Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 1)

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Bcumspreio: 
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Mo 98. 
Montag, öen 29 April 
1895. 
Morgen-Depeschen 
Berlin, 29. April. Der Herzog von 
Ochsen-Meiningen wird feiner leidenden 
Gesundheit wegen an der Einweihung des 
"vrd-Ostsee-Kanals nicht thcilnehmen 
Men; er verweilt zur Zeit mit seiner 
^mahlin in Italien. Dort hat er jetzt 
^'abia verlassen und in Castcllamare 
'vhnung genommen. 
^Berlin, 29. Avril. An der heutigen 
Atzung der Rcichstagskommis sion 
ļ ar Berathung des Antrag cs Kanitz 
şymen von der Regierung Staatssekretär 
■ Bötticher mit den Kommissaren und 
ķfh. Rath Schmidt vom Finanzministerium 
Mil. Ilbg. Dr. Lieber (Ctr ) beantragte, 
Verhandlungen stenographiren zu lassen, 
dieser Antrag wurde angenommen. Abg. 
staf Schwerin (kons.) sprach zunächst sein 
Mauern aus, daß die Regierung, bevor 
Reichstag entschieden, eine abweisende 
Haltung eingenommen habe und bat so- 
"°lln um Annahme folgenden Antrages: 
■®ie Kommission billigt den von den An- 
lsagstellern näher dargelegten allgemeinen 
oweck des Antrages, anstatt der bisherigen 
ŗeissteigerung durch Schutzzölle einen 
Usglejch der Getreidepreise auf mittlerer 
§vhe zu suchen; vorbehaltlich jeder weiteren 
lltschcidung sowohl über die Zweckmäßig 
st und Durchführbarkeit der vorgeschlagenen 
Mittel, als auch über die Preishöhe, bei 
»elcher ein Ausgleich wünschenswerth er- 
cheint." Ueber diesen Antrag entspinnt 
'ch eine längere Debatte. Hierauf wird 
Weiterberathung auf Dienstag, den 
■ 2lpri! vertagt. 
Berlin, 29. April. Der Aufruf des 
»unices für den Congreß der Stadtver- 
"ldneten und Magistratsmitglieder zum 
Zotest gegen die Umsturzvorlage 
nunmehr von dem Comitee versandt 
Garden mit einigen 40 Unterschriften, da- 
Mter Dr. Langerhans, Dr. Alberti-Wies° 
aden, Oberbürgermeister Bender-Breslau, 
t-iadtschulrath Bertram-Berlin, von Eicken- 
Dainburg, Frese-Bremen, Julius Funk- 
ì a âen, die Sladtverordnetenvorstände zu 
-.fße, Charloltenburg, Frankfurt et. Main, 
"4 Posen, Königsberg in Preußen, 
Msruhe, Danzig, Leipzig, ferner Jungfer- 
^guitz, Bürgermeister Kirschner > Berlin, 
nchel-Hanau, Feyboth-Müiichen, Wenzel- 
Homberg, Ehni-Stuttgart und Oberbürger- 
Nstêŗ Zelle-Berlin. Die Versammlung 
-"det statt am Sonntag, den 5. Mai, 
»rmittags 11 Uhr, im Kaiserhose zu 
krlin. Eingeladen sind: Bürgermeister, 
Magistratsmitglieder, Beigeordnete, Stadt- 
verordnete und Gemeindevertreter. Bei 
Verhinderung der Reise wird um schrift 
liche Zustimmungserklärung an Dr. Langer 
hans gebeten. Als Zweck des Congresses 
wird bezeichnet, eine Protesterhebung gegen 
die drohende Einschränkung der freien 
Meinungsäußerung durch die Umsturzvor 
lage. Es bedürfe einer öffentlichen Kund 
gebung, in welcher die allgemeine Miß 
billigung des Bürgerthums über die Vor 
lage in deutlicher Weise ausgesprochen 
werde. 
Berlin, 29. April. Der „Reichsanz “ 
sagt zu einer durch die Blätter gegangene 
Meldung der „Berl. Börsenztg.", wonach 
der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, gegen 
über den vollzogenen Thatsachen, vor welche 
ihn Minister von Köller betreffs der Um 
sturzvorlage gestellt hat, die Absicht des 
Rücktritts vom Amt zu erkennen gegeben 
haben soll und wonach eine unüberbrückbare 
Kluft zwischen Hohenlohe und Köller be 
steht, das sei wieder eine jener Meldungen, 
welche darauf berechnet seien, die Gemüther 
zu erregen, welche aber von Anfang bis 
zu Ende erfunden seien. Der Reichskanzler 
habe nicht die Absicht des Rücktritts vom 
Amt zu erkennen gegeben. Minister von 
Köller sei bei der Berathung der Umsturz 
vorlage weder Führer der Konservativen 
gewesen, noch habe er Bergleichsverhand 
tungen zwischen Centrum und Konservativen 
inspirirt. Von einer Kluft zlvischen dem 
Fürsten Hohenlohe und Herrn v. Köller 
sei absolut keine Rede. Die sämmtlichen 
Behauptungen jenes Artikels seien voll 
ständig unwahr. 
Berlin, 29 April. Tie Wahlprüsungs 
Kommission des Reichstages hat gestern 
beschlossen, die Wahl des Abg. v. Reibnitz 
(srs. Volksp.) Tilsit-Niederung zu bean 
standen und den Reichskanzler zu ersuchen, 
durch die preußische Regierung Beweis zu 
erheben. 
Berlin, 29. April. Die Reichstagsab- 
geordneten Ahlwardt und Dr. Boeckel 
sprachen gestern in öffentlicher Versamm 
lung über verschiedenartige Themata. Ahl- 
wardts Thema lautetet „Auf Deutsche, 
brecht die asiatischen Fesseln!" Dr. Boeckel 
hielt seine 50. Rede gegen die Umsturz 
vorlage. Ahlwardt verlangte in seiner 
Rede radikale Gesetze gegen die Juden, 
ferner verwahrte er sich gegen die Meinung, 
daß man die freiheitlichen Antisemiten zu 
„Anarchisten" stempeln wolle. Aus die 
Fuchsmühler Affaire eingehend, bezeichnete 
er dieselbe als einen Markstein in der 
Weltgeschichte. Aus dem kleinen Orte 
Fuchsmühl scheine das wiedererwachende 
Bolksbewußtsein von der Unveräußerlich 
keit seiner Rechne auszugehen 
ts 
ikate 
le halte 
ese zunl 
Boeckel wendete sich in scharfer Weise gegen 
die Umsturzvorlage und dem Parlamentaris 
mus, wo die Rechte des Volkes verschachert 
würden. Zuletzt sprach der Anarchist 
Wiese, welcher die Anarchisten als die 
allein das richtige Ziel verfolgenden Anti 
semiten bezeichnete und allen anderen 
Parteien den Untergang prophezeihle, weil 
sie von der Korruption ergriffen würden. 
Berlin, 29. April. Zur Angelegenheit 
des Herrn v. Kotze erfährt das „B. 
entgegen anderweitigen Mittheilungen aus 
sicherer Quelle, daß weitere „kavaliermäßige" 
Auseinandersetzungen für die Zeit nach 
der vorläufigen Wiederherstellung des ge 
nannten Herrn in sicherer Aussicht stehen. 
Herr v. Kotze soll in allen diesen Fällen 
diejenige Persönlichkeit sein, welche Ge 
nugthuung zu geben hat. 
Frankfurt a. M., 30. April. Die „Frkf. 
Ztg." meldet aus Paris: Heute früh fand 
ein schrecklicher Unglücksfall in Bouzey bei 
Epinal (Vogesen) statt. Das Reservoir 
des Ostkanals brach Plötzlich durch 
und verursachte ungeheure Verwüstungen. 
Viele Häuser in den umliegenden Ortschaf 
ten wurden weggerissen. 3 8 Menschen 
kamen ums Leben, 40 wurden weg 
geschwemmt und werden noch vermißt. Der 
Schaden beträgt mehrere Millionen. Der 
Minister ordnete telegraphisch Unterstützung 
der betroffenen Familien an. Die Eisen 
bahnverbinduugen sind gänzlich gestört. 
Paris, 28. April. Aus Epinal laufen 
weitere, schreckliche Einzelheiten über die 
Katastrophe von Bouzey ein. Bisher 
wurden 80 Leichen gefunden. Den Mate 
rialschaden schätzt man auf 50 Millionen. 
Der Präsident der Republik entsandte einen 
Offizier nach dort, welcher den Einwohnern 
der betroffenen Ortschaften Geldmittel über 
bringt. Der Minister des Innern hat 
ebenfalls einen hohen Beamten nach Epi- 
nal geschickt. Der Bautenminister trifft 
heute aus Toulon an der Unglücksstätte 
ein. Sein Cabinetsches und der Schiff 
fahrtsdirektor begaben sich gleichfalls dort 
hin. 
Paris, 29. April. Die Königin von 
England wird zum. Andenken an ihren 
diesjährigen Slufenthalt in Frankreich eine 
Gedenkmedaille prägen lasten. 
Warschau, 28. April. Es verlautet, 
daß der Generalgouverneur Schuwalow in 
Petersburg Aufklärung verlangen werde 
über das von ihm gemißbilligtc Verhalten 
mehrerer Warschauer Behörden, welche be 
haupten, aus Petersburg geheime Instruk 
tionen erhalten zu haben. 
Bcuedig, 28. April. Gestern Abend ging 
hier ein starker Hagelschlag nieder, der in 
der Stadt und in der Umgebung großen 
Schaden anrichtete. 
Paßt auf I 
Der dem Abgeordnetenhause in Berlin 
vorliegende Entwurf eines neuen Stempel- 
stenergcsetzes, das ebensosehr als das 
UmsturzgesetzindasöffentlicheLeben 
eingreift und wogegen sich keine Hand rührt, 
greift auch tief in das Wesen der Credit- 
Genoffenschasten ein. Wohl mit jeder 
Creditgenossenschaft ist eine Sparkasse ver 
bunden, die derselben die zum Betriebe 
nothwendigen Gelder zuführt. In den 
neuen Provinzen Preußens sind die Spar 
kassenbücher der Creditvereine bezügl. Ein- 
lagen von 150 Mk. und mehr auf Grund 
der Allerh. Cabinetsordre vom 19. Juli 
1867 für Hannover, Kurhessen und Nassau 
resp. vom 7. August 1867 für Schleswig- 
Holstein, resp. vom 16. August 1867 für 
Frankfurt a. M. „gesetzlich" stem pel 
frei. In den 8 alten Provinzen Preußens 
liegt die Sache etwas anders. Auch dort 
waren die Sparkassenbücher auf Grund 
der Allerh. Cabinetsordre vom 8. März 
1847 stempelfrei. Die Verwaltungs- 
Praxis und die Rechtssprechung trugen in 
deß eine Einschränkung in die Cabinets 
dahingehend hinein, daß dieselbe „nur' 
zu Gunsten der sog. öffentlichen Sparkassen 
d. h. die der Communen und Kreise, nicht 
aber für die nichtöffentlichen Sparkassen 
erlassen sei. Darnach sollten alle Spar 
kassenbücher bezügl. jeder Einlage von 
150 Mk. und darüber der Creditvereine 
in den „alten" Provinzen stempelpflichtig 
sein. Diese Last zn tragen, war den Per 
einen sehr schwer möglich und sie halfen 
sich dadurch, daß sie die Ausgabe von 
Sparkassenbüchern ausgaben und sich mit 
Bescheinigungen über Einzahlungen be 
gnügten, wobei den Einzahlern die Be 
dingungen über Verzinsung und Rück 
zahlung seitens der Kasse separat eröffnet 
lvurde. 
In den neuen Provinzen war eine der 
artige einschränkende Interpretation der 
Allerhöchsten Erlasse infolge ihrer klaren 
Fassung nicht möglich und so bestand eine 
völlige Ungleichheit zwischen den Sparkassen 
der Creditvereine in „Alt-" und „Neu-" 
Preußen. Diese Ungleichheit will jetzt der 
dem Abgeordnetenhause vorliegende Stempel- 
steuergesctzentwurf einfach beseitigen, aber 
nicht dadurch, daß den Kassen der Credit- 
vereine in Altpreußcn die ursprünglich ge- 
habte Stempelfreiheit wieder gegeben werde, 
sondern dadurch, daß den Vereinen in 
Neupreußen ihr gesetzliches Rechtder Stempel- 
sreiheit bezüglich ihrer Sparkassenbücher 
ohne Weiteres genommen wird. Dabei ist 
der Wortlaut des neuen Gesetzes noch 
derart, daß durchaus nicht feststeht, ob die 
Aushülfe, welcher die Vereine in Altpreußen 
sich bedienen, auch für die Zukunft möglich 
sein wird. Der dem Gesetz beigegebene 
Stempeltaris stellt einfach jede Bescheinigung 
über eine gemachte Einlage bei einer sog. 
nichtöffentlichen Sparkasse unter die Rubrik 
der stempelpflichtigen „Schuldverschrei 
düngen" In Altpreußen waren die 
Creditvereinc stetig den Bemühungen des 
Stempelfiscals ausgesetzt, sie zur Stempelung 
bezüglich ihrer ausgegebenen Bescheinigungen 
zu ersassen, meist allerdings nicht mit Er 
folg. Für die Zukunst wird die Erfassung 
der Vereine bei dieser Rubricirung des 
Gesetzes nicht so schwer sein, es sei denn, 
daß rn dem Gesetz durch das Abgeordneten- 
Haus ausdrücklich klar und bestimmt aus 
gesprochen tvird, daß ;ene Bescheinigungen 
stempelfrei sein und bleiben sollen. 
Es liegt auf der Hand, daß den Credit- 
vereinen das Leben geradezu genommen 
wird, wenn man den Zufluß ihrer Existenz- 
mittel unter so harte Steuer legt. Wollen 
die Vereine sich dann die absolut nöthige 
Geldquellen erhalten, so müssen sie die 
Stempel tragen, weil sonst die Einleger 
sich den sog. öffentlichen Sparkassen zu 
wenden werden. Um die Steuer aber 
wieder einzubringen, wird den Vereinen- 
nur übrig bleiben, ihren Mitgliedern höhere 
Zinsen für die Darlehen abzunehmen. Und 
da tritt ein unlöslicher Widerspruch zu 
Tage: Auf der einen Sette erschallt überall 
-der Ruf nach Hülse für den bedrängten 
Mittelstand, aus dem sich die Mitglieder 
der Creditvereine zumeist rekrutiren, und 
auf der anderen Seite will man diesem 
Mittelstände die einzige, finanzielle Hülfs- 
quelle durch eine neue Steuer vertheucrn. 
Der Widerspruch ist in diesem Falle absolut 
unlöslich, er kann nur dadurch beseitigt 
werden, daß der Stempelsteuergesetzentwurf 
in diesem Punkte nicht Gesetz wird. 
Dazu tritt ein noch kaum verständlicher 
Der Falschmiinjer. 
Novelle von Ludwig Habicht. 
k"^ ann nia 8 Gesetz zwischen uns cnt- 
JļKļibeit." Er raffte die Goldstücke vom 
°ven auf und auf's Tiefste verwundert eilte 
hinweg, fest einschlössen, auf dem Prozeß- 
He sein gules Recht zu verfolgen. Er 
. te in seiner Aufregung sogleich zu einem 
vokalen und ließ die Klage gegen Blackbird 
Ahängig machen . . . 
ļ- - . • . Wenn er auch sonst 
L, to S e ff cn sorgfältig aus dem Wege ging, 
„^inal mußte er eine Ausnahme machen, 
‘ c « war er seiner Ehre schuldig. Blackbird 
Äite in seiner Nachbarschaft; ließ er die 
4°che auf sich sitzen, so war sein Ruf auf 
»?0cr gefährdet und er käme noch in den 
^chachl eines Betruges. 
Der Advokat hatte ihm gesagt, daß der 
, vstige AuSgang der Sache gar nicht zweifei- 
sPft sei; nur werde cr seine Angabe be- 
. müssen und Waxmann fühlte fick 
Dļjj* diese Auskunft sehr beruhigt. Er konnte 
Sg! gutem Gewissen die Wahrheit seiner 
Wuptung beeiden. 
n ņach Hause kam, merkten sein 
s t Ater nicht im Mindesten, welche Aufregung 
^ urchgemacht; um sie nicht erst zu benn- 
ltzsşôen, verschwieg er ihnen auch die fatale 
ej ş. llchtc; nur seinem Schwiegersohn theilte 
und dieser billigte vollkommen sein 
Kahren. 
àokar hatte Recht gehabt; es wurde 
ein Ş zuerkannt, den er ab- 
und der Verklagte mußte die acht 
Ulsd or erstatten. 
ehemaligen Geschäftsfreundes zu untergraben 
und wo gäbe eö nicht willige Zungen, die 
eben Gehörtes, irgend eine Verleumdung, eifrig 
weiter verbreiteten? Es ist so hübsch und er 
quickend, von einem Nebenmcnschen die 
schlimmsten Geschichten so ganz im Vertrauen 
sich in's Ohr zu flüstern. Ze tiefer man 
die Andern in den Staub treten konnte, je 
höhtr steigt ja das eigene werthe Ich. Auch 
über Waxmann waren bald die ehrenrührig 
sten Gerüchle im Umlauf: „Er habe dennoch 
falsch geschivoren, das sei gar keine Frage, 
könne doch der Mann Niemand ehrlich an 
sehen." Jetzt erinnerte man sich auch, daß 
er nicht einmal ein Engländer sei und er 
eigentlich gar kein Vertrauen verdiene. Mr. 
Blackbird aber schwur hoch und theuer, daß 
er dem elenden Falschmünzer schon das 
Handwerk legen wolle und bald hatte sich die 
öffentliche Meinung, die beim Zerrädern eines 
Rufes rasch bei der Hand ist, über Waxmann 
gebildet. — 
@r lebte ganz zurückgezogen von aller Welt, 
hatte schon mehrfach falsche Louisd'or in 
Umlauf zu setzen gesucht, und wenn ihm 
dies nicht gelungen, die Ausgabe der falschen 
Goldstücke Anderen in die Schuhe geschoben; 
kein Zweise!, daß er ein Betrüger, wenn 
nicht am Ende selbst Falschmünzer war, wie 
Blackbird andeuteie, ohne freilich eine Namen 
zu nennen. 
Der Ruf Waxmanns war damit vernichtet, 
man wich ihm ans und zeigte ihm offenbare 
Verachtung. Waxmaun war viel zu stolz, 
um dem Benehmen seiner Nachbarschaft irgend 
welche Beachiung zu schenken; er hatte mit 
diesen Leuicn niemals in einem näheren Ver 
kehr gestanden und wenn ihm ein „guter 
Freund" vertraulich mittheilen wollte, welch' 
abscheuliche Gerüchte über ihn im Unilauf 
seien, wies er ihn ohne Weiteres kalt zurück 
Trotzdem drangen ihm Gerüchte zu Ohren, 
daß Blackbird nach einer Gelegenheit trachte, 
sich an ihm zu rächen und einige neue Un 
annehmlichkeiten, die ihm zustießen, glaubte 
er auf Rechnung der Bosheit dieses Mannes 
setzen zu müssen. 
Seit der ihm selbst höchst fatalen 
Angelegenheit mit Blackbird war er jetzl bei 
Annahme von Gold die Vorsicht selber. Er 
ließ jedes Stück vorher durch einen Gold 
schmied prüfen, unbekümmert darum, wie sehr 
er durch sein Mißtrauen die Leute vor den 
Kopf stieß. Deshalb hatte er dafür nur ein 
ruhiges Lächeln, wenn man ihn jetzt zuweilen 
Goldstücke als unecht zurückbrachte, die cr 
irgendwo in Zahlung gegeben. Das konnte 
nur ein Anschlag des rachsüchugen Blackbird 
sein, der nun das Messer umkehren und 
gegen ihn selbst richten wollte. Er vermochte 
nachzuweisen, von wem er sein Geld erhalten, 
es war durch einen Sachverständigen als echt 
crkanul worden und in seinem Gcldschrank 
konnte es sich nicht plötzlich in eine falsche 
Münze verwandelt haben; er wies also mit 
großer Bestimmtheit die ihm wahrhaft komisch 
dünkende Behauptung zurück, daß er uun 
selbst diese unechten Goldststücke ausgegeben. 
Seine hartnäckige Weigerung des Umtausches 
erhöhte nur das Mißtrauen, das gegen ihn 
zu herrschen begann und verbreitete sich in 
immer weitere Kreise. 
Der gute Ruf Waxmaun's litt weit mehr 
unter diesen Umständen, als er selbst zu ahnen 
vermochte. Unbekümmert um das düstere 
Gewölk, das sich über seinem Haupte 
zusammenballte, ging er seines Weges. Je 
mehr ihn die Leute mieden und heimlich 
verlästerten, je höher hob er den Kopf. Es 
war zu lächerliches Geschwätz, das sein 
Ansehen in den Augen aller Einsichtigen und 
Vernünftigen nicht untergraben konnte. Was 
härmte ihn dies alberne Gerede; seitdem 
Feodor wirklich nichts mehr von sich sehen 
und hören ließ, konnte ein solch' unbedeutender 
Umstand seine Gemüthsrnhe nicht erschüttern; 
er war im Kreise der Seinen glücklicher denn 
je und mit der zärtlichsten Sorge bereitete er 
Alles zu der bevorstehenden Hochzeit seiner 
Tochter vor, die schon in wenigen Tagen 
gefeiert werden sollte. — 
Mary hatte die größte Stille und Ein 
fachheit vorgezogen; aber der Vater konnte 
diesmal den Wunsch der geliebten Tochter 
nicht erfüllen. Er mußte der Welt zeigen, 
daß er Vermögen besaß, um den Verlust 
einiger Goldstücke sehr leicht verschmerzen zu 
können und daß ihn bei seiner Handlungs 
weise kein anderer Umstand geleitet, als das 
volle Bewußtsein des unerschütterlichsten 
Rechtes. Deshalb sollte die Hochzeit so 
glänzend wie möglich gefeiert werden, eine 
Menge angesehener Gäste wurden geladen 
und das Haus festlich geschmückt. 
Die Ausstattung allein nahm viele Tausende 
in Anspruch und der Vater schien ängstlich 
darauf zu siuneu, daß Alles in reichster und 
bester Weise vorhanden sei. Auch die Vor 
bereitungen zur Hochzeit kosteten ein hübsches 
Sümmchen und Waxmann war genöthigt 
gewesen, aus der englischen Bank, wo er den 
größten Theil seiner Ersparnisse niedergelegt, 
einen bedeutenden Betrag zu erheben. Er 
hatte in neuester Zeit die Annahme des ihm 
förmlich vcrhängnißvoll gewordenen Goldes 
verweigert, um allen Chicanen aus dem 
""ege zu gehen. Bei der Bank mußte er 
freilich vou dieser gcübren Praxis Abstand 
nehmen; hier war auch jede Vorsicht über 
flüssig, die Bank haftete für die Echtheit 
ihres ausgegebenen Geldes und obwohl er 
die Goldstücke so viel wie möglich beim Auf 
zählen einer scharfen Controle unterzog, steck 
er sie doch sorglos in seine Börse, um so 
mehr, als sie den kleinsten Theil der aus 
gezahlten Summe ausmachten. 
Uebermorgen schon sollte die Hochzeit 
gefeiert werden. Waxmann wollte seine 
-ttochler überraschen und ihr noch einen 
kostbaren Brillanffchmuck kaufen. Wirklich 
fand er auch bei einem Juwelier der Nachbar- 
fchafr einen Schmuck, der all' seinen An 
forderungen entsprach. Er wählte mit Absicht 
diesen Laden, um den Leuten zu zeigen, über 
welche Summen er verfügen konnte. Auch 
über den Preis wurde man einig, der freilich 
etwas höher war, als er veranschlagt hatte. 
Die mirgebrachien Banknote» wollten nicht 
reichen, cr mußte noch einige Goldstücke hin 
legen. Kaum hatte er sie auf den Tisch 
ausgezählt und der Juwelier auf die Münzen 
einen Blick geworfen, da rief der Letztere 
sogleich: „Diese Goldstücke sind falsch." 
„Ich habe sie direkt aus der Bank erhalten," 
entgegnete Waxmann ruhig. 
„Sie sind falsch," wiederholte der Juwelier 
mit der Sicherheil eines gewiegten Kenners. 
„Das ist unmöglich." 
Statt aller Antwort unterwarf der Gold 
schmied die Goldstücke einer Prüfung. „Ich 
habe mich nicht getäuscht, sie sind falsch," 
rief er lriumphirend. 
„Gestern erst habe ich dies Geld aus der 
Bank empfangen." 
„Ich zweifle keinen Augenblick an der 
Wahrhett ihrer Angaben," entgegnete der
	        
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