Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

gallonirten Träger die aufgeputzte Leiche 
hinter die erste Hecke, die Leidtragenden 
stieben auseinander und die zärtlichen Ver- 
wandten überbieten sich, je näher sie ihr 
stehen, um so mehr in maßlosen Schmähungen 
gegen den mißduftenden Kadaver." Das 
vorläufige Ergebniß der „Staatsweisheit 
der Herren v. Köller, Schönstedt und von 
Bronsart sei: „Fiasko einer großen Aktion 
der Regierung und der Kartellbrüder, Er 
schütterung des Vertrauens auf die leitende 
Stellung Hohenlohes und auf die Einheit 
der Regierung, moralischer Sieg der Sozial- 
demokratie, Brüskirung des Centrums ohne 
vernünftigen Grund und Zweck, traurige 
Aussichten auf eine Politik leidenschaftlicher 
Unfähigkeit." Nachdem der wahre Geist 
der gegenwärtigen Regierung sich entpuppt 
habe, würden überall die Freunde des 
Centrums sagen: „Ach, wie gut ist es, 
daß wir diesem Köller-Schönstedt-Bronsart 
schcm System der Schneidigkeit und Rück 
sichtslosigkeit keinerlei neues Machtmittel 
bewilligt haben! — Mögen sie nun sehen, 
wie ihre Köpfe sich mit der Mauer ver 
tragen. Ob Hohenlohe bleibt oder Zob 
Eulenburg kommt oder ob Miguel sich vor 
schiebt — im Reichstag giebt es eine 
Mehrheit, die Nein sagen kann, und diese 
Mehrheit läßt sich nicht beseitigen. Man 
muß wohl oder übel mit der ausschlag 
gebenden Partei rechnen; mit groben Aus 
fällen kann man Wohl dem Centrum das 
Siein leichter machen, aber nicht ein Ja 
erzwingen. 
" Zum Staats st reich fordert an 
gesichts der Ablehnung der Umsturzvorlage 
die „Schlesische Zeitung" auf. Der 
Reichstag habe seine absolute Unfähig 
keit zu positivem gesetzgeberischem 
Schaffen (!) von neuem dargethan. Der 
Zeitpunkt scheine unausbleiblich, wo von 
dieseni Reichstage ein wie immer geartetes 
Budget überhaupt nicht mehr zu erlangen 
sei. Da werde sich die Regierung mit 
Nothwendigkeit vor die Frage gestellt sehen, 
„ob sie die einmal übernommenen Ver 
pflichtungen des Reiches und dessen staat 
liche Existenz dem verfassungsmäßig leider 
zulässigen staatsvernichtenden Verhalten des 
Reichstages zum Opfer bringen, oder ob 
sie sich über einzelne, aus der von nie- 
mandem beschworenen Verfassung 
sich ergebenden Bedenken hinwegsetzen 
will, um den wichtigsten, gleichfalls ver 
fassungsmäßigen Verpflichtungen des Reiches 
zu genügen und das Reich selbst vor der 
Vernichtung durch eine gewissenlose und 
unpatriotische Parteipolitik zu retten. Ent- 
scheidet sich die Regierung für die letztere 
Alternative, so ist für sie die Beseiti 
gung des bestehenden Reichs- 
tagswahlrechts von selb st ge 
boten. Und zwar könnte, da die Er 
langung einer zur Abänderung des be 
stehenden Wahlmodus bereiten Reichstags 
Mehrheit auf Grund von Neuwahlen völlig 
aussichtslos erscheint, diese absolut unab 
weisbare Abänderung des Wahlrechts vor 
aussichtlich nur auf einem anderen 
als dem durch die Verfassung 
vorgesehenen Wege erfolgen." 
Das ist die einfache nackte Auffor 
derung zum Hochverrath und 
Staatsstreich auf die nicht gerecht 
fertigte Behauptung hin, daß von dem 
gegenwärtigen Reichstage demnächst ein 
wie immer geartetes Budget nicht zn er 
langen sein werde. 
Die „Echtes. Ztg." das führende Organ 
der Konservativen und Freikonservativen 
in der Provinz Schlesien, ergeht sich in 
Betrachtungen noch weiter dahin, daß sich 
„die Sache, d. h. der Staatsstreich, un 
möglich im Rahmen eines auf das Wahl 
recht beschränkten Verfassungskonflikts ab 
spielen könne. Die Einzelstaaten, so un 
gefähr schildert die „Schles. Ztg." die 
Entwicklung der Sache, müßten das Reich 
und damit auch den Reichstag aufheben 
und gegen Proteste und Resolutionen des 
Reichstags antworten, daß derselbe „zu 
gleich mit dem Reiche aufgehört habe, zu 
rxistiren, daß er verstrickt in Parteidebatten 
und Parteigezünk, gar nicht bemerkt habe 
daß ihm selbst der Lebensfaden abgeschnit- 
ten und er nur noch eine häßlich! 
Erinnerung Î e i on eine b e t r ü 
bende Phase der deutschen Ge 
schichte. Hat aber das Reich nur auf 
eine Stunde aufgehört zu bestehen, si 
können sich die früheren Glieder desselben, 
die doch zu bestehen fortfahren, in der 
nächsten Stunde zu einem neuen Bunde 
vereinigen. Und daß in diesem neuen 
Bunde für das gleiche, allgemeine und 
geheime Wahlrecht Platz fein würde, er 
scheint unwahrscheinlich." 
Schade, daß der Artikel erst nach Ab 
schluß der Umsturzverhandlungen im Reichs 
tage veröffentlicht worden ist! Es hätte 
sich daran bei den Verhandlungen darlegen 
lassen, von welcher Seite in Wahrheit der 
gewaltsame Umsturz der bestehenden Staats 
ordnung geplant wird. Und solche Kund 
gebungen der Konservativen treten an das 
Licht in einem Augenblick, wo bis weit 
in die konservativen Reihen selbst hinein 
das Volk aufjubelt darüber, daß die Umsturz 
vorlage im Reichstage beseitigt worden ist. 
Es ist wahrlich eine Leichtherzigkeit 
sonder Gleichen, sagt der „Hamb. Corr." 
hierzu, zu glauben, die Verträge von 1866 
und 1870 aufzulösen und neue zu schließen, 
sei so ein Spiel im Handuindrehen. Au 
diesem Wege wäre allerdings die Besei 
tigung des Wahlrechts zu erreichen, aber 
gleichzeitig ginge das Reich selbst 
in die Brüche. Man könnte ja über 
solche Extravaganzen kaltblütig zur Tages 
ordnung übergehen. Merkt nmn denn aber 
nicht, wie wenig es zusammenpaßt, scharfe 
Waffen gegen den Umsturz von unten zu 
verlangen und gleichzeitig den Umsturz 
oben zu predigen? Solche Pläne und 
ihre Erörterung untergraben die Achtung 
vor Gesetz und Recht und erschüttern das 
Vertrauen aufs schwerste. 
- Der Reichstag nahm gestern vor 
fast leerem Hause, dem die Ferienstimmung 
deutlich anzumerken war, die erste und 
zweite Berathung des Entwurfs eines Ge- 
sctzes wegen Abänderung des Gesetzes vom 
23. Mai 1873, betreffend die Gründung 
und Verwaltung des R e i ch s - I n v a 
i d e n f o n d s, dem alle Parteien im 
Hause sympathisch gegenüberstanden, vor. 
Die sehr weitläufige und sich in Einzel 
heiten verlierende Debatte drehte sich 
namentlich um die Fassung des Gesetzes, 
der jede Deutungsmöglichkeit, als ob po 
litisch - mißliebige Invaliden geschädigt 
werden könnten, genomnien werden sollte 
Der Abg Singer wollte den Sold an die 
Invaliden von 120 auf 360 Mk. erhöhen, 
während ihm von der Rechten entgegen 
gehalten wird, wie diese liebevolle Mehr 
bewilligung mit der Thatsache überein 
timme, daß die Sozialdemokratie die 
Deckung abzulehnen pflege. Der Entwur^ 
wurde nach den Regierungsvorschlägen 
angenommen, ebenso der Gesetzentwurf be 
treffend die Fürsorge für die Wittwen und 
Waisen der Angehörigen des Reichsheeres 
und der Marine. Sodann wurden im 
Fluge einige Wahlprüfungen und Petitionen 
erledigt und zwei Gegenstände, die längere 
Aussprache erfordert hätten, von der Tagest 
ordnung abgesetzt. 
Berlin, 14. Mai. Die „N. A. Z. 
chreibt über den Schluß der Parlamente: 
Die Nachricht verschiedener Blätter, daß 
der Reichstag schon am Sonnabend ge 
Glossen werden soll, beruht auf Erfindung. 
Dagegen ist ein Schluß vor Pfingsten 
wahrscheinlich. Der Schluß der Land- 
tagssession ist nach der Geschäftslage nicht 
vor dem 1. Juli zu erwarten. 
, — Die Absicht, die Novolle znm Verl 
i n s g e s e tz noch in dieser Session vor- 
zulegen, soll nach der „Freis. Ztg." auf- 
gegeben worden sein. 
- In der Angelegenheit des Ceremonien- 
meisters v. Kotze werden aller Wahr 
scheinlichkeit nach alle schwebenden Ehren 
händel insofern einen friedlichen Ausgang 
nehmen, als dabei Pistolen und Säbel 
keine Rolle mehr spielen werden. Die 
Beilegung dieses sensationellen Falles ohne 
rrneres Blutvergießen soll den „Leipziger 
Neuesten Nachr." zufolge auf einen nicht 
mißzuverstehenden Wink von höchster Stelle 
aus erfolgt sein. 
- Der Abg. Ahlwardt, so berichtet 
die „Köln. Volksztg.", war während der 
Umsturzdebatten abwesend. Er benutzte 
die Zeit zu einer Agitationstour durch 
West- und Ostpreußen und schickte von 
Danzig u. s. w. aus telegraphische Sieges 
bulletins an das „Deutsche Volksrecht" 
Berlin, 14. Mai. Neuerdings ist eine 
Lampe in den Verkehr gebracht, durch die 
das Problem, den Spiritus zu Be 
leuchtu ngszwecken zu verwenden, 
eine Lösung gefunden hat. Bei der großen 
Bedeutung dieser Frage sowohl im Hin 
blick auf die Unabhängigkeit vom ameri 
konischen Petroleum-Monopol wie auch 
auf die heimiscke Spiritusproduktion bringt 
man dieser Erfindung in Regierungskreisen 
großes Interesse entgegen. Donnerstag 
Abend hat vor dem Finanzminister Dr 
Miguel, dem Handelsminister Frhrn. v. 
Berlepsch und dem Landwirthschaftsminister 
Frhrn. v. Hammerstein eine Vorführung 
verschiedener Lampen dieser Art stattge 
Anden. Das Prinzip, das bei der Lampe 
zur Anwendung gelangt, ist das des Glüh- 
lichts Der Spiritus wird zum Vergasen 
gebracht und das leuchtende Gas in einen 
Glühkörper geleitet, der mit derselben 
Lichtstärke ivie bei dem bekannten Gasglüh, 
licht leuchtet. 
Nachdem der K a i s e r von der in Gegenwart 
des Finanzministers, des Handelsministers 
und des Landwirthschaftsministers vorge 
nommenen Prüfung der mit Spiritus ge- 
peisten neuen Glühlampe Kenntniß er- 
halten hatte, befahl er Herrn Direktor 
Helfft für Montag früh 9 Uhr nach dem 
'Neuen Palais zu Potsdani behufs In- 
augenscheinnahme des neuen Glühlichis. 
Herr Direktor Helfft führte mehrere Lampen 
vor, die alle vorzüglich mit weißem Lichte 
leuchteten, nebem den, das Licht einer 
gleichfalls angezündeten Petroleumlampe 
nicht zur Geltung kommen konnte. Der 
Kaiser ließ sich, wie die „Politischen Nach 
richten" melden, über alle Details der 
Lampe inforniiren, ließ sich die Veraschung 
eines sogenannten Glühstrumpfes vorführen 
und bekundete hierbei besonderes Interesse 
ür die Verbilligung des neuen Lichtes, 
damit die weitesten Kreise der Bevölkerung 
sich au Stelle des Petroleums nutzbar 
machen könnten, und wie der Kaiser be- 
anders betonte, die unzählbaren Unglücks- 
alle, die durch das Pelrolcumdrennen 
jahraus, jahrein so viele Menschenleben 
kosten, verhütet werden möchten. Rament- 
lich legte der Kaiser hierbei Gewicht am 
die Explosionssicherheit der neuen Lampe 
an 
und auf Allerhöchsten Befehl wurde der 
Versuch gemacht, eine Explosion herbeizu 
führen. Eine voll brennende Lampe wurde 
von Herrn Direktor Helfft in den Sand 
geschleudert; das Glasbassin zerbrach, der 
Spiritus ergoß sich nach allen Seiten, 
ohne zu explodiren, oder auch nur in Brand 
zu gerathen. Der Kaiser zeigte sich von 
diesem Versuch außerordentlich befriedigt 
und sprach Herrn Helfft seine vollste An 
erkennung für die neue Erfindung aus. 
Bei dieser Gelegenheit wies der Kaiser 
ferner darauf hin, welche Bedeutung die 
neue Erfindung für die Landwirthschaft 
habe, und welch' eine glückliche Fügung 
es wäre, „wenn seine Märker aus Kartoffeln 
Licht machen würden." Da Herr Direktor 
Helfft erwähnt hatte, daß augenblicklich 
Versuche wegen der Construktion eines 
festen Glühstrumpfes von ihm gemacht 
würden, von denen er Sr. Majestät ein 
zelne Proben unterbreitete, nahm der Kaiser 
Veranlassung, Herrn Direktor Helfft zur 
Fortsetzung dieser Proben, aber namentlich 
zur Construktion einer kleineren Lampe zu 
ermuthigen, die insbesondere für die ärmeren 
Schichten der Bevölkerung geeignet sein 
würde. 
Auf einem Standesamt Berlins hat 
vergangene Woche eine 82 (!) jährige wohl 
habende Eigenthümerin B. aus der Brunnen 
straßemit einem armen 26jährigen Schneider 
gesellen Johannes S. den ehelichen Bund 
fürs Leben geschlossen. Der vorsichtige 
neugebackene Ehemann hat mit seiner 
„jungen Frau" sofort beim Amtsgericht 
ein wechselseitiges Testament deponirt, so 
dann haben die jungen Eheleute eine Hoch 
zeitsreise nach der Riviera angetreten. 
BreSlan, 11. Mai. Die Disziplinar- 
untersuchuiig gegen die h i e s i g e n S tu 
be n t e n, die den beschlagnahmten Ein 
ipriich gegen die Umsturzvorlage unter 
schrieben, ist hiesigen Blättern zufolge auf 
Vorstellung des Rektors niedergeschlagen 
worden. 
Mainz. 13. Mai. Der Tischler Werum 
und der Landwirth Becker aus Gonsen 
heim griffen in der vergangenen Nacht 
den Posten in den Schießständen 
'"dem sie mit „Knüppeln" nach ihm wa 
Der Posten schoß. Becker wurde schwer 
verletzt, der Andere leicht. Der Soldat 
wurde vom Gouverneur für sein Verhalten 
gelobt. 
Hcttstedt, 12. Mai. Ein Bubenstück 
ist im letzten Angenblick noch glücklich ver 
eitelt worden. In einer der letzten Nächte 
mar auf einer hohen Tanne eine rothe 
Fahne angebracht worden. Der Mann, 
welcher auf Anordnung der Polizei dann 
die Fahne herunter holen sollte, bemerkte 
beim Hinaufklettern, daß der Baum ziem 
lich weit oben fast vollständig durchgesägt 
war. So wurde der offenbar beabsichtigte 
Absturz noch verhindert. 
Posen, 14. Mai. Die hiesige Straf 
kammer verurtheilte den fünfzehnjährigen 
Knaben Michael P o d z i c z a k aus dem 
Vorort Jersitz, der am 15. April im Ver 
laufe eines beim Spielen entstandenen 
Streites den vierzehnjährigen Joses Wierz 
bicki durch einen Messerstich ins Herz ge 
tödtet, zu einem Jahre Gefängniß. 
Seit einiger Zeit ist in dem Dorfe 
Lukawctz nach jedem stattgefundenen Tanz 
Vergnügen Feuer ausgebrvchen, ohne daß 
man sich die auffallende Thatsche erklären 
konnte. Auch vorgestern, an welchen. Tage 
die Veteranen ein Fest abhielten, brannte 
es, und es gelang endlich den Brand- 
tifter zu entdecken. Es ist ein Feuerwehr- 
mann, welcher die Wache hatte und das 
Feuer jedesmal selbst anlegte, un, die 
Feuerprämie zu erhalten. 
Aus der Oberlausitz schreibt man der 
Deutsch. Tagesztg.": Die Oberlausitz ist 
eine sehr schöne und sehr gesunde Gegend, 
trotzdem schwächt die Fabrik- und Industrie- 
Arbeit die ganze Bevölkerung so, daß in 
Seishennersdorf mit Leutersdorf von 203 
Rekruten nur 39 tauglich waren, von 105 
Großschönauern nur 44 und von 97 Ge- 
tellungspflichtigen am Hainewalde, Spitz- 
kunnersdorf und Waltersdorf nur 14 
Mann ausgehoben wurden. In Walters 
dorf war von 23 Rekruten nicht einer 
tauglich! 
Krefeld, 12. Mai. In dem Bassin am 
Bahnhöfe zu Ruhrort wurde gestern die 
Leiche eines anscheinend den wohlhaben 
den Klassen angchörigen Mannes gefunden, 
die offenbar erst kurze Zeit dort gelegen 
halte. In der rechten Hand des Todten 
befand sich ein Schlagring; in der zusam- 
mengekrampften Linken ein Schien,. Gol- 
>ene Uhr und Kette fanden sich vor. Das 
Zortemonnaie war geleert. Allen An- 
zeichen nach liegt ein Verbrechen vor. 
München, 11. Mai. Die Knödel- 
reiheit ist in Bayern wieder gerettet. 
Das Schöffengericht hat einen Wirth glück 
lich freigesprochen, der ein Leberknödel 
wettessen veranstaltet hatte, ohne die Polizei 
um Erlaubniß zu fragen. Bei dem Wett 
essen waren 2800 Leberknödel verzehrt 
worden; der Sieger hatte in einer Stunde 
32 Leberknödel verzehrt. Wer frißt mein? 
In Mettmann herrschte im vorigen No- 
vember große Aufregung darüber, daß 
den Nächten zum 21. und zum 28 von 
nnbekannter Hand auf dem Friedhof fr is ch, 
Gräber geöffnet, die Särge zerstört 
die Leichen bloßgelegt und ihrer Kleidungs 
stücke beraubt worden waren. Es handelte 
sich im ersten Falle um die Leiche der Frau 
des Seminar-Oekonomen, im zweiten Falle 
hatte der Leichenschänder das Grab eines 
Wirthes geöffnet. Erst nach langer Zeit 
ermittelte man den Thäter in einer Person 
des 74jährigen Ackerknechts August San 
der, dessen Koffer in der Herberge zu 
Wülfrath durch seinen Moder- und Leichen 
duft so aufgefallen war, daß man eine 
polizeiliche Eröffnung vornahm. Dabei 
fanden sich in buntem Durcheinander Aepfel, 
Zangen, Schraubenschlüssel, Sargrosetten 
und die Todtenbekleidung der beraubten 
Leichen. Sander gab einmal an, er habe 
Verbrechen allein begangen, dann 
nannte er allerlei Mitthäter, doch erwies 
sich die letzte Angabe als Erfindung. Vor 
der Strafkammer Hierselbst, die ihn heute 
zu4Jahren Zuchthaus verurtheilte, 
erklärte er, er habe die ganze Nacht dazu 
gebraucht, um die Erde bis auf den Sarg 
mit den Händen abzukratzen. San ver 
wurde im Jahre 1873 wegen Leichen 
schändung zu 10, im Jahre 1889 in 
Hagen zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt. 
In dem ersten Falle hatte er die Leiche 
mit vieler Mühe aus dem Grabe geschafft, 
mit nach Hause genommen, und in seinem 
Schlafgemach aufbewahrt. Der spätere 
Fall betraf eine Kindesleiche, die er aus 
gegraben hatte. Ein Stück von der Leiche 
hatte er ausgeschnitten und, wie es scheint, 
aus Aberglauben, als Heilmittel auf seinen 
'chmerzhaften Leistenbruch gelegt. Er war 
aber davon überzeugt, daß dieses unge 
wöhnliche Pflaster seine Schmerzen sehr 
gelindert habe. ' 
Leipzig, 13. Mai. Ein entsetzliches 
Unglück ereignete sich im Vorort Pauns- 
dorf, wo auf dem Hofe des Gutsbesitzers 
Körner die Senkgrube entleert werden 
ollte. Nach und nach stürzten der 
18jährige Arbeiter Becker, dessen zur Hilfe 
eilende Mutter, sowie ein Stallschweizer 
und der Schulknabe Hetzer, betäubt durch 
die ausströmenden giftigen Gase, in die 
Grube hinab, und als die Verunglückten 
herausgezogen wurden, da war Frau Becker 
àe Leiche und ihr Sohn starb nach wenigen 
Stunden. Den schwer krank darnieder 
liegenden Schweizer und den Schulknaben 
Hetzer hofft man am Leben zu erhalten, 
ebenso den Gensdarmen, der sich hervor 
ragend an dem Rettungswerke betheiligte 
und der ebenfalls schwer krank darniederliegt. 
AuZ Baden, 12. Mai. Ein abscheuliches 
Verbrechen verübte in Klengen, Amt 
Villingen, ein bei einem Landwirth im 
Dienst stehendes 13jähriges Mädchen. Es 
stieß einer Kalbin und einer Kuh, wie es 
elbst eingestand, derart mit einer Stange 
in die M a st d a r m ö f f n u n g, daß 
beide Thiere getödtet werden mußten. Der 
Dienstherrschaft starb in verflossener Woche 
plötzlich ein vierteljähriges Kind. Es ent- 
-and der Verdacht, das Mädchen, dem die 
Pflege des Kindes anvertraut war, habe 
ms Kind zu Tode gequält. Die Unter- 
luchung der Leiche bestätigte den Verdacht, 
dem kleinen Wesen waren die Gelenke 
vielfach zerrissen und die Knochen 
gebrochen worden: Das Mädchen blieb 
bei der Section der Leiche völlig theil 
nahmslos. 
Provinzielles. 
Elmshorn, 14. Mai. Die städtischen 
ollegten beschlossen in ihrer gestern 
Abend stattgehabten Sitzung die Anschaffung 
einer Dampfspritze sowie die Anlage eines 
Brunnens für Löschzwecke und sollen dieser 
halb 11000 Mk. angeliehen werden. — 
Der Baufonds des neuen Realschulgebäudes 
wurde von 170 000 Mk. auf 180 250 Mk. 
erhöht und theilte der Vorsitzende mit, daß 
wegen Abänderung des Baurisses in der 
nächsten Zeit der Regierungsbaumeister 
Mühlke hier eintreffen und mit dem 
Magistrat und der Baukommission ver 
handeln iverde. Für den Bahnbau Elms- 
Horn-Barinstedt, für welchen die betreffen 
den Gemeinden den Grund unentgeltlich 
hergeben, wurden 6 Tonnen Land zwischen 
hier und Sparrishoop für 1800 Mk. an 
gekauft. Nach dem vorgelegten Geschäfts 
bericht der städtischen Spar- und Leihkasse 
ist im vorigen Jahr bei einem Umsatz von 
reichlich 5 000 000 Mt. ein Reingewinn 
von 25 072 Mk. erzielt worden, wovon 
die Hälfte in die Stadtkasse fließt. 
Auf einer dieser Tage in Apenrade ab- 
gehaltenen Versammlung dänisch gesinnter 
Herren und Damen Nordschleswigs ist ein 
„Ausschuß für christliche Wirksamkeit in 
Nordschleswig" gestiftet- worden. Dem 
Ausschuß gehört u. a. Frau Redakteur 
Jessen-Flensburg an. Als Zweck des 
selben wird in den Satzungen angegeben: 
„Förderung des christlichen Lebens ' durch 
christliche Versammlungen und Vorträge, 
erbauliche Lektüre und Krankenpflege." 
Der Direktor der Ackerbauschule Dr. 
) l ö n n i s beabsichtigt im Sommer d. I. 
einen Praktischen Kursus f ü - 
in 
lernen; zum besseren Verständniß werden 
insbesondere Vorträge gehalten werden, 
welche die verschiedenen Gebiete der prak 
tischen Landwirthschaft umfassen. Der 
Kursus beginnt am 24. Juni d. I. und 
dauert 4 Wochen; daran soll sich eine 
Studienreise nach verschiedenen Gegenden 
der Provinz anschließen. Es darf ange- 
nommen werden, daß Gesuche jüngerer 
Berwaltungsbeamten um Beurlaubung be 
hufs Theilnahme an diesem Kursus seitens 
der vorgesetzten Behörden, soweit es die 
dienstlichen Interessen gestatten, Berücksich- 
tigung finden werden. 
In Folge Spielens der Kinder mit 
Stieichhölzchen brannte das Gewese des 
Herrn Jäger in Lendt bei Sommerstedt 
total nieder. Vom Inventar wurde nur 
wenig gerettet. 
Kiel, 14. Mai. Die noch vielfach herr 
schende Ansicht, daß das Panzerschiff 
„Wörth" sich an der Eröffnungsfahrt den- 
noch betheiligen werde, wird dadurch hin- 
fällig, daß den Unternehmern bei Grünen 
thal die Anweisung zugegangen ist, die 
Tiefe vorläufig nur auf 8 Metern herzu 
stellen, während die vorschriftsmäßige Tiefe 
9 Meter beträgt. Der Panzer „Wörth" 
besitzt aber einen Tiefgang von 8,4 Metern. 
Diese neue Ausbaggerung bei Grünenthal 
ist nothwendig infolge der in der Nacht 
vom Freitag auf Sonnabend entstandenen 
neuen umfangreichen Rutschung. 
Der Bau eines großen Barackenla- 
..areths im Lockstedter Lager soll jetzt 
vergeben werden. Der Garnisonbauin- 
pektor Meyer in Plön hat die Lieferung 
von 390000 Stück Hintermauersteinen und 
102 000 Stck. Verblendsteinen ausgeschrieben. 
Bei Grünenthal hat in der Nacht vom 
Freitag auf Sonnabend eine Rutschung 
der B ö s ch u n g westlich von der Hoch- 
brücke stattgefunden. Um den Schaden 
sofort auszubessern, sind mehrere Bagger 
und Schleppdampfer in Thätigkeit. Man 
will die schadhafte Stelle des Ufers durch 
Beschüttung mit Kies widerstandsfähiger 
machen. Die Arbeit wird mit aller Energie 
gefördert. 
Bei dem letzten Gewitter schlug der 
Blitz in die Fernsichter Thonwaaren- 
mbrik bei Keüinghusen, ohne indeß größeren 
Schaden anzurichten. 
ş Itzehoe, Die 8 >/. 2 iä^rtge Tochter des 
Kaufmannes Schlichting in Marne ertrank 
in der auf der Weide des dortigen Thier- 
arztes Maassen befindlichen Tränkstelle 
beim Blumenpflücken. 
Owschlag, 13. Mai. Die Thätigkeit des 
hiesigen T o r f w er k s hat bei der günstigen 
Witterung einen starken Aufschwung ge- 
nommen. Es sind jetzt 70—80 Arbeiter 
hier thätig. Der Preßtorf scheint auch 
allmählich im gewerblichen Betrieb bevor- 
zugt zu werden. So sind z. B. 4 Wag- 
gons Preßtorf dieser Tage für eine Eken- 
under Ziegelei angekauft. 
X. Rendsburg, 14. Mai. In Neu- 
Münster hat sich !zur Eröffnungsfeier des 
Nord-Ostsee-Canals ein Wohnungsausschuß 
gebildet, welcher rund 250 Wohnungen 
Ar den Fremden-Ueberschuß zur Verfügung 
hat, den Kiel nicht aufzunehmen vermag. 
Besäße Rendsburg eine direkte Bahn-Ber- 
bindung mit Kiel, so würde auch hier auf 
noch stärkeren Fremdenverkehr zu rechnen 
ein, als er ohnehin an den genannten 
Tagen hier erwartet wird. 
_ Rendsburg, 15. Mai. Da der als 
Lehrer für die Altstädter Knabenschule ge 
wählte Herr Giese aus Erfde sein hiesiges 
Amt erst am 1. Oktober antreten kann, 
hat die Königliche Regierung eine examinirte 
Lehrerin ernannt, welche die Verwaltung 
der 6. Klasse der genannten Schule bis 
zum 1. Oktober übernehmen wird. 
A Rendsburg, 15. Mai. In der letzten 
Nacht verunglückte auf dem Bagger der 
Firma Kinzel & Lauser in Königsförde 
der Heizer Sülker aus Rendsburg. Der 
Verunglückte wurde mit einem der Firma 
gehörigen Dampfer sofort nach dem hiesigen 
Krankenhaus geschafft. Die Verletzungen 
sind sehr starke. Arm und Brust sind ge- 
quetscht und ein Bein gebrochen Den 
ersten Verband legte der Krankenwärter 
Lange in Sehestedt an, welcher während 
der Bauzeit . des Kanals in der dortigen 
Baracke thätig war. Trotz des sorgfältig 
angelegten Verbandes war doch der Blut 
verlust des Verunglückten leider ein sehr 
bedeutender. 
üngere Verwaltungsbeamte 
an der Probsteier Ackerbauschule zu Schön 
berg einzurichten, der den Therlnehmern 
Gelegenheit bieten soll, den praktischen 
Betrieb der Landwirthschaft durch Besichli 
gung verschiedener Wirthschaften kennen zn 
Abend-Dep eschen. 
Wien, 15. Mai. Prinz Albrecht 
von Preusten ist mit einer Militär 
deputation heute früh um 8% Uhr 
hier eingetroffen, um dem Kaiser 
Iran; Joseph den preuhischen Feld- 
marschaUstab zu überbringen. Der 
Kaiser war zum Empfange am Bah»' 
Hofe anwesend. 
Breslau, 15. Mai. Der Senat der 
esigcn Universität hat einstimmig 
beschlossen, dem Kultusminister zv 
erklären, das; das gegen die studen 
tischen Unterzeichner der beschloß* 
.rahmten Prt,klonen gegen die Um 
sturzvorlage vom Minister geforderte 
Disziplinarverfahren dcshatl, nicht 
eiiigrleitek werden könne, weil die 
Studenten im Einverstandnist uiit 
der Universitäksbehörde gehandelt 
hätten. 
Entf 
die Tr, 
und Gl 
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im Alt 
ruhig < 
Wei 
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Nachmi 
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Verwandte 
die trostr, 
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Mannes 
innigsten 5 
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Büsing 
5. Decem 
licher S 
Artillerie 
Simon fl 
Elisa Ma 
Rendsbui 
Heinrich s 
als 50 £ 
unbekann! 
sich späte 
18. Oct 
anberaum 
unterzeich 
widrigenf 
und mit Ï 
Wahrung 
setzen gen 
Rendsļ 
Kö! 
Am Dl 
nicht V 
Nachmitta 
Colosseum 
7 Kis 
Spiel, 
1 Ki 
Cigari 
Stück 
lickte, 
8 Kiste 
Dosen 
Sack 
mehr 
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öffentlich z 
gegen gleid 
Ltfft! 
Am Fr- 
Mittags 1< 
Gastwirth- 
ca. 
Pack 
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Han 
garr 
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Restorff, «i 
Erbsen, 
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