ich bin groß und
Du bist klein". Der oberste Grundsatz' der Re
gierung sei dafür zu sorgen, daß die Deutschen
nach den Verträgen, dem Völkerrecht und nicht
schlechter als Andere behandelt würden. Aber
es könne nicht zugegeben werden, daß jeder
Deutsche, der hinausgehe, schalten könne, wie er
wolle; am meisten reklamirten Die, die am
meisten Anspruch darauf hätten, die Pioniere des
deutschen Gewerbefleißes im Auslande zu sein.
Der Staatssekretär fährt fort: Es sei ein
Irrthum zu glauben, daß im Auslande der
Deutsche alle mögliche Thätigkeit entfalten kann
unter dem vollen Schutz der heimischen Gesetze
Man könne nicht Demjenigen, der dorthin gehe,
wo eine schlechte Justiz sei, eine gute Justiz be
sorgen. Der deutsche Vertreter greife ein, wo
Justizverletzungen vorkämen, es sei aber von je
her deutsche Tradition gewesen, sich in innere
Angelegenheiten anderer Staaten nicht einzu
mischen und volle Neutralität zu bewahren. Jeder
Deutsche, der sich an den Bürgerkriegen im Aus
lande betheilige, müsse die Folgen seiner Hand
lung tragen. Amtliche Reklamationen könnten
nur dann angestellt werden, wenn die Regierung
festen Boden unter ihren Füßen habe. Dann
aber pflege sie mit Nachdruck und Entschieden
heit vorzugehen, wie es der Würde und dem An
sehen des Reiches entspricht. Aber mit dem
Säbel rasseln und nachher nachgeben müssen, das
ist nicht deutsche Art. Zwischen amtlichen Re
klamationen und Nichtsthun gebe es eine Mittel
straße. Der Vertreter verdient das höchste Lob,
der die größte Wirkung zu Gunsten deutscher
Interessen erziele, ohne zu reklamiren. Diese
Thätigkeit hänge lediglich von der Persönlichkeit
und von der Stellung ab, die sich der deutsche
Vertreter zu geben wisse. Deshalb sei die Aus
wahl der Personen sehr wichtig, kämen dabei
Mißgriffe vor, so würden sie wieder gut gemacht.
Der Staatssekretär geht dann auf die Spczial-
fälle ein. Wenn man den Gesandten Peyer an
greife, so werde stets angeführt, was er nicht
gethan habe, dagegen, was er gethan habe, nicht.
Der Staatssekretär bespricht zunächst den Fall
Matthies und dann den Fall Prowe und weist
aus amtlichen Schriftstücken nach, daß Herr Prowe
sich verschiedentlich in die innere Angelegenheit
centralamerikanischer Staaten eingemischt habe.
(Während dieser Ausführungen des Herrn von
Marschall sitzt der Reichskanzler auf seinem Platz
und hört aufmerksam zu.) Der Staatssekretär
schließt mit der Empfehlung der Vermehrung der
Panzerflotte. Ohne eine solche könne der Schutz
der Deutschen im Auslande nicht in dem ge
wünschten Matze gewährleistet werden.
&
Außereuropäische Gebiete
Newyork, 14. Januar. In Brooklyn
sind die Angestellten der Straßenbahnen,
mit Ausnahme einer einzigen Linie, in den
Ausstand eingetreten. Man schützt die
Zahl der Streikenden auf 6000.
Frankreich.
Paris, 1b. Jan. Das Ministerium
Dupuy ist gestürzt. Der ehemalige Mi
nister R a y n a l ist in den Anklage-
zustand versetzt. Die gemäßigt republi
kanischen Blätter bedauern den Sturz des
Cabinets und machen es theilweise Barthou
zum Vorwurf, daß er die Krise durch seinen
mehr gewohnt ist, sich satt zu essen, greift's
einen an, wie etwas Extravagantes, das
man begeht. Was aber Deinen Vorschlag
angeht, — ja, davon wollen wir morgen
weiter reden. Vorläufig dank' ich Dir für
Deinen guten Willen und für alles, was
Du an mir thust. Bist eben noch der alte,
gute Kerl von dazumal. Das hab' ich ja
auch gewußt, darum kam ich. Wenn Du mir
also diesen Divan hier für die Nacht ein
räumen willst, — Gepäck hab ich weiter
nicht," er lachte auf, „das letzte ist zum
Trödler gegangen. Man reist billiger so."
(Fortsetzung folgt.)
unzeitgemäßen Rücktritt herbeigeführt habe,
während sie der Haltung Dupuy's Aner
kennung zollen, der gefallen sei, weil er
die Grundsätze der Verfassung nicht auf-
opfern wollte. Die radikalen und sozia
listischen Blätter triumphiren in lärmender
Weise und beschuldigen Dupuy, er habe
die unverjährbaren Rechte des Staates
einer reaktionären Finanzoligarchie auf
opfern wollen. Die monarchistischen Organe
stellen die eingetretene Verwirrung fest und
deuten auf eine schwere Krise hin. Die
herrschende Meinung bezeichnet ein Mini
sterium der republikanischen Concentration
als die einzig mögliche Lösung. Der Name
Bourgeois' tritt in den Vordergrund; doch
läßt nichts die Entscheidung Casimir-Perier's
voraussehen, der dem Brauche gemäß sich
heute mit dem Präsidenten der Kammer
und des Senats berathen wird, ehe er
irgend eine Persönlichkeit mit der Cabinets-
bildung betraut.
Italien.
In Italien fällt eine Wahl nach der an
dern gegen Crispi aus. Bei der
Kammer-Stichwahl im vierten Wahlkreis
von Palermo wurde Garibaldi Bosco, ein
sizilianischer Sozialist, Ivelcher seiner Zeit
von dem Militärgericht verurtheilt worden
war, gewählt. — Zanardelli hielt in
Brescia bei einem ihm zu Ehren veran
stalteten Bankett eine längere Rede, worin
er das Cabinet Crispi bekämpfte, seine
verschiedenen Gewaltakte, die Vertagung
der Kammer, die Anwendung der Gesetzes
dekrete bezüglich der Auflösung der sozia
listischen Vereine sowie die Art der An
wendung der Ausnahmegesetze lebhaft ver-
urtheilte und hervorhob, Männer aus allen
Parteien könnten und müßten aus nalür-
licher Regung einträchtig in der Verthei
digung der Gesetze und des Grundgesetzes
der freiheitlichen Institutionen zusammen-
stehen. — Hundert römische Stu
denten, die durch die Vorlesung des so
zialistischen Professors Ferri erregt worden
waren, zogen unter Pereatrufen vor das
Unterrichtsministerium und die Zeitungs
redaktionen. Mehrere der Studenten wur
den verhaftet.
Die Hochzeit der Tochter Crispi's
fand in Neapel unter großer Prachtent
faltung statt. Der Dichter Giosue Car-
ducci hat der Braut eine kraft- und
schwungvolle Ode gewidmet, für die Crispi
ihm drahtlich mit Rührung gedankt hat.
Von allen Seiten sind kostbare Geschenke
eingetroffen, deren Gesammtwerth auf eine
halbe Million geschätzt wird; Von dem
Königspaare ein Armband und Ohrgehänge
in Perlen und Brillanten; eine kunstvolle
Visiteukartenschaale aus Silber, durch drei
silberne Statuetten getragen, von den
Unterstaatssekretairen; ein silbernes Thee-
service vom diplomatischen Corps; eine
Nadel mit einem großen Smaragd und
Brillanten vom Gesandten Grafen Anto-
nelli; ein Kettenarmband mit einer werth
vollen Camee vom Grafen Mattei; ein
Necessaire im Stile Ludwigs XV. vom
Grafen Nigra; ein Madonnenbild in Emaille
vom Kardinal Hohenlohe; ein altes Elfen-
bein-Krucifix und ein Bild des heiligen
Alfons vom Kardinal-Erzbischof Sanfelice;
eine Blume aus Emaille und Brillanten
als Brosche vom Exbotschafter Reßmann;
dazu eine ganze Reihe von Fächern, Uhren,
Schmuckgegenständen, Kleinodien, Gefäßen,
Kunstwerken, im Ganzen mehr als 150
Gegenstände. Die Hochzeitsgabe des
Bräutigams besteht aus einem Brillant-
halsband, einem Armband mit Perlen und
Brillanten, einem Brillantring mit großem
Rubin und Ohrgehängen aus Rubinen
und Brillanten. Die Schwester des
Bräutigams schenkte ein Schmuckkästchen
im Stile Ludwigs XV., seine Großmutter
ein Paar Ohrringe mit Solitaires, sein
Oheim einen Schreibtisch a la Ludwig XV.
Crispi selbst verehrte der einzigen Tochter
ein Oelbildniß. Donna Lina schenkte
ihr einen Haarschmuck in Saphiren und
Brillanten.
Eusapia Paladino ist das berühmteste
italienische Medium, das sich ja auch in
den spiritistischen Kreisen Deutschlands großen
Ansehens erfreut. In den letzten Wochen
hat sie eine Rundreise durch fast alle
großen Städte Italiens gemacht und mit
großem pekuniären Erfolge spiritistische
Sitzungen abgehalten. Als sie nach Neapel
zurückkehrte, mußte sie die unangenehme
Entdeckung machen, daß von Einbrechern
ihre Wohnung geplündert tvorden >var.
AVer siehe da, statt sich eiligst hypuotisiren
zu lassen und durch ihre Mediumkraft die
Diebe zu entdecken, wie sie dies Kunststück
in spiritistischen Sitzungen so gern vor-
sührr, eilte sie vor allen Dingen auf die
Polizei und nahm statt ihrer Geister
die Hilfe der Carabinieri in Anspruch.
Bisher freilich hat man von den Dieben
keine Spur.
Genua, 15. Januar. Infolge starker
S ch n e e f ä l l e mußten alle aus Ober
italien kommenden Eisenbahnzüge auf der
Station Ronco halten, da die Weiterfahrt
unmöglich war. An der Freimachung der
Linie wird gearbeitet. Der Schneefall
dauert sort.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 15. Januar. Die Gemahlin des
Oberhofmeisters Prinz Hohenlohe stürzte
gestern Nachmittag bei einem Spaziergange
im Augarten und zog sich eine anscheinend
schwere Verletzung des Oberschenkels zu
Die Prinzessin wurde bewußtlos nach
ihrer Wohnung getragen.
Aus Reichenberg in Böhmen meldet der
„L. A.": Eine Feuersbrunst äscherte
die Eisengießerei, Maschinen- und Kessel
Fabrik von Jung & Rachel in Rosenthal
ein. Etwa 100 Arbeiter sind brotlos
Der Schaden beträgt 200,000 Gulden.
Leoben, 15. Jan. Gestern Abend wurde
die Brauerei G o e ß. namentlich die Malz
darre durch Brand sehr beschädigt. Der
Schaden wird auf 200,000 Gulden ge
schätzt. Der Brauereibetrieb ist nicht gestört.
Inland.
Berlin, 15. Januar. Wie in parlamen
tarischen Kreisen verlautet, ist Graf Ka
nitz in den Staatsrath berufen;
demnach scheint ein baldiger Zusammentritt
des Staatsrathes beabsichtigt zu sein.
Berlin, 15. Jan. Wenn in einzelnen
Blättern mit einer gewissen absichtlichen
Bestimmtheit betont wird, so schreibt die
„Kreuzztg.", zwischen dem Reichskanzler
F ü r st e n Hohenlohe und dem Für
sten Bismarck seien politische Gespräche
nicht geführt worden, so sind wir in der
Lage versichern zu können, daß von beiden
Staatsmännern sowohl auf der Schlitten
fahrt durch den Sachsenwald, die ohne
Begleitung stattfand, wie auch bei Tisch
äußerst lebhafte Gespräche gepflogen wur
den. Alle Tagesfragen, besonders die Po
litischen, wurden eingehend erörtert.
— Zu dem parlamentarischen
Abend, der vom Reichskanzler
Fürsten Hohenlohe aņi Mittwoch veran
staltet wird, sind etwa 100 Einladungen
an Abgeordnete ergangen, außerdem sind
auch, wie bereits vom Grasen Caprivi
geschah, Einladungen an Mitglieder der
Presse (Chefredacteure hiesiger Blätter und
Vertreter großer auswärtiger Zeitungen)
zu dieser Soiree ergangen, soweit die be
treffenden Herren ihre Karten abgegeben
hatten.
Nach den „Berl. Pol. Nachr." soll
dem Reichstag ein Gesetzentwurf zu-
gehen, welcher sämmtlichen Gemeinden
Deutschlands gestattet, eine Gemeinde
steuer von Wein zu erheben bis zn 10
pCt. von der Höhe des Werths.
Berlin, 15. Jan. Contreadmiral Aschen-
b orn wurde der erbetene Abschied bewilligt.
— Herr Giolitti, der frühere ita
lienische Ministerpräsident wird, wie in
seiner Umgebung verlautet, bereits am
Donnerstag wieder BerlimCharlottenburg,
verlassen und sich direkt nach Turin be>!gedrungen, aber wenige zeigten Lnst, mil
Ahlwardt habe bei dem Verfasser den
letzten Rest von Achtung und Vertrauen
eingebüßt, seitdem er wisse, daß er den
Offen barung seid geleistet habe und
mit der ganzen Familie im Ostsee
bad lebte.
Breslau, 12. Jan. Der hiesige Post
be a m ten-K o ns u m vere in wird auf
gelöst, sobald die vorhandenen Waaren
verkauft sind, weil der Ober-Postdirektor
dem Post-Konsumvereinswesen unsympatisch
gegenübersteht.
Zwischen der Regierung zu Liegnitz und
dem Magistrat entstand seiner Zeit ein
Konflikt dadurch, daß erstere die städtischen
Körperschaften zwingen wollte, an die
Spitze der städtischen Forstverwaltung einen
akademischen Forstmeister zu stellen.' Nach
dem die Angelegenheit bereits in den Vor
instanzen zu Ungunsten der Stadt ent
schieden worden, hat diese jetzt, wie ein
Telegramm aus Berlin meldet, in letzter
Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht
ein obsiegendes Erkenntniß erstritten.
Denn kraft Urtheils des Oberverwaltungs
gerichts ist die obige Anordnung des Re
gierungspräsidenten, Prinzen Handjery,
aufgehoben worden. Im Interesse der
kommunalen Selbstverwaltung erscheint
dieser Ausgang des Konflikts beachtens
werth.
In dem Augenblicke, in dem die Frage
nach dem therapeutischen Werth des Heil
serums nicht nur die ärztliche Welt,
sondern weit darüber hinaus beschäftigt,
tritt Dr. Walls aus Wandersleben mit
einem Heilmittel gegen diese Krankheit an
die Oeffentlichkeit, das, nach seinen Beob
achtungen, als unfehlbar bezeichnet werden
muß. Das Medikament heißt Salaktol.
Dr Walls hat das Mittel bei 5 2 Fällen
von Diphtherie aller Varietäten und
aller Altersklassen in Anwendung gebracht
und nicht einen Todesfall, nicht eine
Nachkrankheit, welche gerade bei dieser
Krankheit so häufig sind, beobachtet; sondern
überall einen schnellen und sicheren Erfolg
erzielt.^ Das Mittel ist im Verhältniß
zum Heilserum billig, leicht anwendbar
und vollkommen ungefährlich. Näheres
rndet sich in Nr. 1,'l895 der „Sachver-
ständigen Zeitung".
Aus Ostpreußen, 13. Jan. Bei dem
hohen Schnee, der hier allenthalben die
Fluren bedeckt, lassen sich von Zeit zu
Zeit auch schon wieder Wölfe blicken, halten
ich aber in scheuer Entferung. Im vorigen
Jahrhundert, als unsere Gegend durch
die Pest menschenleer geworden war, wur
den die herrenlosen Grundstücke von der
Regierung neuen Ansiedlern umsonst auf
geben, um dort mit seinen politischen
Freunden zu konferiren.
— Der „Reichsanzeiger" theilt mit:
„Nach dem seitens des zuständigen Ge
richtsherrn bestätigten kriegsgericht
lichen Urtheils in Untersuchungshaft
genommenen Oberfeuerwerkerschüler
wurden sämmtliche Jnhaftirte bestraft.
131 erhielten wegen Ungehorsams je sechs
Wochen und einen Tag Gefängniß, welche
Strafe durch die Untersuchungshaft ver
büßt ist, 31 wegen Ungehorsams, Achtungs-
Verletzung, gemeinsamer Achtungsverletzung
und Drohung je nach der Schwere des
Vergehens Gefängniß von 6 Wochen und
2. Tagen bis zu 3 Monaten unter An
rechnung der Untersuchungshaft. Gleich
zeitig wurden mehrere degradirt. Ein
Unteroffizier wurde wegen Aufwiegelung
und gemeinsamer Achtungsverletzung zn
5 Jahren und einem Tage Gefängniß ver
urtheilt, wovon durch die Untersuchungs
haft 75 Tage verbüßt sind; ferner wurde
auf Degradation erkannt. Ein anderer
Unteroffizier erhielt wegen Ungehorsams,
Achtungsrurletzung, gemeinsamer AchlungS
Verletzung und Aufwiegelung 5 Jahre und
5 Monate Gefängniß; daneben Degrada
tion."
— Der antisemitische Agita -
tor Walter, welcher sich rühmt, für
Ahlwardt die Wahl in Arnswalde ge
macht zu haben und in jede gegnerische
Versammlung für Ahlwardt eingebrochen
zu sein, hat sich mit einer Jüdin
oerheirathet. Derselbe Joh. Walter
verbreitet jetzt als Beilage zum Wochen
blatt des Arnswalder Kreises ein Flug
blatt, in welchem er erzählt, daß ihm Ahl
wardt die bei der Wahl der „Einfachheit
halber" ausgelegten 300 M. nicht zurück
erstattet habe. Durch die Agitation für
Sie Landtagswahl sei diese Forderung auf
415 Ji angewachsen. Erst im Oktober
1894 habe man ihm das Geld zurückge
zahlt. Freilich, so heißt es in dem Flug
blatt des Herrn Johann Walter, iverde es
„jedem Geldschlucker ewig unverständlich sein
und bleiben, wie ein ehemal. „Antisemiten-An-
führer" ein ganz armes „Judenmädchen"
heirathen kann. — Freilich, verbummelten
sprossen verarmter Adelsgeschlechter ist es
gestattet — um ihr verrostetes Wappen
schild durch eine reiche Mitgift wieder
frisch zu vergolden — ein „Judenmädchen"
zu heirathen. Ahlwardt richte jetzt, nach
dem Baron v. Langen seine Schul
den bezahlt, seine Mistgabel auch gegen
Junker und Juden. Er schäme sich,
einstmals Ahlwardt's Freund gewesen zu
sein. Selten sei ein solch netter Bock zum
Gärtner gesetzt worden, wie Herr Ahlwardt.
den Wölfen in Nachbarschaft zu leben.
Die Neuangesiedelten verließen oft schon
nach kurzer Zeit Haus, Hof und Acker,
um nur aus dieser Gegend fortzukommen.
Es gab Leute, die von Schrecken ergriffen
wurden, wenn ihnen die Regierung das
Gnadengeschenk einer Hufe Land machte.
2o z. B. war am 22. August 1739 von
der Regierung zu Gumbinnen ein Termin
angesetzt, an welchem die wüsten Gärten
und Ländereien in der Nähe der Stadt
vertheilt werden sollten. Da klopft beim
Herrn Kriegs- und Domäuenrath, der
diese Bertheilung szu besorgen hatte, der
Schneidermeister Wollnick an, bringt dem
hohen Herrn einen prachtvollen Staats
rock zum Präsent und bittet flehentlich,
der gnädige Herr Regierungsrath möchte
ihn doch bei der in Aussicht stchendeu Ver-
theilung vor Ueberweisung von Land und
Gärten huldvollst bewahren
Braunschweig, 13. Jan. Den amtlichen
„Braunschweigischen Anzeigen" zufolge hat
auch das zweite von der staatlichen Berg
behörde an der Asse betriebene Bohrloch
in der Tiefe von 533 m ein mächtiges
Lager edler Kalisalze erschlossen, wel
ches erst bei 633 w Tiefe durchbohrt war.
Die „Braunschweigischen Anzeigen" bemer
ken hierzu: Der Fund übertrifft alle ge
hegten Erwartungen und liefert von Neuem
den Beweis von den im Herzogthum vor
handenen noch ungehobenen Schätzen.
Darmstadt, 15. Jan. In ihrer heutigen
Sitzung nahm die Ziveite Kammer, trotz
des Widerspruches der Regierung, mit 30
gegen 17 Stimmen den Antrag auf Ein
führung einer st a a t l i ch e n Klassen-
lotterie in Hessen an.
Der frühere Redakteur Boshart in
Gotha ist von dem Herzog von Coburg-
Gotha begnadigt worden, nachdem er seine
„vielfachen Angriffe gegen herzogliche Be
amte als auf unzutreffenden Nachrichten
beruhend" öffentlich zurückgenommen hat.
Köln, 15. Jan. Auf dem hiesigen
Friedhofe ivurde die Leiche eines ver
schwundenen Kassirers aus Bergisch
Gladbach gefunden. Der Selbstmörder
war in einem größeren Etablissement an-
gestellt.
Wegen Beleidigung der bewaff
ne l e n Macht ist in Dresden ein Ar
beiter zu zwei Atonalen Gefängniß verur
theilt worden, als er bei dem Vorbeiziehen
eines Trupps von etwa 60 Soldaten,
irgend eine Melodie pfeifend, denselben zw
gerufen: Pfeift doch mat den Sozialisten-
marsch.
Eine sensationelle Neuigkeit
Lüneburg und Umgegend etwa 400 Per
sonen in Radbruch an, um dort den
Wunderdoktor zu konsultiren, wurden aber
sämmtlich abgewiesen. Seitens der Rad-
bruch--r Station wurden telegraphisch von
Lüneburg Wagen für die Hamburger Pa
tienten requirirt. Ueber die Gründe der
Abweisung zirkuliren verschiedene Gerüchte.
Nach einer Version, die uns gemeldet wird.
„wäre Herrn Ast jegliches Praktiziren bis
auf Weiteres verboten bei einer Geldstrafe
von 150 Ji für jeden einzelnen Uebertre-
tungsfall". Auch aus Harburg und Stade
meldet man, daß Ast vorläufig in Rad
bruch seine Praxis aufgegeben hat. In
den letzten Tagen war der Andrang von
Patienten enorm. Ist Ast nun im Stande
zu heilen, oder sind die Patienten, theil
weise den gebildeteren Ständen angehörig,
alle dumm? Zum Spaß fahren die Leute
doch nicht nach Radbruch.
Friedrichsruh, 14. Jan. Ueber den Be
such des Fürsten Hohenlohe weiß ein
Spezialbarichterstatter des „Berl. Lokalanz."
nur zu melden, daß das Frühstück aus
Seezunge L la Colbert und Damwildrücken
mit Rothkraut bestanden hat. Nach diesem
Berichterstatter unternahmen die beiden
Fürsten trotz des schneidenden Ostwindes
eine Schlittenfahrt. Fürst Hohenlohe trug
während derselben die riesenhafte Pelz
mütze des Fürsten Bismarck, welche
seinen Kopf fast völlig verschwinden
ließ. Man sah eigentlich nur den Fürsten
Bismarck der die kleine Windmütze über
den leuchtenden Augen und den Kürassier
pelz um die stämmigen Schultern einherfuhr.
Provinzielles
Itzehoe, 14. Jan. Heute Nachmittag
hatten sich auf Einladung des Wahlkomites
reichlich l00 frühere Wahlmänner hier
zu einer Versammlung eingefunden, in der
Rechtsanivalt Dohrn den Borsitz führte.
Als es sich um Vorschläge in betreff der
Kandidatenfrage handelte, wurde von ver
schiedenen Seiten der Hofbesitzer En gel
brecht aus der Engelbrechtschen Wildniß
bei Glückstadt genannt. Der Herr soll
der nationalliberalen Partei angehören und
ist, wie allgemein bekannt, ein F ü h r e r d e s
des Bundes der Landwirthe.
Bei einem Streit mit seiner Frau erlitt
ein dem Trünke ergebener Arbeiter in
Altona, Nngerstraße 16, welcher die unter
der Decke hängende Lampe ergriff, um
diese seiner Frau an den Kopf zu werfen,
infolge Explodierens der Lampe solche
Brandwunden, daß er im Krankenhause an
den Folgen gestorben ist.
Vor Schreck ohnmächtig wurde ein Al-
tonaer Einwohner, der bei der Zwangs
versteigerung eines Grundstücks, an weichem
er mit einem Posten von 12 000 Mk. b§-i-'
theiligt war, zu bieten vergaß, so daß
das Grundstück einem anderen zugeschlagen
wurde. Hierüber wurde der Betreffende
so aufgeregt, daß er umfiel und per Droschke
nach seiner Wohnung befördert werden
mußte.
In die Bahnsteighalle des im Bau be
griffenen Altonaer Hauptbahnhofs werden
acht Personengeleise unter Vermeidung
jeder Niveaukreuzung geführt.
Gnrdilig, 15. Jan. Ein wichtiger Punkt
in der letzten Sitzung der Stadtkollegien
mar die Berathung über die Ausführung
des Kommunalabgabengesetzes in hiesiger
Stadt. Der Regierungspräsident dringt
bekanntlich darauf, daß die sämmtlichen
Realsteuern (Grund-, Gebäude-, Gewerbe-
unv Betriebssteuer) mit den gleichen höch
sten Sätzen (200 Proz.) herangezogen und
daß dann die indirekten Steuern, die Ge
bühren und Beiträge gehörig ausgenutzt
werden. Es ist nur schwer, in unserer
kleinen Stadt in letzterer Hinsicht geeignete
Steuerobjekte zu finden, die einen ins Ge
wicht fallenden Ertrag geben. Eine weitere
Erhöhung der Hundesteuer, etwa von den
vorgeschlagenen 3 Jt auf 5 Ji (in Tön
ning hat man 9 Ji). wäre vielleicht in
Betracht zu ziehen, einen wesentlich höheren
Ertrag wird sie indeß nicht ergeben, da
dann zweifellos weniger Hunde' gehalten
werden. Eine schärfere Heranziehung der
schon beträchtlich erhöhten Lustbarkeitssteuer
wurde allseitig als unthunlich bezeichnet,
da namentlich durch die vielen Lustbarkeiten
auf dem Lande das Einkommen der hiesigen
Wirthe in den letzten Jahren sehr geschä
digt ist. Am ineisten Zustimmung fand
nach dem „E. und St. W." noch eine
Biersteuer im Betrage von 65 Psg. pro
Hektoliter (ist ebenfalls in Tönning und
an vielen anderen Orten beschlossen), auch
die Erhebung der für die Abfuhr
aufgewandten Summe durch eine besondere
Steuer wurde angeregt, sand aber man
cherlei Bedenken, namentlich hinsichtlich der
Belastung der kleinen Hausbesitzer. Ein I
endgültiger Beschluß über die Neuordnung
der Kommunalsteuern ivurde bis zur näch
sten Sitzung der Stadtkollegien ausgesetzt.
Nordseebad WittdünAmrnm, 13. Jan.
Wie die „S. N." in Erfahrung gebracht
haben, ist das Kurhaus unseres Bades
auf 6 Jahre an^ die Herren August Za-
strom und Fritz Sattler aus Hamburg ver
pachtet morden. Der erstgenannte Herr
ist mehrere Jahre Geschäftsführer des Kur
hauses „Waugerog" und später Inhaber
vvn Hviel „Stadt Homburg" ui Piöu ge- j
vtrand
['in, di
«en St
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Kuh.
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aus Radbrnch melden Oie „Lunev. Anz.":>wesen, derscloe soll sich im weitesten Maage
„Heute Morgen langten aus Hamburg unbldes Wohlwollens des Publikums erfreuen.