Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

wollten nachstürmen, wurden aber daran 
verhindert. Die Polizei schritt erst vor 
dem Parlament ein. Die Menge erwartete 
noch Lueger, um für ihn zu demonstrireņ, 
doch gelangte er unbemerkt ins Gebäude. 
Belgien. 
Eine nette Ueberraschung er 
lebte am Moiltag der Rentner CH. Pen- 
ninck in Brüssel. Als er mit seiner Fa 
milie von dem Winteraufenthalt in Nizza 
nach Brüssel zurückkehrte, fand er sein 
Haus völlig geplündert. Der 
Werth des gestohlenen Silberzeuges u. s. w. 
wird auf 80,000 Frcs. geschätzt. Der 
Einbruchsdiebstahl ist allem Anschein nach 
schon vor Monaten verübt worden. 
Frankreich. 
Paris. 30. Mai. Wie der „Figaro" 
meldet, hat P a st e u r auf die Anfrage, 
ob er bei Vertheilung preußischer Orden 
pour le mèrite, wozu er mit designirt sei, 
diesen annehmen würde, in ablehnendem 
Sinne geantwortet. Dagegen meldet der 
„Matin," daß Prof. Pasteur gar kein 
preußischer Orden angeboten worden ist. 
Die Sammlungen für eine Ehrengabe für 
Pasteur, die angefangen waren, weil Pa 
steur einen solchen Orden nicht annehmen 
wollte, werden trotzdem fortgesetzt. 
Türkei. 
Aus Konstantinopel berichtet der „L.-A." : 
Im Vorort Ejub ist ein Feuer ausge 
brachen, das bei dem hier gegenwärtig 
herrschenden Sturm eine große Aus 
dehnung annahm und immer weiter um 
sich greift. 
. Schweiz. 
In der Schweiz ermahnen die sozial 
demokratischen Blätter, die Konfirmation 
abzuschaffen. Die Konfirmanden leben theil- 
weise so zuchtlos, daß ein Kirchenvor 
stand vie Eltern bittet, doch die Kinder 
von den Tanzböden fern zu halten. Das 
sind die Folgen der schrecklichen kirchlichen 
Zustände in der Schweiz. Es ist das 
eine Warnung für alle Völker, den Glau 
ben aus ihrem Leben zu entfernen, denn 
damit zerbricht das sittliche Leben und die 
Kraft des Volkes. 
stalten. 
Rom, 30. Mai. Die italienische Presse 
äußerst sich nach einer römischen Herold- 
Depesche über das Wahlergebniß fol 
gendermaßen: Trotz des offiziös angegebenen 
Wahlsieges der Regierung bleiben unab 
hängige Blätter bei der Ansicht, daß die 
parlamentarische Lage keine Veränderung 
erfahren werde; sie werde dieselbe sein wie 
die am 15. Dezember 1894. Die Mini 
steriellen hätten viele Gewählte für sich be 
ansprucht, obgleich dieselben thatsächlich der 
Opposition angehörten. Von den persön- 
Glichen Gegnern Crispi's sei keiner unter 
legen, und wenn man den von der Re 
gierung bei den Wahlen ausgeübten Hoch 
druck in Betracht ziehe, so bedeute die dies 
malige Wahl eine Niederlage für die Re 
gierung. Dies werde sich schon in den 
ersten Kammersitzungen" zeigen. 
Jn'isrrd. 
Auf dem Gautag der Gewerbeverein e 
des Breisgaues machte der Regierungs- 
Vertreter Ministerialrath Braun die Mit 
theilung, daß ein Gesetzentwurf über 
Hausirhandel und Detailreisen 
in der Ausarbeitung begriffen sei. Jeden 
falls werde in Bälde eine wirksame Be 
steuerung des Detailreisens und Hausir- 
Handels entweder durch das Reich oder 
durch die Landesregierung zur Einführung 
gelangen. 
— Ein sozialdemokratischer 
Zukunftsstaat ist, wie in der letzten 
Sitzung der französischen Akademie L è o n 
Säubert in einem ausführlichen Vor 
trag mittheilte, vor 800 Jahren in 
China schon einmal verwirk 
licht gewesen, aber dann jämmerlich 
gescheitert. Im elften Jahrhundert 
gab es in China einen redlichen, gebildeten 
Mann namens Onang-Ngam-Che, der zu 
gleich ein bedeutender Redner war. In 
der Absicht, das goldene Zeitalter wieder 
herbeizuführen, hatte er eine Reihe von 
Reformen ausgedacht, welche noch heute 
Grundlagen unseres Sozialismus sind: 
Verstaatlichung von Grund und Boden 
und feinen Erzeugnissen, Einführung der 
Staatsmonopole u. s. w. China hatte 
schwere Schicksalsschläge, Erdbeben, Hungers 
noth und Ueberjchivemmung eben über 
standen und verlangte Reformen. Kaiser 
Chennsong berief daher Onang-Ngam-Che 
an die Spitze des Ministeriums, da dieser 
als Friedensrichter und Bezirksvorsteher 
einen großen Ruf erlangt. Das Eigen 
thum an Grundbesitz wurde aufgehoben 
und dieser vom Staate an die einzelnen 
Familien vertheilt, was nicht schwer fiel, 
da durch die Unglücksfälle nahezu die Hälfte 
der Einwohner vernichtet und somit Grund 
besitz zur Genüge vorhanden war. Die 
Bestellung der Aecker wurde nach einem 
bestimmten Plan geregelt. Das Ergebniß 
sollte nach Abzug dessen, was die Familie 
zum Essen und zur neuen Aussaat brauchte 
kein Auge von Mohr's Gesicht wegwandte, 
wie Frau Eisenhut, bemerkten Beides, letztere 
mit ängstlicher Sorge. 
(Fortsetzung folgt.) 
an den Staat zurückfallen. Leute, die sich 
mit der Viehzucht beschäftigten, sollten ihre 
jungen Thiere, die sie zum eigenen Dienst 
nicht nothwendig brauchten, an den Staat 
abliefern, desgleichen sollten Andere die 
Wälder abholzen, um Brennholz für sich 
und ihre Mitbürger zu gewinnen. So 
lange die Sache neu war, ging alles gut. 
Nach Verlauf einiger Monate aber hielt 
es der Bauer, der vom Staate das Korn 
zur Aussaat erhalten hatte, für bequemer, 
es direkt aufzuessen. Die Vieh 
züchter hatten das Interesse daran ver 
loren, Vieh groß zu ziehen, und die Leute, 
die zum Holzfällen bestimmt waren, schlugen 
nicht mehr Bäume nieder, als sie selbst 
brauchten. Die Frauen, die von aller 
Arbeit frei sein sollten, sahen sich ge 
zwungen, Hand mit anzulegen, wenn sie 
nicht Hungers sterben wollten. Der eine 
Bauer sagte, sein Boden sei nicht ertrags 
fähig, der andere, sein Nachbar habe ein 
größeres Stück Land als er. Kurz, die 
Klagen häuften sich immer mehr, die 
Hungersnoth kehrte zurück, und Onang- 
Ngam-Che mußte gehen. Der Reformvor 
schlag war undurchführbar. 
Zu der Verhaftung der S e i b t s ch e n 
Einbrecherbande werden amtlich noch 
folgende weitere Einzelheiten mitgetheilt: 
Wie bereits erwähnt, kannte die Bande 
kein Hinderniß, wenn sie einmal einen 
Koup beschlossen hatte. In der Regel 
pflegt den Dieben ein wachsamer Hund in 
der Wohnung mehr Schwierigkeiten zu be 
reiten, als Kunstschlösser, Sicherheitsketten 
und eiserne Geldschränke; Seibt und Ge 
nossen fürchteten aber auch den größten 
Hund nicht. Waren sie in die Wohnung 
gelangt, und konnten dem treuen Wächter 
zu Leibe rücken, dann wurde dieser dadurch 
unschädlich gemacht, daß man ihn mit 
einem Präparat von geschlach 
teten Hunden bespritzte. Der 
Hund fing sofort an zu winseln und ließ 
alles mit sich geschehen. Wie Seibt be 
kündet, haben die Einbrecher in vielen 
Fällen in den Wohnungen, wenn Geld, 
auf das es abgesehen war, nicht gefunden 
wurde, alle Möbel und Thüren 
sorgfältig wieder verschlossen, 
um sich das „Geschäft" für ein 
ander Mal zu res er Viren. Auf 
diese Weise ist mancher von der Bande 
besucht worden, der hiervon keine Ahnung 
hat. In einem solchen Falle hatten sie 
den vorhandenen großen Hund, der nach 
der erwähnten Prozedur, wie Seibt sich 
ausdrückte, förmlich gekniet hatte, bereits 
an einen Tischfuß gebunden, um ihn so 
von seinem Herrn früh in der wohlver 
schloffenen und anscheinend unberührten 
Wohnung finden zu lassen. In mehreren 
Fällen sind die Inhaber der Wohnung er 
wacht und haben Lärm geschlagen. Beim 
Grafen M. und auch in anderen Fällen 
wäre es möglich gewesen, den Einbrechern 
den Rückzug abzuschneiden, wenn die aus 
dem Schlafe Gestörten die nöthige 'Geistes 
gegenwart besessen hätten. Freilich war 
dies nicht ohne Gefahr ausführbar, denn 
jeder der Einbrecher führte einen ge 
adenen Revolver bei sich. Um 
geschlossene Thüren zu öffnen, hatten die 
Einbrecher ein Instrument, welches, durch 
das Schlüsselloch gesteckt, den Schlüssel 
umdrehte, so daß die Thür lautlos offen 
ging. Einer der Spitzbuben hatte als 
18jähriger junger Mensch einen Mord be 
gangen und war zu 15 Jahre Zuchthaus 
verurtheilt worden, die er absolvirt hatte. 
— Eine Absage an den evangelisch 
ozialen Kongreß veröffentlicht der be 
kannte orthodoxe Professor v. N a thusiu s 
Greifswald, in der „Kons. Monatsschrift" 
Er führt eine Anzahl Gründe an, die ihm 
das Zusammenarbeiten mit den „Männern 
er Ritschlschen Theologie" aus 
dem Kongreß unmöglich machen. Es ist 
ihm unnatürlich und merkwürdig, daß man 
iür den nächsten Kongreß einer Dame 
ein Hauptreferat übergeben hat; das sei 
eine „direkte Provokation" der Männer, 
die auf seinem Standpunkt stehen. Der 
Kongreß sei ein Kongreß der inneren 
Mission für die moderne Theologie 
geworden. 
— Unter dem Locktitel „FrischeMatjes 
Heringe" werven vielfach Heringe ange 
boten, die nicht sind, wofür sie gelten sollen 
Man verkauft als solche ausde m vorigen 
Jahre stammende ältere Heringe 
die durch entsprechende Vorbereitung, ins 
besondere in Milch und Sardellenlaake 
aufgefrischt worden sind. Bei diesen alten 
Heringen ist die Linse im Singe undurch 
sichtig, während sie bei neuen Heringen 
durchsichtig ist. In Berlin hat die Polizei 
darauf aufmerksam gemacht, daß der Ver 
kauf der aufgefrischten Heringe nur unter 
entsprechender Bezeichnung, z. B. als 
„konservirte Heringe" zulässig, als „neue 
oder frische Matjesheringe" aber nach dem 
Nahrungmittelgesetz strafbar ist. 
Eine sonderbare Heirathsge 
schichte hat am Dienstag in Charlotte» 
bürg ihren Abschluß gefunden. Der Hilfs 
arbeiter W. des Berliner Magistrats, der 
in Charlottenburg wohnt, war früher 
katholischer Geistlicher am Dom 
Breslau. In Waldenburg lernte er die 
Tochter eines Eiscnbahnbeamten kennen 
und faßte den Entschluß, sie zu heirathen 
und zu diesem Zwecke zum Protestamismu 
überzutreten. Das letztere hat er denn 
auch gethan, aus der Heirath ist aber 
dennoch nichts geworden. Auf Dienstag- 
Mittag 1 '/2 Uhr war die standesamtliche 
Trauung in Charlottenburg angesetzt, der 
um 3 Uhr die kirchliche folgen sollte. Zur 
'estgesetzten Zeit hatten sich die beiden 
Zeugen, zwei Beamte, beim Standesamte 
in der Berlinerstraße 49 eingefunden. 
Nach längerem Warten auf das Brautpaar 
uchte der eine ein Wirthshaus auf, um 
-ich zu erfrischen. Als er weggegangen 
war, erschienen endlich auch Braut und 
Bräutigam, und der zweite Zeuge machte 
ich auf den Weg, den ersten wieder herbei 
zuholen. Bei ihrer Rückkehr zum Standes- 
amte war jedoch das Brautpaar spurlos 
verschwunden und somit der erste Akt un- 
möglich. Die Zeugen begaben sich nun 
nach der Louisenkirche, fanden jedoch auch 
dort das Brautpaar nicht vor, und theilten 
dem Pastor, der inzwischen auch eingetroffen 
war, das Vorgefallene mit. Der Pastor 
verließ unverrichteter Sache die Kirche, 
und die Zeugen gingen in die von Bräutigam 
und Braut bereits bezogene Wohnung. 
Hier trafen sie nur die Braut, die ihnen 
mittheilte, daß sie sich mit Herrn W. so 
eben gezankt habe. Dieser habe mit den 
Worten: „Die Sache hat ja doch keinen 
Zweck!" die Pferdebahn bestiegen und sei 
davongefahren, wohin, wisse sie nicht. Die 
Trauung war im März schon einmal an 
gesetzt gewesen; was damals Veranlassung 
gab, sie aufzuschieben, ist nicht bekannt. 
Cottbus, 27. Mai. Die Weber der 
großen Sommerfeldschen Tuchfabrik haben 
plötzlich die Arbeit eingestellt. 
Infolgedessen kündigten die sämmtlichen 
hiesigen Tuchfabrikanten ihren Arbeitern 
Die Kündigung soll erst rückgängig gemacht 
werden, wenn die Sommerfeldschen Weber 
die Arbeit wieder aufnehmen. 
Worms, 29. Mai. Nach einer soeben 
erlassenen Bekanntmachung des großh. 
Kreisamtes ist die S ch w e i n e p e st in 
dem Kreise Worms amtlich festgestellt 
worden. 
Infolge eines Inserats in einer Brcs 
lauer Zeitung, durch das „für eine der 
ältesten Lebens-Versicherungs-Gesellschaften" 
ein Kassenbote gesucht wurde, meldete sich, 
wie die „Schles. Ztg." berichtet, am 15. 
d. M. ein Schuhmachermeister bei deul an 
geblichen Subdirektor der Lebens-Versiche 
rungs - Aktiengesellschaft „Union", Erich 
Meißner, und erhielt die Zusicherung der 
Stelle mit dem Bemerken, es müsse eine 
Caution von 2000 Mk. gestellt werden. 
Als der Meister nun einen über 2000 Mk. 
lautenden Hyvothekenbricf vorlegte, wurde 
die Annahme abgelehnt, da die Caution 
nur in Geld oder Staatspapieren ange 
nommen werde. Der Bewerber fuhr als 
bald nach Ohlau, lieh sich das Geld im 
Vorschuß-Verein und überbrachte es dem 
„Subdirektor", der Quittung leistete. Dem 
nächst empfing der neue Kassenbote vier 
Quittungen der Lebensversicherungs-Aktien 
gesellschaft „Union" mit dem Auftrage, die 
Beträge einzuziehen und das Geld am 
nächsten Morgen abzuliefern. Pflichteifrig 
wolle er die Aufträge noch am 15. d. er 
ledigen; da er aber die Adressaten nicht 
inden konnte, schöpfte er Verdacht und eilte 
zu dem „Subdirektor" zurück. Zu seinem 
chrecken theilte ihm dort der Wirth mit. 
daß M. noch am 15. d. Abends abgereist 
-ei und seine sämmtlichen Effekten mitge 
nommen habe. Meißner hat ein längliches 
Gesicht und dunkles Haar und trug bei 
seinem Weggange einen hellen Jaquetan 
zug und einen hellen Kaisermantel. Der 
Schuhmachermeister fetzte auf Hcrbeischaf 
ung seines Geldes 100 Mk. Belohnung 
aus. 
Danzig, 30. Mai. Infolge des gestern au' 
der Speicherinsel ausgebrochenen Feuers 
sind zwei Speicher eingestürzt, der dritte 
ist vollständig gerettet. Das Feuer glimmt 
weiter, die Danipfspritzen sind noch in 
Thätigkeit. 
Mannheim, 29. Mai. Die hiesige Straf- 
kamnier verurtheilte den städtischen Waisen 
Haus-Verwalter Jakob Beisel wegen 
mehrfacher Sittlichkeitsverbrechen, die er 
an Waisenknaben verübt hat, zu fünfzehn 
Monaten Gefängniß. 
Leipzig, 30. Mai. Der Streik der 
Leipziger Maurer hat eine größere Dirnen 
sion angenommen. Es streiken bereits jetzt 
1500 Maurer. Hundert Baustellen sind 
ohne Arbeiter, darunter das Kreisgericht 
ver Erweiterungsbau des Landgerichtes 
u. A. Von den Leipziger Mauermeistern 
haben sich, wie der „Leipziger Gen.-Anz. 
meldet, mehrere entschlossen, den Maurern 
einen Stundenlohn von 45 Pf. zu bezahlen 
Ueber die Censur in Friedrichsruh 
schreibt ein Korrespondent der Rheinisch 
Westfälischen Zeitung Folgendes: Nur 
denjenigen Zeitungsvertretern werden vor 
dem Allan Sitzplätze angewiesen, die sich 
legitimiren und bestimmt verpflichten 
ihren Bericht über die Rede Bismarcks 
zur Prüfung zu unterbreiten, ehe sie 
Friedrichsruh verlassen. Das Censorenamt 
wird entweder von Dr. Chrysander oder 
voni Grafen Rantzau ausgeübt. Einer der 
in Diensten des Fürsten stehenden Forst 
beamten überwacht die Arbeit der Herren 
Journalisten, weist diejenigen unerbittlich 
zurück, die die erwähnte Verpflichtung Ntcht 
eingehen wollen, und achtet vorzüglich 
darauf, daß die Herren von der Presse 
dem Fürsten nicht nachfolgen, wenn er 
seinen Rundgang durch die Menge macht. 
Die hierbei fallenden Aeußerungen sollen 
ungedruckt" bleiben. Ist der Empfang 
beendet, so wird den Berichterstattern ein 
über der Wagenremise gelegenes Zimmer, 
das Schlafzimmer eines Kutschers, 
angewiesen, wo sie Schreibzeug und Muße 
inden, ihre Stenogramme zu übertragen 
und mit einander zu vergleichen. Diese 
Arbeit erfordert, wenn die Rede Bisniarcks, 
uin die es sich doch bei den jetzt noch 
iattfindenden Huldigungsfahrten lediglich 
handelt, ausführlich geworden ist, mehrere 
Stunden, und da der hierauf nicht vorbe 
reitete auswärtige Journalist meist mit 
nüchternem Magen aus Hamburg abfährt, 
begrüßt man es mit Genugthuung, 
wenn der fürstliche Diener mit dem Bier 
krug und einem Tablet belegter Butter- 
brode erscheint, um die vielgeplagten Herren 
von der Feder zu erfrischen. Die Leitung 
dieses improvisirten stenographischen Bu 
reaus liegt in den Händen der treuesten 
Preßvasallen des Fürsten, der Redakteure 
der Hamburger Nachrichten, die stets meh 
rere Köpfe stark vertreten sind und die 
'ürstlichen Reden in ebenso authentischem 
Wortlaut zu bringen haben, wie der Reichs 
anzeiger die Auslassungen Sr. Majestät. 
An ihrer Spitze steht Herr Hans B. 
Grube, der übrigens den mit den Verhält 
nissen nicht vertrauten Kollegen aus der 
Provinz mit größter Liebenswürdigkeit ihr 
Amt zu erleichtern sucht. Während der 
Uebertragung des Stenogramms findet 
eine kleine Superredaktion statt, inso 
'ern wenigstens, als unter Uebereinstim 
mung aller Herren an dieser und jener 
Stelle, ohne den Sinn zu berühren, ein 
Punkt angebracht wird, wodurch aus den 
das Verständniß oft erschwerenden endlosen 
Perioden kürzere, klarere Sätze werden. 
Ist die Uebertragungsarbeit endlich beendet, 
o begibt sich Herr Redakteur Grube ins 
Schloß, wo Graf Rantzau oder der 
gegenwärtig beurlaubte Dr. Chrysander 
ein Exemplar der Reden durchsieht und 
wenn nöthig den Blaustift walten läßt. 
Man denke indeß nicht, daß hiervon etwa 
im Genre einer russischen Censur Gebrauch 
gemacht wird. Oft werden nur stilistische 
Harten abgefeilt, das stets entbehrliche 
Wörtchen „nun", das Bismarck sehr oft 
anwendet, fällt aus, das ebenso oft wieder 
kehrende „was" wird in ein „das" um 
gewandelt und inhaltlich nur in sehr sel 
tenen Fällen eine Passage gemildert oder 
ganz unterdrückt, die geeignet wäre, Miß 
Verständnisse und unnütze Erörterungen in 
der Presse zu veranlassen. So unbedeut 
am die Korrekturen sind, so dauert es 
doch oft bis 8 und 9 Uhr Abends, ehe 
das Placet erlangt ist, da die Herren Cen 
oren nicht immer zur Verfügung stehen, 
und Herr Redakteur Grube dafür haften 
muß, daß alle Berichte mit den an dem 
einen Exemplar etwa vorgenommenen Aen 
de-ungen in Uebereinstimmung gebracht 
tverden. Der Berichterstatter, der also 
den authentischen Wortlaut - der Rede des 
Fürsten erlangen und seinen Bericht noch 
mit einem der Nachts von Hamburg ab 
gehenden Schnellzüge versenden will, macht 
die Rechnung ohne die — Friedrichsruher 
Censur oder muß eine sehr flinke Feder 
und noch flinkere Beine haben. Von der 
Theilnahme am Festbanket und anderen 
Vergnügungen der Fahrgenossen möge er 
von vornherein absehen. 
- Eine Frau aus Christiansfeld, die bei 
der Huldigungsfahrt am Sonntag schon 
um 1 Uhr Nachts die Reise angetreten 
hatte, überreichte dem Fürsten einen Korb 
mit duftenden Maiglöckchen, den sie am 
Tage vorher im Walde am Rande der 
Königsau gepflückt hatte. Eine andere 
Nordschleswigerin überreichte einen in den 
Landcsfarben zusammengestellten Blumen 
strauß. Ein junges Mädchen aus Angeln 
welches der Fürst küßte, war Fräulein 
Redlefsen aus Satrup. 
Hamburg, 28. Mai. Sänger, Schau 
spieler, Artisten, Musiker rc. im Variete 
fach sind dem Krankenversich erungsgefetz 
lticht unterworfen. Das hiesige Land 
gericht verurtheilte, wie dar Artisten-Fach 
blatt „Kurier" schreibt, die Ortskranken 
kaffe zur Zurückerstattung der von ihr 
eingeforderten und unter Protest gezahlten 
Krankenversicherungs-Beiträge. 
Einen empfindlichen Verlust erlitt 
gestern ein in Hamburg weilender sächsischer 
Rentner, indem ihm sein Taschenbuch, 
welches in Reichskassenscheinen die Summe 
von mehr als 10 000 Mk. enthielt, 
legentlich einer sog. Bierreise abhanden 
kam. Wahrscheinlich ist der Verlust au' 
einen geschickt ausgeführten Taschendiebstahl 
zurückzuführen. 
In der Kunsthandlung von Otto Meiß 
ner in Hamburg, Hermannstraße Nr. 44 
sind 10 Momentaufnahmen von der Feier 
am 26. Mai in Friedrichsruh erschienen, 
Bildgröße 23 X 17 era., Preis pro Bild 
3 ,M. Fünf der Bilder sind während der 
Rede aufgenommen, ferner: Hoch auf den 
Fürsten, Hoch auf die Kaiserin, Für t 
Bismarck trinkt auf das Wohl der Kaiserin 
Fürst Bismarck unter der Menge, Abschied 
ĢrsrļtuzleUtz:«- 
Es wird zur öffentlichen Kenntniß ge 
bracht, daß, laut Mittheilung der Polizei 
behörde in Wandsbek, der Ausbruch der 
Rotzkrankheit unter den Pferden der Aktien- 
Bierbrauerei Marienthal daselbst amtlich 
'estgestellt worden ist. 
Kiel, 30. Mai. Die feierliche Bestat 
tung der auf dem türkischen Torvedojager 
Verunglückten erfolgte heute Nachmittag 3 
Uhr. In der Leichenhalle bei der Gaur- 
dener Kirche waren die 11 mit reichem 
Kranzschmuck überdeckten Särge aufgestellt. 
Kurz nach 3 Uhr wurden die Särge unter 
dem Geläute der Glocken und begleitet von 
den Klängen eines Chorals nach einander 
auf die 11 mit Blumen geschmückten Leichen 
wagen gehoben. Dann setzte sich der etwa 
eine Stunde lange und 4 bis 5000 Menschen 
zählende Trauerzug, jnach Vereinen ge 
ordnet, langsam und feierlich in Bewegung. 
Unter dem allen Ständen angehörigen Ge- 
wlge befanden sich die Direktion der Ger 
maniawerft, eine Deputation der kaiser 
lichen Werft, die Spitzen der Gemeinde 
Gaardens, die Vertreter der Marine usw. 
Der Leichenzug bewegte sich durch Gaarden 
nach dem neuen Friedhofe; überall auf dem 
langen Wege standen in ehrfurchtsvollem 
Schweigen dichtgedrängte Reihen von Neu 
gierigen, die beklommenen Herzens den 
Zug mit seiner traurigen Bürde vorbei- 
oaffiren ließen. Auf dem neuen Friedhof; 
wurden zunächst die Särge wieder unter 
Choralbegleitung von den Wagen in das 
mit Tannen ausgelegte Massengrab ge- 
bettet. Sodann hielt Hauptpastor Gosch- 
Gaarden auf dem zur Seite des Grabes 
aufgeworfenen Sandhügel stehend, eine er 
greifende Trauerrede, Nachdem dann noch 
die einzelnen Vereine ihre Kränze nieder- 
gelegt hatte die ergreifende Trauerfeier 
ihren Abschluß gefunden. 
Itzehoe, 30. Mai. Wie wir schon 
vor einigen Nummern an dieser Stelle be 
richteten, ist die Leiche des auf der Breiten 
burger Cementfabrik verunglückten Ar 
beiters Dombrowski wieder ausgegraben. 
Die vorgenommene Untersuchung hat nun 
ergeben, daß der Tod durch die lange an 
dauernde Einwirkung des elektrischen Voll- 
troms erfolgt ist. 
Wegen Unterschlagung von 18 Postan 
weisungen wurde der frühere Postverwalter 
in Eddelak zu 6 Monaten Gefängniß ver 
urtheilt; 3 Monate Untersuchungshaft 
wurden demselben angerechnet. 
Der Gerichtsvollzieher Lietz in 
Norburg aus Alsen ist unter Hinterlassung 
von Frau und Kindern, sowie zahlreichen 
Schulden ausgerückt. Das Amtsgericht 
daselbst hinterläßt einen Steckbrief hinter 
den Flüchtling. 
Pastor Jensen in Breklum hatte an den 
Kultusminister das Gesuch gerichtet, in 
Breklum eine theologische Fakultät er 
richten zu dürfen, ist aber abschlägig be< 
chieden worden. 
££ Eckernfördc, 29. Als Opfer der 
«chiffskatastrophe in unserer Föhrde sind 
von den 6 Verwundeten im hiesigen Kran 
kenhaus 3 ihren Wunden erlegen, nämlich 
die Heizer Bierfreund, Gönne und Krause, 
ihre Leichen sind gestern nach Kiel über- 
'ührt worden. Zwei der Verwundeten 
lürfen außer Gefahr erachtet werden, es 
ind dies die Arbeiter Pearson und Stärke; 
der Zustand des dritten ist besorgnißerregend. 
Á Husum, 30. Mai. Dem heutigen 
Schweinemarkt waren714sogenannte Wagen 
ferkel zugeführt. In Folge der ungewöhn 
lich großen Zufuhr nahm der Handel einen 
langsamen Verlauf. Es bedangen vier bis 
sechs Wochen alte Ferkel 8'/.,—12 Mk., 
in einzelnen Fällen auch etwas weniger, 
sieben und acht Wochen alte 13—16 Mk. 
pro Stück. Ausgeführt wurden größere 
und kleinere Parthien nach Tondern, 
Bredstedt, Garding, Tönning, Hanerau 
und den Westseeinseln und Halligen, be 
sonders nach Sylt. Der Markt wurde 
nicht ganz geräumt. 
< Kreis Rendsburg, 29. Mai. Menu's 
wahr wird, so sind nach den Falb'schen 
Wetterprognosen die Aussichten bezüg 
lich des Wetters im Monat Juni nicht 
besonders erfreulich Er sagt, der Juni 
ist ein böser Monat, gekennzeichnet durch 
zahlreiche Niederschläge, und prophezeit 
dann im Einzelnen Folgendes: 1. bis 5.: 
zahlreiche Gewitter mit Wolkenbrüchen, 
6. bis 9.: starke Zunahme der Regen und 
Gewitter, 7.: kritischer Tag 3. Ordnung, 
bringt einen Rückgang der Temperatur, 
Hochwassergefahr tritt ein, 10. bis 12.: 
der Regen nimmt rasch ab, es wird kälter, 
Schnee im Hochgebirge, 13. bis 16.: Zw 
nähme der Nieverschläge, bedeutende Kälte, 
17. bis 18.: die Kälte nimmt ab, del 
Regen läßt nach, 19. bis 21.: die TeM' 
peratur steigt, zahlreiche Gewitter, 22.: 
kritischer Tag 2. Ordnung, es wird warn" 
28. bis 30.: die Temperatur steigt, Rege" 
und Gewitter nehmen ab. 
-n Jeveusiedt, 30. Mai. Die Betheili' 
gung an Sem Fest der Fahnenweihe 
des hies. Kriegerverrins wird Voraussicht' 
lich eine recht große werden. Außer de" 
Militärvereinen in Rendsburg haben die' 
jenigen in Nortorf, Hohenwestedt, Tode"' 
büttel, Schenefeld und Tellingstedt ih 
Erscheinen bereits zugesagt. Ein Festplab 
soll hinter dem Hause des Landmamü- 
H. Graf hies. hergestellt werden. Daselvl 
wird um 3 Uhr Nachmitmgs der WeiYQ 
akt beginnen und Herr Pastor Gleiß 
deniselven eine Ansprache halten. El 
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