Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

vorgegangen und habe sogar, wenn nöthig, ein 
Geschwader abgesandt, um seinen Forderungen 
Nachdruck zu geben. Caprivi dagegen habe über 
all ausgleichend zu wirken gesucht und Vergleiche 
einem kräftigen Vorgehen vorgezogen. Seit 1890 
habe die Vertretung der Deutschen im Auslande 
an Kraft nachgelassen und die Deutschen hätten 
nicht mehr an Rückhalt wie früher bei ihrer Re 
gierung gefunden. 
Der Redner geht sodann die einzelnen Fülle, 
die ihm zu Ausstellungen Anlaß geben, durch 
und erwähnt auch die Affäre Prohwe, Muhnke rc 
Die Thätigkeit des Gesandten Peyer wird dabei 
einer scharfen Kritik unterzogen. Der Haupttheil 
der Ausführungen des Abgeordneten Hasse be 
zieht sich auf die in letzter Zeit durch die Presse 
eingehend besprochenen Vorkommnisse. 
Dadurch, daß unsere Landsleute bei so mangel 
haster Vertretung im Auslande von Unterneh- 
mungen in überseeischen Ländern zurückhielten, 
würde das Nationalvermögen geschädigt. Es 
müsse eine Neuorganisation unserer überseeischen 
Vertretung vorgenommen werden. Außerdem 
beklage man sich überall über einen zu häufigen 
Wechsel unserer diplomatischen und konsularen 
Vertreter. Die Vertreter des Reiches müßten 
dahin instruirt werden, daß sie nicht die Richter, 
sondern die Anwälte der Deutschen im Auslande 
seien. Die deutsche Flagge müsse häufiger im 
Auslande gezeigt werden. Mehr als 50 Schiffe 
seien voriges Jahr in der Ostsee versammelt ge 
wesen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn 
einige derselben im Auslande verwandt worden 
wären. Graf Caprivi habe sich gegen die Ent 
sendung von Schiffen nach Chile ausgesprochen; 
sie sei erst nach dem Auftreten des Abg. Jebsen 
im Reichstage erfolgt. Die Erklärung des Fürsten 
Hohenlohe bei seinem ersten Erscheinen im Reichs 
tage sage eigentlich schon zu, was die Inter 
pellation fordere. Es sei die höchste Zeit, daß 
aus den Worten Thaten würden. Das nationale 
Selbstbewußtsein im deutschen Reiche müsse ge- 
stürkl werden, wenn wir muthvoll in die Zukunft 
blicken sollen. 
Staatssekretär des Auswärtigen Freiherr von 
Mar sch all: Als der Vorredner dem Grafen 
Eaprivi Vorwürfe machte, habe er dafür, daß 
seine Thätigkeit „fortwährendes Zurückweichen 
gewesen wäre, keinen Beweis erbracht. Solche 
Vorwürfe seien eine Ungerechtigkeit gegen 
den vorigen Reichskanzler, der ein schwieriges 
Amt übernommen und mit vollerHingebung 
und Aufopferung geführt habe. (Leb 
hafter Beifall.) Die Instruktionen, auf die sich 
die Vertreter im Auslande stützten, stammten aus 
der Zeit des Fürsten Bismarck her. Freilich 
iei der Gesandte in Central-Amerika nicht dahin 
instruirt, die Staaten als nicht ebenbürtig zu be 
trachten nach dem Grundsätze „Ich bin groß und 
Du bist klein". Der oberste Grundsatz' der Re 
gierung sei dafür zu sorgen, daß die Deutschen 
nach den Verträgen, dem Völkerrecht und nicht 
schlechter als Andere behandelt würden. Aber 
es könne nicht zugegeben werden, daß jeder 
Deutsche, der hinausgehe, schalten könne, wie er 
wolle; am meisten reklamirten Die, die am 
meisten Anspruch darauf hätten, die Pioniere des 
deutschen Gewerbefleißes im Auslande zu sein. 
Der Staatssekretär fährt fort: Es sei ein 
Irrthum zu glauben, daß im Auslande der 
Deutsche alle mögliche Thätigkeit entfalten kann 
unter dem vollen Schutz der heimischen Gesetze 
Man könne nicht Demjenigen, der dorthin gehe, 
wo eine schlechte Justiz sei, eine gute Justiz be 
sorgen. Der deutsche Vertreter greife ein, wo 
Justizverletzungen vorkämen, es sei aber von je 
her deutsche Tradition gewesen, sich in innere 
Angelegenheiten anderer Staaten nicht einzu 
mischen und volle Neutralität zu bewahren. Jeder 
Deutsche, der sich an den Bürgerkriegen im Aus 
lande betheilige, müsse die Folgen seiner Hand 
lung tragen. Amtliche Reklamationen könnten 
nur dann angestellt werden, wenn die Regierung 
festen Boden unter ihren Füßen habe. Dann 
aber pflege sie mit Nachdruck und Entschieden 
heit vorzugehen, wie es der Würde und dem An 
sehen des Reiches entspricht. Aber mit dem 
Säbel rasseln und nachher nachgeben müssen, das 
ist nicht deutsche Art. Zwischen amtlichen Re 
klamationen und Nichtsthun gebe es eine Mittel 
straße. Der Vertreter verdient das höchste Lob, 
der die größte Wirkung zu Gunsten deutscher 
Interessen erziele, ohne zu reklamiren. Diese 
Thätigkeit hänge lediglich von der Persönlichkeit 
und von der Stellung ab, die sich der deutsche 
Vertreter zu geben wisse. Deshalb sei die Aus 
wahl der Personen sehr wichtig, kämen dabei 
Mißgriffe vor, so würden sie wieder gut gemacht. 
Der Staatssekretär geht dann auf die Spczial- 
fälle ein. Wenn man den Gesandten Peyer an 
greife, so werde stets angeführt, was er nicht 
gethan habe, dagegen, was er gethan habe, nicht. 
Der Staatssekretär bespricht zunächst den Fall 
Matthies und dann den Fall Prowe und weist 
aus amtlichen Schriftstücken nach, daß Herr Prowe 
sich verschiedentlich in die innere Angelegenheit 
centralamerikanischer Staaten eingemischt habe. 
(Während dieser Ausführungen des Herrn von 
Marschall sitzt der Reichskanzler auf seinem Platz 
und hört aufmerksam zu.) Der Staatssekretär 
schließt mit der Empfehlung der Vermehrung der 
Panzerflotte. Ohne eine solche könne der Schutz 
der Deutschen im Auslande nicht in dem ge 
wünschten Matze gewährleistet werden. 
& 
Außereuropäische Gebiete 
Newyork, 14. Januar. In Brooklyn 
sind die Angestellten der Straßenbahnen, 
mit Ausnahme einer einzigen Linie, in den 
Ausstand eingetreten. Man schützt die 
Zahl der Streikenden auf 6000. 
Frankreich. 
Paris, 1b. Jan. Das Ministerium 
Dupuy ist gestürzt. Der ehemalige Mi 
nister R a y n a l ist in den Anklage- 
zustand versetzt. Die gemäßigt republi 
kanischen Blätter bedauern den Sturz des 
Cabinets und machen es theilweise Barthou 
zum Vorwurf, daß er die Krise durch seinen 
mehr gewohnt ist, sich satt zu essen, greift's 
einen an, wie etwas Extravagantes, das 
man begeht. Was aber Deinen Vorschlag 
angeht, — ja, davon wollen wir morgen 
weiter reden. Vorläufig dank' ich Dir für 
Deinen guten Willen und für alles, was 
Du an mir thust. Bist eben noch der alte, 
gute Kerl von dazumal. Das hab' ich ja 
auch gewußt, darum kam ich. Wenn Du mir 
also diesen Divan hier für die Nacht ein 
räumen willst, — Gepäck hab ich weiter 
nicht," er lachte auf, „das letzte ist zum 
Trödler gegangen. Man reist billiger so." 
(Fortsetzung folgt.) 
unzeitgemäßen Rücktritt herbeigeführt habe, 
während sie der Haltung Dupuy's Aner 
kennung zollen, der gefallen sei, weil er 
die Grundsätze der Verfassung nicht auf- 
opfern wollte. Die radikalen und sozia 
listischen Blätter triumphiren in lärmender 
Weise und beschuldigen Dupuy, er habe 
die unverjährbaren Rechte des Staates 
einer reaktionären Finanzoligarchie auf 
opfern wollen. Die monarchistischen Organe 
stellen die eingetretene Verwirrung fest und 
deuten auf eine schwere Krise hin. Die 
herrschende Meinung bezeichnet ein Mini 
sterium der republikanischen Concentration 
als die einzig mögliche Lösung. Der Name 
Bourgeois' tritt in den Vordergrund; doch 
läßt nichts die Entscheidung Casimir-Perier's 
voraussehen, der dem Brauche gemäß sich 
heute mit dem Präsidenten der Kammer 
und des Senats berathen wird, ehe er 
irgend eine Persönlichkeit mit der Cabinets- 
bildung betraut. 
Italien. 
In Italien fällt eine Wahl nach der an 
dern gegen Crispi aus. Bei der 
Kammer-Stichwahl im vierten Wahlkreis 
von Palermo wurde Garibaldi Bosco, ein 
sizilianischer Sozialist, Ivelcher seiner Zeit 
von dem Militärgericht verurtheilt worden 
war, gewählt. — Zanardelli hielt in 
Brescia bei einem ihm zu Ehren veran 
stalteten Bankett eine längere Rede, worin 
er das Cabinet Crispi bekämpfte, seine 
verschiedenen Gewaltakte, die Vertagung 
der Kammer, die Anwendung der Gesetzes 
dekrete bezüglich der Auflösung der sozia 
listischen Vereine sowie die Art der An 
wendung der Ausnahmegesetze lebhaft ver- 
urtheilte und hervorhob, Männer aus allen 
Parteien könnten und müßten aus nalür- 
licher Regung einträchtig in der Verthei 
digung der Gesetze und des Grundgesetzes 
der freiheitlichen Institutionen zusammen- 
stehen. — Hundert römische Stu 
denten, die durch die Vorlesung des so 
zialistischen Professors Ferri erregt worden 
waren, zogen unter Pereatrufen vor das 
Unterrichtsministerium und die Zeitungs 
redaktionen. Mehrere der Studenten wur 
den verhaftet. 
Die Hochzeit der Tochter Crispi's 
fand in Neapel unter großer Prachtent 
faltung statt. Der Dichter Giosue Car- 
ducci hat der Braut eine kraft- und 
schwungvolle Ode gewidmet, für die Crispi 
ihm drahtlich mit Rührung gedankt hat. 
Von allen Seiten sind kostbare Geschenke 
eingetroffen, deren Gesammtwerth auf eine 
halbe Million geschätzt wird; Von dem 
Königspaare ein Armband und Ohrgehänge 
in Perlen und Brillanten; eine kunstvolle 
Visiteukartenschaale aus Silber, durch drei 
silberne Statuetten getragen, von den 
Unterstaatssekretairen; ein silbernes Thee- 
service vom diplomatischen Corps; eine 
Nadel mit einem großen Smaragd und 
Brillanten vom Gesandten Grafen Anto- 
nelli; ein Kettenarmband mit einer werth 
vollen Camee vom Grafen Mattei; ein 
Necessaire im Stile Ludwigs XV. vom 
Grafen Nigra; ein Madonnenbild in Emaille 
vom Kardinal Hohenlohe; ein altes Elfen- 
bein-Krucifix und ein Bild des heiligen 
Alfons vom Kardinal-Erzbischof Sanfelice; 
eine Blume aus Emaille und Brillanten 
als Brosche vom Exbotschafter Reßmann; 
dazu eine ganze Reihe von Fächern, Uhren, 
Schmuckgegenständen, Kleinodien, Gefäßen, 
Kunstwerken, im Ganzen mehr als 150 
Gegenstände. Die Hochzeitsgabe des 
Bräutigams besteht aus einem Brillant- 
halsband, einem Armband mit Perlen und 
Brillanten, einem Brillantring mit großem 
Rubin und Ohrgehängen aus Rubinen 
und Brillanten. Die Schwester des 
Bräutigams schenkte ein Schmuckkästchen 
im Stile Ludwigs XV., seine Großmutter 
ein Paar Ohrringe mit Solitaires, sein 
Oheim einen Schreibtisch a la Ludwig XV. 
Crispi selbst verehrte der einzigen Tochter 
ein Oelbildniß. Donna Lina schenkte 
ihr einen Haarschmuck in Saphiren und 
Brillanten. 
Eusapia Paladino ist das berühmteste 
italienische Medium, das sich ja auch in 
den spiritistischen Kreisen Deutschlands großen 
Ansehens erfreut. In den letzten Wochen 
hat sie eine Rundreise durch fast alle 
großen Städte Italiens gemacht und mit 
großem pekuniären Erfolge spiritistische 
Sitzungen abgehalten. Als sie nach Neapel 
zurückkehrte, mußte sie die unangenehme 
Entdeckung machen, daß von Einbrechern 
ihre Wohnung geplündert tvorden >var. 
AVer siehe da, statt sich eiligst hypuotisiren 
zu lassen und durch ihre Mediumkraft die 
Diebe zu entdecken, wie sie dies Kunststück 
in spiritistischen Sitzungen so gern vor- 
sührr, eilte sie vor allen Dingen auf die 
Polizei und nahm statt ihrer Geister 
die Hilfe der Carabinieri in Anspruch. 
Bisher freilich hat man von den Dieben 
keine Spur. 
Genua, 15. Januar. Infolge starker 
S ch n e e f ä l l e mußten alle aus Ober 
italien kommenden Eisenbahnzüge auf der 
Station Ronco halten, da die Weiterfahrt 
unmöglich war. An der Freimachung der 
Linie wird gearbeitet. Der Schneefall 
dauert sort. 
Oesterreich-Ungarn. 
Wien, 15. Januar. Die Gemahlin des 
Oberhofmeisters Prinz Hohenlohe stürzte 
gestern Nachmittag bei einem Spaziergange 
im Augarten und zog sich eine anscheinend 
schwere Verletzung des Oberschenkels zu 
Die Prinzessin wurde bewußtlos nach 
ihrer Wohnung getragen. 
Aus Reichenberg in Böhmen meldet der 
„L. A.": Eine Feuersbrunst äscherte 
die Eisengießerei, Maschinen- und Kessel 
Fabrik von Jung & Rachel in Rosenthal 
ein. Etwa 100 Arbeiter sind brotlos 
Der Schaden beträgt 200,000 Gulden. 
Leoben, 15. Jan. Gestern Abend wurde 
die Brauerei G o e ß. namentlich die Malz 
darre durch Brand sehr beschädigt. Der 
Schaden wird auf 200,000 Gulden ge 
schätzt. Der Brauereibetrieb ist nicht gestört. 
Inland. 
Berlin, 15. Januar. Wie in parlamen 
tarischen Kreisen verlautet, ist Graf Ka 
nitz in den Staatsrath berufen; 
demnach scheint ein baldiger Zusammentritt 
des Staatsrathes beabsichtigt zu sein. 
Berlin, 15. Jan. Wenn in einzelnen 
Blättern mit einer gewissen absichtlichen 
Bestimmtheit betont wird, so schreibt die 
„Kreuzztg.", zwischen dem Reichskanzler 
F ü r st e n Hohenlohe und dem Für 
sten Bismarck seien politische Gespräche 
nicht geführt worden, so sind wir in der 
Lage versichern zu können, daß von beiden 
Staatsmännern sowohl auf der Schlitten 
fahrt durch den Sachsenwald, die ohne 
Begleitung stattfand, wie auch bei Tisch 
äußerst lebhafte Gespräche gepflogen wur 
den. Alle Tagesfragen, besonders die Po 
litischen, wurden eingehend erörtert. 
— Zu dem parlamentarischen 
Abend, der vom Reichskanzler 
Fürsten Hohenlohe aņi Mittwoch veran 
staltet wird, sind etwa 100 Einladungen 
an Abgeordnete ergangen, außerdem sind 
auch, wie bereits vom Grasen Caprivi 
geschah, Einladungen an Mitglieder der 
Presse (Chefredacteure hiesiger Blätter und 
Vertreter großer auswärtiger Zeitungen) 
zu dieser Soiree ergangen, soweit die be 
treffenden Herren ihre Karten abgegeben 
hatten. 
Nach den „Berl. Pol. Nachr." soll 
dem Reichstag ein Gesetzentwurf zu- 
gehen, welcher sämmtlichen Gemeinden 
Deutschlands gestattet, eine Gemeinde 
steuer von Wein zu erheben bis zn 10 
pCt. von der Höhe des Werths. 
Berlin, 15. Jan. Contreadmiral Aschen- 
b orn wurde der erbetene Abschied bewilligt. 
— Herr Giolitti, der frühere ita 
lienische Ministerpräsident wird, wie in 
seiner Umgebung verlautet, bereits am 
Donnerstag wieder BerlimCharlottenburg, 
verlassen und sich direkt nach Turin be>!gedrungen, aber wenige zeigten Lnst, mil 
Ahlwardt habe bei dem Verfasser den 
letzten Rest von Achtung und Vertrauen 
eingebüßt, seitdem er wisse, daß er den 
Offen barung seid geleistet habe und 
mit der ganzen Familie im Ostsee 
bad lebte. 
Breslau, 12. Jan. Der hiesige Post 
be a m ten-K o ns u m vere in wird auf 
gelöst, sobald die vorhandenen Waaren 
verkauft sind, weil der Ober-Postdirektor 
dem Post-Konsumvereinswesen unsympatisch 
gegenübersteht. 
Zwischen der Regierung zu Liegnitz und 
dem Magistrat entstand seiner Zeit ein 
Konflikt dadurch, daß erstere die städtischen 
Körperschaften zwingen wollte, an die 
Spitze der städtischen Forstverwaltung einen 
akademischen Forstmeister zu stellen.' Nach 
dem die Angelegenheit bereits in den Vor 
instanzen zu Ungunsten der Stadt ent 
schieden worden, hat diese jetzt, wie ein 
Telegramm aus Berlin meldet, in letzter 
Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht 
ein obsiegendes Erkenntniß erstritten. 
Denn kraft Urtheils des Oberverwaltungs 
gerichts ist die obige Anordnung des Re 
gierungspräsidenten, Prinzen Handjery, 
aufgehoben worden. Im Interesse der 
kommunalen Selbstverwaltung erscheint 
dieser Ausgang des Konflikts beachtens 
werth. 
In dem Augenblicke, in dem die Frage 
nach dem therapeutischen Werth des Heil 
serums nicht nur die ärztliche Welt, 
sondern weit darüber hinaus beschäftigt, 
tritt Dr. Walls aus Wandersleben mit 
einem Heilmittel gegen diese Krankheit an 
die Oeffentlichkeit, das, nach seinen Beob 
achtungen, als unfehlbar bezeichnet werden 
muß. Das Medikament heißt Salaktol. 
Dr Walls hat das Mittel bei 5 2 Fällen 
von Diphtherie aller Varietäten und 
aller Altersklassen in Anwendung gebracht 
und nicht einen Todesfall, nicht eine 
Nachkrankheit, welche gerade bei dieser 
Krankheit so häufig sind, beobachtet; sondern 
überall einen schnellen und sicheren Erfolg 
erzielt.^ Das Mittel ist im Verhältniß 
zum Heilserum billig, leicht anwendbar 
und vollkommen ungefährlich. Näheres 
rndet sich in Nr. 1,'l895 der „Sachver- 
ständigen Zeitung". 
Aus Ostpreußen, 13. Jan. Bei dem 
hohen Schnee, der hier allenthalben die 
Fluren bedeckt, lassen sich von Zeit zu 
Zeit auch schon wieder Wölfe blicken, halten 
ich aber in scheuer Entferung. Im vorigen 
Jahrhundert, als unsere Gegend durch 
die Pest menschenleer geworden war, wur 
den die herrenlosen Grundstücke von der 
Regierung neuen Ansiedlern umsonst auf 
geben, um dort mit seinen politischen 
Freunden zu konferiren. 
— Der „Reichsanzeiger" theilt mit: 
„Nach dem seitens des zuständigen Ge 
richtsherrn bestätigten kriegsgericht 
lichen Urtheils in Untersuchungshaft 
genommenen Oberfeuerwerkerschüler 
wurden sämmtliche Jnhaftirte bestraft. 
131 erhielten wegen Ungehorsams je sechs 
Wochen und einen Tag Gefängniß, welche 
Strafe durch die Untersuchungshaft ver 
büßt ist, 31 wegen Ungehorsams, Achtungs- 
Verletzung, gemeinsamer Achtungsverletzung 
und Drohung je nach der Schwere des 
Vergehens Gefängniß von 6 Wochen und 
2. Tagen bis zu 3 Monaten unter An 
rechnung der Untersuchungshaft. Gleich 
zeitig wurden mehrere degradirt. Ein 
Unteroffizier wurde wegen Aufwiegelung 
und gemeinsamer Achtungsverletzung zn 
5 Jahren und einem Tage Gefängniß ver 
urtheilt, wovon durch die Untersuchungs 
haft 75 Tage verbüßt sind; ferner wurde 
auf Degradation erkannt. Ein anderer 
Unteroffizier erhielt wegen Ungehorsams, 
Achtungsrurletzung, gemeinsamer AchlungS 
Verletzung und Aufwiegelung 5 Jahre und 
5 Monate Gefängniß; daneben Degrada 
tion." 
— Der antisemitische Agita - 
tor Walter, welcher sich rühmt, für 
Ahlwardt die Wahl in Arnswalde ge 
macht zu haben und in jede gegnerische 
Versammlung für Ahlwardt eingebrochen 
zu sein, hat sich mit einer Jüdin 
oerheirathet. Derselbe Joh. Walter 
verbreitet jetzt als Beilage zum Wochen 
blatt des Arnswalder Kreises ein Flug 
blatt, in welchem er erzählt, daß ihm Ahl 
wardt die bei der Wahl der „Einfachheit 
halber" ausgelegten 300 M. nicht zurück 
erstattet habe. Durch die Agitation für 
Sie Landtagswahl sei diese Forderung auf 
415 Ji angewachsen. Erst im Oktober 
1894 habe man ihm das Geld zurückge 
zahlt. Freilich, so heißt es in dem Flug 
blatt des Herrn Johann Walter, iverde es 
„jedem Geldschlucker ewig unverständlich sein 
und bleiben, wie ein ehemal. „Antisemiten-An- 
führer" ein ganz armes „Judenmädchen" 
heirathen kann. — Freilich, verbummelten 
sprossen verarmter Adelsgeschlechter ist es 
gestattet — um ihr verrostetes Wappen 
schild durch eine reiche Mitgift wieder 
frisch zu vergolden — ein „Judenmädchen" 
zu heirathen. Ahlwardt richte jetzt, nach 
dem Baron v. Langen seine Schul 
den bezahlt, seine Mistgabel auch gegen 
Junker und Juden. Er schäme sich, 
einstmals Ahlwardt's Freund gewesen zu 
sein. Selten sei ein solch netter Bock zum 
Gärtner gesetzt worden, wie Herr Ahlwardt. 
den Wölfen in Nachbarschaft zu leben. 
Die Neuangesiedelten verließen oft schon 
nach kurzer Zeit Haus, Hof und Acker, 
um nur aus dieser Gegend fortzukommen. 
Es gab Leute, die von Schrecken ergriffen 
wurden, wenn ihnen die Regierung das 
Gnadengeschenk einer Hufe Land machte. 
2o z. B. war am 22. August 1739 von 
der Regierung zu Gumbinnen ein Termin 
angesetzt, an welchem die wüsten Gärten 
und Ländereien in der Nähe der Stadt 
vertheilt werden sollten. Da klopft beim 
Herrn Kriegs- und Domäuenrath, der 
diese Bertheilung szu besorgen hatte, der 
Schneidermeister Wollnick an, bringt dem 
hohen Herrn einen prachtvollen Staats 
rock zum Präsent und bittet flehentlich, 
der gnädige Herr Regierungsrath möchte 
ihn doch bei der in Aussicht stchendeu Ver- 
theilung vor Ueberweisung von Land und 
Gärten huldvollst bewahren 
Braunschweig, 13. Jan. Den amtlichen 
„Braunschweigischen Anzeigen" zufolge hat 
auch das zweite von der staatlichen Berg 
behörde an der Asse betriebene Bohrloch 
in der Tiefe von 533 m ein mächtiges 
Lager edler Kalisalze erschlossen, wel 
ches erst bei 633 w Tiefe durchbohrt war. 
Die „Braunschweigischen Anzeigen" bemer 
ken hierzu: Der Fund übertrifft alle ge 
hegten Erwartungen und liefert von Neuem 
den Beweis von den im Herzogthum vor 
handenen noch ungehobenen Schätzen. 
Darmstadt, 15. Jan. In ihrer heutigen 
Sitzung nahm die Ziveite Kammer, trotz 
des Widerspruches der Regierung, mit 30 
gegen 17 Stimmen den Antrag auf Ein 
führung einer st a a t l i ch e n Klassen- 
lotterie in Hessen an. 
Der frühere Redakteur Boshart in 
Gotha ist von dem Herzog von Coburg- 
Gotha begnadigt worden, nachdem er seine 
„vielfachen Angriffe gegen herzogliche Be 
amte als auf unzutreffenden Nachrichten 
beruhend" öffentlich zurückgenommen hat. 
Köln, 15. Jan. Auf dem hiesigen 
Friedhofe ivurde die Leiche eines ver 
schwundenen Kassirers aus Bergisch 
Gladbach gefunden. Der Selbstmörder 
war in einem größeren Etablissement an- 
gestellt. 
Wegen Beleidigung der bewaff 
ne l e n Macht ist in Dresden ein Ar 
beiter zu zwei Atonalen Gefängniß verur 
theilt worden, als er bei dem Vorbeiziehen 
eines Trupps von etwa 60 Soldaten, 
irgend eine Melodie pfeifend, denselben zw 
gerufen: Pfeift doch mat den Sozialisten- 
marsch. 
Eine sensationelle Neuigkeit 
Lüneburg und Umgegend etwa 400 Per 
sonen in Radbruch an, um dort den 
Wunderdoktor zu konsultiren, wurden aber 
sämmtlich abgewiesen. Seitens der Rad- 
bruch--r Station wurden telegraphisch von 
Lüneburg Wagen für die Hamburger Pa 
tienten requirirt. Ueber die Gründe der 
Abweisung zirkuliren verschiedene Gerüchte. 
Nach einer Version, die uns gemeldet wird. 
„wäre Herrn Ast jegliches Praktiziren bis 
auf Weiteres verboten bei einer Geldstrafe 
von 150 Ji für jeden einzelnen Uebertre- 
tungsfall". Auch aus Harburg und Stade 
meldet man, daß Ast vorläufig in Rad 
bruch seine Praxis aufgegeben hat. In 
den letzten Tagen war der Andrang von 
Patienten enorm. Ist Ast nun im Stande 
zu heilen, oder sind die Patienten, theil 
weise den gebildeteren Ständen angehörig, 
alle dumm? Zum Spaß fahren die Leute 
doch nicht nach Radbruch. 
Friedrichsruh, 14. Jan. Ueber den Be 
such des Fürsten Hohenlohe weiß ein 
Spezialbarichterstatter des „Berl. Lokalanz." 
nur zu melden, daß das Frühstück aus 
Seezunge L la Colbert und Damwildrücken 
mit Rothkraut bestanden hat. Nach diesem 
Berichterstatter unternahmen die beiden 
Fürsten trotz des schneidenden Ostwindes 
eine Schlittenfahrt. Fürst Hohenlohe trug 
während derselben die riesenhafte Pelz 
mütze des Fürsten Bismarck, welche 
seinen Kopf fast völlig verschwinden 
ließ. Man sah eigentlich nur den Fürsten 
Bismarck der die kleine Windmütze über 
den leuchtenden Augen und den Kürassier 
pelz um die stämmigen Schultern einherfuhr. 
Provinzielles 
Itzehoe, 14. Jan. Heute Nachmittag 
hatten sich auf Einladung des Wahlkomites 
reichlich l00 frühere Wahlmänner hier 
zu einer Versammlung eingefunden, in der 
Rechtsanivalt Dohrn den Borsitz führte. 
Als es sich um Vorschläge in betreff der 
Kandidatenfrage handelte, wurde von ver 
schiedenen Seiten der Hofbesitzer En gel 
brecht aus der Engelbrechtschen Wildniß 
bei Glückstadt genannt. Der Herr soll 
der nationalliberalen Partei angehören und 
ist, wie allgemein bekannt, ein F ü h r e r d e s 
des Bundes der Landwirthe. 
Bei einem Streit mit seiner Frau erlitt 
ein dem Trünke ergebener Arbeiter in 
Altona, Nngerstraße 16, welcher die unter 
der Decke hängende Lampe ergriff, um 
diese seiner Frau an den Kopf zu werfen, 
infolge Explodierens der Lampe solche 
Brandwunden, daß er im Krankenhause an 
den Folgen gestorben ist. 
Vor Schreck ohnmächtig wurde ein Al- 
tonaer Einwohner, der bei der Zwangs 
versteigerung eines Grundstücks, an weichem 
er mit einem Posten von 12 000 Mk. b§-i-' 
theiligt war, zu bieten vergaß, so daß 
das Grundstück einem anderen zugeschlagen 
wurde. Hierüber wurde der Betreffende 
so aufgeregt, daß er umfiel und per Droschke 
nach seiner Wohnung befördert werden 
mußte. 
In die Bahnsteighalle des im Bau be 
griffenen Altonaer Hauptbahnhofs werden 
acht Personengeleise unter Vermeidung 
jeder Niveaukreuzung geführt. 
Gnrdilig, 15. Jan. Ein wichtiger Punkt 
in der letzten Sitzung der Stadtkollegien 
mar die Berathung über die Ausführung 
des Kommunalabgabengesetzes in hiesiger 
Stadt. Der Regierungspräsident dringt 
bekanntlich darauf, daß die sämmtlichen 
Realsteuern (Grund-, Gebäude-, Gewerbe- 
unv Betriebssteuer) mit den gleichen höch 
sten Sätzen (200 Proz.) herangezogen und 
daß dann die indirekten Steuern, die Ge 
bühren und Beiträge gehörig ausgenutzt 
werden. Es ist nur schwer, in unserer 
kleinen Stadt in letzterer Hinsicht geeignete 
Steuerobjekte zu finden, die einen ins Ge 
wicht fallenden Ertrag geben. Eine weitere 
Erhöhung der Hundesteuer, etwa von den 
vorgeschlagenen 3 Jt auf 5 Ji (in Tön 
ning hat man 9 Ji). wäre vielleicht in 
Betracht zu ziehen, einen wesentlich höheren 
Ertrag wird sie indeß nicht ergeben, da 
dann zweifellos weniger Hunde' gehalten 
werden. Eine schärfere Heranziehung der 
schon beträchtlich erhöhten Lustbarkeitssteuer 
wurde allseitig als unthunlich bezeichnet, 
da namentlich durch die vielen Lustbarkeiten 
auf dem Lande das Einkommen der hiesigen 
Wirthe in den letzten Jahren sehr geschä 
digt ist. Am ineisten Zustimmung fand 
nach dem „E. und St. W." noch eine 
Biersteuer im Betrage von 65 Psg. pro 
Hektoliter (ist ebenfalls in Tönning und 
an vielen anderen Orten beschlossen), auch 
die Erhebung der für die Abfuhr 
aufgewandten Summe durch eine besondere 
Steuer wurde angeregt, sand aber man 
cherlei Bedenken, namentlich hinsichtlich der 
Belastung der kleinen Hausbesitzer. Ein I 
endgültiger Beschluß über die Neuordnung 
der Kommunalsteuern ivurde bis zur näch 
sten Sitzung der Stadtkollegien ausgesetzt. 
Nordseebad WittdünAmrnm, 13. Jan. 
Wie die „S. N." in Erfahrung gebracht 
haben, ist das Kurhaus unseres Bades 
auf 6 Jahre an^ die Herren August Za- 
strom und Fritz Sattler aus Hamburg ver 
pachtet morden. Der erstgenannte Herr 
ist mehrere Jahre Geschäftsführer des Kur 
hauses „Waugerog" und später Inhaber 
vvn Hviel „Stadt Homburg" ui Piöu ge- j 
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„Heute Morgen langten aus Hamburg unbldes Wohlwollens des Publikums erfreuen.
	        
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