Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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Bezugspreis: 
^>erte!jähr!ich 2 Jt.~, frei mS Hans geliefert 
2 Jt 15 Ķ 
für Auswärtige, durch die Post bezogen 
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«ei. Postprovision je., jedoch ohne Bestellgeld. 
InîertioņSpreis: pro Peiitzeile 15 Ķ 
Wo. 103. 
MorgenDepeschen 
Altona, 2. Mai. Sämmtliche hiesige 
Stadtverordneten haben soeben 
ihre Zustimmung zu dem Berliner Protest 
Segen die Umsturzvorlage erklärt. 
Berlin, 3. Mai. Die conservative 
^eichstagsfraction trat am Donnerstag 
Abend behufs Stellungnahme zur 
Umsturzvorlage zusammen und be. 
chloß, gegen die Commisstonsbeschlüsse eine 
^blehnendeHaltung einzunehmen, 
wird aber versuchen, durch Abänderungs. 
"«träge und Zurückgreifen auf die Regie- 
'»ngsvorlage etwas Positives zu schassen. 
! Berlin, 3. Mai. Oberbürgermeister 
Zelle stellte Strafantrag gegen die 
«Kreuzzeitung" wegen eines Artikels, in 
FM Zelle der Borwurf der Gesetzwidrig- 
>eit gemacht wird, weit er eine Petition 
°ks Magistrats an den Reichstag wegen 
^ichtgenehmigung der Umsturzvorlage an 
Stadtverordneten übersandt hat. 
Mainz, 3. Mai. Nach einem Beschluß 
"er nationalliberalen Fraktion der Stadt 
verordnetenversammlung wird sich dieselbe 
1 er hiesigen Zustimmungserklärung zu den 
Beschlüssen der städtischen Bertretung in 
Zerlin in Angelegenheit der Umsturzvor- 
^ge anschließen. 
Wiesbaden, 3. Mai. In der heutigen 
Stadtverordneten - Versammlung cirkulirtc 
°we Erklärung, welche von zahlreichen 
Stadtverordneten unterschrieben ist, und 
welche an die am Sonntag, den 5. Mai 
!Ü Berlin tagende Versammlung deutscher^ 
btädtc gegen die Umsturzvorlage abgesandt 
wird. 
Wiesbaden, 3. Mai. Dieser Tage wird 
^'kr unter dem Namen: „Wiesbadener 
Mhalatorium" ein neues Inhalatorium 
«r Hals- und Lungenkranke eröffnet, nach- 
km im Bersuchsinhalatorium zu Karls. 
Ahe große Resultate erzielt worden sind. 
si°ß neue Verfahren besteht darin, daß ein 
/"rch trockene Destillation von Fichtennadeln 
ņd Fichtenholz gewonnenes Produkt, wel> 
J* hauptsächlich aus Holztheeren, Phenolen, 
Zlpenen und aromatischen Kohlenwaffer- 
°sien besteht, vermittelst besonderen, speziell 
Richteten, pantentirten Central-Apparates 
Zk stundenlangen Einathmung in den In- 
^ationsräumen gelangt. Diese Art der 
( Aathmnng unterscheidet sich wesentlich von 
wn, ^durch feuchte Destillation ge 
70U 
Arlteftrs «;:v «àsetîşirs Katt im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen für die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
88ster Jahrgang, chs- 
Sonnabenh, den 4. Wai 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art i,i die regelmäßige Lie^nmg 
dieses Blattes vorbehalten. 
AIS Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie da§ 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben. 
3800 Abonnenten. 
vniieii, „Fichtennadeldämpfen", da diese 
^uupisächlich aromatische Kohlenwasserstoffe, 
die wichtigeren Bestandtheile: 
iztheere und Phenole enthalten. Tie 
Leitung des Inhalatoriums hat Herr Dr. 
Georg Hansmann übernommen. 
Crossen, 3. Mai. Das Dorf Pommer, 
z i g, das größte im Kreise Crossen, ist 
gestern durch eine F e u e r s b r u n st zum 
größten Theil zerstört. Infolge des starken 
Nordwestwindes wurden in zwei Stunden 
65 Wohngebäude, 150 Scheunen und Stal- 
lungen eingeäschert. Auch viel Vieh ist 
verbrannt. Pfarr- und Schulgebäude könn- 
ten nur mit Mühe erhalten bleiben. Den 
meisten Leuten ist alles verbrannt, da sie 
beim Ausbruch des Feuers auf dem Felde 
waren. Das Feuer ist dem „Crossener 
Wochenblatt" zufolge durch das Spielen 
von Kindern mit Streichhölzern entstanden 
Nieuwpoort, 2. Mai. Die seit Sonn 
tag verschwundene Bark „Lydia" ist 2 
Kilometer von Nieuwpoort entfernt gegen 
über Lombardzyde gescheitert aufgefunden 
worden Ueber das Schicksal, der aus 6 
Personen bestehenden Mannschaft ist leider 
kein Zweifel, doch ist noch keine Leiche 
gefunden worden. 
Mailand, 3. Mai. Zn einer der Bor 
stable von Ravenna ist es gestern zwischen 
der bewaffneten Macht und einer großen 
Anzahl Arbeiter zu einem heftigen Ren 
kontre gekommen. Die Arbeiter hatten ans 
offener Straße anarchistische Ruse ausge 
stoßen. Mehrere Personen wurden ver 
mundet. Erst nach längerer Zeit gelang 
es, die Ruhe wieder herzustellen. 
Peking, 3. Mai. Der Friedens 
vertrag zwischen Japan und China ist 
gestern ratificirt worden. 
Ncwvvrk, 2. Mai. Ein fürchterlicher 
Stur m verwüstete den East Hutchinson- 
Distrikt des Staates Kansas. Zehn Per 
so neu wurden getobte t, zwanzig schwer 
verletzt. 
Dentschex Reichstag. 
88. Sitzung. 
Berlin, 3. Mai. 
Zn dritter Berathung wird der -Gesetzentwurf 
für Elsaß-Lothringen über die Aufhebung des 
Gesetzes betr. die Ernennunz und Besoldung der 
Bürgermeister und Beigeordneten vom 4. Juli 
1887 ohne Debatte angenommen. 
Nächster Punkt der Tagesordnung ist die erste 
und zweite Berathung des Nachtcagsetats für 
die feierliche Eröffnung des Nord-Qstseekanals in 
Höhe von 1 700 000 Mark. 
Staatssekretär Dr. v. Boetticher: Das 
große vaterländische .Unternehmen, der Nord- 
Ostseekanal, geht seiner Vollendung entgegen; 
er wird arri I. Juli dem Verkehr übergeben wer 
den können. Das hat den Gedanken nahegelegt, 
die Eröffnung durch eine große Feier auszu 
zeichnen. Die Regierungen schlagen Ihnen ein- 
stimmig vor die erforderlichen Mittel zu bewilligen. 
Wenn ich mir vergegenwärtige, mit welcher Be 
reitwilligkeit 1886 der Reichstag die Bedeutung 
des Kanals anerkannt hat, so kann ich mir nicht 
denken, daß die Forderung auf Widerspruch stoßen 
wird. Es handelt sich jetzt aber nicht nur um 
eme nationale Feier wie 1886, sondern es soll 
auch das Ausland herangezogen werden, um auch 
ihm die Bedeutung des Kanals und ein schönes 
Werk deutschen Gewerbefleitzes vor Augen zu 
füfjmt. Die an alle seefahrenden Nationen 
Europas und an die Vereinigten Staate" v-n 
Nordamerika ergangenen Einladungen stub freund 
lich angenommen worsen und wir werden im 
Kieker Hafen 50 «remde KrieaSschisie mit voraus 
sichtlich 13 Admiralen, 800 Offizieren und 16006 
Mann Besatzung empfangen. Das Programm 
der Eröffnung ist in der Ihnen vorgelegten Denk 
schrift mitgetheilt. Die Festtheilnehmer werden 
während der Dauer auf besonderen Schiffen unter 
gebracht werden. — Eine des Reiches und ihrer 
Bestimmung würdige Feier verursacht natürlich 
Kosten, die durch einen besonderen Nachtragsetat 
gedeckt werden sollen. Das empfiehlt sich schon 
deshalb, weil wir wünschen müssen, daß der Reichs 
tag dadurch, daß er die Kosten bewilligt, der 
Feier den nationalen Stempel aufdrückt. Ich 
freue mich, dankbar anerkennen zu können, daß 
bereits das Präsidium des Reichstages sich bereit 
erklärt hat, an den Vorbereitungen der Feier mit 
zuwirken. Die geforderten Kosten werd-n ange 
sichts der zu veranstaltenden Feierlichkeiten nicht 
zu hoch gegriffen sein. Die Eröffnung des Suez 
kanals hat eine Ausgabe von 50 Millionen Frcs. 
erfordert. Als Trost kann ich Ihnen mitgeben, 
daß die Bauleitung des Nord-Ostsee-Kanals so 
sparsam gebaut har, daß der Fonds von 156 
Millionen Mark nicht nur ausreichen wird, son 
dern daß noch eine nicht unerhebliche Ersparniß 
zu erwarten ist. Diese Ersparnis; beläuft sich 
auf .700-000 Mk. (Heiterkeit.) Das erscheint ge 
ring, aber wenn ich Ihnen sage, wieviel noch ge 
leistet worden ist, wie der Kanal einen halben 
Meter tiefer ausgebaggert worden ist, als die 
Marineverwältung gefordert hat, daß ferner eine 
feste Brücke gebaut worden fft, so gewinnt die 
Ersparniß doch an Bedeutung Außerdem sind 
die Berechnungen sehr vorsichtig aufgestellt. Ich 
glaube Ihnen versprechen zu können, daß über 
die Hälfte der heute geforderleu Summe durch 
Zurück, rstattung wird gedeckt werden können. Ich 
hoffe, daß Sie es nicht zu bedauern haben wer 
den, wenn sie heute die Kosten iür das vater 
ländische Fest, werth der Förderung aller Vater 
landsfreunde, bewilligen. Auch hier gi't der Satz: 
P;ro rpatria es-t, dmu Jndea-e •videmur. 
Abg. Bebel (Soz. ': Auch wir erkennen an, 
daß es sich hier um eia vaterländisches Werk 
handelt. Als es sich um die Beivilligung der 
Mittel handelte, hat auch unsere Fraktion dafür 
gestimmt, obgleich sic durch den Abg. Hasen- 
clever erklären ließ, daß cs sich davei um ein 
im militärischen Interesse auszuführendes Werk 
handle. Kriege gehören ja aber zu den Aus 
nahmen, und der Zeiipunkt, wo Kriege zwischen 
Kulturnationen unmöglich sind, ist näbcr als 
Biete glauben. Unter diesen Umständen finden 
wir auch eine Feier des Abschlusses dieses Werkes 
er klärt ick, Wunen ihr aber, so wie sie geplant 
ist. keine freundliche Seile abgewinnen. Derer, 
die mit ihrem Fleiße und jhrxr Arbeit den Bau 
geiordert haben, wird nicht gedacht. — Man 
Der Fliischmünzer. 
Novelle von Ludwig Habicht. 
müßte in erster Reihe für das Unterkommen 
der nach Vollendung des Kanals brodloS werden 
den Arbeiter sorgen. Ferner hat der Kana! 
vielen Anwohnern das Wasser abgegraben: auch 
diesen müßte Hülse des Reiches werden. Wir 
wünschen, daß das Werk sich möglichst gedeihlich 
entwickele. Der geplanten Feier können wir 
aber nicht zustimmen, einmal, weil wir Gegner 
solcher Feste sind, zumal 'n einem Augenblick, 
wo ständig nach neuen Steuern gesucht wird: 
auch angesichts der Umsturzvorlage, die den 
Sozialdemokraten einen Mühlstein um den Hals 
hängen soll, werden Sic cs begreiflich finden 
w'nn wir der Forderung unser: Zustimmung 
nicht geben. 
Abg. Richter (-reis. Dp.): Wir sind für die 
Bewilligung der Summe, wollen auch das Fest 
programm nicht kritisircn, aber wir hätten ge 
wünscht, daß die Forderung schon im März an 
den Reichstag gelangt wäre, so daß der Reichs 
tag im Einzelnen Ausstellungen hätte machen 
können. Mit der Deckung der Kosten durch 
Matrikularbeiträgc sind wir'nicht einverstanden, 
sondern glauben, daß die Deckung sich aus an 
dere Weise ermöglichen lassen wird. Was die 
vom Vorredner angezogene Umsturzvorlage be 
trifft, so glaube ich, daß diese bereits begraben 
sein wird, wenn das Fest gefeiert wird. iHciter- 
keit.) 
Das Haus geht über zur Interpellation 
des Abg. v. Liebermann und Genossen: „Welche 
Maßregeln gedenken die verbündeten Regierungen 
zu ergreifen, um die Ausbeutung, von welcher 
das ucsammte d Nische Volk durch die künstliche 
Preistreiberei des Petroleums augenblicklich 
betroffen ist, zu beseitigen?“ 
Staatssekretär Dr. v. Boetticher: Ich 
möchte die Beantwortung der Frage, ob ich zur 
Beantwortung der Interpellation bereit bin, mit 
einigen Bemerkungen einleiten Die Dinge, 
aus die sich die Interpellation bezieht, die Ring- 
bildung, der Pctroleumyanoel in Amerika sind 
der Aufmerksamkeit der Regierung nicht ent 
gangen Schon seit langer Zeit beschäftigt sich 
die Reicksregierung im Verein mit der preußischen 
Regierung mit der Frage, ob und welche Maß 
regeln zum Schutze der deutschen Interessen 
gegenüber den Wirkungen dieser Ringbildung 
zu ergreifen seien, . Die Erwägungen sind dem 
Abschluss- nahe Eine Be'chlußiassung darüber, 
was zu thun ist. hat aber zur Zeit noch nicht 
erfolgen könne». Ich halte es nicht für ge 
rathen, über das Ergebniß der angestellten Er. 
Mittelungen und Erwägungen über den Stand 
der Dinge und über die einzelnen Maßregeln 
von denen in der Presse und im Kreise der 
Interessenten gesprochen worden ist, hier ein 
Wort zu veriicrev. Ich glaube vielmehr dem 
Interesse des deutschen Handels und der 
deutschen Consumcntcn mehr zu entsprechen, 
wenn ich zur Zeit die Beantwortung der Inter 
pellation ablehne. 
Abg. Dr. Barth (kreis. Ver.) beantragt nichts 
destoweniger die Besprechung der Interpellation. 
Es erhält zunächst zu ihrer Begründung das 
Wort 
Abg. Zimmcrmann (Antis.) Die Frage des 
Petroleums ist eine brennende, für die deutsche 
Bevölkerung äußerst wichtige, und wir stehen 
BOl '_ dem Schluffe der Session. Der Reichstag 
muß gegenüber der unerhörten Hausse des Pe 
troleums, der Preistrcibkrei Stellung nehinen. 
.--Ihr wißt, daß er vor einigen Monaten 
>bcv kam," fuhr Wapmarm tief Athem 
ivpfeiid fort. „Feodor war immer tiefer 
funken, er hatte sich wieder einmal nach 
.Zutschland verirrt, mußte dort irgend ein 
ivrcchcn begangen haben, denn er wurde, 
kJ 55 mir mittheilte, steckbrieflich verfolgt. 
!ji ,~- r k“ 1 st»! eine Zufluchtsstätte, ich mußte 
!« rhm gewähren. Einmal in meinem Hause 
^ tde er immer unverschämter — er drang 
^auŗ, m meine Familie eingeführt zu werden 
à O, was es mich gekostet hat - Euch mit 
klln, Elenden nur tn Berührung zu bringen." 
ltj «er arme unglückliche Mann, vermochte 
, W weiter zu sprechen, Thränen erstickten 
"k Stimme. 
H Wahrend Harriet mit unendlicher Zärt- 
^ est bemüht war, die Verzweiflung des 
zu beschwichtigen, saß Mary noch 
’ e 5 unbeweglich da. 
,i *e dachte nur, daß sich jede Schuld räche 
en ' sie selbst namenlos un- 
! Ic( ) sei; als aber jetzt der Vater erzählte, 
^bevdor zuletzt um ihre Hand angehalten 
stsst durch seine entschiedene Weigerung 
-Şhiu ^şiPsikn Zorn erregt und wie er an- 
î>> e/ņ u>üsse, daß der Schändliche dennoch 
" sei und das Verbrechen feiner 
° °us Rachsucht zur Anzeige gebracht 
t'ährt, a )ch"wlz der starre Sinn des jungen 
Wnf*?' cö î Qnî mit Einem schmerzlichen 
JJ r bem Vater an die Brust und ries 
üb 
Empfindung: „Verzeihe mir, 
Vheimlich anklagte, ja, Du hast 
schuld gebüßt." — 
et Vater verstand vollkommen den Sinp 
ihrer Worte und eiitgegnete mit milder Resig 
nation: „Nein, nein, jetzt erst büße ich sie 
und deshalb werde ich ruhig tragen, daß 
man mich gestern unschuldig verurtheilt hat, 
denn so war Gott lebt, an diesem Bebrechcn 
bin ich unschuldig: aber das Gold war es, 
das mich damals Verblendete und jetzt kommt 
nur die Vergeltung und es ist wieder Gold, 
das mich ins Unglück stürzte." Der Gc- 
fäugnißwärter mahnte jetzt daran, daß die 
bewilligte Zeit abgelaufen sei und nun brach 
noch einmal ein furchtbarer Schmerz über 
sie herein — die Trennung. Waxmann be 
durfte all' seiner Fassung, um sich ausrecht 
zu erhalten, er suchte seine Kinder zu trösten, 
daß sic sich vorläufig noch öfter wiedersehen 
würden, aber als die Thür des Gefängnisses 
sich schloß, er wieder allein war — brach 
er doch in die Knie . . . 
Mary war jetzt wie verwandell — der 
Alpdruck war von ihr genommen. Sie konnte 
wieder ihrem Vater das vollste, innigste 
Mitleid schenken, wie sie es vorher nicht 
vermocht. Ihrer Schwester bekannte sie offen, 
ww hart sic den Vater beurtheilt und wie sie 
sich eines bitteren Gefühles nicht habe erwehren 
können, daß sie sich selber ehrlos genlacht. 
Nun aber wußte sie Alles! daß er sich lieber 
elbst als sein Kind geopfert und nun schlug 
die grollende Stimmung in das Gegentheil 
um. Sie mußte ihn wieder lieben und 
bewundern, der so schwer gelitten und so 
entschlossen für ihr Glück gekämpft, ohne nur 
ein Work davon zu sagen, wie viel für ihn 
auf dem Spiele stand . . . 
Noch besprachen die Schwestern daö ent- 
etzliche Geschick des Theuren, da trat Jean 
herein und meldete, daß Herr Müller da sei 
und Fräulein Diary allein zu sprechen wünsche. 
So hatte der Vater nur zu richtig ver 
muthet, der Elende war noch in London und 
die Anzeige sein Werk. Zitternd vor Auf 
regung entgegnete Mary: „Wie kann es der 
Nichtswürdige wagen, unsere Schwelle zu 
betreten!" aber Harriet rief sogleich rasch 
besonnen: „Führe Herrn Müller in das 
Empfangszimmer, Mary wird bald erscheinen." 
„Wie kannst Du es dem Elenden erlauben?" 
fragte Mary heftig. Die Schwestern schienen 
ihre Rollen vertauscht zu haben, während 
die Aelteste aus ihrer passiven Ruhe völlig 
herausgerissen war und sich jetzt heftiger, 
leidenschaftlicher zeigte, entfaltete die Jüngste 
eine Ruhe und Besonnenheit, die ihr sonst fern 
gewesen und sie entgegnete ohne die mindeste 
Erregtheit: Warum sollten wir ihn auf der 
Stelle zurückweisen? Vielleicht verräth er sich 
mit manchem Wort, deshalb, Mary, zeige 
ihm dein ruhiges, kaltes Gesicht von früher." 
«Und haben wir nicht Alles von diesem 
Schurken zu fürchten?" sraqtc Mary in 
großer Erregung. „Ich werde Dich begleiten, 
war Harriet's Antwort. Aber trotz des 
Zuspruches war cs Mary doch, als veiffagten 
ihr die Knie. — Harriet mußte muthig in 
das Empfangszimmer voranschreiten, dann 
erst folgte sie. 
Herr Müller war schon da und hielt seine 
großen Augen aufmerksam auf die Thür 
gerichtet; als er die Jüngste zuerst eintreten 
ah. zeigte sich deutlich auf seinem blühenden 
Gesicht eine Enttäuschung. 
Dem Abenteurer mußte es in der 
Zwischenzeit leidlich gut ergangen sein; 
wenigstens seine Kleidung ließ nichts zu 
wünschen übrig, sie war elegant und was bei 
ihm viel sagen wollte, sogar äußerst sauber. 
Selbst die rothbraunen Glacehandschuhe 
Die Standard-Oil-Company ist vor keinem Mittel 
zurückgeschreckt, die Petrolcumproduktion zu mono- 
polisiren.ķ Die Reichsregicrung muß gegen die 
Auswüchse des Großkapiials Stellung nehmen. 
Das Organ der Sozialdemokratie sieht in diesenr 
Petroleummonopol einen Schritt auf dem Wege 
zum Sozialismus. Wenn die Sonaldemokrati: 
wirklich die Arbeiterpartei wäre, vann freilich 
würde sie nicht als lachender Dritter b-i Seite 
stehen. Es ist das bezeichnend die Verbindung 
vor- Soziaioemotralre und Großkavitab Nicht 
einmal die Paffümerien wollen die Sozialdemo 
kraten höher belasten. Es handelt iich "m. Sein, 
oder Nichtsein des modernen Staatslebens. Vom 
Graten. Eapnvi konnten wir <a nichts Durch 
greifendes erwarten. Noch ist es Zeit, zu z-'g'n, 
daß der Staat fich dem Machtgebote der Kapi 
talisten nicht fügt. Bei dieser Gelegenheit wäre 
cs ja leicht, zu zeigen, wie gerade das inter 
nationale Judenthum der Träger internationaler 
Gefahren ist. (Lachen und Aha! links.) Wenn 
Sic uns provociren, sind wir bereit. Ihnen zu 
dienen. (Beifall bei den Antisemiten.) 
Zur Geschäftsordnung nimmt das Wort 
Abg. Dr von Bennigsen (nat.-lib.): Der 
Herr Präsident ist nicht ganz geschäftsmäßig ver 
fahren. Er hätte, nachdem der Antrag auf Be 
sprechung der Interpellation gestellt war, zunächst 
die Frage der Unterstützung durch 50 Mitglieder 
stellen sollen. Ich würde wünschen, daß in Zu 
kunft nach der Geschäftsordnung verfahren wird 
und niöchte dem Abg. Dr. Barth den Rath er 
theilen, seinen Antrag auf Besprechung der Inter 
pellation zurückzuziehen. Ich meine, die Grünve 
des Herrn Staatssekretärs, weshalb er heute eine 
Besprechung nicht wünscht und eine Antwort zu 
ertheilen nicht im Stande ist, sollten auch für 
uns ausschlaggebend sein. Der Gegenstand ist 
wichtig genug, und sowohl die verbündeten Re 
gierungen wie der Reichstag werden ihm gewiß 
alle Aufmerksamkeit zuwenden. Aber wenn Ver 
handlungen schweben, in welcher Weise der Preis 
treiberei entgegengetreten werden kann und wenn 
diese Verhandlungen noch nicht zum Abschluß ge 
kommen sind, so meine ich doch, daß wir in sie 
nicht störend eingreifen sollten. (Beifall.) 
Abg. Dr. Lieber (Centr.) meint, daß der 
Pràsldent dem Abg. Dr. Barth gegenüber ganz 
richtig verfahren sei. Vielleicht wäre es besser 
gewesen, wenn der Staatssekretär sich zur Be 
antwortung der Interpellation bereit erklärt und 
dann die Rede gehalten hätte, die er zur Begrün 
dung der Ablehnung der Antwort gehalten habe 
(Heiterkeit und Zustimmung). Was dann den 
Antrag des Abg. Dr. Barth betrifft, die Inter 
pellation zu besprechen, so meinen wir, daß eine 
olche, wenn eine Beantwortung von der Re 
gierung abgelehnt ist, nur einen ganz geringen 
Werth hat. Meine politischen Freunde legen auch 
kemen Werth darauf, auf die Ausführung des 
Vorredners einzugehen. Aus diesem Grunde 
fließen mir uns dem Wunsche des Hern, von 
Bennigsen an, vo»i einer Besprechung jetzt abzu- 
ckieben""" àe gelegenere Zeit zu ver- 
f at ^ (freist Vereinig.): Darin 
kann ich mich dem Abg. Dr. Lieber nicht anschlie- 
gei., datz, wenn die Regierung die Besprechuna 
einer Interpellation ablehnt, eine solche keinen 
Werth mehr hat. Inzwischen hat der Interpellant 
ûbersà ŞAabt und ich gestehe, ich hade ihn 
überschätzt, ich glaubte, es ivürde nothwendig sein, 
waren völlig neu. Dian konnte deutlich 
bemerken, daß sich der eitle Mensch in seinem 
neuen Anzüge sehr gefiel. 
Harriet grüßte freundlich und nahm zuerst 
das Wort: „Sie haben zwar meine Schwester 
allein zu sprechen gewünscht, aber wir sind 
jetzt unzertrennlich und was Sie ihr anzu 
vertrauen haben, können Sie ruhig in meiner 
Gegenwart sagen. Ich hoffe, daß Sic es 
nicht stören wird." 
Mary begriff nicht, wie die Schwester 
diesen verhaßten Menschen mit solcher 
Höflichkeit behandeln konnte. Bei seinem 
Anblick kam ihr ja das ttaurige Schicksal 
ihres Vaters mehr als je zum Bewußtsein 
Das war also der Elende, dessen Vcrführunqs- 
tünsten damals der Jüngling unterlegen, der 
dann den llnglücklichen beständig geguält, 
verfolgt, ^ und zuletzt sogar die Frechheit 
gehabt, sich einzubilden, daß sie ihn liebe und 
ihm willig ihre Hand reichen werde. — Der 
tiefe Abscheu gegen den Elenden grub sich 
in ihre Seele — sie mochte ihm keinen Blick 
gönnen, obwohl sie fühlte, daß seine Augen 
auf sic gerichtet waren. 
Das sichere Auftreten Harriet's machte 
doch auf Feodor einige» Eindruck; er verlor 
etwas von seiner kecken Unverschämtheit, die 
er sonst gern zur Schau trug und sagte nach 
einigem Zögern: „Was ich mit ihrer 
Schwester zu sprechen habe, macht man 
reilich gern unter vier Augen ab; doch habe 
ich stets gewußt, was ich Damen schuldig 
bin und füge mich Ihrem Willen." er machte 
dabei gegen Harriet eine Verbeugung, dann 
trat er Mary einige Schritte näher und sich 
noch einmal räuspernd, fuhr er lebhafter fort, 
indem er seine rauhe Stimme nach Möglich 
keit zu mildern suchte: „Fräulein Mary, ich 
kann wohl ohne Umstände mit Ihnen sprechen? 
Sic wissen längst, wie es in meinem Herz 
en 
aussieht und auch ich schmeichle mir mit der 
Hoffnung, daß ich Ihnen nicht ganz gleich 
gültig geblieben bin." Er machte eine Pause 
um die Wirkung seiner Worte zu beobachten' 
Während Mary's Antlitz eine Zornesröthe 
bedeckte und sie ihre Entrüstung kaum nnter- 
drucken konnte, spielte um die Lippen Harriet's 
mi Lächeln Wie ernst und düster sich auch 
Alles gestaltet hatte, das Auftreten dieses 
Menschen war doch zu komisch und weckte 
unwillkürlich ihre Heiterkeit. Sie hakte dabei 
alle Mühe, durch Blicke und Zeichen einen 
Zornesaubruch ihrer Schwester zu unterdrücken. 
Feodor legte das Erröthen Mary's sowie 
ihr schüchternes Schweigen zu seinen Gunsten 
aus und begann mit stcigemder Sicherheit 
von Neuem: „Jeder Andere würde unter 
olchen Umstünden feinem Herzen einen 
Gnadenstoß gegeben haben; — aber meine 
Siebe ist echt, die kümmert sich nicht um die 
ganze Welt und deshalb komme ich, wo sie 
ganz allein und verlassen dastehen und biete 
Ihnen meine Hand, Sie und Ihre Schwester 
haben dann für immer' einen Beistand; wir 
wandern dann zusammen nach dem freien 
Amerika aus, dort fragt Niemand nach Ab 
stammung, Vater und Mutter und wir 
werden mit einander ein Leben wie im 
Paradiese führen. Schlagen Sie ein, mein 
üßes Herz! Er trat dicht an sie heran und 
hielt ihr die Hand hin. Sie mich mit der 
Miene tiefsten Abscheus einen Schritt zurück 
aber noch eh sie die Lippen öffnen und 
ihrem erbitterten Herzen Luft machen konnte, 
wandte sich Harnet rasch dem frechen 
Menschen zu und sagte mit erhobener Stimme: 
Mary und ich haben uns feierlich gelobt,
	        
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