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-£> 88ster Jahrgang. <==-
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Mrttlooch. öen 16 Januar
1865.
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Die Aufregung ist »nge-
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Morgen Depeschen
Paris, 16. Januar.
Perier hat sein Präsiden
tenamt wegen der wachsen
den radikalen Strömung
der Kammer niedergelegt.
Heuer. Am Donnerstag
findet die Neuwahl des
Präsidenten statt.
oder.
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iffswerft'
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Schülp.
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»enkens.
3 Stuben,
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lr. 281.
>st Zubehör.
ustr. 18.
Paris, 15. Jan. Der Präsident Ca
simir Perier empfing heute Mittag den
Präsidenten des Senats, Challemel-Lacour
und blieb mit ihm drei Stunden in 93e
rathung.
Paris, 16. Jan. Heute Vormittag
kmpfing der Präsident der Republik die
Präsidenten der Kammer und des Senats,
Um mit denselben über die neue Minister
ļiste zu berathen. Der Letztere schlug vor,
Bourgeois mit der Kabinetsbildung zu be-
irauen. — Wie weiter gemeldet ivird,
loll General Mercier unter keinen Um
ständen in das neue Kabinet eintreten,
Während Hanotaux im Ministerium ver
Mhchbcn —(S. unter' Paris.)
-st. Altona, 15. Jan. Seit heute Nach
Mittag 5 Uhr brennt das hiesige Gar.
bisonlazareth. Menschenleben sind nicht zu
beklagen. Der Transport der Kranken er
folgte ohne jeden Unfall. Das Feuer war
Mittlerweile von allen Seiten durch die
Feuerwehr in Angriff genommen ivorden,
drei Dampsspritzen schleuderten riesige
ŅZassermassen in die Gluth. Unterdeß war
der kommandirende General dķ9. Armee
korps, Gras Waldersee, aus der Brandstätte
^schienen, der sich in Begleitung des
Branddirektors und des Regiments-Com-
ņ>andeurs in das Lazareth begab. An ein
zelnen Stellen durchdrang das Feuer die
^ecke des Betsaales, doch auch hier ist es
gelungen, das Feuer zu isoliren. Im La-
Kreitz befinden sich etwa 150 Kranke.
Gegen 61z Uhr war die Gefahr als be
seitigt angesehen, auch war die Gluth, die
Noch kurz vorher deu Himmel weithin ge-
röthet hatte, fast vollständig erloschen Was
die Entstehungsursache betrifft, so kann
Man hier nur Berniuthungen hegen. In
dem obersten Stock des Mittelbaues befand
sich die Kammer, wo Wäsche, Seegrasma
kratzen und Utensilien aller Art verwahrt
wurden. In dem darunter belegenen Boden
befand sich die Trockenkammer, wo die
Wäsche durch Luftheizung getrocknet wurde.
In welchem dieser Räume das Feuer zum
Ausbruch gekommen ist, wird vielleicht die
Untersuchung ergeben. Die sich an der
Brandstelle ansammelnden Menschen zählten
nach Tausenden, doch ist die Ruhe nirgends
zerstört worden.
Berlin, 16. Jan. Das Centrum soll
willens sein, in der Frage der Erweiterung
der Disziplinarbefuqnisse des Präsidenten
in der nächsten Sitzung der Geschäfts
ordnungskommission den verschärften Ber'
weis durch einen Ehrenrath, und, falls der
Betroffene sich dagegen sträubt, Berufung
an das Plenum zu beantragen.
Nürnberg, 15. Januar. Ah l w ard t
hielt vor etwa fünfzehnhundert Personen
eine antisemitische Hetzrede, fand aber wäh
rend der Diskussion scharfe Opposition
Die Versammlung wurde wegen andauern
den Tumultes polizeilich a u f g e l ö st.
Lemberg, 15. Januar. In Lukawitza
wüthet seit einiger Zeit die Cholera. In
der vergangenen Woche sind 44 Personen
an der Seuche erkrankt, von denen 18
gestorben sind
Budapest, 15. Jan. In Wiskolcz wur'
den die Frau, das Kind und der Lehrling
eines Industriellen von unbekannten Per
sonen im Wohnhause überfallen und ge'
tödtct; auch alles baare Geld wurde
geraubt.
London, 15. Januar. In der Diglake
grübe bei Audley hat sich ein bedeutendes
Unglück zugetragen, indem in derselben,
während 238 Arbeiter in der Grube be
schästigt waren, ein Wafferdurchbruch aus
einem benachbarten Schacht stattgefunden
hat. 137 Mann konnten bisher gerettet
werden, für die Bergung der anderen 101
Mann ist ivenig Aussicht vorhanden.
Rom, 16. Jan. Infolge einer leichten
Erkältung hütete der Papst gestern und
heute das Zimnier nnd verschob die Er-
theilung von Audienzen. Zu einer Be-
sorgniß ist nicht der geringste Anlaß vor
handen.
Pcrpigna», 16. Jan. Große Schnee-
massen lagern in dem Carole Thal. Ein
Wirbelsturm, der über das ganze Küsten-
land ging, hat schweren Schaden und viele
Unfälle verursacht. In Paris herrschen
2 Grad Kälte.
Roanne, 16. Ja». 3000 ausstän
dige Arbeiter zogen heute Nachmittag
vor eine Fabrik. Nachdem sie eine be<
drohliche Haltung angenommen hatten,
mußte der Unterpräfeet die Aufforderung
zum Auseinandergehen erlassen nnd die
Gendarmerie die Gewehre laden, um die
Ansammlungen zu zerstreuen. Der foji-
alistische Abgeordnete Caruard bedrohte den
Unterpräfekten und wurde verhaftet.
Antwerpen, 15. Jan. Im Giftmordpro
zesic fand heute Vormittag das Verhör der
jenigen Aerzte statt, welche vie Autopsie
der Leichen vorgenommen haben. Es ent
spann sich hierbei eine längere Auseinander'
setzung zwischen den Sachverständigen, der
Anklagebehörde und der Vertheidigung.
Als die Letztere anerkennen mußte, daß in
dem Magen des Alfred Ablay Morphium
entdeckt worden sei, griff in dem Publikum
große Erregung gegen die Angeklagte,
Frau Joniaux, Platz. Der Prozeß wird
voraussichtlich noch vier Wochen dauern
Armedt pr KriiffiiW öes
»mW» àlckliB.
Berlin, 15. Januar.
Heute Mittag 12 Uhr ist der Landtag
niit folgender, vom Kaiser im Weißen
Saale des königl. Schlosses verlesenen
Thronrede eröffnet worden:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von
beiden Häusern des Landtages!
In gewohnter Weise habe Ich Sie zur
versassungsmäßigen Mitarbeit berufen und
entbiete Ihnen bei Wiederaufnahme Ihrer
Thätigkeit Meinen königlichen Gruß.
Der Haushaltsplan für das Jahr
1895 96, der in Folge des Abschlusses der
Steuerreform und der Neuordnung der
Eisenbahnvermalmng, wie des Kastenwesens
im Bereiche der Verwaltung der direkten
steuern ivesentliche Umgestaltungen er
fahren hat, ivird Ihnen unverweilt zu
gehen. Zu Meinem Bedauern schließt er
wiederum mit einem erheblichen Fehlbe
träge ab.
Trotz der fortdauernden vorsichtigen und
sparsamen Bemessung der Ausgaben und
der günstigeren Entwickelung der eigenen
Einnahmen Preußens ist es wesentlich
wegen der zu Ungunsten der Einzelstaaten
gänzlich veränderten Finanzlage des Rei-
ches noch nicht gelungen, das Gleichgewicht
des preußischen Staatshaushalts wieder
herzustellen. Diesen seit mehreren Jahren
bestehenden beklagenswerthen Zustand end
lich zu beseitigen, muß unser ernstes Bk'
streben sein
Die verbündeten Regierungen haben in
der Erwartung, dadurch zu einem besser
geregelten finanziellen Zustande zu ge.
langen, auf die bisherigen Mehrüber
Weisungen Seitens des Reichs an die
Einzelstaaten verzichtet. Sie werden ihre
Vorlagen an den Reichstag aus eine
mäßige Vermehrung der eigenen Ein
nahmen des Reichs und die Herstellung ge-
setzlicher Bürgschaften für die finanzielle
Selbstständigkeit des Reichs und seiner
Glieder beschränken
Wenn es gelingt, auf dieser Grundlage
eine Einigung herbeizuführen, so ist zu
hoffen, daß die dringlichste Forderung, die
Wiederherstellung des Gleichsgewichts zwi
scheu den Einnahmen und Ausgaben des
Landes, erfüllt werden wird.
Das letzte Rechnungsjahr hat einen Fehl'
betrag von mehr als 31,000,000 Mark
Für das laufende Etatsjahr wird der
Fehlbetrag jedoch zum Theil in Folge
vorübergehender Verhältnisse wahrscheinlich
nicht unerheblich hinter dem Anschlage
und demjenigen des Vorjahres zurück
bleiben.
Der zu ihrer Beschlußfassung gelangende Ge
setzentwurf, betreffend die Stempelsteuern, soll
die auf dein Gebiete der directen Steuern, nun
mehr abgeschlossene grundlegende Reform auf
die indirekten Landessteuern ausdehnen und auch
bet deu letzteren die Vertheitung der Staatslasten
nach der Leistungsfähigkeit in höherem Grade
als bisher durchführen.
Ein nach gleichen Grundsätzen ausgearbeiteter
Gesetzentwurf bezweckt eine Neuordnung des ge
richtlichen Kostenwesens, unter dem Gesichts
punkte einer einheitlichen Gestaltung für alte
Landestheile und der Ermäßigung der Kosten
für Gegenstände geringeren Werthes, nament
lich in Grundbuch- und Vormundschaftssachen.
Gleichzeitig wird Ihnen der Entwurf einer Ge
bührenordnung sür Notare zugehen, in welchem
auch die Notariatsgebühren für die ganze Mo
narchie geregelt sind.
Ihrer Beschlußfassung werden ferner mehrere
Gesetzentwürfe unterbreitet werden, die die Durch
führung der im abgelaufenen Jahr von den
Synoden der evangelischen Kirchengemeinschaften
beschlossenen Kirchengesetze zum Gegenstand baden.
Dabei wird es sich besonders auch um die Sorge
ur die Hinterbliebenen der evangelischen Geist
lichen der neuen Provinzen handeln.
Wegen Erweiterung des Staatseisenbahnnetz
durch Herstellung 'reuer Eisenbahnlinieir wird
Ihnen auch in diesem Jahre ein Gesetzentwurf
zugehen, in welchem zugleich Mittel zur Betheili
gung des Staates an Kleinbahnunternehmungen
vorgesehen werden sollen. Mit der Neuordnung
der Behörden der staatlichen Eisenbahnverwal
tung werden vom Beginn des nächsten Etats
jahres ab umfangreiche Reformen des Kassen-
und Rechnungsw.sens in Kraft treten, welche
dazu beitragen werden, die Wirthschaftlichkeit der
Verwaltung zu erhöhen.
Der Entwurf eines Gesetzes betreffend die
Verpfändung der Privateisenbahnen und der
Kleinbahnen wird wiederholt den Gegenstand
ihrer Berathung bilden.
Die schweren Sturmfluthen der letzten Wochen
haben auch an den preußischen Inseln und Küsten
der Nordsee bedauerliche Uerheerungen ange
richtet. Wegen Feststellung des Umfanges dieser
Schäden und Einleitung der zu ihrer Beseitigung
geeigneten Maßnahmen ist das Erforderliche ver
anlaßt.
Zur weiteren Förderung des gewerblichen
Fortbildungs- und Fachschulwesens ist eine Ver
stärkung der etatsmäßigen Mittel vorgesehen.
Zu meinem lebhaftesten Bedauern ist die Lage
der Landwirthschaft fortdauernd ungünstig. Den
hieraus erwachsenen schweren Vebelständeii nach
Möglichkeit zu begegnen, ist Meine unablässige
landesväterliche Sorge und die dringendste Auf
gabe Meiner Regierung. Zum Zweck der Er
haltung der neu geschaffenen Renten- und An
siedelungsgüter wird Ihnen voraussichtlich noch
in dieser Tagung der Entwurf eines Gesetzes,
betreffend das Anerbenrecht bei Renten und An
siedelungsgütern, zugehen.
Geehrte Herren! Es gilt heute mehr als je,
in Eintracht die Wohlfahrt des Ganzen zu för
dern, und es ist die ernste Pflicht aller Wohlge
sinnten, gegenüber den wachsenden Angriffen auf
die Staatsordnung, sich eimnüthig zur Abwehr
zusammenzuschließen. Ich vertraue auf die be--
reitwillige Unterstützung und die patriotische
Hingebung der preußischen Landesvertretung und
bitte Gott, daß Er die bevorstehende Tagung dem
Lande zu reichem Segen gedeihen lasse!
Deutscher Reichstag.
13. Sitzung.
Berlin, 15. Januar.
Die nationalliberale Interpellation über
den Schutz der Deutschen im Auslande,
namentlich in Centrat-Ainerika, begründet der
llrheber derselben
MAbg. Hasse. Er vergleicht die Vertretung
der Deutschen unter Bismarck und Caprivi. Bis
marck sei, wenn er eingriff, mit allem Nachdruck
ki Herzt».
Preisgekrönte Erzählung von Conrad Tclmaiin.
3 Zimmer«
ilienstrabe.
Keller und
m l. April
miethfrei.
ussee 613.
mzuge.
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Klasse).
Er lehnte sich behaglich zurück, schlug die
'Offne übereinander und stieß nun mit halb-
ģkschloffencn Augen eine kunstgerechte Reihe
blauen Dampfringen in die Höhe. Auf
Eitlen Zügen lag dabei der Ausdruck innerster
Befriedigung. „Ich kann's wirklich noch,"
şdgte er lächelnd.
Georg konnte sich jetzt doch einer Regung
es Unmuths und der Ungeduld nicht er
wehren.
»Wir wollen nun doch einmal überlegen,
äs zunächst zu thun ist," sagte er mit einem
^ffsen Nachdruck.
Hubert ließ sich jedoch in feiner müde-
schlüssigen Haltung ebensowenig stören, wie
\ dem Genuß, den das Rauchen ihm ge
ehrte. Er schien überhaupt vergessen zu
weshalb er hier war und wie er hierher
w °mmen.
, »Ja," sagte er gleichmüthig, die Zigarre
Äschen den Lippen schaukelnd, „Du hast
Irgend etwas muß ja geschehen.
n, 'wer kann ich Dir so nicht auf dem Halse
chey »
"Du hast vermuthlich schon das Aller-
ffchiedenstc versucht, uni Dich durchzubrin-
C'" halste Georg nicht ohne Anstrengung,
C" eê nmv ihm Peinlich, durch irgend etwas,
»mt ,ICI ^ stiern inquisitorischen Verfahren
tJf l) ’ den anderen zu vertraulichen Mit-
Mngen veranlassen, zu denen er sich ohne
ba,. "ichì gedrungen fühlte. Hubert stieß
ein sin.!.« M
ein kurzes Gelächter aus.
fi o àr Gott, das glaub' ich selbst! Aber
mchm es eurem ja zu schwer, die Menschen.
Sich mal, Handwerker kann ich nicht werden,
dafür sind meine Hände nicht geschaffen und
— offen gestanden! -— das thäte mir auch
zu leid um sie." Er betrachtete bei seinen
an Georg gerichteten letzten Worten seine
auffallend schmalen, schlanken Hände mit
einem eitlen Lächeln. „Was bleibt also?
Gelernt hab' ich nicht viel, wie Du weißt,
— nur was einem so auf der Fähnrichs-
Presse künstlich zum Examen eingetrichtert
wird, — ein ganzer Wust, den man nachher
eben so schnell wieder vergißt. Damit bringt
man's nicht weit. Und meine kleinen Talente,
mit denen man in der Gesellschaft ja Furore
macht, — das bischen Klavicrspiclen und
was dergleichen mehr ist, — das Ringeblasen
gehört auch dazu, das halbe Offizierkasino
hat mich immer darum beneidet, — die
reichen zum Lebensunterhalt auch nicht aus.
Nun, da sitzt man infolgedessen auf der
Straße, — kann Straßenkehrer werden, oder
Holzhacker, oder etwas ähnliches. Warum
auch nicht? Nur daß dann wieder der infame
Hochmuthsteufel einem dazwischenfährt und
einem ins Ohr raunt: Nein, dazu bist Du
zu schade! Lieber verhungern, aber verhungern
mit Anstand, verhungern comme-il-faut! Ein
gräulicher Unsinn, — ja, aber man bringt
das nun einmal nicht aus sich heraus."
„Dahin braucht es auch nicht zu kommen!"
warf Georg mit einer Art von Leidenschaft
lichkeit ein, „dahin durchaus nicht. Ich
meine doch, daß sich Dir anderes genug
geboten haben mußte, ehe Du —"
Hubert lachte abermals auf.
„Sprich nur zu Ende mein Lieber! Ehe
ich dahin kam, wo ich mich jetzt befinde,
willst Du sagen, — nicht wahr? Anders!
Ja, das spricht sich leicht aus, aber wenn
man die Hand danach ausstreckt. — Au'
mich haben sie eben nirgends in der Welt
gewartet. — Sind sie bis dahin ohne mich
fertig geworden, so können sie's auch weiter
hin. Es giebt ja merkwürdig viel Menschen
in der Welt, die allesammt leben wollen.
Vielleicht drüben in Amerika —
Nun? Und warum bist Du nicht hin
übergegangen?
„Ich hatte keine Lust. Das ist etwas so
Vulgäres; alle verlorenem Söhne gehen nach
Amerika und entlassene Officiere nun schon
gar. , Aber _ gerade weils traditionell ist,
wollt ich nicht. Ich will keine Romanfigur
abgeben. Und am Ende, was hat man da
Großes zu erwarten? Nicht einmal zur
Ueberfahrt hätt' ich Geld genug gehabt, hätte
ich mich als Heizer hinüberschmuggcln müssen
oder Gott weiß wie. Und dann drüben! Zu
was hätten Sie mich da brauchen sollen?
Als Kellner in einem Boardinghans, als
Hausknecht, als Zeitungsträger, im besten
Falle noch als Bereiter, — das wäre wohl
so ziemlich alles. Nun, und diese ehrfurchts
vollen Berufszweige würde ich auch ja hier
zu Lande haben ausfüllen können. Wozu
sollte ich mich also inkommodiren? Mit
einem Kapital in der Tasche nach drüben
gehen und menu's auch nur ein kleines
Kapital wäre, — das läßt man sich gefallen,
damit ist unter Umständen etwas zu machen,
drüben weit eher als hier, und vor allen,
weit rascher, — aber so? Daß ich ein Narr
wäre."
Er schänkte sich den Rest aus der Flasche
ein und trank sein Glas in einem Zuge
leer. Georg schwieg eine Weile und blickte
grübelnd vor sich nieder zu Boden, che er
nickend cntgcgnete
„Du hast vielleicht Recht. Wenn man
die falsche Schani nur überwindet, kann man
sich hier bei uns gerade so gut wieder in
die Höhe arbeiten, wie dort drüben. Und
Du wirst die moralische Kraft dazu haben.
Ueberdies könnt' ich Dir das , Geld ja nicht
geben, das . Du für die Auswanderung
brauchtest. Wir müssen also hier eine Stelle
für Dich finden, — ein vorläufiges Unter
kommen wenigstens, bis sich etwas Besseres
bietet; denn Du wirst unter allen Umständen
Dein eigenes Brot lieber essen wollen, als
das eines andern."
Wenn es mit Anstand geschehen kann,
.gewiß," murmelte Hubert. „Und daß ich
besonders wählerisch wäre, brauchst Du auch
nicht zu fürchten, trotzdem, es ja den Anschein
haben mag. Wenn man so aussieht und so
gehungert hat —"
Er lachte schneidend auf.
Georg war, immer in eifriges Nachdenken
versunken, aufgestanden und wanderte jetzt,
die Hand an der Stirn, langsam im Zimmer
hin nnd wieder. Einmal blieb er stehen,
wollte sprechen, besann sich dann aber wieder
eines andern und setzte seine Wanderung fort.
Der Kopf war ihm dabei tief auf die
Brust hcrabgesunken. Endlich hemmte er
eine Schritte dennoch kurz vor Hubert, der
eben damit beschäftigt war, sich an den ver
glimmenden Reste seiner Zigarre eine neue
zu entzünden.
„Ich könnte Dich im Bureau eines
Kollegen unterbringen," sagte er mit etwas
unsicherer Stimme, „aber die Arbeit würde
Dir wenig zusagen nnd Du hättest gar keine
Aussicht, einmal weiterzukommen. Auch
würde es zu unliebsamen Erörterungen führen,
man würde sich nach dem Woher? erkundigen,
— der gleiche Name würde Aufsehen er
regen, kurz: ich würde Dir keinen Dienst
damit erweisen. Aber ich hab' etwas Anderes
für Dich im Sinn. Ich bin mit dem In
haber und Direktor einer großen Verlags
anstalt hier bekannt geworden. Es ist ein
wissenschaftlicher Verlag, wohl der erste nnd
bedeutendste, den wir hier haben Mit dem
selben steht eine der größten Druckereien in
Verbindung. Vielleicht ist dort die Stelle
eines Korrektors für Dich zu haben. Tüchtige
Leute, die einen gewissen Grad von Bildung
besitzen, sind für diese Stellen immer sehr-
gesucht und gar nicht leicht zu gewinnen.
Das Technische lernt sich ohne Schwierigkeit.
Und natürlich wäre das auch nur für den
Anfang, Du würdest, wenn Du Dich erst
eingeübt hast, weiter aufrücken, vielleicht ein
mal in die technische Leitung selber eintreten,
— jedenfalls bietet sich Dir da Gelegenheit,
Deinen Weg zu machen, und ich wüßte in
der That vor der Hand nichts Besseres für
Dich. Laß uns die Sache bis morgen also
überlegen. Wenn Du einwilligst, ist mein
erster Gang morgen früh in die Druckerei.
Heute wirst Du müde sein nnd es wird
Zeit, daran zu denken, daß Du zur Ruhe
kommst." Der Sprecher athmete, nun er
geendet hatte so tief auf, als ob er froh sei,
das alles nach langem Zögern vom Herzen
geredet zu haben.
Hubert hatte zugehört, ohne eine Miene
zu verändern, die Arme über der Brust vcr-
chränkt, mit halbgeschlossenen Augen zu
Boden blinzelnd, die Zigarre zwischen den
Lippen. Jetzt sagte er:
„Ja, ja, Du hast Recht, ich bin müde.
Die letzten Nächte habe ich nicht eben behag
lich verbracht. — Und wenn man's nicht