Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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Wendsburaer 
Wochenblatt 
Bczngsprris: 
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für Auswärtige, durch die Post bezogen 
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incl. Postprovision :c., jedoch ohne Bestellgeld. 
JAfertionsprris: pro Petitzeile 15 
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Arrestes und gelefeustrs §Uii int Kreise Rendsburg. 
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SSster Jahrgang. 
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Donnerstag, öen 30. Mar 
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Morgen.Depeschen. 
W Berlin, 30. Mai. Dem „Bert. Tagebl. 
wird aus Karlsruhe gemeldet, daß der 
Reichstagspräsidenl v. Buol zum Land 
gerichts-Direktor nicht ernannt worden fei 
Berlin, 30. Mai. Gegen das Urtheil 
des Ehrenrathes in Angelegenheit des 
Rechtsanwalts Dr. Fried mann hat 
wie der „Börs.-Cour." erfährt, der Ober 
staatsanwalt auf höhere Weisung die Be 
rufung eingelegt, weil nicht aus die 
höchste, sondern auf die zweithöchst 
Strafe erkannt worden ist. 
Köln, 3O. Mai. Die „Köln. Ztg. 
wendet sich an leitender Stelle in scharfen 
Worten gegen die serbische Regierung 
wegen ihrer Stellung den ausländischen 
Gläubigern gegenüber und versichert, 
Deutschland habe bereits seine Stimme in 
Belgrad erhoben und werde seine Haltung 
nicht ändern, bis die den deutschen Gläu- 
gern noch drohende Gefahr vollständig &e 
seitigt sei. Sollte schließlich in Serbien 
dennoch die Politik des Vertragsbruchs 
die Oberhand gewinnen, so dürfte Belgrad 
schon die Erfahrung machen, daß man sich 
in's eigene Fleisch geschnitten habe. 
st- Itzehoe, 30. Mai. Zwischen einem 
Hofbesitzer in Kronsmoor und fünf hiesigen 
jungen Fabrikarbeitern, welche dem dorti 
gen Dienstmädchen in der letzten Nacht 
einen Besuch abstatten wollten, kam es zu 
einem Kampf. Auf die Aufforderung des 
Hofbesitzers, den Hof zu verlassen, warfen 
die Fabrikarbeiter mit Steinen und setzten 
stch zur Wehr. Der Besitzer gab erst einen 
blinden und dann einen scharfen Schuß 
ab, wodurch einer der Leute im Rücken 
verwundet wurde. Alle fünf wurden heute 
Morgen hier verhaftet. 
London, 30 Mai. Nach Meldungen 
der „Pall-Mall-Gazette" aus Shanghai sind 
daselbst allarmirende Gerüchte verbreitet. 
Es wird befürchtet, daß die Feindselig 
keiten auf Formosa wieder eröffnet werden. 
Die japanischen Schiffe sollen aktionsbereit 
sein. 
Sofia, 30. Mai. Einige Parteifreunde 
Stambulows befanden sich gestern A bend 
mit einem österreichischen Staatsangehöri 
gen, dem Apotheker Berger und einem 
Oberlieutenanl in einem hiesigen Restaurant, 
als plötzlich ein ebenfalls in dem Restan- 
raut anwesender Major auf den Letzteren 
mit dem Säbel einhieb und denselben ver 
wundete. Auch Apotheker Berger und ein 
Dr. Srawschow wurden von dem Major 
angegriffen und verletz:, und zwar mit 
dem Revolver. Als sodann die Polizei 
erschien, wurden die Angegriffenen von der 
selben aus dem Lokal hinausgeworfen. — 
Da die Regierung über die Güter Stam 
bnlows die Sequestration verhängt hat, ist 
dieser nicht im Staude, das Project, seine 
Grundstücke zu verkaufen, durchzuführen. 
Nur in Burgen konnte Stambulow seine 
Liegenschaften veräußern, weil der dortige 
Gemeinderoih die Sequestration nickt an 
erkannre. 
ArMand. 
Außereuropäische Gediete. 
Newyork, 29. Mai. Die Pacific-Mail 
Company erhielt die Meldung, daß der 
Dampfer „Colima" an der Küste von 
Mexiko gescheitert ist. Bon 192 Per- 
fönen an Bord wurden nur 19 Personen 
Gerettet. 
In Hnsni in Kleinasien fiel durch sechs 
ununterbrochen Schnee. In einigen 
anderen benachbarten Gegenden ging zu 
sicher Zeit ein fürchterlicher Hagel nieder, 
-nelcher große Verheerungen anrichtete und 
zwei Personen schwer verwundete. 
England. 
London, 29. Mai. Die gestrige Ver 
sammlung der Londoner Groß- 
d a u sie nie und Bankiers beschloß 
Bildung einer Vereinigung zur Ver 
teidigung der Goldwährung. Es 
Wurde die Antwort des Schatzkanzlers 
Harcourr auf das Memorandum vom 
h 5 - ds. verlesen. Der Schatzkanzler sagte 
«°ch einem Hinweis darauf, oaß es der 
Brüsseler Konferenz von 1892 nicht ge- 
wagen fei, ein internationales Abkommen 
şibeizusuhren: „Ich stimme durchaus 
der Ansicht zu, daß das Abgehen von dem 
gegenwärtigen Währungssysteme verhäng 
nißvoll für Englands Handel und Credit 
wäre. Die Continuität der nationalen 
Politik ist in dieser Frage nothwendiger 
als in irgend einer anderen. Sie können 
sich darauf verlassen, daß die gegenwärtige 
Regierung die Haltung ihrer Vorgänger 
beibehält; sie wird bei jeder Erörterung 
der Währnngsfrage, zu lvelcher sie einge 
laden wird, keine Zweifel über ihre Ab 
sichten lassen, allein zur Goldwährung zu 
halten." 
Tünemark. 
Kopenhagen, 31. Mai. Es hat sich 
jetzt herausgestellt, daß hier seit vielen 
Jahren ein förmlicher Menschen- 
andel nach Rußland getrieben 
wird. Junge Mädchen werden von soge 
nannten „Artistagenten" als Sängerinnen 
engagirt, um in verschiedenen russischen 
Städten aufzutreten, wo sie dann dem 
Laster anheimfallen. Andere werden als 
Lehrerinnen oder Näherinnen nach Ruß- 
land gelockt und dann in dortigen schlechten 
Häusern untergebracht. Kopenhagen ist 
der Stapelplatz dieser menschlichen Waare 
die nach Riga geführt wird, um von dort 
in verschiedenen russischen Städten ver 
theilt zu werden. Die hiesige Polizei hat 
das alles gekannt, ohne dagegen einzu 
schreiten, und als ein in Moskau lebender 
hochgestellter Däne die hiesigen Polizeibe 
hörden auf diesen Mädchenhandel aufmerk- 
am machte, erfolgte die Antwort, daß sie 
in der Sache nichts thun könnten. 
O«stc-rreich-U«garn. 
Zu einem blutigen Kampf zwischen der 
Gendarmerie und de» Gläubigen der re- 
ormirten Kirche gab vor einigen Tagen 
m Szikßo (Siebenbürgen), wie uns von 
dort geschrieben wird, ein unbedeutender 
Streit Anlaß, der während des Gottes 
dienstes in der Kirche ausbrach. Da 
dieser Streit auf der Straße in eine er 
bitterte Schlägerei ausartete, forderte der 
anwesende Gendarm Matthias Uhl die 
Leute auf, auseinander zu gehen. Diese 
Aufforderung blieb indessen ohne Erfolg 
worauf der Gendarm blank zog und eine 
Frau verwundete. Stun versuchte ein 
Mann, dem Gendarmen die Waffe zu ent 
reißen, was ihm aber nicht gelang und 
übel bekam, denn Uhl hieb ihm mit seinem 
haarscharfen Säbel die rechte Hand ab. 
Jetzt erreichte die Wuth des Volkes ihren 
Höhepunkt, denn alsbald sausten Säbel, 
Llöcke und Steine durch die Luft. Als 
ein Gendarm seinem Kameraden zu Hilfe 
eilen wollte, bewarf das Volk die Beiden 
von Neuem mit schweren Ziegelsteinen und 
hieb mit ihren dicken Eichenkiiittcln auf 
sie ein. Ein Gendarm schlitzte mit seinem 
Säbel einem Btanne buchstäblich den 
Bauch auf, einem andern wurde die Nase 
weggehauen und viele andere Gläubige 
erlitten furchtbare Verwundungen. Als 
die Gendarmen hierauf den Kampfplatz 
verließen und zur Kaserne eilten, da sie 
sonst ihres Lebens nicht sicher waren 
folgte die Menge und unternahm einen 
förmlichen Ansturm auf die Kaserne 
Plötzlich traten sämmtliche Gendarmen in 
voller Ausrüstung heraus und gaben nach 
dreimaliger vergeblicher Aufforderung, 
auseinander zu gehen, Feuer. Viele 
Verwundungen kamen vor, die Leute stoben 
erschreckt auseinander und es gelang hier 
auf der verfolgten Gendarmerie, die 
Rädelsführer zu verhaften. Eine strenge 
Untersuchung ist iin Gange. 
3ntan$». 
93ei der heutigen Truppenbesichtigung 
auf dem Tempelhoferfelde stürzte der 
Flügel adj ul an t des Kaisers Oberst- 
lieutenant von Moltke mit dem Pferde 
und zog sich eine leichte Quetschung am 
Knie zu. 
— Wie das „L. T." schreibt, bestätigt 
es sich, daß bei dem Distanzritt 
Dresden-Leipzig sechs am Ritt be 
theiligte Pferde denStrapazen 
erlegen sind. Zwei der werthvollen 
Thiere verendeten unterwegs und vier 
derselben waren so außerordentlich erschöpft, 
daß sie, obgleich sie bei ihrer Ankunft so 
fort in thierärztliche Behandlung genom 
men wurden und man ihnen die beste 
Pflege angedeihen ließ, im Stalle verende- 
ten. (Wo sind denn die Thierschutzvereine?) 
— Der Landwirthschaftsminister 
hat sich nach der „B. C." bereit erklärt, 
die Domänenpächter, welche Obstbanm 
anlagen von erheblicherer Bedeutung aus 
zuführen beabsichtigen, aus Mitteln der 
Domänenverwaltung zu unterstützen. 
— Der Handels mini st er beauf 
tragte den Professor Hintze-Aachen mit der 
Untersuchung der Wasserkräfte der Gebirge 
Schlesiens behufs besserer Aus 
Nutzung für Industrie und 
Landwirthschaft. Zugleich wird 
durch Anlegung von Sammelbecken im 
Niederschlaggcbiet der Oder eine Ver 
minderung der Hochwassergefahr beabsichtigt. 
-Infolge der Petroleum-Preis 
treiberei hat der preußische Eisenbahn 
minister angeordnet, daß aus allen Bahn 
stationen solcher Orte, die Gasanstalten 
haben, sämmtliche Kandelaber und Weichen 
laternen, soweit dieselben noch nicht Gas 
beleuchtung haben, sondern bisher mit 
Petroleum gespeist wurden, an die Gas 
leitung angeschlossen werden sollen. 
Gegenüber der Blätternieldung, daß 
nach dem durch die Beförderung Buol's 
zum Landgerichtsdirektor eintretenden Er 
löschen seines Mandats Vizepräsident 
Spahn zum Präsidenten ausersehen sei, 
versichert die „Köln. Volksztg", das 
Centrum werde auch in der nächsten 
Session aus den ersten Präsidenten 
bestehen. 
Berlin, 29. Mai. Der Redakteur der 
„Kreuz-Ztg." Frhr. v. Hammerstein ver 
klagte nunmehr gleichzeitig mit Svnnemann 
den Redakteur Zacher von der „Franks. 
Kl. Presse", der die Nummer mit dem be 
kannten Artikel verantwortlich unterzeichnet 
hatte. 
— Die beiden Führer der antiscmiti 
schen Volkspartei Ahlwardt und Bocket 
haben, wie das „Volk" feststellt, im Reichs 
tage in der verflossenen Reichstagssession 
bei 13 namentlichen Abstimmungen 
ohne Entschuldigung gefehlt. Nur ein 
einziges Mal waren sie bei einer nament 
lichen Abstimmung anwesend. Das „Volk" 
hält es für nothwendig, noch besonders 
hervorzuheben, daß Ahlwardt und Böckel 
nicht einmal bei der Abstimmung über den 
Antrag ihrer Gesinnungsgenossen 
betreffend das Verbot der Judeneinwande 
rung im Reichstage erschienen waren. 
— Die Agrarier haben unter Vorschub 
des Frhrn. v. Heyl einen Antrag cur 
K ü n d i g n n g d e s M e i st b e g ü n st i g u n g s 
Vertrages mit Argentinien einge 
bracht, ist auch bereits üt der 13. Com 
mission des Reichstages angenommen. Würde 
er Gesetz, so würde gegenüber einem höchst 
zweifelhaften Gewinn, welchen die deutsche 
Landwirthschaft erzielen könnte, die Schä 
digung des gesammtcn Export 
handels, welcher auf 70—80 Milli 
onen Mark zu schätzen ist, sicher fein- 
Tausende würden darunter schwer zu leiden 
haben. In der Ferne schwebt noch ein 
weit schlimmeres Projekt (man sollte es 
nicht für möglich halten), nämlich die 
Kündigung des Handelsvertrags mit 
Großbrittannien, damit die Agrarier 
in die Lage gebrach: werden, neben dem 
argentinischen Weizen auch den indischen 
und australischen zu diffcrenziren! Die 
Schädigung, welche der deutsche 
Handeldurcheine Kündigung dieses 
Vertrages erleiden würde, sind 
allerdings unübersehbar, denn unser 
Ausfuhrhandel nach den britischen Kolonien 
hat einen Jahreswerth von 100 Milli- 
on en Mark erreicht. Also damit das 
inländische Getreide im Preise steige, damit 
den Leuten das Brot recht nach Herzens 
lust vertheuerk werden könnte, sollen solche 
wahnwitzige Experimente gemacht werden! 
Glücklicher Weise sind bis jetzt sämmtliche 
deutsche Regierungen diesen Projecten ab 
hold. Aber die Agrarier s hen in Herrn 
von Bötticher und von Marschall 
die Hauptgegner ihrer Bestrebungen und 
-ordern deshalb bereits laut die Enthebung 
dieser Minister von ihren Posten. 
— Wegen der Abstimmung im Land- 
Wirthschaftsrath gegen den Antrag 
v. Erffa, der sich bekanntlich mit dem 
Antrage Kanitz deckt, wurde in der 
Sitzung des amtlichen landwirthschaftlichen 
Centralvereins für das Herzogthum Braun 
schweig dessen Vertreter, Geh. Finanzrath 
Lüderssen und Amtsrath v. Schwartz 
Hessen, zur Rechenschaft gezogen. 
— Der „Hamb. Corr." meint, daß man 
in der sehr einflußreichen ostpreußischen 
Gruppe der Hochkonservativen, zu der außer 
Graf Kanitz selbst u. a. auch Graf Mir 
bach gehört, vor allem keinen Enten bürg 
als Reichskanzler und preußischen Minister 
präsidenten wünscht und fürchtet, daß, wenn 
Fürst Hohenlohe abginge, für einen Staats 
mann aus dieser Familie die Bahn frei 
würde. Dieser Gegensatz des Gros der 
ostprenßischen Hochtories gegen dies doch 
durchaus zu ihnen gehörende Haus kam 
ehr drastisch in dem einem der Führer der 
ersteren zugeschriebenen Aufsatze des „Deut- 
chen Wochenblatts" zum Ausdruck, wo 
aus Anlaß der bekannten Vorgänge in 
Königsberg im vorigen Spätsommer von 
den Grasen Eulenburg als dem „eigent 
lich regierenden Hause" gesprochen 
wurde. Demgemäß beabsichtigten die Kon- 
-ervativcn nicht, den Grafen Eulenburg 
zum Kanzler zu machen, sondern nur die 
Minister v. Boctticher, v. Marschall und 
v. Berlepsch aus der Staatsrcqieruna aus- 
zumerzen. 
— Im Ministerium, so besagt die 
„Deutsche T a g e s z t g.", das Organ 
des Bundes der Landwirthe, handelt es 
sich um den großen Gegensatz zwischen 
„produkliver vaterländischer Arbeit" auf 
der einen Seite und Kapitalisnius und 
Manchcsterthnm aus der anderen Seite. 
Männer der produktiven Arbeit sind nach 
der „Deutschen Tagesztg." der Kriegs 
minister, Herr v. K ö l l e r und Herr 
Schönstedt, Männer des Kapitalismus 
dagegen Herr v. Boctticher und Frhr. 
v. Marsch alt. 
— Das „Deutsche Adels bla tt" 
ermahn: in folgender Ausführung die 
adeligen Grundbesitzer von Neuem zu Ein 
schränkungen in der Lebenshaltung: „Es 
ist schon oft in diesen Spalten daraus hin 
gewiesen worden, daß das Land zwar den 
Klageruf vernehme, demselben aber so 
lange keinen Glauben beimesie, als er sich 
nicht in dem gesellschastlichen Austreten des 
Standes bemerkbar mache. Davon ist aber 
şnoch sehr, sehr wenig zu merken. Es ist 
immer derselbe Gang der Dinge, der sich 
vor unseren Augen abspielt. So lange 
die Geburtsaristokratie sich nicht geräusch 
los von den Stätten des Luxus und der 
Geldvergeudung zurückzieht, ihre Rennställe 
auflöst, die Salons der Großstädte und 
besonders der Reichskapitale den Großen 
der Börse und der Industrie freigiebt, sich 
von aller sogenannten Repräsentation zu 
rückzieht, mit einem Worte auch äußerlich 
Nothstandsfarbe bekennt, so lange wird 
man sie auf geflissentliche Uebertreibung 
taxiren. 
— Ein großartiger Schwindel 
niit gefälschten Briefmarken ist seit 
Monaten von Griechenland und der Türkei 
aus 'nach Deutschland betrieben worden, 
wodurch hauptsächlich Berliner Briefmarken 
sammler und Händler empfindlich geschädigr 
worden sind. Es handelt sich, wie der 
A.-A." berichtet, um eine von der eng 
tischen Post in Konstantinopel hergestellten 
Marke, eine gewöhnliche st.^Penny-Marte, 
die mit dem schwarzen Aufdruck 40 Paras 
versehen ist. Diese Marke ist außerordent 
lich selten und wird auf dem Berliner 
Briefmarken-Markte mit 15 .M pro Stück 
gehandelt. In letzter Zeit nun fiel es 
auf, daß eine große Anzahl dieser sonst so 
seltenen Marken von Griechenland und der 
Türkei aus nach Berlin gehandelt wurden. 
Wie sich jetzt herausgestellt hat, sind fast 
alle diese Marken, wiewohl die bedeutendsten 
Kenner sie für echt erklärten, eine groß 
artig ausgeführte Fälschung, die selbst von 
englischen Postbeaniten nicht erkannt wurde. 
Die Betrüger, die in Griechenland und in 
der Türkei Unterhändler haben, sind noch 
nicht ermittelt worden. 
UJm Wahlkreise Kolbcrg-Köslin ist (an 
Stelle des Herrn v. Gerlach, dessen Wahl 
vom Reichstag kaffirt worden ist) der 
seiner Zeit wegen Geisteskrankheit 
entmündigte Kaufmann Karl Paasch 
als Kandidat der „Antisemitischen 
Bolkspartei" ausgestellt worden. Ahl 
wardt befindet sich seit acht Tagen in 
dortiger Gegend und agitirt für Paasch. 
— Berheerenve Gewitter sind 
am Sonnabend und Sonntag über Süd- 
und Westdeutschland niedergegangen. 
Bei Kreuznach ist durch den prasselnden, 
mit Hagel untermischten Regen das zumeist 
in prachtvollen Aehren stehende Korn teil 
weise niedergelegt, von den Weinstöcken 
sind die jungen Triebe vielfach abgeschlagen 
worden. Der Blitz traf die Rost'sche 
Mädchenschule, betäubte mehrere Anwesende 
und verwüstete den Dachstuhl und sieben 
Zimmer. Bei Zell a. d. Mosel wurden 
zwei auf dem Berge arbeitende Leute, 
Pater und Sohn, vom Blitz getroffen. 
Der Sohn war sofort todt; der Vater 
wurde betäubt, jedoch ist es fraglich, ob 
er am Leben bleibt. Auch aus St. Johann 
werden heftige Gewitter mit wolkenbruch- 
artigen Regengüssen gemeldet. Bei 
Schwelm wurden aus der Weide nenn 
Stück Vieh erschlagen. Ein Blitzstrahl 
tödtete allein fünf Kühe und einen Ochsen. 
— In Bayern sind durch Hagelschlag 
schlimme Verheerungen in den Hopfen 
feldern angerichtet worden. In Alt- 
Erlangen schlug der Blitz in ein zwei 
stöckiges Anwesen, zertrümmerte im oberen 
Theile den Ofen und betäubte eine Frau; 
von da sprang er in die unteren Räume 
und tödtete die am Ofen stehende 26 Jahre 
alte Braugehilfensrau Wärter, welche ein 
kleines Kind auf deni Arme trug. Das 
Kind blieb unversehrt; von da sprang der 
Blitz in den Stall, tödtete zwei Ziegen 
und die sämmtlichen Hühner, zwei Schweine 
blieben verschont. Zwischen Harthofen, 
Reithhofen, Hohenlinden, zum Theil auch 
Forsten ist ein Wolkenbruch niedergegangen. 
Das Wasser stand meterhoch auf der 
Straße, welche gänzlich nnfahrbar ist. 
Bäume sind ausgerissen, Erdreich weg 
geschwemmt. 
Die „Voss. Ztg." meldet aus Köln: 
Bei Nideggen wurde eine Familie ans 
freiem Felde vom Gewitter überrascht. 
Die erwachsene Tochter wurde vom Blitz 
getödtet. In Niderau wurde der Dachsiuhl 
der Kirche zertrümmert. 
Nachrichten aus dem Vorgebirge der 
Eifel und vom Oberrhein bestätigen, daß 
die gestrigen und vorgestrigen Gewitter 
großen Schaden angerichtet und zahl 
reiche Unglücksfälle im Gefolge gehabt 
haben. Bei Nideggen wurde eine 4köpfige 
Familie auf freieni Felde vom Gewitter 
überrascht, die 26jährige Tochter getödter, 
die übrigen drei tödttich verletzt. Bei Els 
dorf wurde ein Familienvater vom Blitz 
strahl getödtet, in Niderau der Dachstuhl 
der Kirche zertrümmert. 
Löbnu, 29. Mai. Der Rechtsanwalt 
und Notar Trotten wurde wegen Unter 
schlagung zu 3 Monaten Gefängniß ver- 
urtheilt. 
Schweidnitz, 29. Mai. Die Verhaftung 
der beiden angesehenen Damen wegen Dieb 
stahls bildet hier noch immer das Stadt 
gespräch. Die Familie bewohnt eine Billa 
außerhalb der Stadt. Durch vornehmes 
Auftreten und elegante Toilette wußten 
sich die Töchter Eingang in angesehene 
Häuser zu verschaffen. Jetzt stellt es sich 
heraus, daß dieselben als Ladendiebinnen 
Sachen im Werthe von gegen dreitausend 
Mark aus den verschiedensten Geschäften 
gestohlen haben. Ein Kaufmann erkannte 
von den beschlagnahmten Sachen für über 
1600 Mk. Seidenstoffe, die aus seinem 
Laden gestohlen waren, eine Kunst- und 
Lederwaarenhandlung 70 Artikel, ein Mode- 
waarengeschäft hat noch für 150 Mark 
Seidenstoffe retten können, ein Handschuh- 
geschäft für über l00 Mk. Glacshand- 
chuhe, ein Goldschmied zwei goldene Uhr 
ketten u. s. w. Bitt den gestohlenen Sachen 
könnte inan ganz gut einen wohl affor- 
tirten Bazar eröffnen. 
In Kolmar ist ein Arzt wegen Betrugs 
zu einem Monat Gefängniß und 300 Mk.
	        
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